Österreich-Konvent

TONBANDABSCHRIFT

 

 

9. Sitzung

Freitag, 5. März 2004

 

 

 

 

 

 


 

 

 

Tagesordnung

 

 

1.)             Beratung über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des Ausschusses 3 (Staatliche Institutionen) (2/AUB-K)

 

2.)             Beratung über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des Ausschusses 7 (Strukturen besonderer Verwaltungseinrichtungen) (3/AUB-K)

 

3.)             Beratung über den vom Präsidium vorgelegten Bericht des Ausschusses 1 (Staatsaufgaben und Staatsziele) (5/AUB-K)

 

 


 

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler.............................. 3

Dr. Gerhart Holzinger........................................................................................... 3

Herwig Hösele....................................................................................................... 6

Dr. Heinz Fischer................................................................................................... 8

Dr. Reinhard Rack................................................................................................. 9

MMag. Dr. Madeleine Petrovic.......................................................................... 10

Johann Hatzl........................................................................................................ 12

Dr. Christoph Leitl............................................................................................... 13

Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 14

Dr. Clemens Jabloner......................................................................................... 15

Dr. Josef Pühringer............................................................................................. 16

Dr. Theodor Öhlinger......................................................................................... 17

Dr. Günter Voith................................................................................................... 19

Dr. Klaus Poier..................................................................................................... 20

Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 21

Angela Orthner.................................................................................................... 23

DDr. Karl Lengheimer......................................................................................... 24

Dr. Kurt Stürzenbecher...................................................................................... 25

MMag. Dr. Willi Brauneder................................................................................. 26

Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 28

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer

(übernimmt den Vorsitz).................................................................................... 28

Dkfm. Erich Pramböck......................................................................................... 29

Mag. Ulrike Schebach-Huemer.......................................................................... 30

Dr. Peter Kostelka............................................................................................... 32

Dr. Robert Hink.................................................................................................... 33

Mag. Werner Wutscher....................................................................................... 34

Mag. Terezija Stoisits......................................................................................... 35

Dr. Manfred Matzka............................................................................................. 36

Dr. Karl Korinek................................................................................................... 40

Hans Niessl.......................................................................................................... 40

MMag. Dr. Madeleine Petrovic.......................................................................... 42

Dr. Peter Bußjäger.............................................................................................. 43

Mag. Johanna Ettl................................................................................................ 43

Dr. Johannes Schnizer....................................................................................... 45

Dr. Bernhard Raschauer..................................................................................   46

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner......

(übernimmt den Vorsitz)..................................................................................... 47

Mag. Werner Wutscher....................................................................................... 47

Dr. Ewald Wiederin.............................................................................................. 48

Herwig Hösele..................................................................................................... 49

Dr. Leopold Specht............................................................................................. 50

 

 


 Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur heutigen Sitzung des Konvents begrüßen und kurz auf die Tagesordnung, die Ihnen zugegangen ist, eingehen.

Wir nehmen heute die Berichte der Ausschüsse 3, 7 und 1 - und zwar in dieser Reihenfolge - in Beratung.

Wir beginnen mit dem Bericht des Ausschusses 3 betreffend staatliche Institutionen, und zwar in der Weise, dass der Vorsitzende dieses Ausschusses, Herr Univ.-Prof. Dr. Holzinger, zuerst eine 15-minütige Einführung über den Ausschussbericht gibt und im Anschluss daran Wortmeldungen von Seiten der Mitglieder des Konvents erfolgen können. - Ich darf in diesem Zusammenhang wieder einmal darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit für jede dieser Wortmeldungen 5 Minuten beträgt.

Im Anschluss an die Beratungen zum Bericht des Ausschusses 3 wird der Bericht des Ausschusses 7 in Behandlung genommen, wobei eingangs auch diesbezüglich der Vorsitzende dieses Ausschusses, Herr Sektionschef Dr. Matzka, eine 15-minütige Einführung geben wird.

Im Anschluss daran gibt es wiederum die Wortmeldungen aus dem Konvent mit einer jeweiligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

Die Tagesordnung schließt mit den Beratungen über den Bericht des Ausschusses 1 betreffend Staatsaufgaben und Staatsziele. Es handelt sich dabei der Sache nach um eine Fortsetzung der Konventsberatungen, die in der letzten Sitzung des Konvents abgehalten wurden. - Ich darf in Erinnerung bringen, dass beim letzten Mal der erste Teilbericht des Ausschusses 1 bereits vom Konvent diskutiert wurde und nunmehr der vollständige Bericht des Ausschusses 1 vorliegt, der in Beratung genommen wird.

