9. Februar 2004

 

 

Bericht

des Ausschusses 3

Staatliche Institutionen

 

Mandat:

Der Österreich-Konvent hat dem Ausschuss 3 die folgenden Themenbereiche zur Vorberatung zugewiesen:

Aufbau des Staates (Bund, Länder, Gemeinden, Selbstverwaltung), Wahlen, Verfassungsautonomie, Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips sowie der EU-Rechtsetzung.

Im Einzelnen ergeben sich dazu folgende Fragestellungen:

A)    Bund

1)      Legislative

a)      Nationalrat

-          Zahl der Mitglieder

-         Wahlen zum Nationalrat
insbesondere:

            Wahlsystem

Kreis der Wahlberechtigten

Ausgestaltung

-         Organisation

b)      Bundesrat
insbesondere:

-         Bestellung/Organisation

-         Aufgaben

c)      Weg der Bundesgesetzgebung

-         Verfassungsrechtliche Erfordernisse

d)      Mitwirkung an der Vollziehung

[Parlamentarische Kontrolle = Ausschuss 8]

2)      Exekutive

a)      Bundespräsident
insbesondere:

-         Wahl/Organisation

-         Aufgaben

b)      Bundesregierung
insbesondere:

-         Bestellung

-         Willensbildung - Geschäftsordnung - Verantwortung

B)     Länder

1)      Legislative/Landtage

2)      Exekutive/Landesregierung, insbesondere Landeshauptmann

C)    Gemeinden

1)      Bundesverfassungsgesetzliche Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung
insbesondere: Normsetzungsrechte

2)      Gemeindeverbände
insbesondere: „Aktivierung“ des Art. 120 B‑VG (Gebietsgemeinden)?

3)      Möglichkeiten der Übertragung von Gemeindeaufgaben auf staatliche Behörden

[Struktur der Organe der Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden = Ausschuss 6]

D)    Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen

1)      Zahl der staatlichen Ebenen unter Berücksichtigung der EU-Ebene

2)      Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
insbesondere:

a)      Art. 15a B‑VG - Vereinbarung - self-executing?

b)      Gemeinsame Einrichtungen

E)     Verfassungsautonomie
insbesondere: bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben für die Länder

F)     Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip, EU-Rechtsetzung)
insbesondere:

1)      Neuformulierung des Art. 18 B‑VG?

2)      Erfordernis der gesetzlichen Umsetzung von EU-Richtlinien?

G)    Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen der Europäischen Union (Art. 23c B‑VG)

Zeitplan

Der Ausschuss hat dem Präsidium spätestens Ende Jänner 2004 einen schriftlichen Bericht (gegebenenfalls mit Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der Beratungen vorzulegen.

 

Mitglieder des Ausschusses und deren Vertretung:

Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger           (Vorsitzender)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer          (stellvertretende Vorsitzende)

Dr. Maria Berger                                  (fallweise vertreten durch Dr. Johannes Schnizer)

Ing. Georg Griessner

Dr. Jörg Haider                                    (fallweise vertreten durch Univ.Prof. Dr. Wilhelm Brauneder)

Johann Hatzl

Prof. Herwig Hösele

Prof. Albrecht Konecny

Dr. Peter Kostelka

DDr. Karl Lengheimer

Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer

Helmut Mödlhammer                            (fallweise vertreten durch Dr. Robert Hink)

Mag. Siegfried Nagl                              (fallweise vertreten durch Dr. Christian Buchmann bzw.                                                             Mag. Ulrike Schebach-Huemer)

Dr. Madeleine Petrovic             (fallweise vertreten durch Dr. Eva Glawischnig)

Dr. Michaela Pfeifenberger

Bernd Vögerle

 

Seitens des Büros des Österreich-Konvents wurde die fachliche Ausschussunterstützung von Dr. Clemens Mayr wahrgenommen.

 

Der Ausschuss hat seinen Beratungen keine externen Experten beigezogen.

 

 

Sitzungen des Ausschusses:

Der Ausschuss hat sich am 11. September 2003 konstituiert und die Themen, die sich aus dem vom Präsidium erteilten Mandat ergeben, in sieben Sitzungen - davon fünf ganztägig - vorberaten, und zwar am 11. September 2003, am 14. Oktober 2003, am 11. November 2003, am 20. November 2003, am 16. Dezember 2003, am 7. Jänner 2004 und am 30. Jänner 2004.

 

 

Allgemeiner Teil

 

Über das bei den Vorberatungen erzielte Ergebnis wird der nachstehende Bericht erstattet. Dazu wird Folgendes vorausgeschickt:

Die Gliederung des Berichts entspricht der des - dem Ausschuss erteilten - Mandates. Neben den ausdrücklich im Mandat enthaltenen Punkten hat es der Ausschuss - in Absprache mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 5 - als zweckmäßig angesehen, auch die Art. 23a, 23e und 23f B‑VG zu behandeln.

Im Sinne des ihm erteilten Mandates hat der Ausschuss die im Mandat angeführten Themen (bzw. Subthemen) dahingehend geprüft, ob ein bundesverfassungsgesetzlicher Änderungsbedarf gegeben ist und - bejahenden Falles - welche Reformoptionen dafür bestehen; so weit möglich hat der Ausschuss konkrete Formulierungsvorschläge ausgearbeitet.

Der Bericht gibt das Ergebnis der Vorberatungen im Ausschuss zu den einzelnen von diesem behandelten Themen wieder: Soweit dabei kein Konsens erzielt werden konnte, erachtete es der Ausschuss als zweckmäßig und auch für die weitere Arbeit im Präsidium bzw. im Plenum des Österreich-Konvents förderlich, die unterschiedlichen Positionen sowie die dafür jeweils ins Treffen geführten Argumente zu dokumentieren, um auf diese Weise einen Beitrag zur künftigen Konsensfindung zu leisten.

Bei manchen, vom Ausschuss zu behandelnden Fragen hat sich in den Vorberatungen herausgestellt, dass eine abschließende Meinungsbildung vom Ergebnis der Vorberatungen in anderen Ausschüssen, deren Vorberatungen noch nicht abgeschlossen sind, abhängt. In diesen Fällen hat sich der Ausschuss bemüht, zumindest eine vorläufige Position zu formulieren. Der Ausschuss geht diesbezüglich - die Zustimmung des Präsidiums vorausgesetzt - davon aus, dass er seine Vorberatungen zu diesen Fragen zu gegebener Zeit wieder aufnimmt und abschließt.

Abgesehen davon hat sich auch bei anderen vom Ausschuss zu behandelnden Fragen ergeben, dass sie mit Themen zusammenhängen, die vom Mandat anderer Ausschüsse erfasst sind. Darauf wird im Bericht jeweils ausdrücklich aufmerksam gemacht.

Der vom Vorsitzenden des Ausschusses verfasste und von den Mitgliedern des Ausschusses zustimmend zur Kenntnis genommene Bericht ist von dem Bemühen getragen, die in den Vorberatungen jeweils vertretenen - sei es auch unterschiedlichen - Positionen wiederzugeben und somit abweichende Stellungnahmen einzelner Ausschussmitglieder entbehrlich zu machen.

Schließlich bringt der Ausschuss seine Bereitschaft zum Ausdruck, sich zu einem späteren Zeitpunkt - allenfalls aufbauend auf dem Ergebnis der diesbezüglichen Beratungen im Präsidium des Österreich-Konvents - zu einzelnen Themen des dem Ausschuss erteilten Mandates erneut zu äußern, insbesondere zu solchen, zu denen im Ausschuss noch kein Konsens erzielt werden konnte bzw. zu denen mehrere Textvarianten vorgelegt worden sind.

 

1. Bund

1.1. Legislative

1.1.1. Nationalrat

1.1.1.1. Zahl der Mitglieder

Die Zahl der Abgeordneten zum Nationalrat ist derzeit nicht bundesverfassungsgesetzlich, sondern bloß einfachgesetzlich, nämlich in § 1 Abs. 1 der Nationalrats-Wahlordnung 1992, geregelt.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Zahl der Mitglieder des Nationalrates auch künftig nicht bundesverfassungsgesetzlich geregelt werden sollte.

Er lässt sich dabei zum einen davon leiten, dass eine verfassungspolitische Notwendigkeit, diesen Gegenstand bundesverfassungsgesetzlich zu regeln, nicht besteht. In der Zweiten Republik wurde die entsprechende bundesgesetzliche Regelung bloß einmal geändert, und zwar durch die Nationalrats-Wahlordnung 1970 im Wege der Anhebung der Zahl der Abgeordneten des Nationalrates von 165 auf 183. Im Hinblick auf die allgemeine Zielsetzung des Konvents, den Text der von ihm auszuarbeitenden Verfassung auf das verfassungspolitisch Notwendige zu beschränken, empfiehlt sich daher die Beibehaltung der geltenden Rechtslage, also der Verzicht auf eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung.

Als Basis für seine diesbezüglichen Vorberatungen hat der Ausschuss einen Rechtsvergleich mit den Regelungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz angestellt. Daraus ergibt sich, dass von den Staaten, die von ihrer Bevölkerungszahl her mit Österreich einiger Maßen vergleichbar sind, einige mehr Abgeordnete in der ersten bzw. einzigen Kammer des nationalen Parlaments haben (Finnland 200, Griechenland 300, Portugal 230, Schweden 349, Schweiz 200), einige aber auch weniger (Belgien 150, Dänemark 179, Irland 166, die Niederlande 150). Insbesondere im Hinblick auf das Ergebnis dieses Rechtsvergleiches vermag der Ausschuss auch hinsichtlich der geltenden einfachgesetzlichen Regelung der Zahl der Abgeordneten, nämlich 183, keinen Änderungsbedarf zu erkennen.

 

 

1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat

1.1.1.2.1. Wahlsystem

1.1.1.2.2. Kreis der Wahlberechtigten

1.1.1.2.3. Ausgestaltung

Die Wahl des Nationalrates ist in Art. 26 B‑VG geregelt. Der Ausschuss spricht sich dafür aus, diese Bestimmung zu ändern.

Einigkeit besteht darüber, dass sämtliche Wahlrechtsgrundsätze im B‑VG kodifiziert werden sollten und daher auch der derzeit im B‑VG nicht ausdrücklich genannte Grundsatz der freien Wahl (im Sinne des Art. 8 des Staatsvertrages von Wien und Art. 3 des 1. ZPEMRK) in den Text des Art. 26 B‑VG aufgenommen werden soll, sowie auch darüber, dass die Regelung des Art. 26 Abs. 7 B‑VG (Anlegung der Wählerverzeichnisse) auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene entbehrlich ist.

Über den Inhalt der weiteren Änderungen bestehen jedoch unterschiedliche Auffassungen. Diese lassen sich im Wesentlichen zu folgenden Positionen zusammenfassen:

a) In legistischer Hinsicht treten einige Mitglieder des Ausschusses dafür ein, eine einheitliche Regelung über die Grundsätze des Wahlrechts für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten - allenfalls im Kontext des Art. 1 B‑VG betreffend das demokratische Prinzip oder als Grundrechtsbestimmung - zu schaffen. Dafür wird vor allem ins Treffen geführt, dass auf diese Weise die fundamentale Bedeutung des Wahlrechts zu den genannten allgemeinen Vertretungskörpern für das demokratische Prinzip, aber auch die Einheitlichkeit der diesbezüglichen Standards für sämtliche „staatliche“ Ebenen zum Ausdruck gebracht würde. Demgegenüber wird zu Bedenken gegeben, dass spezielle bundesverfassungsgesetzliche Regelungen für die einzelnen dieser Wahlen (Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahl) dadurch nicht gänzlich entbehrlich würden und der Gestaltungsspielraum der Länder zur Regelung der Wahlen zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten mehr als erforderlich beschränkt sein könnte.

b) Abgesehen davon werden zu einer Neufassung des Art. 26 B‑VG im Wesentlichen die folgenden Varianten in die Diskussion eingebracht:

ba) Nach einer Position[1] soll Art. 26 B‑VG dahin gehend abgeändert werden, dass der Grundsatz der Verhältniswahl nicht mehr bundesverfassungsgesetzlich normiert wird, sondern die Festlegung des Wahlsystems dem Wahlrechtsgesetzgeber (und zwar mit einfacher Mehrheit) vorbehalten bleibt. Weiters besteht diese Position auch darin, dass die Briefwahl als eine gleichwertige Form der Stimmabgabe neben der Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde vorgesehen und die Einführung von E‑Voting bei Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze nicht ausgeschlossen wird.

