Herrn

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka

Per Mail

 

Sehr geehrter Herr Volksanwalt,

Lieber Peter,

 

 

zu Deiner Anfrage, ob § 3 Abs 1 Satz 2 UnvereinbarkeitsG 1983 angesichts des seit 01. 01. 1994 in Kraft befindlichen BVergG (dzt BVergG 2002) in dem Sinn überflüssig geworden ist, dass das BVerG dessen Schutzfunktion übernommen hat, darf ich folgende

Kurzstellungnahme

abgeben:

 

Über den Zweck der durch die Novelle 1980 (BGBl Nr 545/1980) des UnvereinbarkeitsG 1925 eingeführten „Beauftragungsverbotes“ (damals § 1 b Abs 1 S 2) gibt der AB (494 BlgNR 15. GP) keine Auskunft. Der Sinn der Regelung könnte darin gesehen werden, dass die Gefahr vermieden werden sollte, dass ein Funktionär gemäß § 1 Z 1-2 (im folgenden: „§ 1-Person“) die Auftragsvergabe an ein Unternehmen, an dem er ein wirtschaftliches Interesse hat (arg: 25%-Beteiligung) infolge seiner Einflussmöglichkeit beim Auftraggeber, die er dort kraft seiner Funktion besitzt, zugunsten „seines“ Unternehmens beeinflusst. Dazu passt aber nicht recht, dass gemäß § 3 Abs 3 (ehedem § 1 b Abs 3) der Unvereinbarkeitsausschuss Ausnahmen vom Beauftragungsverbot zulassen kann, „sofern durch geeignete Vorkehrungen die unbedenkliche Amtsführung sichergestellt ist“. Das weist geradezu in die gegensätzliche Richtung. Es hat den Anschein als ob befürchtet worden wäre, dass das beauftragte Unternehmen, an dem eine maßgebliche Beteiligung der
§ 1-Person besteht, gefährlichen Einfluss auf die Amtsfunktion gewinnen könnte.

 

Tatsächlich führen die EB zum UnvereinbarkeitsG 1925 im Zusammenhang mit dem „Organfunktionsverbot“ in bestimmten Gesellschaften aus (heute: § 4), dass bei diesen Unternehmen „zufolge ihrer starken wirtschaftlichen Kräfte die Voraussetzungen vorliegen, die es als wünschenswert erscheinen lassen, eine Unvereinbarkeit leitender Stellungen in ihnen mit einer politischen Betätigung auszusprechen“ (365 BlgNR 2. GP).

 

Schließlich betont der AB zur Novelle 1980 (494 BlgNR 15. GP) zum Berufsverbot der in § 2 genannten Personen (ehedem § 1a), dass unter „Beruf mit Erwerbsabsicht“ nur die Berufsausübung gegen Entgelt fällt, wovon wieder eine Ausnahme gemacht wird, wenn der Unvereinbarkeitsausschuss sie „unter Bedachtnahme auf die Gewährleistung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsführung“ genehmigt.

 

In dieses System des Schutzes einer „objektiven Amtsführung“ passt das Beauftragungsverbot überhaupt nicht, weil nicht ernsthaft behauptet werden kann, dass die „Amtsführung“ beeinträchtigt werden könnte, wenn ein Unternehmen, an dem die § 1-Person maßgeblich beteiligt ist, einen Auftrag erhält.

 

Es ist freilich möglich, dass ein Gesetz verschiedene Gefährdungspotentiale ausschalten will. Liegt der hauptsächliche Zweck des UnvereinbarkeitsG im Schutz einer objektiven Amtsführung, die gefährdet sein könnte dadurch, dass die § 1-Person eine Leitungsfunktion in einem wirtschaftsstarken Unternehmen bekleidet oder über entgeltliche Berufsausübung in Abhängigkeit zu den Interessen seiner Gehalts- und Honorarzahler geraten könnte, kann das Beauftragungsverbot seinen Grund darin haben, dass eine unredliche Begünstigung des Unternehmens, an dem der Funktionär maßgeblich beteiligt ist, hintangehalten werden soll.

 

Diesen Schutzzweck scheint auch der Gesetzgeber vor Augen gehabt zu haben, wenn es im AB zu Art XIV Novelle BGBl Nr 545/1980, der eine Anteilsmeldepflicht (bezogen auf § 1 b = § 3) binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Novelle vorschreibt – ganz unvermittelt – heißt:

 

„Der Ausschuss geht weiters von der Annahme aus, dass die in der Begründung des Initiativantrages unter Punkt 10 vorgesehene Änderung betreffend die Anwendung der Richtlinien der Bundesregierung zur ÖNORM A 2050 verwirklicht wird.“

 

Der Initiativantrag liegt mir nicht vor. Es dürfte sich dabei um die geplante Verschärfung der mit Ministerratsbeschluss 1978 vorgeschriebenen, die ÖNORM A 2050 mit Modifikationen für verbindlich erklärenden Vergaberichtlinien des Bundes gehandelt haben, die durch Ministerratsbeschluss 1981 auch tatsächlich erfolgt ist.