Herr Univ.-Prof. Dr. Mayer, der Vorsitzende des Ausschusses 1, hat darauf verzichtet, nochmals eine Einführung zum Bericht des Ausschusses zu geben - er hat bereits in der letzten Sitzung diesbezüglich dem Konvent seine Ausführungen vorgetragen. Aber es steht Ihnen, Herr Professor, natürlich frei, sich jederzeit im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum Bericht dieses Ausschusses zu Wort zu melden.

Ich darf sohin mit dem Tagesordnungspunkt 1 beginnen und Herrn Prof. Dr. Holzinger als Vorsitzenden des Ausschusses 3 ersuchen, uns kurz - zumindest nicht länger als 15 Minuten - den Bericht des von ihm geleiteten Ausschusses darzulegen. - Bitte, Herr Professor.

Dr. Gerhart Holzinger: Danke, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dem Ausschuss 3 des Österreich-Konvents wurden im Wesentlichen die folgenden Themen zur Vorberatung zugewiesen: Aufbau des Staates, Wahlen, Verfassungsautonomie und Verhältnis zwischen Gesetzgebung und -vollziehung.

Der Ausschuss hat diese Themen in der Zeit zwischen September des vergangenen Jahres und Jänner dieses Jahres in sieben Sitzungen, von denen fünf ganztägig durchgeführt wurden, beraten und Anfang Februar seinen Bericht erstattet.

Wir haben die genannten Themen darauf hin geprüft, ob ein bundesverfassungsgesetzlicher Änderungsbedarf gegeben ist und, bejahendenfalls, welche Reformoptionen dafür bestehen. Soweit das möglich war, haben wir auch konkrete Formulierungsvorschläge zur Änderung der Bundesverfassung erstattet.

Soweit wir in den Vorberatungen keinen Konsens erzielen konnten, haben wir im Aus-schussbericht die unterschiedlichen Positionen dargestellt und die Argumente dargelegt, die jeweils für diese Positionen sprechen und hoffen auf diese Weise auch in jenen Fällen, in denen kein Einvernehmen erzielt werden konnte, doch einen Beitrag zur künftigen Konsensfindung im Österreichkonvent geleistet zu haben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Punkte, die mir persönlich wichtig erscheinen, aus dem Ausschussbericht hervorheben und mit zwei Themen beginnen, zu denen der Ausschuss Konsens erzielen konnte. Zum Einen: Der Ausschuss hält eine Reihe von Regelungen in den Artikeln 27 bis 33 des Bundes-Verfassungsgesetzes, die den Nationalrat betreffen, für entbehrlich. Vor allem geht es dabei um die sehr detailliert geregelten Befugnisse des Bundespräsidenten, den Nationalrat zu Tagungen einzuberufen und die Tagungen des Nationalrates für beendet zu erklären. Wir meinen, dass diese Befugnisse im Geschäftsordnungsgesetz geregelt werden könnten und dem Präsidenten des Nationalrates übertragen werden sollten.

Zum Zweiten meint der Ausschuss, dass die Verfassungsautonomie der Länder gestärkt werden sollte. Das gilt im Besonderen für die bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über die Organisation der Landesverwaltung. Wir meinen, dass die grundsätzlichen Bestimmungen dazu in das B-VG selbst inkorporiert werden sollten. Dazu hat der Ausschuss einen Textvorschlag erstattet. Für den Fall, dass man diesem Vorschlag folgt, würde das bedeuten, dass das Bundesverfassungsgesetz über die Ämter der Landesregierungen und § 8 Absatz 5 des Übergangsgesetzes 1920, soweit er noch in Geltung steht, entbehrlich wären.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus möchte ich auf Folgendes hinweisen: Der Ausschuss spricht sich in seinem Bericht für eine Änderung des Artikel 26 des B-VG aus, der die Wahlen zum Nationalrat regelt. Dabei besteht Konsens darüber, dass sämtliche Wahlrechtsgrundsätze im B-VG kodifiziert werden sollten. Das gilt im Besonderen auch für den Grundsatz der freien Wahl, der derzeit außerhalb des Bundes-Verfassungsgesetzes geregelt ist.

Zu den weiteren Änderungen betreffend den Artikel 26 B-VG bestehen im Ausschuss im Wesentlichen die folgenden beiden Positionen: Nach der einen Position soll der Grundsatz der Verhältniswahl nicht mehr bundesverfassungsgesetzlich normiert werden. Vielmehr soll, so meinen die Vertreterinnen und Vertreter dieser Auffassung, die Festlegung des Wahlsystems dem Wahlrechtsgesetzgeber zukommen, und zwar mit einfacher Mehrheit. Des Weiteren soll nach dieser Position die Briefwahl als eine gleichwertige Form der Stimmabgabe neben der Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde vorgesehen werden und zudem bundesverfassungsgesetzlich das E-Voting ermöglicht werden.