Gegen diese Position werden von einer Reihe von Ausschussmitgliedern, für die der Grundsatz der Verhältniswahl einen essentiellen Bestandteil der repräsentativen Demokratie im Sinne der österreichischen Verfassungstradition darstellt, Bedenken geäußert. Hinsichtlich der Stimmabgabe, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt, wird von einigen Mitgliedern des Ausschusses vorgebracht, dass die Briefwahl und in noch höherem Maße E‑Voting in einem Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der persönlichen, geheimen und freien Wahl steht. Diese Ausschussmitglieder treten dafür ein, dass die Stimmabgabe, die nicht vor einer Wahlbehörde erfolgt, stets nur den Ausnahmefall bilden dürfe.

bb) Eine andere Position[2] besteht darin, den Art. 26 B‑VG im Wesentlichen zu belassen, in den Details aber die folgenden Änderungen vorzusehen:

Dem wird insbesondere Folgendes entgegengehalten: Von einer Reihe von Ausschussmitgliedern wird die Absenkung des Wahlalters auf das vollendete 16. Lebensjahr - als auf keinem objektiven Kriterium beruhend - abgelehnt. Von einigen Ausschussmitgliedern wird weiters die Einführung des Familienwahlrechts zur Diskussion gestellt. Bedenken werden auch gegen ein Abgehen vom Bürgerzahlprinzip sowie gegen die Aufhebung des Art. 26 Abs. 5 B‑VG geäußert.

bc) Schließlich wird noch die folgende Position[4] vertreten:

Die bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über die Wahl des Nationalrates könnten darauf reduziert werden, dass im B‑VG lediglich die Wahlrechtsgrundsätze (diesfalls einschließlich des allgemeinen Wahlrechts) normiert werden. Die nähere Ausführung dieser Grundsätze in der Nationalrats-Wahlordnung sollte aber - soweit sie verfassungspolitisch „sensible“ Bereiche betrifft - einer Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit (2/3-Mehrheit) vorbehalten werden (etwa im Sinne der Regelung des Art. 26 Abs. 6 letzter Satz B‑VG in der geltenden Fassung).

Gegen den Typus des einfachen Gesetzes, über das - generell oder partiell - mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen ist, wird von manchen Ausschussmitgliedern vorgebracht, dass es sich dabei um eine „halbherzige Lösung“ handle. Abgesehen davon wird diesbezüglich das Ergebnis der Vorberatungen des Ausschusses 2 abzuwarten sein.

 

1.1.1.3. Organisation des Nationalrates

Dieser Themenbereich betrifft vor allem die Art. 27 bis 33 B‑VG. Der Ausschuss hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Fragen a) der Dauer der Gesetzgebungsperiode, b) der Diskontinuität zwischen den Gesetzgebungsperioden bei der Behandlung von Volksbegehren sowie c) der zweckmäßigen Intensität der bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über die Organisation des Nationalrates beraten.

a) Einige Mitglieder des Ausschusses treten dafür ein, die Dauer der Gesetzgebungsperiode des Nationalrates auf fünf Jahre zu verlängern, andere dafür, die geltende Regelung (vier Jahre) beizubehalten.

Der Vorschlag, die Legislaturperiode zu verlängern, wird vor allem damit begründet, dass der Zeitraum von vier Jahren, der sich aus Art. 27 Abs. 1 B‑VG ergibt, in der Praxis um die Zeiten des Wahlkampfes bzw. der Regierungsbildung verkürzt werde und darüber hinaus in der Vergangenheit eine Reihe von Legislaturperioden durch Beschluss des Nationalrates vorzeitig beendet worden sei. Durch eine Verlängerung der Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre könnte somit der für die „politische Arbeit“ de facto zur Verfügung stehende Zeitraum verlängert werden; dies entspräche dem Interesse der Bevölkerung an einer effizienten Arbeit sowohl der Bundesregierung als auch des Nationalrates. Dem wird entgegen gehalten, dass eine Verlängerung der Legislaturperiode eine erhebliche Einschränkung der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung darstelle.

Ein zu dieser Frage angestellter Rechtsvergleich mit den Verfassungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz hat ergeben, dass in zehn Staaten die Legislaturperiode vier Jahre dauert, in fünf Staaten hingegen fünf Jahre. Die Wahlperiode des Europäischen Parlaments beträgt ebenfalls fünf Jahre. Eine Untersuchung der tatsächlichen Dauer der Gesetzgebungsperioden des Nationalrates hat ergeben, dass in der Zweiten Republik von bisher 17 Legislaturperioden sechs rd. vier Jahre, neun länger als drei Jahre und zwei kürzer als zwei Jahre dauerten.

b) Zu Art. 28 Abs. 4 B‑VG (Grundsatz der Diskontinuität der Arbeiten des Nationalrates zwischen den Gesetzgebungsperioden) wurde Folgendes erwogen:

Während zu Folge dieser Bestimmung die Arbeiten bei Eröffnung einer neuen Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode nach dem Stand fortgesetzt werden, in dem sie sich bei Beendigung der letzten Tagung befunden haben, herrscht - nach diesbezüglich einhelliger Lehre - zwischen zwei Gesetzgebungsperioden Diskontinuität. Alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren müssen daher in der neuen Gesetzgebungsperiode neu initiiert werden. Im Ausschuss besteht Einvernehmen darüber, dass der Grundsatz der Diskontinuität beibehalten werden sollte; allerdings mit folgender Einschränkung: Auch Volksbegehren sind mangels abweichender Regelungen vom Grundsatz der Diskontinuität erfasst. Dies wurde in der Vergangenheit - insbesondere angesichts des Aufwandes, den ein Volksbegehren für die betreibenden Personen mit sich bringt, - mitunter als unzweckmäßig kritisiert. Dazu wird im Ausschuss überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Grundsatz der Diskontinuität zwischen zwei Gesetzgebungsperioden hinsichtlich der Behandlung von Volksbegehren nicht gelten sollte.[5]

Erwägenswert erscheint es freilich auch, Art. 28 Abs. 4 B‑VG entfallen zu lassen und durch eine Regelung in der Geschäftsordnung des Nationalrates (GOG-NR) zu ersetzen; diesfalls wäre auch eine bundesverfassungsgesetzliche Sonderregelung für Volksbegehren entbehrlich.

c) Darüber hinaus ist der Ausschuss der Auffassung, dass eine Reihe von Regelungen in den Art. 27 bis 33 B‑VG nicht auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene getroffen werden müsste, sondern in der Geschäftsordnung des Nationalrates (GOG-NR) normiert werden sollte.

So besteht im Ausschuss Konsens darüber, dass die Befugnisse des Bundespräsidenten gemäß Art. 27 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 bis 3 B‑VG (betreffend die Einberufung des Nationalrates zu Tagungen und die Erklärung der Beendigung der Tagungen des Nationalrates) entfallen sollten. Diese Befugnisse sollten im GOG-NR geregelt werden und dem Präsidenten des Nationalrates zukommen. Entbehrlich erscheint demnach insbesondere auch Art. 27 Abs. 2 zweiter Satz B‑VG (rechtzeitige Anordnung der Nationalratswahl durch die Bundesregierung); hiefür erscheint eine Regelung in der Nationalrats-Wahlordnung (NRWO) ausreichend.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass diesfalls auch die Regelung des Art. 25 Abs. 2 B‑VG betreffend die Befugnis des Bundespräsidenten, den Nationalrat für die Dauer außerordentlicher Verhältnisse in einen anderen Ort als Wien zu berufen, entfallen und durch eine Regelung im GOG-NR ersetzt werden könnte, die diese Befugnis dem Präsidenten des Nationalrates einräumt. Gleiches trifft auch für die Regelung des Art. 39 Abs. 1 B‑VG betreffend die Befugnis des Bundespräsidenten, die Bundesversammlung einzuberufen, zu. Diese Befugnis könnte dem Vorsitzenden der Bundesversammlung zukommen.

Der Ausschuss ist weiters der Auffassung, dass auch die Abs. 5 und 6 des Art. 28 B‑VG entfallen und durch eine Regelung im GOG-NR ersetzt werden könnten.

Zu Art. 29 Abs. 1 B‑VG (Befugnis des Bundespräsidenten, den Nationalrat aufzulösen) wird auf die Ausführungen zu Pkt. 1.2.1.2. Bundespräsident/Aufgaben verwiesen.

Art. 29 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG (Verpflichtung zur Wahlausschreibung für die Bundesregierung) erscheint in jedem Fall - also auch dann, wenn sich an der Befugnis des Bundespräsidenten, den Nationalrat aufzulösen, nichts ändert - entbehrlich; die entsprechende Regelung könnte vielmehr in der NRWO getroffen werden.

Der Ausschuss ist überwiegend der Auffassung, dass Art. 29 Abs. 2 B‑VG (vorzeitige Auflösung des Nationalrates durch Beschluss desselben) weiterhin gelten sollte. Um zu vermeiden, dass aus einem Entfall der dahin gehenden Bestimmung im Verfassungsrang gegenteilige Schlüsse gezogen werden, sollte die entsprechende Regelung weiterhin im B‑VG normiert werden.

Zu Art. 29 Abs. 3 B‑VG (Dauer der Gesetzgebungsperiode in Fällen der Selbstauflösung und des Zeitablaufes): Diese Bestimmung sieht - ebenso wie Art. 27 Abs. 1 B‑VG - vor, dass in den Fällen der vorzeitigen Selbstauflösung des Nationalrates sowie des Zeitablaufs die Gesetzgebungsperiode bis zu dem Tag dauert, an dem der neu gewählte Nationalrat zusammentritt; e contrario ergibt sich daraus, dass im Falle der Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten (Art. 29 Abs. 1 B‑VG) sowie nach Ablehnung der Absetzung des Bundespräsidenten durch Volksabstimmung (Art. 60 Abs. 6 B‑VG) die Gesetzgebungsperiode mit sofortiger Wirkung beendet wird. Im Ausschuss wird vereinzelt die Auffassung vertreten, dass auch für die zuletzt genannten Fälle die Dauer der Gesetzgebungsperiode bis zu dem Tag gelten sollte, an dem der neu gewählte Nationalrat zusammentritt.

Dazu ist noch Folgendes anzumerken: Wenn die Befugnis des Bundespräsidenten, den Nationalrat aufzulösen, entfallen soll (siehe dazu unten Pkt. 1.2.1.2.), dann würde für eine solche Regelung kein Bedarf mehr bestehen.

Weiters könnte für den Fall der Neufassung des Art. 29 Abs. 3 B‑VG im Sinne der vorstehenden Überlegungen auch die Regelung des Art. 55 Abs. 3 letzter Satz B‑VG entfallen, wonach im Falle der Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten gemäß Art. 29 Abs. 1 B‑VG die sonst dem Nationalrat (Hauptausschuss) zustehende Mitwirkung an der Vollziehung dem ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses obliegt. Sinngemäß das Gleiche trifft für den ständigen Unterausschuss gemäß Art. 51c Abs. 1 zweiter Satz B‑VG (Mitwirkung des Nationalrates an der Haushaltsführung) zu.

Art. 30 Abs. 1 (Wahl der Nationalratspräsidenten) und Abs. 2 B‑VG (Erlassung eines Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates mit qualifizierter Mehrheit) sollen nach Meinung des Ausschusses unverändert auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene bestehen bleiben.

