Dr. Bernhard Raschauer                 Wien, am 15. 10. 2004

An den Vorsitzenden
des Ausschusses VI

 

Sehr geehrter Herr Sektionschef!

Im Interesse der Vorbereitung der nächsten Ausschusssitzung darf ich Ihnen meine persönlichen Vorschläge zu den Themen Bildung, Sicherheit, Gesundheit und Finanzen gemäß dem Ergänzungsauftrag des Präsidiums übermitteln. Ich möchte Sie bitten, dieses Papier den anderen Ausschussmitgliedern zu übermitteln.

Mit freundlichen Grüßen

B. Raschauer e.h.

 

Bildung

1. Ausgangslage

Es ist davon auszugehen, dass der Ausschuss 5 einen Vorschlag für eine Kompetenzverteilung erarbeitet, der einerseits Zuständigkeiten des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung und andererseits Zuständigkeiten der Länder zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Bildungswesens regelt.

Weiters ist davon auszugehen, dass es eine Zuständigkeit des Bundes zur Einrichtung von Bundesämtern (derzeit Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG) und eine Zuständigkeit der Länder zur Einrichtung von Landesämtern (derzeit Art 15 Abs 1 B-VG) geben wird.

2. Novellierungsvorschlag

Bereits auf dieser Grundlage ist es möglich, die in der bisherigen Diskussion erwogenen Modelle zu verwirklichen, seien dies Bildungsdirektionen (des Bundes) in den Ländern, seien dies Bildungsdirektionen der Länder, seien dies regionalisierte Formen der Organisation der Bildungsverwaltung.

Vorschlagsrechte können einfachgesetzlich geregelt werden, für allfällige weisungsfreie Organe ist im Rahmen des Art 20 B-VG vorzusorgen: Die Art 81a und 81b B-VG können daher entfallen.

Ich persönlich würde dafür plädieren, doppelfunktionale Einrichtungen vorzusehen, die organisatorisch Einrichtungen der Länder sind. Den Ländern könnte man einen Gestaltungsspielraum einräumen (zB Bildungsdirektion als Teil des Amts der Landesregierung oder nicht). Daraus ergibt sich folgender Vorschlag (etwa als Art 102a oder als Art 107 B-VG):

"Im Bereich der Länder werden die Angelegenheiten der Schulen mit Ausnahme der Angelegenheiten der Universitäten [und der Fachhochschulen] von Bildungsdirektionen wahrgenommen. Sie sind in Angelegenheiten aus dem Vollziehungsbereich des Bundes an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden und diesem verantwortlich. Sie werden, soweit landesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, beim Amt der Landesregierung eingerichtet. Die Bestellung des Leiters/der Leiterin der Bildungsdirektion bedarf der Zustimmung des zuständigen Bundesministers". 

  

Sicherheitsverwaltung

1. Ausgangslage

Nach Art 10 Abs 1 Z 7 sind "Aufrecherhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ..."
nach Art 10 Abs 1 Z 14 B-VG sind "Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie" und
nach Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG sind "Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter"
Bundeszuständigkeit.

Nach Art 102 Abs 2 B-VG können
"Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie" sowie
"Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ..."
unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden.

2. Novellierungsvorschlag

Wenn man (a) die Art 78a bis 78d B-VG aufhebt und
(b) in Art 102 B-VG den Abs 3 wie folgt fasst: "Dem Bund bleibt es vorbehalten, auch in den im Abs 2 aufgezählten Angelegenheiten Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung [den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden] mit der Vollziehung des Bundes zu beauftragen"
kann jedes der im Bericht angesprochenen Modelle einfachgesetzlich verwirklicht werden.

Der Sinn der Neufassung des Art 102 Abs 3 B-VG liegt darin, den Einsatz von Bezirksverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden erster Instanz abzusichern.

Allenfalls könnte man (entsprechend Art 78b Abs 2 B-VG) vorsehen (parallel zur betreffenden Regelung bezüglich Bildungsdirektoren, neutral formuliert sodass es auch auf Regionalmodelle passt): "Die Leiter der in Unterordnung unter das zuständige Bundesministerium mit der Sicherheitsverwaltung im Bereich der Länder betrauten Behörden werden vom Bundesminister im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann bestellt".

 

Gesundheitsverwaltung

1. Ausgangslage

Mangels anderer Anhaltspunkte kann derzeit nur davon ausgegangen werden, dass es auch in Zukunft Zuständigkeiten des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich des Gesundheitswesens und des Sozialversicherungswesens sowie Zuständigkeiten der Länder zur Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich der Heil- und Pflegeanstalten geben wird.

2. Novellierungsvorschlag

Bereits auf dieser Grundlage ist es möglich, Kooperationsmodelle von der Art des Krazaf oder der Landesfonds im Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung zu verwirklichen.

Mir sind jüngst der Vorentwurf für eine Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens sowie der Vorentwurf für eine Gesundheitsagenturengesetz des Bundes bekannt geworden. Auch diese Entwürfe erfordern bei erster Durchsicht keine besonderen Verfassungsbestimmungen.

Soweit man für die Zukunft für Kooperationsformen vorsorgen wollte, die über Planungen, Kooperation und die Steuerung von Mittelflüssen hinausgehen und etwa auch hoheitliche Steuerungsinstrumente erfassen (und soweit nicht überhaupt eine allgemeine Bestimmung über gemeinsame Bund-Länder-Einrichtungen beschlossen wird), könnte an eine Bestimmung folgender Art gedacht werden:

"Durch Bundesgesetz kann im Interesse der wirtschaftlichen und zweckmäßigen Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich des Gesundheitswesens eine Einrichtung zur Erstellung von verbindlichen Vorgaben für alle Rechtsträger geschaffen werden, die Dienstleistungen im Bereich des Gesundheitswesens erbringen und der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen. Ein solches Bundesgesetz darf nur mit Zustimmung des Bundesrates [oder: erst nach Inkrafttreten einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern (Art 15a) über die Koordination auf dem Gebiet des Gesundheitswesens] kundgemacht werden". 

 

Finanzverwaltung

 

Eine verfassungsrechtliche Frage ist gegeben, wenn man dafür eintritt, dass jegliche Einhebung von Abgaben - im Interesse der Vermeidung von Mehrfachzuständigkeiten - durch Abgabenbehörden des Bundes erfolgen soll. Dies dürfte über Art 97 Abs 2 B-VG hinausgehen.

Nun ist es meines Erachtens in der Tat angebracht, den Art 97 Abs 2 B-VG vorsichtig zu liberalisieren (Mitwirkung von Wachkörpern des Bundes bzw von Richtern in Kollegialorganen). Dies müsste jedoch gesamthaft beurteilt werden und gehört insoweit vor Ausschuss III.

Die Unabhängigen Finanzsenate gehören zu Ausschuss IX.