Christoph Grabenwarter/Rudolf Thienel                                                                       4.11.2004

Entwurf zum Grundrecht „Persönliche Freiheit“

Artikel X (Schutz der persönlichen Freiheit)

 (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die persönliche Freiheit darf einer Person nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

1.      wenn auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkannt worden ist;

2.      wenn sie einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist,

a)     zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass sie einen bestimmten Gegenstand innehat,

b)     um sie daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder

c)     um sie bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen Handlung oder an der Ausführung zu hindern;

3.      zum Zweck ihrer Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der sie auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist;

4.      um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;

5.      wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde;

6.      zum Zweck notwendiger Erziehungsmaßnahmen bei einer minderjährigen Person;

7.      wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

(2) Niemand darf allein deshalb festgenommen oder angehalten werden, weil er nicht in der Lage ist, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.

 

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort der Anhaltung notwendig sind.

 

Erläuterungen:

1.      Das Grundrecht der persönlichen Freiheit entspricht im Wesentlichen der Regelung des Art. 5 Abs. 1 EMRK sowie der Art. 1 und 2 PersFrBVG. Die übrigen, primär verfahrensrechtlichen Garantien des Art. 5 EMRK sowie des PersFrBVG 1988 finden sich in den Art. Y und Z.

2.      Abs. 1 und 2 führen die Inhalte der Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie Art. 2 PersFrBVG zusammen. Die abschließende Aufzählung der Festnahmegründe entspricht dem entsprechenden Katalog in Art. 2 Abs. 1 PersFrBVG.

3.      Abs. 3 enthält das besondere Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 1 Abs 3 PersFrBVG.

4.      Abs. 4 entspricht Art. 1 Abs. 4 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 2 EMRK.

 

 

Artikel Y (Verfahrensgarantien im Freiheitsentzug)

 (1) Auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung darf nur ein Gericht auf Freiheitsentzug erkennen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden dürfen jedoch vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je sechs Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je drei Monate nicht übersteigt. Wird eine Freiheitsstrafe nicht von einer unabhängigen Behörde verhängt oder eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht von ihr festgesetzt, so muss die Anfechtung der Entscheidung bei einem Gericht in vollem Umfang und mit aufschiebender Wirkung gewährleistet sein.

 

(2) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c ist nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehls zulässig, der dem Betroffenen bei der Festnahme, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist. Bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Abs. X 1 Z 2 lit. a darf eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden ist, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Finanzbehörde zu übergeben.

 

(3) Eine dem Gericht übergebene Person ist ohne Verzug vom Richter zur Sache und zu den Voraussetzungen der Anhaltung zu vernehmen.

 

(4) Eine Festnahme aus den Gründen des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. b und c wegen des Verdachtes einer mit finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung ist nur in Vollziehung einer begründeten Anordnung eines gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten zulässig. Jedoch darf bei Gefahr im Verzug sowie im Falle des Art. X Abs. 1 Z 2 lit. a eine Person auch ohne eine solche Anordnung festgenommen werden. Im übrigen gelten die Abs. 2 und 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass die festgenommene Person unverzüglich der zuständigen Finanzstrafbehörde zu übergeben ist.

 

(5) Eine aus dem Grund des Art. X Abs. 1 Z 3 festgenommene Person ist, wenn der Grund für die Festnahme nicht schon vorher wegfällt, unverzüglich der zuständigen Behörde zu übergeben und darf keineswegs länger als 24 Stunden angehalten werden. 

 

(6) Jede festgenommene Person ist ehestens, womöglich bei ihrer Festnahme, in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe ihrer Festnahme und die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Den sprachlichen Minderheiten eingeräumte Rechte bleiben unberührt.

 

(7) Jede festgenommene Person hat das Recht, dass auf ihr Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach ihrer Wahl ein Angehöriger und ein Rechtsbeistand von der Festnahme verständigt werden.

 

(8) Jede Person, die auf Grund des Verdachtes einer mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, hat das Recht auf Beendigung des Verfahrens, das wegen der gegen sie erhobenen Anschuldigung eingeleitet worden ist, innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Freilassung während des Verfahrens.

 

(9) Wenn gelindere Mittel ausreichen, ist vom Freiheitsentzug abzusehen. Wer wegen einer nicht mit schwerer Strafe bedrohten Handlung angehalten wird, um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen, ist jedenfalls freizulassen, wenn er eine vom Gericht oder von den gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten unter Bedachtnahme auf das Gewicht der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung, seine persönlichen Verhältnisse und das Vermögen des die Sicherheit Leistenden festgesetzte Sicherheit beistellt; zusätzliche gelindere Mittel zur Sicherung des Verfahrens sind zulässig.

 

 

 

Erläuterungen:

1.      In Art. Y werden die Verfahrensgarantien der Art. 3 bis 5 PersFrBVG  im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen und zusammengefasst.

2.      Abs. 1 entspricht Art. 3  PersFrBVG. Art. 3 Abs. 3 PesFrBVG sah bisher die Anfechtung einer behördlich verhängten Freiheitsstrafe bei einer unabhängigen Behörde vor. Im Hinblick auf die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist die Anfechtung zwingend bei einem Gericht zu gewährleisten.

3.      Abs. 2 entspricht Art. 4 Abs. 1 und 2 PersFrBVG.

4.      Abs. 3 enthält das Recht der festgenommenen Person, unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden. Die Garantie entspricht Art. 4 Abs. 3 PersFrBVG.

5.      Abs. 4 entspricht Art. 4 Abs. 4 PersFrBVG .

6.      Abs. 5 entspricht Art. 4 Abs. 5 PersFrBVG.

7.      Abs. 6 entspricht Art. 4 Abs. 6 PersFrBVG.

8.      Abs. 7  entspricht Art. 4 Abs. 7 PersFrBVG.

9.      Abs. 8 enthält einen Anspruch der festgenommenen Person auf Entscheidung über die Festnahme in angemessener Frist oder auf Freilassung. Er entspricht Art. 5 Abs. 1 PersFrBVG  (vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK).

10.  Abs. 9 entspricht Art. 5 Abs. 2 PersFrBVG.

 

 

 

 

Artikel Z (Haftprüfung, Recht auf Haftentschädigung)

 

(1) Jede Person, die festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit ihre Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

 

(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht zu überprüfen.

 

(3) Jede Person, die rechtswidrig festgenommen oder angehalten wurde, hat Anspruch auf volle Genugtuung einschließlich des Ersatzes nicht vermögensrechtlichen Schadens.

 

 

Erläuterungen:

 

1.   Die Garantie auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festnahme durch ein Gericht gemäß Absatz 4 entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 Abs. 4 EMRK.

2.   Im Fall von Anhaltungen unbestimmter Dauer bzw. lebenslanger Haft hat eine Überprüfung der Haft in angemessenen Abständen zu erfolgen. Diese Garantie wurde durch die Rechtsprechung des EGMR aus der Garantie des Art. 5 Abs. 4 EMRK entwickelt (EGMR, Urt. v. 24.10.1979, Winterwerp, Serie A 33, Z. 55) und entspricht Art. 6 Abs. 2 PersFrBVG.

3.   Das Recht auf Entschädigung für unrechtmäßige Haft gemäß Abs. 5 entspricht Art. 7 PersFrBVG, der seinerseits Art. 5 Abs. 5 EMRK nachgebildet wurde.