Für die in Art. 30 Abs. 3 bis 6 B‑VG enthaltenen Regelungen gilt dies jedenfalls insoweit, als sie - in Ausnahme von Art. 19 Abs. 1 B‑VG betreffend die obersten Organe - die Stellung des Präsidenten des Nationalrates als oberstes Verwaltungsorgan sowie die Ausübung der Diensthoheit über die Bediensteten der Parlamentsdirektion betreffen, aber auch für die Organisation der Parlamentsdirektion in Bezug auf den Bundesrat.

Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass Art. 31 B‑VG (betreffend das Beschlussquorum) beibehalten werden soll; einzelne Ausschussmitglieder halten eine diesbezügliche Regelung im GOG-NR für ausreichend.

Die Art. 32 (Öffentlichkeit der Nationalratssitzungen) und 33 B‑VG (sachliche Immunität) werden vom Ausschuss als elementare Bestandteile der Regelung des Nationalrates angesehen und sollen daher im B‑VG verbleiben.

 

1.1.2. Bundesrat

Dieser Themenbereich betrifft vor allem die Art. 24, 34 bis 37, 42 und 44 Abs. 2 B‑VG.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass in diesem Bereich ein besonders dringender Änderungsbedarf besteht, weil der Bundesrat derzeit seine primäre Aufgabe, die Interessen der Länder in der Bundesgesetzgebung zu wahren, nicht ausreichend effektiv wahrnehmen kann, was freilich nicht allein an den einschlägigen bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen liegt.

Konsens besteht auch darüber, dass es zur Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates keine zweckmäßige Alternative gibt, insbesondere nicht in Form der unmittelbaren Mitwirkung der (einzelnen) Länder selbst.

Im Übrigen ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Frage der zweckmäßigen bundesverfassungsgesetzlichen Regelung der Bestellung, der Zusammensetzung und der Aufgaben des Bundesrates entscheidend vom Ergebnis der Vorberatungen des Ausschusses 5 über die Neuordnung der Kompetenzverteilung in der Gesetzgebung sowie gegebenen Falles auch der Vorberatungen des Ausschusses 6 über die Neuordnung der Verwaltung, insbesondere über das weitere Schicksal der mittelbaren Bundesverwaltung, abhängt. Der Ausschuss erachtet es daher als zweckmäßig, sich - die Zustimmung des Präsidiums vorausgesetzt - nach Vorliegen der Ergebnisse dieser Vorberatungen erneut und abschließend mit diesen Fragen zu befassen.

Unbeschadet dessen ist schon vorweg Folgendes festzuhalten:

Für eine funktionelle Reform des Bundesrates wird insbesondere über die folgenden Optionen zu befinden sein:

Für eine allfällige organisatorische Reform des Bundesrates wäre über die folgenden Optionen zu befinden:

Die diesbezüglichen Vorberatungen des Ausschusses lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass der Bundesrat zu einem früheren Zeitpunkt als bisher in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden soll. Von einigen Mitgliedern des Ausschusses wird dazu die gleichzeitige, parallele Befassung des Nationalrates und des Bundesrates mit einer Gesetzesvorlage vorgeschlagen. Das konkrete Mitwirkungsverfahren könnte je nach Materie spezifisch ausgestaltet werden. Das nahezu generelle suspensive Veto nach der Beschlussfassung durch den Nationalrat wird überwiegend als nicht zweckmäßig erachtet. Gegen eine mögliche Ausweitung des absoluten Vetos werden von mehreren Ausschussmitgliedern Bedenken geäußert.

Zur Frage der Bestellung der Mitglieder des Bundesrates wird von mehreren Ausschussmitgliedern die Entsendung von Landtagsabgeordneten vorgeschlagen. Verschiedentlich wird die Einbeziehung der Landeshauptmänner bzw. weiterer Mitglieder der Landesregierung als zweckmäßig angeregt. Dagegen werden vereinzelt Bedenken im Hinblick auf die Vermischung von Legislative und Exekutive vorgebracht.

Von einigen Ausschussmitgliedern wird die Auffassung vertreten, dass der Bundesrat zu einer Länder- und Gemeindekammer ausgestaltet werden sollte.

Von mehreren Ausschussmitgliedern wird angeregt, den Bundesrat als das zentrale Organ der Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes zu installieren und ihm die Ausübung auch der anderen, derzeit vorgesehenen Mitwirkungsmechanismen zu Gunsten der Länder in Bundesangelegenheiten (etwa Zustimmung der einzelnen Länder zur Kundmachung von Bundesgesetzen, Konsultationsmechanismus u.a.) zu übertragen. Ziel sollte es sein, allenfalls bestehende Doppelgleisigkeiten zu vermeiden.

 

1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung

1.1.3.1. Verfassungsrechtliche Erfordernisse

Dieser Themenbereich betrifft die Art. 41 bis 49b B‑VG. Zu den damit zusammenhängenden Fragen betreffend die Stellung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren wird auf die Ausführungen unter Pkt. 1.1.2. hingewiesen.

Weiters wurde dazu Folgendes erörtert:

Auch diejenigen, die für eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung des Begutachtungsverfahrens eintreten, meinen überwiegend, dass ein Begutachtungsverfahren nur für Regierungsvorlagen und auch dafür bloß „im Regelfall“ vorgesehen werden sollte (so dass ein Verstoß gegen diese Regelung für sich allein nicht zur Verfassungswidrigkeit des [nachfolgenden] Gesetzesbeschlusses führt).[6] Vereinzelt wird gefordert, dabei auch eine Mindest(begutachtungs)frist zu normieren, und weiters angeregt, das Begutachtungsrecht nicht nur für Gebietskörperschaften und gesetzliche Interessenvertretungen, sondern auch für Nichtregierungsorganisationen vorzusehen.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Gegenposition stellen insbesondere eine entsprechende Regelung im Bundesministeriengesetz oder in der vorzusehenden Geschäftsordnung der Bundesregierung zur Erwägung.

Ein zur Frage einer allfälligen Regelung des Begutachtungsverfahrens angestellter Rechtsvergleich mit den Verfassungen der übrigen EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz hat ergeben, dass eine solche nur in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, und dort auch nur sehr eingeschränkt, vorgesehen ist. Art. 147 der Schweizerischen Bundesverfassung lautet:

Artikel 147. Vernehmlassungsverfahren  Die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse und anderer Vorhaben von großer Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme eingeladen.“

Davon abgesehen sieht der Ausschuss in dieser Hinsicht keinen Änderungsbedarf, wobei angemerkt wird, dass die mit dem Weg der Bundesgesetzgebung zusammenhängenden Fragen der Instrumente der direkten Demokratie (vgl. vor allem die Art. 41 Abs. 2, 44 Abs. 3 und 49b B‑VG) vom Mandat des Ausschusses 8 erfasst sind.

 

1.1.4. Mitwirkung der Gesetzgebung an der Vollziehung

In dieser Hinsicht besteht nach Meinung des Ausschusses auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene kein Änderungsbedarf.

Hingewiesen wird auf die allfällige Änderung des Art. 55 Abs. 3 B‑VG im Zusammenhang mit dem ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses, die dann zweckmäßig sein könnte, wenn der von einigen Ausschussmitgliedern vertretenen Auffassung gefolgt wird, der zu Folge Art. 29 Abs. 3 B‑VG entfallen könnte (siehe dazu oben Pkt. 1.1.1.3. Organisation des Nationalrates).

 

1.2. Exekutive

1.2.1. Bundespräsident

1.2.1.1. Wahl/Organisation

Die Bestellung des Bundespräsidenten im Wege der Volkswahl ist im Ausschuss grundsätzlich unbestritten geblieben. In Frage gestellt könnte sie dann sein, wenn nach einer allfälligen Änderung des Kataloges der dem Bundespräsidenten zukommenden Aufgaben (siehe dazu unten Pkt. 1.2.1.2.) staatspolitisch besonders bedeutsame Befugnisse entfielen und im Hinblick darauf die Volkswahl nicht mehr gerechtfertigt erscheinen könnte.

Vereinzelt wird die Zweckmäßigkeit der Regelung betreffend die Immunität und die rechtliche Verantwortlichkeit des Bundespräsidenten (Art. 63 und 68 iVm 142 B‑VG) in Frage gestellt. Diese Fragen werden im Ausschuss 8 behandelt werden.

Vereinzelt wird auch einer Verlängerung der Amtsperiode des Bundespräsidenten ohne Wiederwahlmöglichkeit das Wort geredet.

 

1.2.1.2. Aufgaben

a) Dazu werden im Wesentlichen die folgenden beiden Positionen vertreten:

aa) Eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses meint, dass dem Bundespräsidenten - als einem monokratischen Organ - keine Aufgaben mehr zukommen sollten, die ihm einen dominierenden Einfluss gegenüber anderen direkt oder indirekt demokratisch legitimierten Staatsorganen, die kollegial organisiert sind, einräumen. Dem gemäß sollten seine Befugnisse zur Auflösung des Nationalrates (Art. 29 Abs. 1 B‑VG) sowie eines Landtages (Art. 100 B‑VG) und zur Ernennung und Entlassung der (Mitglieder der) Bundesregierung (Art. 70 B‑VG) entfallen (zu den Konsequenzen einer derartigen Änderung siehe unten Pkt. 1.2.2.1.). Dem Bundespräsidenten sollte aber die Befugnis eingeräumt werden, - nach Art eines „Ombudsmannes“ – Missstände aufzuzeigen, bei Gesetzes- oder Vollziehungsmängeln Abhilfe zu schaffen und positivrechtlich entstandene Härten zu beseitigen; für diese Befugnisse ebenso wie für jene gemäß Art. 65 Abs. 2 lit. c und d B‑VG (Begnadigung u.ä; Legitimation unehelicher Kinder) sollte - im Hinblick auf die unmittelbare demokratische Legitimation des Bundespräsidenten – keine Antragsbindung bestehen.

ab) Eine Reihe anderer Mitglieder des Ausschusses tritt dem gegenüber dafür ein, die Befugnisse des Bundespräsidenten zur Ernennung und Entlassung der Bundesregierung und zur Auflösung des Nationalrates beizubehalten. Der durch die Volkswahl legitimierte Bundespräsident verfüge gegenüber dem Nationalrat und der Bundesregierung über eine gewisse Unabhängigkeit; diese sei ein Element der Gewaltenteilung und befähige den Bundespräsidenten, gegenüber den genannten Organen eine gewisse kontrollierende Funktion auszuüben. Es sei durchaus sinnvoll, dass die Bundesregierung des Vertrauens sowohl des Nationalrates als auch des Bundespräsidenten bedürfe und daher über eine „doppelte Legitimation“ verfügen müsse. Schon aus diesem Grund sollte eine entscheidende Schwächung des Amtes des Bundespräsidenten nicht erwogen werden. Im Zusammenhang mit den Regelungen des B‑VG für einen allfälligen politischen Konflikt zwischen dem Bundespräsidenten und der Nationalratsmehrheit bzw. der Bundesregierung wird vereinzelt vorgeschlagen, Art. 60 Abs. 6 B‑VG dahingehend zu ändern, dass ein Beschluss des Nationalrates, eine Volksabstimmung zur Absetzung des Bundespräsidenten zu initiieren, mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann. Da die Ablehnung der Absetzung des Bundespräsidenten durch Volksabstimmung die Auflösung des Nationalrates zur Folge hat, bestehe auch keine Gefahr, dass die einfache Mehrheit allzu leichtfertig von diesem weit reichenden Instrument Gebrauch macht. In Frage gestellt wird in diesem Zusammenhang, ob eine Befassung der Bundesversammlung für die Durchführung einer Volksabstimmung notwendig ist.

