VfGH 16. 3. 1989, B 1268/87 - Rechtssatz
Der Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z11 B-VG ("Kammern für Arbeiter und Angestellte, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet") verpflichtet den Gesetzgeber nicht, alle unselbständig Erwerbstätigen in Arbeiterkammern zu organisieren (vgl. etwa VfSlg. 8485/1979); dem Gesetzgeber kommt bei der Abgrenzung des Personenkreises, den er zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung zusammenschließt, ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu, die Abgrenzung des zusammengefaßten Personenkreises muß jedoch durch objektive und sachliche Momente bestimmt sein (vgl. etwa VfSlg. 3753/1960, 8485/1979, 8539/1979).
 
Wenn der Gesetzgeber die Berufsgruppe der Berufsanwärter der Wirtschaftstreuhänder im Hinblick auf deren Repräsentation in der Selbstverwaltungsorganisation der Wirtschaftstreuhänder von der Arbeiterkammer-Mitgliedschaft ausgenommen hat, so kann ihm nicht entgegengetreten werden.
 
Die Zusammenfassung von Mitgliedern mit teilweise divergierenden Interessen - wie etwa ein Blick auf die Organisation der Kammern der gewerblichen Wirtschaft oder die Landwirtschaftskammern zeigt - ist nicht ungewöhnlich und für sich noch nicht unsachlich.
 
Bei einer auf die typische Situation abstellenden - zulässigen - Durchschnittsbetrachtung ist davon auszugehen, daß Berufsanwärter im Regelfall die Absicht haben werden, die Berufsbefugnis zu
erwerben und (jedenfalls langfristig) eine deutliche Interessenparallelität mit den Wirtschaftstreuhändern gegeben ist.
 
In einer solchen Situation kommt - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung VfSlg. 8539/1979 dargelegt hat – in Anbetracht der mangelnden Eindeutigkeit der Interessenlage dem
Gesetzgeber ein Bewertungsspielraum zu. Es steht ihm dabei auch frei, solche Arbeitskräfte aus der Berufsvertretung der Arbeitnehmer heraus- und in jene der Wirtschaftstreuhänder hineinzunehmen.