Parlamentsdirektion

Wissenschaftlicher Dienst

 

A k t e n v e r m e r k

 

 

Zu lesen ist das Ersuchen des Ausschusses 8 des Österreich-Konvents um Erhebung der Bestimmungen hinsichtlich des Rechts auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen in den EU-Mitgliedstaaten.

 

Das portugiesische Parlament hat im Juni d.J. im Wege des EZPWD einen Fragebogen zur Erhebung der Untersuchungsausschüsse betreffenden Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz ausgesandt. Da angesichts des geringen zeitlichen Abstandes davon ausgegangen werden kann, dass die damals erhobenen Daten weiter gelten, sind, um den Ersuchen zu entsprechen, die Ergebnisse dieser thematisch weitaus umfangreicheren Umfrage hinsichtlich des Rechts auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ausgewertet und fehlende Daten im kurzen Wege erhoben worden. Das Ergebnis dieser Auswertung ist als vergleichende Übersicht angeschlossen.

 

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Recht auf Einsetzung von (mit besonderen „gerichtsähnlichen“ Kompetenzen ausgestatteten) Untersuchungsausschüssen dort, wo es existiert (es erscheint als typisches Instrument des kontinentaleuropäischen Parlamentsrechts), nach wie vor zumeist nicht als Minderheitsrecht ausgeformt ist. Ausnahmen bilden der Deutsche Bundestag, das griechische Parlament und die portugiesische Versammlung der Republik:

 

·      Nach Art. 44 Abs. 1 des Grundgesetzes hat der Deutsche Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Darüber hinaus kann – und muss auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder – der Ausschuss für Verteidigung gemäß Art. 45a Abs. 2 GG als Untersuchungsausschuss tätig werden.

·      Gemäß Art. 68 Abs. 2 der griechischen Verfassung hat das griechische Parlament auf Vorschlag eines Fünftels seiner Mitglieder und mit den Stimmen von zwei Fünfteln seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen; die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu Angelegenheiten der Außenpolitik oder der Landesverteidigung bedarf jedoch eines Beschlusses der absoluten Mehrheit der Mitglieder.

·      Art. 181 Abs. 1 der portugiesischen Verfassung sieht vor, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden muss, wenn dies von einem Fünftel der Mitglieder verlangt wird; dieses Recht ist jedoch auf die Beantragung der Einsetzung höchstens eines Untersuchungsausschusses für jeden Abgeordneten in jeder Sitzungsperiode begrenzt.

 

In den übrigen Parlamenten erfolgt die Einsetzung jeweils nur durch Mehrheitsbeschluss. In bikameralen Systemen kann in der Regel jede Kammer für sich durch Mehrheitsbeschluss einen Untersuchungsausschuss einsetzen, nur in der Schweiz sowie in Irland (wo durch Gesetz untersuchungsausschussähnliche „Tribunals of Inquiry“ eingesetzt werden können) ist dafür ein Beschluss beider Häuser erforderlich. In Italien (durch Gesetz) und in Spanien ist die Einsetzung eines gemeinsamen Untersuchungsausschusses durch beide Kammern ebenso möglich wie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch jeweils eine der beiden Kammern. Lediglich im deutschen parlamentarischen System ist das Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nur dem Bundestag, nicht aber auch dem Bundesrat zugesprochen. Einzelne „Zweite Kammern“ wie die Erste Kammer der Niederländischen Generalstaaten üben das Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen jedoch in der parlamentarischen Praxis nicht aus.

 

Die Initiative zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen kommt in nahezu allen Parlamenten den Mitgliedern zu. Lediglich in Dänemark, Frankreich, Irland und Spanien kommt Ausschüssen oder Fraktionen, in Irland und Spanien auch der Regierung das Recht zu, eine solche Initiative zu ergreifen.

 

Als Besonderheit erscheint schließlich die luxemburgische Regelung, der zufolge die Abgeordnetenkammer anstelle der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch selbst, also im Plenum, eine Untersuchung durchführen kann.

 

 

Wien, 2003 11 19

 

Dr. Günther Schefbeck e.h..