Von den Vertreterinnen und Vertretern dieser Auffassung wird auch eine Umgestaltung der Rolle des Bundespräsidenten zu der eines „Oberombudsmannes“ skeptisch gesehen: Unklar sei insbesondere, nach welchen Kriterien und mit welchen Ressourcen der Bundespräsident eine derartige „Quasi-Rechtsschutzfunktion“ ausüben solle.

b) Konsens besteht darüber, dass die Befugnisse des Bundespräsidenten im Zusammenhang mit der Einberufung und Beendigung der Tagungen des Nationalrates entfallen sollten (siehe dazu oben Pkt. 1.1.1.3.).

c) Der Ausschuss tritt überwiegend für den Entfall jener – „antiquiert“ erscheinenden - Befugnisse des Bundespräsidenten ein, die sich aus bestimmten einstigen monarchischen Vorrechten herleiten, wie etwa das in Art. 65 Abs. 2 lit d B‑VG vorgesehene Recht, uneheliche Kinder zu legitimieren; auch jene Mitglieder, die dafür eintreten, sind jedoch unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die in Art. 65 Abs. 2 lit. c B‑VG geregelte Befugnis der Begnadigung und der Abolition sowie die in Art. 65 Abs. 3 B‑VG vorgesehene Befugnis, außerordentliche Zuwendungen, Zulagen und Versorgungsgenüsse u.ä. zu gewähren, gleichfalls entfallen sollten.

d) Vereinzelt wird auch ein Entfall des Notverordnungsrechtes (Art. 18 Abs. 3 bis 5 B‑VG) sowie der Kompetenz zur Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (Art. 146 Abs. 2 B‑VG) bzw. eine Reduzierung oder Präzisierung dieser Regelungen vorgeschlagen. Hinsichtlich des Notverordnungsrechtes ist zu beachten, dass nach dem Vorbild der entsprechenden Bestimmungen in Art. 18 B‑VG eine ähnliche Regelung für die Landesebene (Art. 97 Abs. 3 und 4 B‑VG) getroffen wurde, die im Falle einer Neuformulierung der Regelungen über das Notverordnungsrecht ebenfalls anzupassen wäre.

 

1.2.2. Bundesregierung

1.2.2.1. Bestellung

Dabei geht es im Wesentlichen um Art. 70 B‑VG.

Entsprechend den Ausführungen zu Pkt. 1.2.1.2. (Bundespräsident/Aufgaben) bestehen dazu insofern divergierende Positionen, als eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses dafür eintritt, dass die Befugnis des Bundespräsidenten zur Ernennung bzw. Entlassung der (Mitglieder der) Bundesregierung entfallen soll, während die übrigen Mitglieder des Ausschusses für die Beibehaltung der geltenden Rechtslage eintreten.

Ausgehend von der erstgenannten Auffassung erhebt sich die Frage, wie die Bestellung und Entlassung der (Mitglieder der) Bundesregierung diesfalls geregelt werden soll. Dazu wird von den Befürworterinnen und Befürwortern dieser Auffassung die Meinung vertreten, dass auf die Stammfassung des B‑VG, BGBl. Nr. 1/1920, zurückgegriffen werden sollte, wonach die Bundesregierung durch den Nationalrat zu wählen ist.[9]

Ventiliert wird - freilich nur vereinzelt - weiters eine Regelung im Sinne der Art. 63 f des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, wonach der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt wird, die Bundesminister hingegen auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt werden.[10]

Vereinzelt wird weiters vorgeschlagen, den vom Bundespräsidenten zu erteilenden „Regierungsbildungsauftrag“ sowie eine positive „Vertrauensabstimmung“ im Nationalrat über eine vom Bundespräsidenten neu bestellte Bundesregierung bundesverfassungsgesetzlich vorzusehen; ferner wird angeregt, die Zahl der Mitglieder der Bundesregierung bzw. der Staatssekretäre (siehe dazu vor allem Art. 77 f B‑VG) bundesverfassungsgesetzlich zu regeln. Von der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses werden derartige Regelungen jedoch nicht als zweckmäßig erachtet.

 

1.2.2.2. Willensbildung - Geschäftsordnung - Verantwortung

In diesem Zusammenhang geht es vor allem um die Art. 69 sowie 71 bis 76 B‑VG.

Es besteht Konsens darüber, dass die Erlassung einer Geschäftsordnung der Bundesregierung bundesverfassungsgesetzlich vorgesehen werden soll.[11]

Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob in dieser Geschäftsordnung auch Regelungen über die Vertretung einzelner Mitglieder der Bundesregierung für den Fall ihrer Verhinderung getroffen werden sollen oder ob diese Frage weiterhin bundesverfassungsgesetzlich geregelt werden soll (vgl. Art. 69 Abs. 2 [Vertretung des Bundeskanzlers] und Art. 73 B‑VG [Vertretung eines Bundesministers]). Vereinzelt wird dazu angemerkt, dass die geltenden Vertretungsregelungen in Art. 73 B‑VG (deren Fassung im Wesentlichen auf die B‑VG-Novelle BGBl. I Nr. 87/1997 zurückgeht, also erst vor wenigen Jahren geschaffen wurde) einfacher gestaltet werden sollten.

Im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung der Bundesregierung wird von einigen Mitgliedern des Ausschusses aus Gründen der Transparenz der Meinungs- und Willensbildung der Bundesregierung gefordert, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung jedenfalls der Tagesordnung der Sitzungen der Bundesregierung und der dabei gefassten Beschlüsse vorzusehen.

Eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses tritt weiters dafür ein, auch das Beschlussquorum, und zwar im Sinne des Erfordernisses der Einstimmigkeit, im B‑VG zu regeln.[12] (Derzeit wird - ohne ausdrückliche Regelung - von der herrschenden Lehre und der Judikatur angenommen, dass Beschlüsse der Bundesregierung der Einstimmigkeit bedürfen.)

Unterschiedlich wird die Frage beurteilt, ob eine Beschlussfassung im Umlaufwege (und zwar - dies ist unbestritten - diesfalls unter Mitwirkung sämtlicher Mitglieder der Bundesregierung) ermöglicht werden soll.[13]

Zur Frage der Verantwortlichkeit der so genannten einstweiligen Bundesregierung gemäß Art. 71 B‑VG vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass die einstweilige Bundesregierung im Sinne des Art. 71 B‑VG der selben Verantwortlichkeit unterliegt wie die „definitive“ Bundesregierung. Insbesondere kann der Nationalrat einem Mitglied einer einstweiligen Bundesregierung gemäß Art. 74 Abs. 1 B‑VG das Vertrauen versagen (mit der Konsequenz der Amtsenthebung) oder gegen ein Mitglied einer einstweiligen Bundesregierung gemäß Art. 142 B‑VG Anklage beim Verfassungsgerichtshof erheben.

Weiters wird vereinzelt angeregt, bundesverfassungsgesetzlich klarzustellen, dass ein Mitglied der (einstweiligen) Bundesregierung, dem vom Nationalrat das Misstrauen ausgesprochen wurde, nicht mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betraut werden darf.

 

2. Länder

2.1. Legislative/Landtage

Die Gesetzgebung der Länder ist in den Art. 95 bis 100 B‑VG geregelt.

a) Was das Anliegen einer einheitlichen bundesverfassungsgesetzlichen Regelung über die Grundsätze des Wahlrechtes für die Wahlen zum Nationalrat, zu den Landtagen und zu den Gemeinderäten anlangt, so wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Pkt. 1.1.1.2. verwiesen.

Unstrittig ist auch für die Wahlen zu den Landtagen die Ergänzung der Auflistung der Wahlrechtsgrundsätze um das freie Wahlrecht.

b) Zur Wahl des Landtages im Besonderen bestehen im Ausschuss im Wesentlichen die folgenden Positionen:

ba) Eine Reihe von Mitgliedern tritt dafür ein, die diesbezüglich geltende Regelung des Art. 95 B‑VG grundsätzlich beizubehalten. Insbesondere sollte auch der Grundsatz der Verhältniswahl ausdrücklich normiert werden, wobei ergänzend auch eine Mindestprozentklausel (von 4 bzw. 5%) vorgesehen werden sollte. Weiters wird angeregt, in Art. 95 Abs. 3 B‑VG für die Verteilung der Abgeordneten auf die Wahlkreise an Stelle des derzeit geltenden Bürgerzahlprinzips auf die Zahl der Wahlberechtigten bzw. der Wohnbevölkerung abzustellen.[14]

bb) Eine Reihe anderer Mitglieder des Ausschusses spricht sich dem gegenüber dafür aus, die Verfassungsautonomie der Länder in diesem Bereich zu stärken und ihnen insbesondere die Regelung des Wahlsystems (also gegebenen Falles auch der Mehrheitswahl) und der Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde zu erfolgen hat (vor allem also der Briefwahl und des E‑Voting) zu ermöglichen.[15]

Unbeschadet des zuletzt genannten Aspektes besteht im Ausschuss Einvernehmen darüber, dass bundesverfassungsgesetzlich (zumindest) dafür Vorkehrung getroffen werden sollte, dass bei Landtagswahlen (und auch bei Gemeinderatswahlen) die selben Möglichkeiten zur Stimmabgabe außerhalb des Wahlgebietes bestehen sollten wie bei Nationalratswahlen (vgl. Art. 26 Abs. 6 letzter Satz B‑VG; § 60 NRWO).

c) Vereinzelt wird auch gefordert, in Österreich ansässigen Ausländern (über das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger hinaus) das Wahlrecht auf Landes- und Gemeindeebene einzuräumen. Dem wird vereinzelt entgegengehalten, dass das kommunale Wahlrecht vom generellen Recht der Staatsbürger auf demokratische Mitbestimmung in allgemeinen Wahlen nicht abgekoppelt werden sollte.

d) Zu Art. 97 Abs. 2 B‑VG (Zustimmungsrecht der Bundesregierung, insoweit ein Landesgesetz die Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung vorsieht) wird vereinzelt angeregt, dem Landesgesetzgeber durch eine klarere Regelung mehr Sicherheit zu geben, ob mit einer Zustimmung der Bundesregierung gerechnet werden kann. Vereinzelt wird betont, dass das Zustimmungsrecht jedenfalls insoweit erhalten bleiben muss, als es um die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes geht.

e) Von einer Reihe von Mitgliedern des Ausschusses wird die Auffassung vertreten, dass Art. 98 B‑VG (Einspruchsrecht der Bundesregierung gegen Gesetzesbeschlüsse der Landtage) entfallen könnte; andere Ausschussmitglieder sind der Ansicht, dass diese Frage erst nach Vorliegen des Ergebnisses der Vorberatungen des Ausschusses 5 betreffend die Neuordnung der Kompetenzverteilung in der Gesetzgebung abschließend beurteilt werden sollte.

f) Zu Art. 99 B‑VG (Verfassungsautonomie der Länder) wird auf die Ausführungen unter Pkt. 5 hingewiesen.

g) Ob die Befugnis des Bundespräsidenten, einen Landtag aufzulösen (Art. 100 B‑VG), entfallen soll, ist in Zusammenhang damit zu sehen, ob dem Bundespräsidenten weiterhin die Befugnis zukommen soll, gemäß Art. 29 B‑VG den Nationalrat aufzulösen (siehe dazu Pkt. 1.2.1.2.).

 

2.2. Exekutive/Landesregierung, insbesondere Landeshauptmann

Die grundlegenden Regelungen über die Vollziehung der Länder finden sich in den Art. 101 bis 106 B‑VG, im Bundesverfassungsgesetz über die Ämter der Landesregierung und in § 8 Abs. 5 des Übergangsgesetzes 1920.

Hinsichtlich der Wahl der Mitglieder der Landesregierung (Art. 101 Abs. 1 B‑VG) bestehen im Ausschuss die folgenden divergierenden Positionen:

·        Änderung des Art. 101 Abs. 1 B‑VG dahin gehend, dass die Bestellung der Mitglieder der Landesregierung durch Landesverfassungsgesetz zu regeln ist, was insbesondere auch ermöglichte, die Direktwahl des Landeshauptmannes vorzusehen.[16]

Im Übrigen besteht im Ausschuss Konsens darüber, dass die Regelungen des B‑VG betreffend die Exekutive der Länder reduziert und jene des Bundesverfassungsgesetzes über die Ämter der Landesregierung bzw. des § 8 Abs. 5 des Übergangsgesetzes 1920 - so weit sie noch für erforderlich gehalten werden – in das B‑VG inkorporiert werden könnten.[17]

Entbehrlich erscheint im Besonderen die Regelung des Art. 101 Abs. 4 B‑VG (Angelobung des Landeshauptmannes durch den Bundespräsidenten). Divergierende Auffassungen bestehen darüber, ob im B‑VG eine Regelung betreffend die Landeshauptmännerkonferenz getroffen werden soll.

