DER PRÄSIDENT

 

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DES VERWALTUNGSGERICHTSHOFES

 

Univ.Prof. Dr. Clemens Jabloner

 

 

 

 

 

Herrn

Generalsekretär

Mag. Werner WUTSCHER

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,

Umwelt und Wasserwirtschaft

Stubenring 1 u. 12

1012 Wien         Wien, am 17. März 2004

 

 

 

E-Mail: manuela.sigl@lebensministerium.at

 

 

 

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

 

Im Folgenden darf ich zwei Nachträge zur gestrigen Sitzung und einen Kommentar zu den Vorschlägen der WKÖ deponieren:

I. Zur Weisungsfrage:

Wenn man die Ergänzung von Prof. Raschauer berücksichtigt - wogegen ich keinen grundsätzlichen Einwand habe - dann würde ich bitten "im Gegenzug" die Passage unter "4. Verfassungsrechtliche Festlegung weisungsfreier Bereiche als Lösungsansatz" wie folgt zu formulieren:

"Als Gegenvorschlag wurde in die Ausschussberatungen eingebracht, vom Verfassungsvorbehalt bei der Weisungsfreistellung nicht abzugehen, da die staatsrechtliche Funktion der Weisung darin liegt, die demokratische Legitimation und die demokratische Kontrolle der Verwaltung zu garantieren. Die Notwendigkeit einer Entlastung des formellen Verfassungsrechts wie auch die Zweckmäßigkeit, in einzelnen Bereichen der Verwaltung von der Weisungsbildung abzugehen, wird dabei nicht verkannt. Die vorgeschlagene allgemeine "Lockerungsregel" enthält aber keine sachhaltige Determinante. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber in Zukunft beliebige Bereiche der Verwaltung aus der Hierarchie und damit Verantwortung herausnehmen könnte, was an sich ja von niemandem angestrebt wird. Eine nachprüfende Kontrolle des Gesetzgebers durch den VfGH wäre dann nur mehr denkbar, wenn man in die Ermächtigung des Art. 20 B-VG, weisungsfreie Organe einzurichten, die genannten - eben unscharfen - Strukturüberlegungen miteinbezieht. Damit würde die Bundesverfassung aber für diesen Bereich ihre regulatorische Funktion verlieren. Deshalb wird vorgeschlagen, ......"

Den ersten Absatz auf Seite 15 bitte wie folgt zu ergänzen:

"...

Es ist weiters auch zu erwarten, dass - im Lichte der jüngsten Judikatur des VfGH - die Rechtsschutzbeauftragten im Siebenten Hauptstück der Bundesverfassung speziell geregelt werden. Dazu wird auf den Ausschuss 9 verwiesen. Die Frage der weisungsfreien Grenzkommissionen wird derzeit im allgemeineren Rahmen vom Ausschuss 2 diskutiert, allenfalls könnte auch die hier vorgesehene Ermächtigung entfallen. Hinzuweisen ist schließlich auf den alternativen Textvorschlag im Bericht des Ausschusses 7."

II. Zur Frage der obersten Organe:

Grundsätzlich teile ich die Auffassung, dass eine derartige Bestimmung zweckmäßig ist. Es gibt ja dazu Judikatur des VfGH und andere Verfassungsbestimmungen knüpfen an Art. 19 Abs. 1 B-VG an. Die Formulierung von Prof. Raschauer ist besser als die vorgeschlagene. Allerdings sollte meiner Ansicht nach Art. 19 Abs. 1 auf die bisher genannten obersten Organe des Bundes und der Länder beschränkt bleiben. Der Grund dafür liegt darin, dass nur diese Organe im eigentlichen Sinn "die" Verwaltung führen, wohingegen die anderen Organe - Bundespräsident, Vorsitzender der Volksanwaltschaft, Präsident des Rechnungshofes, Präsidenten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - nur "ihre" Verwaltung führen. Auch würde dann das Regime des Unvereinbarkeitsgesetzes nicht richtig greifen, da es sich jedenfalls beim Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nicht um einen politischen Funktionär, sondern um einen Berufsrichter handelt, für den das RDG gilt. Ich trete daher eher dafür ein, die Stellung dieser Organe - und zwar soweit möglich nach einem einheitlichen Standard - an den jeweiligen Stellen der Bundesverfassung zu regeln.

III. Zu den gemeinsamen Organen:

Das folgende Kapitel "Oberste Organe übergreifende Behördenstruktur" ist in der gegenwärtigen Textierung etwas inhomogen. "Gemeinsame Verwaltungsstrukturen" und zwar sowohl zwischen Bundesministerien, als auch zwischen Bund und Ländern, gibt es schon bisher. Wenn man zugleich vorsehen will, dass die Verantwortung für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben unberührt bleibt, dann handelt es sich ohnedies nur um Formen der mittelbaren Verwaltung. Ich habe gegen dieser Ermächtigung gar keine grundsätzlichen verfassungspolitischen Bedenken, sehe aber noch nicht ganz durch, was eigentlich gewollt wird.

