Auszug aus den Entscheidungsgründen

 

Zur Prüfung des ChemikalienG

 

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III. 2. (...)

Nach Art6 StGG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist, wobei dem Gesetzgeber ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offensteht als bei Regelungen, die den Erwerbsantritt beschränken (vgl. VfSlg. 10718/1985, 11558/1987, 12481/1990; VfGH 11.3.1993, G219/92).
 
    §21 Abs2 ChemG will im Geiste des diesem Gesetz zugrundeliegenden Vorsorgeprinzips sicherstellen, daß der Konsument im Zusammenhang mit der Werbung für gefährliche Produkte auch einen Hinweis auf die Gefährlichkeit des Produktes und den erforderlichen Sicherheitsratschlag zumindest in der Kurzform der Kennzeichnung erhält. Daß der Schutz der Gesundheit von Menschen, dem diese Bestimmung letztlich dient, im öffentlichen Interesse gelegen ist, begegnet keinem Zweifel. Daß eine derartige Werbebeschränkung, wie die Antragsteller offenbar vermeinen, über das Ziel schießt, sohin dem genannten öffentlichen Interesse nicht adäquat ist, vermag der Verfassungs-gerichtshof nicht zu sehen. Ohne Zweifel ist ein in der Werbung zwingend enthaltener Gefahren-hinweis geeignet, Konsumenten vor einer unsachgemäßen, - dann aber gefährlichen -, Verwendung der betreffenden Zubereitung zu schützen. Sie ist aber auch zufolge ihrer relativ geringfügigen Eingriffsintensität kein unverhältnismäßiges Mittel, die beim Umgang mit der Zubereitung erforderliche Sorgfalt beim Konsumenten sicherzustellen. Daß möglicherweise ähnliche Gefahren, die von anderen, nicht dem ChemG unterliegenden Stoffen ausgehen, bei diesen Stoffen keiner derartigen Werbe-beschränkung unterliegen, vermag nicht die Unverhältnismäßigkeit der Werbebeschränkung nach §21 Abs2 ChemG darzutun.

 

Zur Prüfung der ChemV und der AnmV

IV.2.

Der Verfassungsgerichtshof hält fest, daß er im Gegensatz zu dem in den Anträgen zu G167/92 und V78/92 geäußerten Vorbringen keine Bedenken hegt, daß die Vorschriften der §§2 Abs5 und 17 Abs2 des ChemG keine dem Art18 Abs2 B-VG genügende taugliche gesetzliche Grundlage für die Erlassung der hier zu prüfenden Bestimmungen der ChemV bilden. Dies insbesondere angesichts der Zielbestimmung des Gesetzes (§1 ChemG) sowie der näheren Regelung der (Einstufungs-, Verpackungs-, Kennzeichnungs- und sonstigen) Pflichten, die den Herstellern und Importeuren der dem ChemG unterliegenden Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren von diesem Gesetz auferlegt wurden, vor deren Hintergrund die Verordnungsermächtigungen verstanden werden müssen.
      Die genannten Verordnungsermächtigungen entsprechen insoweit durchaus dem verfassungs-gesetzlich gemäß Art18 Abs2 B-VG zu fordernden Determinierungsstandard von Umweltgesetzen, weil darin - im Einklang mit Art2 Abs1 erster Satz EMRK und §1 Abs2 des Bundesverfassungs-gesetzes vom 27. November 1984 über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491, ("Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen.") - entsprechend dem Ziel des ChemG, (d.i. die Vorsorge vor schädlichen Einwirkungen auf Menschen und die Umwelt, die durch die Manipulation (im weitesten Sinn) mit chemischen Stoffen, daraus entstehenden Zubereitungen oder Fertigwaren möglich sind), gesetzlich fest umrissene Maßnahmen vorgesehen werden: §2 Abs5 zweiter Satz ChemG sieht vor, daß die vom Gesetzgeber im gleichen Absatz unter den Z1 - 15 aufgezählten und von ihm dort bereits kurz definierten gefährlichen Eigenschaften von Stoffen oder Zubereitungen vom Verordnungsgeber im Interesse der Rechtsklarheit näher erläutert werden können. §17 Abs2 ChemG ermächtigt den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, durch Verordnung nähere Vorschriften über die Vorgangsweise der Hersteller oder Importeure gefährlicher Stoffe oder Zubereitungen zu erlassen, wenn diese ihrer - unmittelbar aus §17 Abs1 ChemG resultierenden - Verpflichtung nachkommen, den Stoff oder die Zubereitung gemäß den durch §2 Abs5 ChemG unter den Z1 – 15 legal definierten und in der (Chemikalien-)Verordnung gemäß dem zweiten Satz des §2 Abs5 ChemG näher ausgeführten Gefahrenkategorien einzustufen. Diese Einstufung ist vor allem im Hinblick auf die Kennzeichnungs-pflicht gemäß §18 ChemG sowie die Werbebeschränkungen gemäß §21 Abs2 ChemG von unmittelbarer Bedeutung. Daß die Regelungen der ChemV für die Schutzziele des ChemG "erforderlich" sein müssen (- so §§2 Abs5 und 17 Abs2 leg.cit. -), bedeutet nicht mehr als daß sie diesen Schutzzielen dienlich (also zu deren Wahrnehmung geeignet) und in Anbetracht der dadurch begründeten Verpflichtungen auch angemessen sein müssen.
      Es ist zwar nicht zu leugnen, daß die Verordnungsermächtigung des §17 Abs2 ChemG über die Regelung der Vorgangsweise bei der Einstufung gewisse Unschärfen aufweist, wie in verschiedenen Anträgen näherhin ausgeführt wird. Der Verfassungsgerichtshof ist aber der Meinung, daß die Verordnungsermächtigung auch vor dem Hintergrund der diesbezüglichen, in der Regierungsvorlage zum Gesetz bekundeten Absicht zu verstehen ist, daß die Regelungen der danach zu erlassenden Verordnung "auf die diesbezüglichen internationalen Richtlinien und Empfehlungen für die Einstufung von Stoffen und Zubereitungen, die gefährliche Stoffe enthalten, Bedacht nehmen müssen" (26 BlgNR 17. GP, S. 40). Daß dem Verordnungsgeber bei der Konkretisierung der Einstufungspflicht, also der konkreten Anordnung, auf Grund welcher Verfahren und Merkmale bei Stoffen und Zubereitungen die Einstufung entsprechend den gesetzlich vorgegebenen 15 Gefahrenkategorien vorzunehmen ist, ein gewisser Spielraum eingeräumt ist, widerspricht Art18 Abs2 B-VG deshalb nicht, weil die wesentlichen Merkmale der Vorgangsweise bei der Einstufung schon dem (Chemikalien-)Gesetz, nämlich vor allem dessen §17 Abs1, zu entnehmen sind. 

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