Was die Bestimmungen des B‑VG betreffend die Bundeshauptstadt Wien (Art. 108 bis 112) betrifft, so besteht Einvernehmen darüber, dass vor allem im Hinblick auf Art. 116 Abs. 1 erster Satz B‑VG (Gliederung jedes Landes in Gemeinden) eine bundesverfassungsgesetzliche (Sonder)Regelung erforderlich ist. Eine Reihe von Mitgliedern tritt dafür ein, die diesbezüglich geltende Bestimmung des Art. 108 B‑VG beizubehalten. Andere Mitglieder vertreten die Auffassung, dass dem Wiener Landesverfassungsgesetzgeber diesbezüglich Regelungsautonomie eingeräumt werden sollte.[18]

Was die Art. 109 (mittelbare Bundesverwaltung) und 111 B‑VG (oberste Kollegialbehörden in Angelegenheiten des Bau- und Abgabenwesens) betrifft, so ist eine abschließende Beurteilung eines allfälligen Änderungsbedarfes erst nach Vorliegen des Ergebnisses der Vorberatungen des Ausschusses 6 (mittelbare Bundesverwaltung) und des Ausschusses 9 (Landesverwaltungsgerichtsbarkeit) möglich.

 

3. Gemeinden

3.1. Bundesverfassungsgesetzliche Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung, insbesondere Normsetzungsrechte

3.2. Gemeindeverbände, insbesondere: „Aktivierung“ des Art. 120 B‑VG (Gebietsgemeinden)

3.3. Möglichkeiten der Übertragung von Gemeindeaufgaben auf staatliche Behörden

Die Möglichkeit, die bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen betreffend die Gemeinden (Art. 115 bis 120 B‑VG), die weitaus detaillierter sind als – beispielsweise – die vergleichbaren Bestimmungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu reduzieren, wird von den Mitgliedern des Ausschusses überwiegend skeptisch eingeschätzt.

Mehrheitlich wird die Auffassung vertreten, dass auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene Vorsorge dafür getroffen werden sollte, dass Änderungen im Bestand der Gemeinden nur dann möglich sein sollten, wenn die Mehrheit der Wahlberechtigten in jeder der davon betroffenen Gemeinden zugestimmt hat.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Gemeinde- und Bezirksebene die derzeitige Struktur beibehalten oder ob vermehrt Aufgaben, die bisher von den Bezirkshauptmannschaften besorgt werden, auf die (inter)kommunale Ebene verlagert werden sollen. Die unterschiedlichen Auffassungen resultieren im Wesentlichen aus Folgendem: Unter den Mitgliedern des Ausschusses herrscht keine Einigkeit darüber, bei welcher Größe eine Verwaltungseinheit bestimmte Aufgaben am effizientesten erledigen kann - für eine vermehrte Verlagerung auf größere Einheiten wird die dort im Regelfall bessere Ressourcenausstattung ins Treffen geführt; die Befürworterinnen und Befürworter einer Zuweisung von Verwaltungsaufgaben an kleine Einheiten argumentieren mit der größeren Bürgernähe des entscheidenden Organs und einer daraus resultierenden besseren Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen.

Von den Befürworterinnen und Befürwortern einer Aufgabenverlagerung auf die (inter)kommunale Ebene wird vor allem vorgeschlagen, das Institut der Stadt mit eigenem Statut (Art. 116 Abs. 3 B‑VG) auszubauen; dabei wird das Modell ventiliert, die Verleihung eines eigenen Statuts im Sinne der derzeit geltenden Regelung, also dann, wenn Landesinteressen hiedurch nicht gefährdet werden, schon für Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern zu statuieren, und für Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern einen Anspruch auf Verleihung eines eigenen Statuts vorzusehen; einzelne Mitglieder des Ausschusses sprechen sich in diesem Zusammenhang auch dafür aus, das Erfordernis der Zustimmung der Bundesregierung entfallen zu lassen. Von einigen Mitgliedern des Ausschusses wird darüber hinaus auch das Modell einer (eines) „Region (Gemeindeverbandes) mit eigenem Statut“ ventiliert.

Dem gegenüber spricht sich eine Reihe von Mitgliedern dafür aus, die bestehende Behördenstruktur, im besonderen der Bezirkshauptmannschaften, beizubehalten. Dazu wird vor allem vorgebracht, dass schon der Ausbau des Instituts der Stadt mit eigenem Statut, vor allem aber die Schaffung von Gemeindeverbänden bzw. Regionen mit eigenem Statut zu einer komplizierten und für die Bevölkerung schwer durchschaubaren Behördenstruktur führen würde; vereinzelt wird darüber hinaus die Befürchtung geäußert, dass damit ein erster Schritt zur Aufgabe des Prinzips der Einheitsgemeinde gesetzt würde.

Divergierende Auffassungen gibt es auch darüber, ob eine Demokratisierung auf der Bezirksebene wünschenswert ist.

Eine „Aktivierung“ des Art. 120 B‑VG wird seitens des Ausschusses nicht als zweckmäßig erachtet. Gleichwohl wird aber von einigen Mitgliedern die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung beibehalten werden sollte, um eine allfällige zukünftige Schaffung von „Gebietsgemeinden“ nicht auszuschließen; andere treten für die Aufhebung des Art. 120 B‑VG ein.

Weitgehender Konsens besteht dahin gehend, dass die Möglichkeiten für Gemeinden, Gemeindeverbände zu bilden, gegenüber der derzeitigen Regelung in Art. 116a B‑VG erweitert werden sollten. Insbesondere sollten derartige Verbände nicht nur zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches und vor allem auch bezirks- bzw. länderübergreifend möglich sein.

Divergierende Auffassungen bestehen darüber, ob und - bejahenden Falles - wie die demokratische Struktur von Gemeindeverbänden verbessert und die unterschiedliche Größe der verbandsangehörigen Gemeinden Berücksichtigung finden könnte.

Einvernehmen besteht darüber, dass die – wünschenswerte – Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit, aber auch der allfällige Ausbau des Instituts der Stadt mit eigenem Statut entsprechende finanzverfassungs- bzw. finanzausgleichsrechtliche Vorkehrungen erforderte. Diese Fragen wären vom Ausschuss 10 zu behandeln.

Eine realistische Alternative zum Modell der „abstrakten Einheitsgemeinde“ wird – wie wohl die Probleme dieses Modells vom Ausschuss nicht verkannt werden – nicht gesehen.

Was die Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen anlangt, so wird ein dem Ausschuss vorgelegter Textvorschlag des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, wonach die Gemeinde auch Verwaltungsstrafbestimmungen erlassen und vollziehen kann, weitgehend befürwortet.[19]

Auch was die Übertragung der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf staatliche Behörden anlangt, wird ein diesbezüglicher Vorschlag des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, wonach der Gemeinde prinzipiell ein Anspruch auf Übertragung sowie gegebenen Falles auch auf Aufhebung der Übertragungsverordnung eingeräumt werden soll, weitgehend befürwortet.[20]

Hinsichtlich einer möglichen Neufassung des Art. 119a Abs. 5 B‑VG (Vorstellung gegen einen Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches) vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass die diesbezüglichen Ergebnisse der Vorberatungen im Ausschuss 9 betreffend die allfällige Einführung von Landesverwaltungsgerichten abgewartet werden sollte, ehe diese Frage abschließend beurteilt wird.

 

4. Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen

4.1. Zahl der staatlichen Ebenen unter Berücksichtigung der EU-Ebene

Dazu wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die „Abschaffung“ einer Ebene wohl nicht in Betracht komme; überhaupt sei das Bild von drei (Bund, Länder, Gemeinden) bzw. vier (+ Bezirke) staatlichen Ebenen zu relativieren. Wesentlich sei vielmehr eine möglichst zweckmäßige Zuweisung der staatlichen Aufgaben zu den einzelnen Ebenen und die Schaffung möglichst kurzer Instanzenzüge.

Zur Frage des Verhältnisses zwischen Gemeinde- und Bezirksebene und einer allfälligen Neugestaltung der Bezirksebene wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Pkt. 3. Gemeinden verwiesen.

 

4.2. Neue Formen der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

4.2.1. Art. 15a B‑VG - Vereinbarung - self-executing?

Eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses vertritt die Auffassung, dass das Regelungsinstrument der Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung kompliziert und umständlich zu handhaben sei. Auch wenn der Bedarf nach länderübergreifender Kooperation anerkannt werde, werde die Ermöglichung von unmittelbar anwendbaren Vereinbarungen dieser Art wegen der damit verbundenen Probleme hinsichtlich der demokratischen Legitimation sowie der Kontrollmöglichkeiten durch den Verfassungsgerichtshof skeptisch beurteilt. Ein gänzlicher Entfall dieses Regelungsinstruments wird aber auch von dieser Seite nicht angeregt. Von einzelnen Ausschussmitgliedern wird allerdings die Ansicht geäußert, dass „bundesweite“ Vereinbarungen gemäß Art. 15a B‑VG (somit zwischen allen Ländern bzw. zwischen dem Bund und allen Ländern) jedenfalls entbehrlich wären; ein Bedarf nach derartigen Vereinbarungen wäre vielmehr ein Indiz für die Zweckmäßigkeit einer Regelung auf der nächst höheren Ebene, also der des Bundes.

Dem gegenüber vertreten andere Mitglieder des Ausschusses die Auffassung, dass Art. 15a B‑VG in der Weise geändert werden sollte, dass self-executing Vereinbarungen ermöglicht werden.[21]

Darüber hinaus wird von einigen Mitgliedern des Ausschusses die Auffassung vertreten, dass auch die Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, als mögliche Vertragsparteien von Vereinbarungen gemäß Art. 15a B‑VG vorgesehen werden sollten.[22] Dazu wird vereinzelt angemerkt, dass eine derartige Vertragsabschlusskompetenz für den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund dann nicht vorgesehen werden sollte, wenn durch solch eine Vereinbarung Berechtigungen oder Verpflichtungen einzelner Gemeinden normiert werden. Andere Ausschussmitglieder vertreten die Auffassung, dass einzelnen Gemeinden die Möglichkeit des Abschlusses von Vereinbarungen gemäß Art. 15a B‑VG nicht eröffnet werden sollte.

Von einigen Mitgliedern wird weiters vorgeschlagen, - abgesehen von Art. 15a B‑VG - den Gebietskörperschaften, insbesondere auch einzelnen Gemeinden, zu ermöglichen, im Wege von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen Regelungen über die Ausübung einzelner ihrer Zuständigkeiten im Bereich der Vollziehung zu treffen.

 

4.2.2. Gemeinsame Einrichtungen

Kontroversiell wird auch die Frage einer bundesverfassungsgesetzlichen Regelung gesehen, der zufolge Bund, Länder und Gemeinden ermächtigt werden, gemeinsame Einrichtungen zu schaffen. Als regelungstechnischer Standort einer derartigen Ermächtigung käme Art. 15a B‑VG in Betracht.

Für eine derartige Regelung wird ein in der Praxis (z.B. bei der Verwaltung von Nationalparks) bestehender Bedarf zur Schaffung gemeinsamer Einrichtungen verschiedener Gebietskörperschaften ins Treffen geführt. Gegen die Schaffung einer solchen Regelung wird insbesondere vorgebracht, dass der Bedarf nach gemeinsamen Einrichtungen der Länder ein Indiz für die Zweckmäßigkeit der Besorgung dieser Aufgabe durch den Bund darstellt.

