22.11.04

Clemens Jabloner

 

 

Vorschläge für verfassungsrechtliche Vorkehrungen gegen legistische Missstände

 

I.

Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I ......, wird wie folgt geändert:

1. Artikel 41 Abs. 1 lautet:

"Artikel 41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Vorlagen der Bundesregierung sind so zu gestalten, dass ihre Vorberatung durch die nach der Geschäftsordnung des Nationalrates allenfalls eingerichteten jeweiligen Ausschüsse möglich ist".

2. Nach Artikel 49 b wird eingefügt:

"Artikel 49c. (1) Jedes Bundesgesetz, das durch ein späteres Bundesgesetz geändert oder aufgehoben wird, ist in dessen Titel anzuführen.

(2) In einem Bundesgesetz dürfen Bestimmungen, durch die bestehende Bundesgesetze abgeändert oder aufgehoben werden, nicht mit anderen Bestimmungen zusammengefasst werden. (Bestimmungen über das Inkrafttreten und den Vollzug bleiben davon unberührt)."

 

(Alternative zu 2.

"Artikel 49c. Über die rechtstechnische Gestaltung der Bundesgesetze ergeht ein besonderes Bundesgesetz.")

 

 

 

II.

1. Den Vorschlägen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Erlassung von umfangreichen Bundesgesetzen, die zum einen Sammelnovellen sind und zum andern "selbstständige" Bestimmungen enthalten, zu groben legistischen Missständen führt. Gemeint sind vor allem die seit den späten 90er-Jahren regelmäßig erlassenen "Budgetbegleitgesetze". Gegenzusteuern wäre zunächst im parlamentarischen Verfahren, das durch derartige Regierungsvorlagen überstürzt wird. Dazu könnten Regelungen für das Erscheinungsbild der erzeugten Bundesgesetze treten.

2. Es erscheint wenig aussichtsreich - und das gilt sowohl für die verfahrensrechtliche Regelung als auch für das Produkt - vorzuschreiben, dass nur inhaltlich verwandte Materien verbunden werden können, da dieser Begriff nicht judizierbar ist.

3. Der Vorschlag enthält daher zunächst eine Bestimmung für die Gestaltung von Regierungsvorlagen. Sammelnovellen entstehen typischerweise nicht über parlamentarische Initiativen, sondern im Wege von Regierungsvorlagen. Wenn angeordnet wird, dass RV die Struktur der im Nationalrat eingerichteten Ausschüsse zu reflektieren haben, ist dies freilich nur eine relative Vorkehrung, kann der Nationalrat doch allenfalls flexibel reagieren. Aber mehr ist hier wohl kaum möglich. Es soll vor allem verhindert werden, dass im Rahmen von "Sammelnovellen" selbstständige Stammgesetze entstehen, die dann ihrerseits wiederum novelliert werden können. Schon dies zu verhindern, wäre ein gewisser Fortschritt.

Die im zweiten Absatz getroffene Regelung soll "leges fugitivae" verhindern.

4. Wurden diese Regeln nicht eingehalten, tritt nicht absolute Nichtigkeit ein. Vielmehr wäre, wie schon von Prof. Wiederin aufgeworfen, zu fragen, welche Teile der so erzeugten Gesetze verfassungswidrig werden. Meines Erachtens würde die Verfassungswidrigkeit das Bundesgesetz schlechthin treffen (auch beim verfehlten Titel nach Abs. 1).

5. Zu den Regelungen über das Inkraftsetzen und die Vollzugsklauseln, ist Folgendes zu sagen: Soweit Gesetze geändert werden, sind eigenständige Vollziehungsklauseln im Grunde überflüssig, da es ja schon eine Vollzugsklausel zum Stammgesetz gibt. Ähnliches gilt auch für die Bestimmungen über das Inkrafttreten.

8. Eine Alternative zu 2. könnte die Ermächtigung für ein "Bundeslegistikgesetz" bilden -  allenfalls ein "Verfassungsausführungsgesetz" - , das seinerseits unter Kodifikationszwang steht. Als Erzeugungsbedingung würde es so wie das BGBlG funktionieren. Auch ein Einbau in das zuletzt genannte Gesetz wäre möglich.