VfGH 10. 10. 2003 G 222/03 – Rechtssatz (Auszüge)
 
Der Hauptverband ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Rechtspersönlichkeit eingerichtet (§32 Abs1 ASVG). Das Gesetz ordnet nicht an, dass die (leitenden) Organe des Hauptverbandes bei ihrer Tätigkeit gegenüber dem zuständigen Bundesminister (als dem in Betracht kommenden obersten Organ des Bundes) weisungsgebunden wären. Der Hauptverband hat die ihm übertragenen Aufgaben somit weisungsungebunden zu besorgen.
 
Gegen die Ermächtigung des Hauptverbandes, seine Aufgaben nicht in Bindung an Weisungen des zuständigen obersten Organs wahrzunehmen, bestehen dann und insoweit keine Bedenken, als der Hauptverband als Selbstverwaltungskörper organisiert ist.
 
Der Gesetzgeber hat bei Schaffung eines Selbstverwaltungskörpers dem sich aus Art7 Abs1 B-VG ergebenden Sachlichkeitsgebot Rechnung zu tragen; darüber hinaus ist eine staatliche Aufsicht über die Organe des Selbstverwaltungskörpers hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihres Verwaltungshandelns vorzusehen.
 
Eine weitere Grenze zulässiger Selbstverwaltung besteht darin, dass der eigene (dh. eigenverantwortlich und ohne Bindung an Weisungen zu besorgende) Wirkungsbereich jedes Selbstverwaltungskörpers auf Angelegenheiten beschränkt bleiben muss, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der zum Selbstverwaltungskörper zusammengeschlossenen Personen gelegen und geeignet sind, von dieser Gemeinschaft besorgt zu werden.
 
Im Hinblick auf das Fehlen eines Weisungszusammenhanges mit demokratisch legitimierten Staatsorganen muss zumindest jenes Organ des Selbstverwaltungskörpers über eine demokratische Legitimation verfügen, welches das oberste Organ dieses Selbstverwaltungskörpers ist.
 
Jedenfalls die mit entscheidungswichtigen Aufgaben und Befugnissen betrauten Organe des Selbstverwaltungskörpers sind von diesem "autonom", dh. aus der Mitte seiner Angehörigen, zu bestellen, um demokratisch legitimiert zu sein, woraus sich ua. auch die Notwendigkeit regelmäßiger Neuwahlen in diese Organe ergibt.
 
Die gebotene Intensität der Mitwirkung jener, deren Angelegenheiten in Selbstverwaltung geführt werden sollen, an der Kreation der Organe des jeweiligen Selbstverwaltungskörpers kann nicht ohne Blick auf die dem Selbstverwaltungskörper übertragenen Aufgaben bestimmt werden und hängt auch von den potentiellen Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die Rechtssphäre seiner Mitglieder ab.