 

 

 

5. Verfassungsautonomie

5.1. Bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben für die Länder

Konsens besteht darüber, dass Art. 99 Abs. 1 B‑VG im Sinne der in der Regierungsvorlage 14 BlgNR 20.GP enthaltenen Fassung geändert werden sollte.[23]

Im Übrigen wird zur Frage der Erweiterung der Verfassungsautonomie der Länder auf die diesbezüglichen Ausführungen in Pkt. 2.1. und Pkt. 2.2. verwiesen.

 

6. Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Vollziehung (Legalitätsprinzip, EU-Rechtsetzung)

6.1. Neuformulierung des Art. 18 B‑VG

a) In seiner derzeit geltenden Fassung (die im Übrigen nach wie vor der Stammfassung des B‑VG, BGBl. Nr. 1/1920 entspricht) bestimmt Art. 18 Abs. 1 B‑VG Folgendes:

Artikel 18. (1) Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang weiters auch Art. 18 Abs. 2 B‑VG, der in seiner derzeit geltenden Fassung Folgendes bestimmt:

„(2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen.“

In der Stammfassung wurde dabei an Stelle der Wortfolge „auf Grund der Gesetze“ die Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ verwendet. Zu Folge den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der B‑VG-Novelle BGBl. Nr. 268/1925, auf die die geltende Fassung zurückgeht, sollte durch die Änderung klar gestellt werden, dass „der zweite Absatz der Verordnung [k]einen weiteren Spielraum geben will“, als der erste Absatz der Verwaltung überhaupt. Nach herrschender Auffassung wird daraus im Wesentlichen abgeleitet, dass auch der Verordnungsgeber einer hinreichend determinierten materiellen gesetzlichen Grundlage bedarf, was insbesondere die bloß formalgesetzliche Delegation ausschließt.

Wenngleich in dieser Bestimmung also nur von der „Verwaltung“ die Rede ist, so ist doch unbestritten, dass auch die Gerichtsbarkeit dem Legalitätsprinzip unterliegt. Im Ausschuss besteht daher Einigkeit dahin gehend, dass für den Fall einer Neufassung des Art. 18 Abs. 1 B‑VG auf die „Vollziehung“, und nicht mehr bloß auf die Verwaltung abgestellt werden sollte.

Es besteht weiters Einvernehmen darüber, dass - verglichen mit anderen Staaten - die Gesetze in Österreich tendenziell zu kasuistisch formuliert sind, viele (Detail-)Regelungen enthalten, die nicht auf gesetzlicher Ebene normiert werden müssten, und daher insgesamt zu umfangreich sind. Kontroversiell wird im Ausschuss jedoch die Frage beurteilt, ob die Ursachen dafür allein rechts(etzungs)technischer Natur sind - denen letztlich nur durch eine Änderung der Gesetzgebungspraxis begegnet werden kann - oder ob dafür (auch) das in Art. 18 Abs. 1 B‑VG geregelte Legalitätsprinzip verantwortlich ist, zumal daraus nach herrschender Auffassung auch das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot abgeleitet wird, das Verwaltungshandeln im Gesetz entsprechend „vorherzubestimmen“ (Determinierungsgebot). Vertreterinnen und Vertreter der zuletzt genannten Position sind der Ansicht, dass auch eine Neuformulierung des Art. 18 Abs. 1 B‑VG (im Sinne einer „Lockerung“ des Legalitätsprinzips) zur Lösung des genannten Problems beitragen könnte. Manche der Vertreterinnen und Vertreter dieser Auffassung führen dafür weiters ins Treffen, dass der Handlungsspielraum der Verwaltung - und hier vor allem des Verordnungsgebers - auch deshalb erweitert werden sollte, um die Effizienz des Verwaltungshandelns zu erhöhen; einige betonen dabei auch den Aspekt, dass eine Vergrößerung des Freiraums der Verwaltung mit einer Stärkung der demokratischen Kontrollrechte der Gesetzgebung gegenüber der Verwaltung einhergehen müsste.

b) Ausgehend davon werden zur Frage einer Änderung des Art. 18 Abs. 1 und 2 B‑VG im Wesentlichen die folgenden Positionen vertreten.

ba) Manche Ausschussmitglieder sprechen sich dafür aus, Art. 18 Abs. 1 B‑VG derart zu ergänzen, dass sich der Gesetzgeber auf die Vorgabe von Zielen beschränken kann.[24] Damit würde dem Gesetzgeber ermöglicht, die ihm wesentlich erscheinenden Regelungen zur Steuerung des Verwaltungshandelns zu treffen, ohne sich mit Details beschäftigen zu müssen. Der Handlungsspielraum der Verwaltung würde erweitert; sie wäre in die Lage versetzt, rasch und flexibel zu (re)agieren.

bb) Ein anderer Vorschlag sieht vor, Art. 18 Abs. 1 B‑VG dahin gehend zu ändern, dass sich der Determinierungsgrad einer gesetzlichen Regelung - im Sinne eines beweglichen Systems - nach der „Eingriffsnähe“ des Gesetzes bzw. nach den Mitwirkungsmöglichkeiten der betroffenen Personen im Verfahren bestimmt.[25] Im erstgenannten Zusammenhang orientiert sich dieser Vorschlag zu einem gewissen Grad an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der zu Folge so genannte eingriffsnahe Gesetze, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, einem vergleichsweise strengeren Bestimmtheitsgebot unterliegen. Weiters sieht dieser Vorschlag vor, Art. 18 Abs. 2 B‑VG dahin gehend zu ergänzen, dass Verordnungen auch dann erlassen werden dürfen, wenn das Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt und die Ziele der Regelung im Gesetz ausreichend bestimmt sind, sowie dahin gehend, dass Verordnungen ihre gesetzliche Grundlage angeben müssen. Schließlich soll diesem Vorschlag zu Folge bundesverfassungsgesetzlich klargestellt werden, dass die (Aufbau- und Ablauf-)Organisation der Verwaltung - mit Ausnahme der Regelung der (sachlichen) Zuständigkeit - grundsätzlich keiner gesetzlichen Regelung bedarf.

Die grundsätzliche Stoßrichtung dieses Vorschlages wird von mehreren Ausschussmitgliedern begrüßt. Insbesondere wird die dem Gesetzgeber eingeräumte Wahlmöglichkeit, von einer inhaltlichen Determinierung des Verordnungsgebers im Einzelfall absehen zu können und lediglich die Ziele der Regelung im Gesetz explizit festzuhalten, befürwortet. Skeptisch wird hingegen - selbst von manchen, die eine Neuregelung grundsätzlich befürworten - das Abstellen auf die Mitwirkung der Betroffenen im Verfahren und die weit reichende Freistellung der Organisation der Verwaltung von gesetzlichen Bindungen beurteilt.

bc) Dem gegenüber spricht sich eine Reihe anderer Ausschussmitglieder gegen eine Änderung des Art. 18 Abs. 1 und 2 B‑VG aus. Von dieser Seite wird zum einen bezweifelt, ob die eingangs genannten Probleme (zu viele und zu detaillierte gesetzliche Regelungen) durch eine Umformulierung des Art. 18 B‑VG behoben werden können. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch die geltende Regelung des Art. 18 B‑VG - im Sinne der (jüngeren) Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (differenziertes Legalitätsprinzip) - dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, sich auf die Regelung des (rechtspolitisch) Wesentlichen zu beschränken. Überdies würde bei einer Lockerung der Gesetzesbindung das Problem der „Normenflut“ lediglich von der Ebene des Gesetzes auf die der Verordnung verlagert werden. Zum anderen sprechen sich die Vertreterinnen und Vertreter dieser Auffassung auch grundsätzlich gegen eine dahin gehende Änderung aus: Eine Lockerung der Bindung der Verwaltung an das Gesetz und mehr Freiräume für diese würden insbesondere die Vorhersehbarkeit der Verwaltungsentscheidungen für den Einzelnen beeinträchtigen und somit zu Rechtsunsicherheit führen. Im Ergebnis würde eine Reduzierung der Bindung des Verwaltungshandelns an das Gesetz auch gar nicht zu einer Erweiterung des Handlungsspielraumes der Verwaltung führen, weil - auf längere Sicht - die (verwaltungs)gerichtliche Kontrolldichte zunehmen würde. Überhaupt sei die Gesetzesbindung der Verwaltung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung ein wesentlicher Bestandteil des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips und sollte daher aus grundsätzlichen verfassungspolitischen Erwägungen beibehalten werden.

Gegenüber dem als Variante 1 vorliegenden Textvorschlag wird von einer Reihe von Ausschussmitgliedern vorgebracht, dass die darin vorgesehene Lockerung der Gesetzesbindung jedenfalls zu weitgehend sei.

Zu dem als Variante 2 vorliegenden Textvorschlag wird von einigen Mitgliedern darüber hinaus angemerkt, dass die vorgeschlagene Neuformulierung des Art. 18 B‑VG zu einer Reihe von bislang nicht bestehenden Interpretationsproblemen führen würde und schon aus diesem Grund unterbleiben sollte.

c) Vereinzelt wird auch eine Lockerung des Legalitätsprinzips dahin gehend gefordert, dass der diesbezügliche Handlungsspielraum der Gemeinden im Rahmen der Selbstverwaltung erweitert wird.

d) Angemerkt wird, dass die Frage der Gesetzesbindung in der Privatwirtschaftsverwaltung vom Mandat des Ausschusses 7 erfasst ist.

 

 

6.2. Erfordernis der gesetzlichen Umsetzung von EU-Richtlinien

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 15.189/1998) ist Art. 18 Abs. 2 B‑VG durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union inhaltlich nicht modifiziert worden; daraus ergibt sich, dass zur Umsetzung von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die einer innerstaatlichen Konkretisierung zugänglich sind, wie dies bei EU-Richtlinien regelmäßig der Fall ist, nicht der Verordnungsgeber, sondern der Gesetzgeber berufen ist. Dafür wird vor allem Folgendes ins Treffen geführt: Wollte man annehmen, dass eine Verordnung unmittelbar auf Grund eines Gemeinschaftsrechtsaktes erlassen werden kann, so wäre eine derartige Verordnung der rechtlichen Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof weitgehend entzogen, da der Verfassungsgerichtshof nicht dazu befugt ist, innerstaatliche Rechtsnormen am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen.

Die Frage, ob die innerstaatliche Umsetzung von EU-Richtlinien durch Verordnung bundesverfassungsgesetzlich ermöglicht werden soll, wird im Ausschuss kontroversiell beurteilt:

a) Eine Reihe von Mitgliedern lehnt eine Änderung des B‑VG in dieser Hinsicht ab. Diese Ausschussmitglieder sprechen sich vor allem aus grundsätzlichen demokratiepolitischen Erwägungen für die Beibehaltung des diesbezüglichen „Parlamentsvorbehaltes“ aus. Allenfalls käme - im Sinne einer Entlastung des Plenums des Nationalrates - eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung in Betracht, der zu Folge die Erlassung einer gesetzlichen Regelung zur Umsetzung einer EU-Richtlinie („Enderledigung“) in einem Ausschuss des Nationalrates erfolgen kann; allerdings nur dann, wenn es sich bloß um Regelungen „technischer“ Natur handelt und die Öffentlichkeit der Ausschussberatungen gewährleistet wird.

b) Eine Reihe anderer Mitglieder des Ausschusses tritt - vor allem mit dem Argument, dass die Zahl der gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung von EU-Richtlinien in Österreich weitaus höher sei als in anderen EU-Mitgliedstaaten und der Gesetzgeber von der Erlassung zahlreicher zumeist rein „technischer“ (Umsetzungs-)Regelungen entlastet werden sollte - dafür ein, eine „vereinfachte“ Umsetzung von EU-Richtlinien durch Verordnung zuzulassen, wobei im Wesentlichen drei Modelle ventiliert werden:

ba) Der Gesetzgeber soll in jedem Fall befasst werden, er soll aber die Möglichkeit erhalten, die Verwaltung zur Umsetzung der Richtlinie durch Verordnung - gegebenen Falles auch bloß „formell“ - zu ermächtigen. Dem gemäß hätte es der Gesetzgeber in jedem Einzelfall in der Hand, die Richtlinie selbst durch Gesetz umzusetzen oder die Umsetzung durch Verordnung zu ermöglichen. Von Seite derer, die diese Position ablehnen, wird dazu kritisch bemerkt, dass es die Mehrheit des Nationalrates auf diese Weise in der Hand hätte, die zur Umsetzung erforderliche Regelung in inhaltlicher Hinsicht an den Verordnungsgeber zu delegieren.

bb) Die Umsetzung durch Verordnung soll von Verfassungs wegen (nur) dann zulässig sein, wenn die Richtlinie inhaltlich derart determiniert ist, wie dies Art. 18 B‑VG in der geltenden Fassung für innerstaatliche Gesetze fordert.

bc) Die Umsetzung durch Verordnung soll dann zulässig sein, wenn der Hauptausschuss des Nationalrates gemäß Art. 23e B‑VG mit dem entsprechenden Vorhaben befasst war und dazu eine Stellungnahme abgegeben hat. Dagegen wird vor allem ins Treffen geführt, dass im Zeitpunkt der Befassung des Nationalrates mit einem Rechtsetzungsvorhaben der EU der Text der - letztlich umzusetzenden - Richtlinie noch nicht endgültig feststehe.