 

Der AB hat also den Konnex zwischen Beauftragungsverbot nach dem UnvereinbarkeitsG und den Vergaberichtlinien des Bundes (ÖNORM A 2050) deutlich gesehen. Nachdem nicht anzunehmen ist, dass die Erwartung des Ausschusses dahin ging, dass mit der bevorstehenden Änderung der Vergaberichtlinien das soeben eingeführte Beauftragungsverbot obsolet werden sollte, ist davon auszugehen, dass der AB ein sinnvolles Nebeneinander beider Regelungsmaterien für möglich hielt.

 

Seit 1994 ist das Vergabewesen in Österreich – und seit dem BVergG 2002 auch für den Unterschwellenbereich – detailliert gesetzlich geregelt. An das BVergG sind die § 1-Personen als Entscheidungsträger über Auftragsvergaben selbstverständlich in gleicher Weise gebunden wie die vergebenden Dienststellen, was 1980 insofern nicht der Fall war, als die Vergaberichtlinien die § 1-Personen zum selbstbindenden „Normgeber“ hatten, von denen dieser als Normsetzer im Einzelfall auch wieder abgehen konnte, wenn man außer Acht lässt, dass die Fiskalgeltung der Grundrechte ein Abgehen zum Zwecke der Bevorzugung des „eigenen“ Unternehmens schon seit jeher als gleichheitswidrig und damit als schadenersatzbewehrtes Übergehen des Bestbieters qualifiziert hat.  Damals bestand freilich kein effizienter Rechtschutz des übergangenen Bieters, der heute nach dem BVergG gegeben ist und der diesen gegen eine gesetzwidrige Einflussnahme des Funktionärs auf ein Vergabeentscheidung erfolgreich ankämpfen ließe.

 

Unter diesem Aspekt könnte gesagt werden, dass das strikte gesetzliche Vergaberegime und der ausgebaute präventive Rechtschutz der Bieter das Beauftragungsverbot des UnvereinbarkeitsG „alt und überholt“ aussehen lässt. Warum  sollte ein Bieter, an dem eine § 1-Person maßgeblich beteiligt ist, nicht beauftragt werden dürfen, wenn er sich in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren unter den Argusaugen eines von den Mietbietern jederzeit mobilisierbaren Rechtsschutzes als Bestbieter erwiesen hat?

 

Aber nach der Zuschlagserteilung erfolgt die Auftragsdurchführung. Bei ihr ergeben sich nicht selten Komplikationen: Verzug und mangelhafte Leistungserbringung. Davor bewahrt das strengste Vergaberecht nicht. Davor bewahrt ein Leistungsvertrag, der eine exakte Pflichtenbindung des Auftragnehmers mit entsprechenden Sanktionen vorsieht (Pönale, Ersatzvornahme, Erfüllungskautionen, Haftungsverschärfung, Risikoüberbindung, etc.). Was schützt den Auftraggeber davor, wenn sein am Auftragnehmer beteiligter Funktionär darauf hinwirkt, dass die Dienststellen des Auftraggebers von diesen Rechten keinen Gebrauch machen (oder überhöhte Nachtragsforderungen akzeptieren)?

 

Es muss nicht (nur) Einflussnahme auf die Vergabe sein, die das Beauftragungsverbot trägt und die heute durch das BVergG differenzierter hintangehalten wird. Das Beteiligungsverbot kann auch damit begründet werden, dass nach korrekter Auftragserteilung Einfluss auf die Auftragsdurchführung genommen werden kann und dieses Gefahr besonders groß ist, wenn der Funktionär des Auftraggebers am Auftragnehmer maßgeblich beteiligt ist.

 

Und vielleicht ist es auch nur der zum amerikanischen Vergaberecht formulierte kluge Satz: „Eine Vergabe muss nicht nur korrekt sein, sie muss auch korrekt erscheinen“, der dem groben Klotz des Beauftragungsverbotes seine Daseinsberechtigung neben der feinen Klinge des BVergG sichert.

 

 

 

 

Wien, am 20. 01. 2004

 

 

 

 

(o. Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher)