„„Stellungnahme an den Ausschuss 3 des Österreich-Konvents

zum Ausschussbericht vom 9. Februar 2004

 

Die von ho. umzusetzenden EU-Richtlinien im Bereich Finanzmarktaufsicht (Banken, Börse, Wertpapiere, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds) sind gekennzeichnet durch

 

Als aktuelles Beispiel ist die EU-Regelung der als "Basel II" bekannten neuen Eigenmittelvorschriften für Kreditinstitute zu nennen. Die Summe der – in Österreich umzusetzenden – Detailregelungen wird mehrere hundert Seiten Rechtstext umfassen, deren technische Inhalte nur für Experten verständlich sind.

 

Es herrscht ho. daher die Überzeugung, dass es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein kann, die Verantwortung für sämtliche derartige technische Spezialinhalte in Gesetzen solchen Umfangs zu übernehmen. Hinzu kommt, dass mit häufiger und kurzfristiger Änderung der EU-rechtlichen Vorgaben auf dem technischen level 2 zu rechnen ist, eine innerstaatliche Anpassung im Gesetzesrang müsste laufend vorgenommen werden.

 

Der Bericht des Ausschusses 3 zeigt unseres Erachtens bereits Lösungsmöglichkeiten für diese Problematik auf, die wir daher ausdrücklich unterstützen möchten:

 

  1. In Abschnitt 6.1. Punkt ba) wird eine Lockerung des Legalitätsprinzips (Art. 18 Abs. 1 B-VG) derart vorgeschlagen, dass der Gesetzgeber sich auf die Vorgabe von Zielen beschränken kann.
  2. In Abschnitt 6.1. Punkt bb) wird unter anderem eine Ergänzung von Art. 18 Abs. 2 B‑VG dahingehend vorgeschlagen, dass Verordnungen (auch) erlassen werden dürfen, wenn

·         das Gesetz dazu ausdrücklich ermächtigt,

·         die Ziele der Regelung im Gesetz ausreichend bestimmt sind und

·         die Verordnung ihre gesetzliche Grundlage angibt.

 

Die Kombination von 1. und 2. würde es ermöglichen,

 

Diese Vorgangsweise hätte insgesamt die Vorteile der jederzeitigen EU-Konformität, Entlastung des Parlaments von rein technischen Ausführungsbestimmungen, Flexibilität, rascher Anpassbarkeit, Expertise bei der Verordnungserlassung und letztlich die jederzeitige Freiheit des Gesetzgebers, durch Änderung des Grundsatzgesetzes entsprechende Anpassungen der Ausführungsnormen herbei zu führen, wenn ihm dies wichtig erscheint.

 

Im Ausschussbericht werden im Abschnitt 6.1. bc) auch Bedenken gegen die dargestellten Änderungen von Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG dargelegt, insbesondere

1.      könne das Problem der Normenflut so nicht gelöst, nur auf Verordnungsebene verlagert werden;

2.      es könnte Rechtsunsicherheit die Folge sein;

3.      die VfGH-Judikatur im Sinn eines "differenzierten Legalitätsprinzips" gebe dem Gesetzgeber genug Spielraum.

 

Im Bereich der Umsetzung von technischem EU-Recht der geschilderten Art ist der 1. Einwand sicher zutreffend – die EU-Normenflut ist tel quel vorhanden und muss auf irgendeiner innerstaatlichen Ebene zu einer österreichischen Normenflut führen. Allerdings ist es nach ho. Überzeugung gerade in dieser Situation vorteilhaft, zwischen Grundsatz- und Ausführungsregelung selektieren zu können, da so die Verständlichkeit der Gesetze für Nicht-Fachexperten – einschließlich der Parlamentarier – wesentlich erhöht werden könnte, die Vorteile der Flexibilität, Raschheit, etc. auf Verordnungsebene erhalten bleiben und es sich mit dem rein technischen Bereich, dessen Details für die Allgemeinheit zwangsläufig wenig verständlich bleiben müssen, nur jener Expertenkreis befassen muss, den diese Regeln tatsächlich betreffen.

 

Der 2. Einwand ist nach ho. Auffassung jedenfalls im Bereich der Finanzmarktaufsicht nicht zutreffend. Zum einen sind die technischen Regeln – gleich auf welcher Ebene – ohne Expertenbeitrag ohnedies nicht herstellbar; das heißt, es müsste derselbe Personenkreis (FMA), der für die Erlassung von Verordnungen zuständig wäre, in substantiellem Ausmaß für die Assistenz bei der Gesetzeserstellung beigezogen werden. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Erfahrungen in Deutschland, wo es seit vielen Jahren Praxis ist, technisches Aufsichtsrecht durch Verordnung zu regeln, keine höhere Rechtsunsicherheit gezeigt haben.

 

Zum 3. Einwand ist zu bemerken, dass es keine einheitliche Judikatur oder Tendenz des VfGH gibt, die für den Gesetzgeber oder Normadressaten verlässlich erkennen lassen würde, wo denn nun die Grenzen der zulässigen Delegation tatsächlich liegen. Es sollte aber dem Gesetzgeber (und auch nicht den Normadressaten) keine "Versuchslegistik" zugemutet werden, bei der jedes Gesetz, bei dem versucht wird, Spielraum für technische Verordnungen zu geben, von vornherein von Aufhebung bedroht ist. Besonders nachteilig wäre – die im Aufsichtsrecht nicht unwahrscheinliche Situation – dass auf Grund desselben Gesetzes technische Regelungen teils im Gesetzesrang saniert werden müssten, teils als Verordnungen fortbestehen, abhängig davon, ob angefochten wurde oder nicht und in welcher Reihenfolge. Dies hätte eine so große Rechtsunsicherheit zur Folge, dass der Gesetzgeber jedenfalls den sicheren Weg beschreiten und (weiterhin) so viel wie möglich im Gesetzesrang regeln müsste. Das Ausreizen von Spielräumen, die der VfGH auf Grund des geltenden Legalitätsprinzips gewährt (oder nicht) ist daher nach ho. Auffassung kein zielführender Lösungsansatz. Vielmehr kann der Anspruch an den Verfassungsgesetzgeber gestellt werden, er möge entscheiden und klarstellen, ob das bisherige Legalitätsprinzip – auch unter geänderten Rahmenbedingungen (EU-Recht, technische Normen) beizubehalten ist oder nicht.

 

Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass es auch nach geltendem Verfassungsrecht ho. für erforderlich erachtet wird, dass die FMA immer spezifische Ermächtigungen zur Erlassung von Verordnungen vorfindet, da auf Grund ihres ausgegliederten Status die Anwendbarkeit der allgemeinen Verordnungskompetenz (Art. 18 Abs. 2 B-VG) fraglich erscheint. Eine Lockerung des Determinierungsgrades der gesetzlichen Grundlage würde jedoch die dargestellten wesentlichen Verbesserungen bringen.

 

Zur Diskussion über die Rolle des Bundesrates wird angemerkt, dass eine Ausweitung grundsätzlich nicht zur Blockade wichtiger Reformvorhaben des Bundes führen darf. Dort jedoch, wo bereits jetzt ein Zustimmungsrecht der Länder vorgesehen ist, ist eine Übertragung dieser Kompetenz an den Bundesrat denkbar. Hinsichtlich des Finanzausgleichsgesetzes ist speziell zu betonen, dass sich die derzeitige Rechtslage zur Erzeugung von Finanzausgleichsgesetzen bewährt hat und einen sachgerechten Finanzausgleich garantiert (Kooperationsgebot: VfGH-Judikatur zu § 4 F-VG!). Eine erweiterte Mitwirkung des Bundesrates in diesem Bereich ist daher nicht erforderlich und abzulehnen.

 

Zu der unter dem Titel "Legislative der Länder" abgeführten Diskussion ist zu bemerken, dass das Zustimmungsrecht der Bundesregierung auch für die Mitwirkung von Organen der Finanzverwaltung jedenfalls erhalten bleiben muss.

 

Ein Einspruchsrecht der Bundesregierung muss ebenfalls erhalten bleiben sofern durch Landesgesetze

 

Überdies ist in diesem Zusammenhang die Behandlung des § 9 F-VG (Mitwirkung des Bundes bei Landesabgabengesetzen) dem Ausschuss 10 vorzubehalten.

 

Der vom Ausschuss 3 diskutierte prinzipielle Rechtsanspruch der Gemeinde auf Übertragung der Besorgung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf staatliche Behörden läuft den dem Ausschuss 10 vom Konvent erteilten Auftrag zur Zusammenführung von Einnahmen-, Ausgaben- und Aufgabenverantwortung komplett entgegen. Ein solcher Anspruch ist daher grundsätzlich abzulehnen und sollte nur Ausnahmefällen vorbehalten bleiben. Diesfalls ist natürlich von den jeweiligen Gemeinden voller Kostenersatz zu leisten.