 

7. Mitwirkung österreichischer Organe an der Ernennung von Mitgliedern von Organen der Europäischen Union (Art. 23c B‑VG)

Die geltende Fassung des Art. 23c B‑VG geht auf die B‑VG-Novelle BGBl. Nr. 103/1994 zurück, die in Zusammenhang mit dem Beitritt Österreichs zur EU erlassen wurde.

Die Bestimmung regelt in äußerst detaillierter Weise die innerstaatliche Willensbildung bei der österreichischen Mitwirkung an der Ernennung von Mitgliedern näher bezeichneter Organe bzw. Einrichtungen der EU.

Von einer Reihe von Ausschussmitgliedern wird die Auffassung vertreten, dass Art. 23c B‑VG zu detailliert formuliert ist und durch eine knappe, allgemein gehaltene Regelung ersetzt werden sollte. In diesem Sinne wird insbesondere angeregt, die Aufzählung der von der Bestimmung erfassten EU-Organe und EU-Einrichtungen auf ihre Aktualität hin zu überprüfen und nach Möglichkeit durch eine allgemeine Klausel zu ersetzen. Dem gegenüber wird vereinzelt darauf hingewiesen, dass die ausdrückliche bundesverfassungsgesetzliche Regelung der diesbezüglichen Mitwirkungsbefugnisse des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes unerlässlich sei.

Grundsätzlich wird - auch von den Mitgliedern, die für eine Vereinfachung der Regelung im oben erwähnten Sinn eintreten - Folgendes zu Bedenken gegeben: Eine allgemein formulierte Bestimmung käme nur dann in Betracht, wenn auf die Regelung der spezifischen Mitwirkungsbefugnisse gemäß den Abs. 2 bis 5, die je nach betroffenem Organ differenzieren, auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene verzichtet wird. Wenn man freilich die Entstehungsgeschichte der Regelung berücksichtigt, so erscheint dies wenig aussichtsreich. Zu erwägen wäre, allenfalls auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene eine allgemeine Regelung zu treffen und die Details einem gegebenen Falles mit erhöhtem Beschlussquorum zu beschließenden - einfachen - Bundesgesetz vorzubehalten. Ob dieser Weg gangbar ist, hängt vom Ergebnis der Vorberatungen zu einer derartigen Rechtsquellenkategorie im Ausschuss 2 ab.

Ungeachtet all dessen wird vereinzelt vorgeschlagen, die diesbezüglichen Mitwirkungsbefugnisse der Länder dem Bundesrat zu übertragen; ferner wird vereinzelt angeregt, eine entsprechende Regelung auch für die österreichische Mitwirkung an der Ernennung von Mitgliedern anderer Organe, etwa des Generalsekretärs bzw. der Generalsekretärin des Europarates, zu schaffen

 

8. Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Art. 23a B‑VG), Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der nationalen Willensbildung zu Vorhaben der Europäischen Union (Art. 23e B‑VG) sowie Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 23f B‑VG)

Im Sinne der diesbezüglichen Akkordierung mit dem Vorsitzenden des Ausschusses 5 wurden auch diese Punkte im Ausschuss 3 vorberaten. Als Ergebnis lässt sich Folgendes festhalten:

Hingewiesen wird darauf, dass die Mitwirkung der Länder und Gemeinden bei der innerstaatlichen Willensbildung zu Vorhaben der Europäischen Union (Art. 23d B‑VG) im Ausschuss 5 vorberaten wird.

 


Besonderer Teil

 

1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat

Textvorschläge zu Art. 26 B‑VG

Variante 1

Art. 26 lautet:

Artikel 26. (1) Die Mitglieder des Nationalrats werden nach den Grundsätzen der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen, persönlichen und freien Wahl gewählt.

(2) Wahlberechtigt sind alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die am Wahltag das 19. Lebensjahr vollendet haben. Der Ausschluss vom Wahlrecht oder von der Wählbarkeit darf nur die Folge einer gerichtlichen Entscheidung sein.

(3) Jedes Bundesland bildet einen Wahlkreis. Die Zahl der Abgeordneten wird auf diese Wahlkreise im Verhältnis der Zahl der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verteilt. Das Wahlgebiet kann darüber hinaus insbesondere zur Berücksichtigung regionaler Bedürfnisse oder zur Personalisierung des Wahlsystems in weitere Wahlkreise gegliedert oder auf andere Weise unterteilt werden. Dabei dürfen die Wahlrechtsgrundsätze nicht beeinträchtigt werden. Wahlkreise können in einen oder mehrere Wahlkreisverbände zusammengefasst werden.

(4) Die Wählerinnen und Wähler können ihre Stimmen nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen vor einer Wahlbehörde, mittels Briefwahl oder auf jede andere technische Weise, die in Hinblick auf die Wahlrechtsgrundsätze geeignet ist, abgeben.

(5) Die näheren Bestimmungen werden durch ein Bundesgesetz festgelegt.“

Variante 2

Art. 26 lautet:

Artikel 26. (1) Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der Frauen und Männer, die spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen.

(2) Das Bundesgebiet wird in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen; diese Wahlkreise sind in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise zu untergliedern. Die Zahl der Abgeordneten wird auf die Wahlberechtigten der Wahlkreise (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der Wahlberechtigten [der Wohnbevölkerung] verteilt; in gleicher Weise wird die Zahl der einem Wahlkreis zugeordneten Abgeordneten auf die Regionalwahlkreise verteilt. Die Wahlordnung zum Nationalrat hat ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet vorzusehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Parteien, denen im Bundesgebiet mehr als 4% [5%] der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben Anspruch auf Zuweisung von Mandaten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

(3) [entfällt]

(4) Wählbar sind alle Frauen und Männer, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben.

(5) [Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.]

(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten und von Volksabstimmungen sowie zur Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren und Volksbefragungen sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Bundeswahlbehörde überdies Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben. Die in der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke aufzuteilen. Die näheren Bestimmungen über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe bei Wahlen zum Nationalrat, der Wahl des Bundespräsidenten sowie bei Volksabstimmungen nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

(7) [entfällt]“

Variante 3

Art. 26 lautet:

Artikel 26. Der Nationalrat wird auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen. Die näheren Bestimmungen über die Gliederung des Wahlgebietes in Wahlkreise, den Kreis der Wahlberechtigten, den Wahltag, die Organisation der Wahlbehörden sowie über jene Fälle, in denen die Stimmabgabe nicht vor einer Wahlbehörde erfolgen muss, können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“

[Die Abs. 2 bis 7 entfallen.]

 

1.1.1.3. Organisation des Nationalrates

Textvorschlag zu Art. 41 Abs. 2 B‑VG

Art. 41 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Ist die Behandlung eines Volksbegehrens bei Ablauf einer Gesetzgebungsperiode noch nicht abgeschlossen, so ist der Antrag von der Bundeswahlbehörde dem neu gewählten Nationalrat erneut vorzulegen.“

 

1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung

Textvorschlag 1 zu Art. 41 Abs. 1 B‑VG

Art. 41 Abs. 1 erster Satz lautet:

„Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates, eines Landes, des Österreichischen Gemeindebundes oder des Österreichischen Städtebundes sowie als Vorlagen der Bundesregierung.“

Textvorschlag 2 zu Art. 41 Abs. 1 B‑VG

Art. 41 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Zur Vorbereitung von Vorlagen der Bundesregierung ist im Regelfall ein Begutachtungsverfahren durchzuführen.“

Textvorschlag zu Art. 115 B‑VG

Art. 115 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Sie [das sind: der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund] sind vom Bund und von den Ländern in allen Angelegenheiten einzubinden, die die Gemeinden betreffen, insbesondere haben sie in diesen Angelegenheiten das Recht, alle Gesetzes- und Verordnungsentwürfe des Bundes oder der Länder zu begutachten.“

 

 

 

1.2.2. Bundesregierung

Textvorschläge zu Art. 69 B‑VG

Art. 69 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Bundesregierung gibt sich eine Geschäftsordnung[, in der insbesondere die näheren Bestimmungen über den Geschäftsgang getroffen werden].“

Art. 69 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Ein gültiger Beschluss bedarf der Einstimmigkeit der anwesenden Mitglieder der Bundesregierung.“

Art. 69 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Eine Beschlussfassung im Umlaufwege durch alle Mitglieder der Bundesregierung ist zulässig.“

Textvorschläge zu Art. 70 B‑VG

Variante 1

Art. 70 lautet:

Artikel 70. (1) Die Bundesregierung wird vom Nationalrat in namentlicher Abstimmung auf einen vom Hauptausschuss zu erstattenden Gesamtvorschlag gewählt.

(2) In die Bundesregierung kann nur gewählt werden, wer zum Nationalrat wählbar ist; die Mitglieder der Bundesregierung müssen nicht dem Nationalrat angehören.

(3) Ist der Nationalrat nicht versammelt, wird die Bundesregierung vorläufig vom Hauptausschuss bestellt; sobald der Nationalrat zusammentritt, hat die Wahl zu erfolgen.

(4) Auf die Bestellung einzelner Mitglieder der Bundesregierung finden die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 sinngemäß Anwendung.“

Variante 2

Art. 70 lautet:

Artikel 70. (1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Nationalrat gewählt.

(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.

(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Nationalrat binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.

(4) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.“

 

2.1. Legislative der Länder

Textvorschläge zu Art. 95 B‑VG

Variante 1

Art. 95 lautet:

Artikel 95. (1) Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten Landesbürgerinnen und Landesbürger gewählt. Durch Landesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren und über die allfällige Wahlpflicht getroffen. In diesem Landesgesetz sind insbesondere auch die Gründe festzusetzen, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl trotz Wahlpflicht als entschuldigt gilt.

(2) Die Landtagswahlordnungen dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger ziehen als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat.

(3) Die Wahlberechtigten üben ihr Wahlrecht in Wahlkreisen aus, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muss und die in räumlich geschlossene Regionalwahlkreise unterteilt werden können. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Zahl der Wahlberechtigten [der Wohnbevölkerung] zu verteilen. Die Landtagswahlordnung kann ein abschließendes Ermittlungsverfahren im gesamten Landesgebiet vorsehen, durch das sowohl ein Ausgleich der den wahlwerbenden Parteien in den Wahlkreisen zugeteilten als auch eine Aufteilung der noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt. Parteien, denen im Landesgebiet mehr als 4% [5%] der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben Anspruch auf Zuweisung von Mandaten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

(4) Durch Landesgesetz werden jene Fälle geregelt, in denen die Stimmabgabe nicht vor der Wahlbehörde erfolgen muss; diese Bestimmungen können vom Landtag nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.“

[Der bisherige Abs. 4 wird zu Abs. 5.]

