BUNDESMINISTERIUM FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN

VÖLKERRECHTSBÜRO

Federal Ministry for Foreign Affairs

Ministère Fédéral des Affaires Etrangères

A-1014 Wien, Ballhausplatz 1

Tel.: 0501150-0, FAX: 0501159-212

 

E-MAIL

 

GZ:

1055.01/0007e-I.2/2003

Datum:

10. Oktober 2003

Seiten:

4

An:

Büro des Österreich-Konvents (clemens.mayr@konvent.gv.at;

cc: birgit.mayerhofer@konvent.gv.at)

Von:

Ges. Dr. H. Tichy

SB:

Längle/Zettl/Zehetner

DW:

3391

 

 

 

BETREFF: Mandat für den Ausschuss 3 des Österreich-Konvents; Stellungnahme des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten

 

Zu Ihrem e-mail vom 26. September 2003

 

 

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten nimmt zum Mandat für den Ausschuss 3 des Österreich-Konvents wie folgt Stellung:

 

Aufgrund des zukünftigen Verfassungsvertrages für die Europäische Union könnte sich für den Ausschuss 3 insoweit ein Handlungsbedarf ergeben, als beispielsweise der vom Europäischen Konvent erstellte Entwurf für einen Verfassungsvertrag für Europa, wenn er angenommen wird, Anpassungen der bestehenden verfassungsrechtlichen Regelungen in folgenden Bereichen erforderlich machen könnte:

 

Informationspflicht der zuständigen Bundesminister gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG

 

Gemäß Pkt. I.1 des Entwurfs des Protokolls über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union werden „alle Konsultationsdokumente der Kommission (Grün- und Weißbücher sowie Mitteilungen) (...) den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung direkt von der Kommission zugeleitet. Ferner sendet die Kommission den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten, gleichzeitig mit der Übermittlung an das Europäische Parlament und den Ministerrat, das jährliche Rechtsetzungsprogramm sowie alle weiteren Dokumente für die Ausarbeitung der Rechtsetzungsprogramme oder politischen Strategien, die sie dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat vorlegt.“

 

Gemäß Pkt. I.2 des zitierten Protokollentwurfs werden „alle an das Europäische Parlament und den Ministerrat gerichteten Gesetzgebungsvorschläge (...) gleichzeitig den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten übermittelt.“

 

Weiters werden die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten gemäß Pkt. I.5 dieses Protokolls „zeitgleich mit den Regierungen der Mitgliedstaaten auf direktem Wege über die Tagesordnungen für die Tagungen des Ministerrates und über die Ergebnisse dieser Tagungen, auch über die Protokolle der Tagungen, in denen der Ministerrat über Gesetzgebungsvorschläge berät, unterrichtet.“

 

Gemäß Pkt. I.7 dieses Protokolls übermittelt der Rechnungshof „den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten, gleichzeitig mit der Übermittlung an das Europäische Parlament und den Ministerrat, seinen Jahresbericht.“

 

Die in den zitierten Bestimmungen vorgesehene direkte Übermittlung der angeführten Dokumente an die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten würde eine zusätzliche Übermittlung dieser Dokumente durch das zuständige Mitglied der Bundesregierung an den Nationalrat und den Bundesrat gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG überflüssig machen. Soweit jedoch die Informationspflicht gemäß Art. 23e Abs. 1 B-VG andere als die in Pkt. I.1, 2 und 5 angeführten Dokumente betrifft, müsste die Informationspflicht des zuständigen Bundesministers weiterbestehen.

 

Stellungnahme nationaler Parlamente zu einem Gesetzgebungsvorschlag der Kommission gemäß Pkt. 5 des Entwurfs des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

 

Gemäß der zitierten Bestimmung kann „jedes nationale Parlament eines Mitgliedstaates oder jede Kammer eines nationalen Parlaments (...) binnen sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Übermittlung eines Gesetzgebungsvorschlags der Kommission in einer begründeten Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Ministerrates und der Kommission darlegen, weshalb der Vorschlag nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sei. Dabei obliegt es dem jeweiligen nationalen Parlament oder der jeweiligen Kammer eines nationalen Parlaments, gegebenenfalls die regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen zu konsultieren.“

 

Im Rahmen von Pkt. VI des Mandats von Ausschuss 3 des Österreich-Konvents könnte geprüft werden, wie die Landtage zu Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission in Bereichen, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen, konsultiert werden könnten. 

 

Klagen wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts gegen das Subsidiaritätsprinzip

 

Gemäß Pkt. 7 des Entwurfs des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ist der Gerichtshof  für Nichtigkeitsklagen wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts gegen das Subsidiaritätsprinzip zuständig, die von einem Mitgliedstaat erhoben oder gemäß der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung von einem Mitgliedstaat im Namen seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses Parlaments übermittelt werden.

 

Der Ausschuss 3 des Österreich-Konvents könnte erörtern, nach welchem (innerösterreichischen) Verfahren die Republik Österreich im Namen des Nationalrates oder des Bundesrates eine solche Klage wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips erheben könnte. Weiters könnte der Ausschuss 3 erörtern, wie die Landtage an der Erhebung entsprechender Klagen betreffend   Gesetzgebungsakte, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen,  beteiligt werden könnten.

 

Für die Bundesministerin

H. Tichy m.p.