Auszug aus den Entscheidungsgründen
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II. 2. (...)
Die Besonderheit der hier zu beurteilenden Situation liegt nun zum einen darin, daß das System, demzufolge für die Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen eine spezifische bundesgesetzliche
Bewilligung oder Ermächtigung vorliegen muß, verfassungsrechtlich grundgelegt und damit einer Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen ist, und zum anderen darin, dass die Unzulässigkeit der Verbreitung von terrestrischem Fernsehen (für andere Veranstalter als den ORF) auf die Untätigkeit des Gesetzgebers zurückgeht.
Eine Untätigkeit des Gesetzgebers kann vom Verfassungsgerichtshof dann auf ihre Verfassungs-mäßigkeit geprüft werden, wenn es sich bloß um ein partielles Unterlassen handelt, wenn also ein Zusammenhang zu einer bestehenden Norm gegeben ist, der es erlaubt, diese als Bezugspunkt für die Auswirkungen anzusehen, die das gesetzgeberische Unterlassen nach sich zieht (vgl. Oberndorfer, EuGRZ 1988, 193 ff., hic: 196 f.; Holoubek, Rundfunkfreiheit und Rundfunkmonopol, 1990, 197 bis 201; beide mit Judikaturhinweisen).
Während in dem (mit Erkenntnis vom 27. September 1995, G 1256-1264/95, entschiedenen) Fall des Kabelrundfunks die Veranstalter zu einer - freilich bloß sehr eingeschränkten - Veranstaltung von Kabelrundfunksendungen ermächtigt waren (und der Verfassungsgerichtshof daher durch Beseitigung der Einschränkung eine der Rundfunkfreiheit entsprechende Regelung auf diesem Gebiet bewirken konnte), ist die Veranstaltung von terrestrischem Fernsehen durch andere als den ORF gänzlich
ausgeschlossen. Es liegt also kein bloß partielles Unterlassen, sondern eine gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers vor.
 
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Ein nicht bloß partielles Unterlassen, sondern ein gänzliches Untätigbleiben des Gesetzgebers kann jedoch vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden: Weder Art140 B-VG noch eine andere Bestimmung der Bundesverfassung ermächtigt den Gerichtshof, den Gesetzgeber zu einem Gesetzgebungsakt zu verpflichten. Sollte die in der Beschwerde angenommene Verfassungswidrigkeit der Unzulässigkeit der Veranstaltung terrestrischen Fernsehens durch andere Veranstalter als den ORF - eine Konsequenz, die sich möglicherweise aus der schon zitierten Entscheidung des EGMR Informationsverein Lentia u.a. gegen Österreich ergeben könnte - tatsächlich konventionswidrig sein,
kann angesichts dieser Konstellation nur eine Entscheidung des EGMR Abhilfe bewirken; nur dieser ist daher zuständig, die Frage des Vorliegens einer solchen Konventionswidrigkeit mit verbindlicher Wirkung zu klären.