Variante 2

Art. 95 Abs. 1 lautet:

Artikel 95. (1) Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes gewählt. Durch Landesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen.“

[Der bisherige Abs. 4 wird zu Abs. 2.]

 

2.2. Exekutive der Länder

Textvorschlag zu Art. 101 Abs. 1 B‑VG

Art. 101 Abs. 1 lautet:

Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine Landesregierung aus. Die Bestellung der Mitglieder der Landesregierung ist in der Landesverfassung zu regeln.“

Textvorschläge zu Art. 101 Abs. 4 und 5 sowie 105 bis 107 B‑VG

Dem Art. 101 werden folgende Absätze angefügt:

„(4) Die Landesregierung gibt sich eine Geschäftsordnung, in der nach den näheren Bestimmungen der Landesverfassung insbesondere die Besorgung von Geschäften durch die Landesregierung als Kollegium oder auch durch einzelne ihrer Mitglieder geregelt wird. Die Geschäftsordnung ist der Bundesregierung zur Kenntnis zu bringen.

(5) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem Landtag gemäß Art. 142 verantwortlich. Zu einem Beschluss, mit dem eine Anklage im Sinne des Art. 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.“

Art. 105 lautet:

Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land.

[(2) Die Landeshauptmänner bilden in ihrer Gesamtheit die Landeshauptmännerkonferenz.]“

Art. 106 lautet:

Artikel 106. (1) Die Geschäfte der Landesregierung und des Landeshauptmannes werden durch das Amt der Landesregierung besorgt.

(2) Der Landeshauptmann ist der Vorstand des Amtes der Landesregierung. Als solchem sind ihm auch die Bezirkshauptmannschaften unterstellt.

(3) Zur Leitung des inneren Dienstes des Amtes der Landesregierung wird von der Landesregierung ein Landesamtsdirektor bestellt. Die Leitung des inneren Dienstes erfolgt unter der unmittelbaren Aufsicht des Landeshauptmannes.

(4) Die Regelungen des Geschäftsganges (Geschäftsordnung) sowie die innere Gliederung und Verteilung der Geschäfte (Geschäftseinteilung) im Amt der Landesregierung werden vom Landeshauptmann mit Zustimmung der Landesregierung getroffen.“

Art. 107 lautet:

Artikel 107. Die Landesregierung und die Bezirkshauptmannschaften sind die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung. Die Bezirkshauptmannschaften besorgen die Aufgaben der Bezirksverwaltung.“

 

Bundeshauptstadt Wien

Textvorschlag zu Art. 108 B‑VG

„Jedes Bundesland gliedert sich in Gemeinden. Das Bundesland Wien ist als Bundeshauptstadt gleichzeitig Gemeinde im Sinne der Art. ... [derzeitige Art. 115 bis 120 B‑VG].“

 

3. Gemeinden

Textvorschlag zu Art. 118 B‑VG

Art. 118 Abs. 6 lautet:

„(6) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Gemeinde das Recht, Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren und Missständen, soweit dies im öffentlichen Interesse gelegen ist, zu erlassen. Die Gemeinde kann die Übertretung solcher Verordnungen zu Verwaltungsübertretungen erklären und Strafbestimmungen bis zu einer gesetzlich festzulegenden Strafhöhe erlassen. Die Gemeinde ist berechtigt, auch Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt anzuordnen und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der öffentlichen Aufsicht zur Mitwirkung an der Vollziehung zu ermächtigen. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze des Bundes und des Landes verstoßen.“

Art. 118 Abs. 7 lautet:

„(7) Jede Gemeinde hat das Recht auf Übertragung der Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nach Maßgabe des Art. 119a Abs. 3 durch Verordnung der Landesregierung bzw. des Landeshauptmannes auf eine staatliche Behörde. Der Antrag kann wegen schwerwiegender Beeinträchtigungen von Bundes- oder Landesinteressen durch die Bundesregierung bzw. durch die Landesregierung binnen einer Frist von 6 Wochen abgewiesen werden. Zur Wahrung der örtlichen Interessen erhält sie in diesen Angelegenheiten Parteistellung. Eine solche Verordnung ist jederzeit auf Verlangen der Gemeinde wieder aufzuheben. Die Übertragung erstreckt sich nicht auf das Verordnungsrecht nach Abs. 6.“

 

4. Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen

Textvorschläge zu Art. 15a B‑VG

Variante 1

Art. 15a lautet:

Artikel 15a. (1) Bund und Länder können Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches schließen.

(2) Der Abschluss solcher Vereinbarungen namens des Bundes obliegt je nach dem Gegenstand der Bundesregierung oder den Bundesministern. Vereinbarungen gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalts dürfen nur von der Bundesregierung mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossen werden, wobei Art. 50 Abs. 2 und 3 für solche Beschlüsse des Nationalrates gilt; sie sind im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Anlässlich des Abschlusses einer anderen Vereinbarung kann das abschließende Organ anordnen, dass die Vereinbarung durch Erlassung von Verordnungen zu erfüllen ist.

(3) Der Abschluss von Vereinbarungen namens eines Landes obliegt dem nach der Landesverfassung zuständigen Organ. Vereinbarungen gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalts dürfen nur mit Genehmigung des Landtages abgeschlossen werden. Bei einer Vereinbarung gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalts kann der Landtag anlässlich ihrer Genehmigung beschließen, dass sie durch Erlassung von Gesetzen, bei einer anderen Vereinbarung kann das nach der Landesverfassung zuständige Organ anordnen, dass sie durch Erlassung von Verordnungen zu erfüllen ist.

(4) Vereinbarungen der Länder untereinander können nur über Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereiches abgeschlossen werden. Bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen, die für die Erlassung von Gesetzen oder Verordnungen der Länder besondere Erfordernisse festlegen, gelten auch für Vereinbarungen, die nicht durch Erlassung von Gesetzen oder Verordnungen zu erfüllen sind. Auf Beschlüsse der Landtage gemäß Abs. 3 zweiter Satz über Vereinbarungen, die nicht durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind, ist Art. 98 anzuwenden; andere Vereinbarungen der Länder untereinander sind der Bundesregierung vor ihrem Inkrafttreten zur Kenntnis zu bringen.

(5) Durch Vereinbarungen nach Abs. 4 können für einzelne Angelegenheiten gemeinsame Einrichtungen [nichtbehördlichen Charakters] geschaffen werden.

(6) Die Grundsätze des völkerrechtlichen Vertragsrechtes sind auf Vereinbarungen im Sinne des Abs. 1 anzuwenden. Das gleiche gilt für Vereinbarungen im Sinne des Abs. 4, soweit nicht durch die Verfassungen der betreffenden Länder übereinstimmend anderes bestimmt ist.“

Variante 2

Nach Art. 15a Abs. 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Die Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, können mit Bund oder Ländern Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches abschließen.“

Der bisherige Abs. 3 erhält die Absatzbezeichnung „(4)“.

 

5. Verfassungsautonomie

Textvorschlag zu Art. 99 Abs. 1 B‑VG

Art. 99 Abs. 1 lautet:

Artikel 99. (1) Die durch Landesverfassungsgesetz zu erlassende Landesverfassung darf der Bundesverfassung nicht widersprechen.“

 

6. Legalitätsprinzip

Textvorschläge zu Art. 18 B‑VG

Variante 1

Dem Art. 18 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Gesetzgebung kann von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörden absehen und das Verhalten der Verwaltungsbehörden insbesondere durch die Festlegung von Zielen vorherbestimmen.“

Variante 2

Art. 18 Abs. 1 bis 3 lauten:

Artikel 18. (1) Die gesamte Vollziehung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Erfordernis ihrer Bestimmtheit hängt vom Ausmaß des Eingriffs in Rechte [von Personen] und davon ab, inwieweit die Mitwirkung der Betroffenen im Verfahren eine sachgerechte Entscheidung gewährleistet.

(2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen und darüber hinaus, sofern sie hiezu ausdrücklich durch Gesetz ermächtigt wird und die Ziele der Regelung im Gesetz ausreichend bestimmt sind. Verordnungen haben ihre gesetzliche Grundlage anzuführen.

(3) Die Organisation der Verwaltung [mit Ausnahme des Rechtszuges] bedarf keiner gesetzlichen Grundlage, sofern diese Bundesverfassung nichts anderes bestimmt.“

Die Abs. 3 bis 5 des Art. 18 erhalten die Absatzbezeichnung „(4)“, „(5)“ und „(6)“.

 

 

 

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 3

 

 

 

 

Univ.Prof. Dr. Gerhart Holzinger e.h.

 

 



[1] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 1.

[2] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 2.

[3] Dieser Aspekt ist im diesbezüglichen Textvorschlag (Variante 2) noch nicht berücksichtigt.

[4] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.2. Wahlen zum Nationalrat als Variante 3.

[5] Ein dahingehender Textvorschlag - aus verfassungssystematischen Erwägungen zu Art. 41 Abs. 2 B‑VG - findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.1.3. Organisation des Nationalrates.

[6] Der dahin gehende Textvorschlag 2 zu Art. 41 Abs. 1 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung.

[7] Ein Textvorschlag betreffend eine dahin gehende Änderung des Art. 115 Abs. 3 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung.

[8] Der dahin gehende Textvorschlag 1 zu Art. 41 Abs. 1 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.1.3. Weg der Bundesgesetzgebung.

[9] Ein dahin gehender Textvorschlag zu Art. 70 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.2.2. Bundesregierung als Variante 1.

[10] Ein auf dieser Regelung basierender Textvorschlag zu Art. 70 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.2.2. Bundesregierung als Variante 2.

[11] Ein dahingehender Textvorschlag zu Art. 69 Abs. 1 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.2.2. Bundesregierung.

[12] Ein dahin gehender Textvorschlag zu Art. 69 Abs. 3 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.2.2. Bundesregierung.

[13] Ein in diese Richtung gehender Textvorschlag zu Art. 69 Abs. 3 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 1.2.2. Bundesregierung.

[14] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil zu Pkt. 2.1. Legislative der Länder als Variante 1.

[15] Ein aus dieser Position resultierender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil zu Pkt. 2.1. Legislative der Länder als Variante 2.

[16] Ein dahin gehender Textvorschlag zu Art. 101 Abs. 1 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 2.2. Exekutive der Länder.

[17] Ein Textvorschlag zur Bereinigung der bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen betreffend die Exekutive der Länder (Art. 101 sowie 105 bis 107 B‑VG) – orientiert an der seinerzeitigen Regierungsvorlage 14 BlgNR 20.GP – findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 2.2. Exekutive der Länder.
Diese Änderungsvorschläge bedürfen – vor allem im Hinblick auf die mittelbare Bundesverwaltung und die Auftragsverwaltung (vor allem Art. 102 bis 104 B‑VG) – noch der Akkordierung mit dem Ergebnis der Vorberatungen des Ausschusses 6.

[18] Ein dahin gehender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 2.2. Exekutive der Länder / Bundeshauptstadt Wien.

[19] Ein dahin gehender Textvorschlag zur Neufassung des Art. 118 Abs. 6 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 3. Gemeinden.

[20] Ein dahin gehender Textvorschlag zur Neufassung des Art. 118 Abs. 7 B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 3. Gemeinden.

[21] Ein auf der Regierungsvorlage 14 BlgNR 20.GP basierender Textvorschlag zur Neufassung des Art. 15a B‑VG findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 4. Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen als Variante 1.

[22] Ein dahin gehender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 4. Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam betreffende Fragen als Variante 2.

[23] Der dahingehende Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 5. Verfassungsautonomie.

[24] Ein dahin gehender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 6. Legalitätsprinzip als Variante 1.

[25] Ein dahin gehender Textvorschlag findet sich im Besonderen Teil unter Pkt. 6. Legalitätsprinzip als Variante 2.