IV. Zu den Vorschlägen der WKÖ:

Zu 1.: Damit bin ich einverstanden.

Zu 2.: Der erste Punkt ist meines Erachtens etwas ungenau. Das Amt der Landesregierung ist gelegentlich eine eigenständige Landesbehörde, grundsätzlich aber der Geschäftsapparat der obersten Organe der Landesverwaltung resp. des Landeshauptmannes in der mittelbaren Bundesverwaltung. Auf sozusagen gleicher Stufe stehen die Bundesministerien in Relation zu den Bundesministern. Auf Bundesebene ist es noch deutlicher, dass das monokratische Organ "Bundesminister" und sein Geschäftsapparat "Bundesministerium" zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Das ist auch der hauptsächliche Gehalt des Art. 77 Abs. 1 B-VG. Ich würde deshalb in der beispielhaften Aufzählung neben dem Amt der Landesregierung auch das Bundesministerium erwähnen. Auf dieser Ebene hat die Sache meines Erachtens mit "Ausgliederungen" noch nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, dass immer dann, wenn der Bundesminister irgendwelche Zuständigkeiten hat, er sich dazu seines Geschäftsapparates "Bundesministerium" zu bedienen hat. D.h. nicht, dass er nicht im Wege des Bundesministeriums etwa einen Rechtsanwalt konsultieren kann. Es sollte aber nicht der Fall eintreten, dass Amtsgeschäfte des Bundesministers "selbst" unter Umgehung des Geschäftsapparates, und daher auch der Grundsätze der Aktenführung etc., ausgelagert werden.

Der Vorschlag, nicht Bundesbehörden in den Ländern verfassungsrechtlich zu zementieren, überzeugt mich völlig und ich habe ihn ja auch in der letzten Sitzung spontan unterstützt. Hier gibt es meines Erachtens auch bedeutende Einsparungspotentiale.

Zu 3.: Die Formulierung stellt zweifellos einen Fortschrift gegenüber bisherigen Vorstellungen dar, wirft aber noch immer mehrere schwierige Probleme auf. Zunächst möchte ich auf die oben stehenden Ausführungen verweisen. Eine Ausgliederung oder Beleihung kommt - so lange ein Bundesminister noch irgendwelche Zuständigkeiten hat - nur auf der Ebene darunter, also auf jener der "unterstellten Bundesämter" in Frage. Hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor.

Im Übrigen ist die Bestimmung einerseits zu undifferenziert: Man muss zunächst davon ausgehen, dass nach überwiegender Anschauung bei einer Ausgliederung privatwirtschaftlicher Agenden auch ein Ausscheiden aus dem Verwaltungsbegriff des B-VG und daher nach verfassungsrechtlichen Kriterien eine Verlagerung in den nicht staatlichen Bereich bewirkt wird. (Näher Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1/2003/S. 68). Für diesen Bereich gilt Art. 20 B-VG nicht, es kann aber notwendig sein, im Hinblick auf sonstige verfassungsrechtliche Erwägungen - Rechnungshofkontrolle, Gleichheitssatz - "Ingerenzbeziehungen", etwa gesellschaftsrechtlicher Art  zu normieren. Insoweit ist der Vorschlag positiv zu sehen. Auf der anderen Seite gilt aber Art. 20 B-VG, insoweit ausgegliederte Rechtsträger "beliehen" werden. Und in diesem Rahmen kommt eine Lockerung der Weisungsgebundenheit nicht in Betracht. Das Problem der vorgestellten Formulierung liegt darin, dass sie dem Wortlaut nach auch in den hoheitlichen Bereich hinüber ragt. Nur bei systematischer Auslegung - eben wenn man Art. 20 B-VG "hineinliest" - ergibt sich die notwendige Zweiteilung. Das erscheint mir aber verfassungstechnisch sehr problematisch zu sein. Man könnte die vorgeschlagene Formulierung insoweit absichern, als man setzt: "Unbeschadet Art. 20 B-VG können dafür erforderlichenfalls unter der Voraussetzung der Wahrung ......". Eine besonders elegante Verfassungslegistik wäre das allerdings nicht.

Ein weiteres Problem liegt in den Grenzen der Ausgliederung im Sinne der Judikatur des VfGH. Das Aufrechterhalten des Weisungszusammenhangs ist ja nur eines von mehreren Kriterien. Dazu kommt die Unausgliederbarkeit von "Kernaufgaben", die bloß vereinzelte Übertragung von Hoheitsrechten etc. Wie man sich hier entscheidet, ist eine Frage der Verfassungspolitik. Aus meiner Sicht wäre allerdings der einschränkenden Judikatur des VfGH zu folgen, wobei ich einräume, dass eine Formulierung dafür nicht schon auf der Hand liegt. Mir kommt es zunächst vor allem auf die Relation Hoheitsverwaltung/Weisung/parlamentarische Verantwortung an.

 

Mit den besten Grüßen,

Ihr Clemens Jabloner