Die andere Position besteht darin, den Artikel 26 B-VG insbesondere in folgende Richtung zu ändern: Das Wahlrecht zum Nationalrat soll auch in Österreich ansässigen Ausländern eingeräumt werden. Der Grundsatz der Verhältniswahl soll durch eine verfassungsrechtliche Mindestprozentklausel von 4 beziehungsweise 5 Prozent näher determiniert werden. Das Wahlalter soll gesenkt werden, und zwar für das aktive Wahlrecht auf das 16. Lebensjahr und für das passive Wahlrecht auf das 18. Lebensjahr. Die Zahl der Abgeordneten je Wahlkreis soll anstelle des Bürgerzahlprinzips, wie es die geltende Verfassung vorsieht, im Verhältnis zur Zahl der Wahlberechtigten beziehungsweise der Wohnbevölkerung in den einzelnen Wahlkreisen festgelegt werden.

Ein weiteres Thema, das der Ausschuss zu beraten hat, ist der Bundesrat. Im Ausschuss besteht Einvernehmen darüber, dass gerade in dieser Hinsicht ein besonderer verfassungsrechtlicher Reformbedarf besteht. Und zwar deshalb, weil der Ausschuss der Meinung ist, dass der Bundesrat seine primäre Aufgabe, nämlich die Interessen der Länder in der Bundesgesetzgebung zu wahren, derzeit nicht effektiv wahrnehmen kann, was freilich, das ist an dieser Stelle anzumerken, nicht allein an den bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen liegt.

Konsens besteht in diesem Zusammenhang im Ausschuss auch dahingehend, dass es zur Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates keine zweckmäßige Alternative gibt und dass insbesondere auch die unmittelbare Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung keine solche Alternative darstellt. Im Übrigen ist der Ausschuss der Meinung, dass die Frage der zweckmäßigen Regelungen über die Bestellung und Zusammensetzung des Bundesrates und seine Aufgaben sinnvoll erst dann beraten werden kann, wenn das Ergebnis der Vorberatungen insbesondere des Ausschusses 5, der sich mit der Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung beschäftigt, vorliegt. Der Ausschuss 3 hat daher in Aussicht genommen, nach dem Vorliegen dieses Berichtes sich erneut mit der Frage des Bundesrates zu beschäftigen und dazu einen Vorschlag zu erstatten.

Ein weiteres Thema, das ich kurz ansprechen möchte, sind die verfassungsrechtlichen Regelungen betreffend die Aufgaben des Bundespräsidenten. In dieser Hinsicht wurden im Ausschuss die folgenden beiden Positionen vertreten: Eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses meint, dass dem Bundespräsidenten als einem monokratischen Organ keine Aufgaben zukommen sollten, die ihm einen dominierenden Einfluss gegenüber kollegialen Staatsorganen einräumen, die direkt oder indirekt demokratisch legitimiert sind. Demgemäß sollten die Befugnisse des Bundespräsidenten zur Auflösung des Nationalrates beziehungsweise eines Landtages und zur Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung entfallen - mit der Konsequenz, dass die Bestellung der Mitglieder der Bundesregierung dann durch Wahl seitens des Nationalrates zu erfolgen hätte.

Andere Mitglieder des Ausschusses treten dem gegenüber dafür ein, die genannten Befugnisse des Bundespräsidenten beizubehalten und meinen, dass diese Befugnisse ein wichtiges Element der Gewaltenteilung bilden, die den Bundespräsidenten befähigen, gegenüber den genannten Organen - Nationalrat und Bundesregierung -eine kontrollierende Funktion auszuüben.

Zu den bundesverfassungsrechtlichen Regelungen betreffend die Gemeinden bestehen im Ausschuss unterschiedliche Positionen dahingehend, ob es im Verhältnis zwischen der Gemeindeebene und der Bezirksebene zu Änderungen kommen soll oder ob die derzeitige Struktur beibehalten werden soll.

Diejenigen, die für eine Änderung des Verhältnisses zwischen Bezirksebene und Gemeindeebene eintreten, schlagen im Besonderen eine Aufgabenverlagerung von den Bezirkshauptmannschaften auf die kommunale beziehungsweise (inter)kommunale Ebene vor - und zwar dadurch, dass das Institut der Stadt mit eigenem Statut gegenüber der derzeitigen Regelung ausgebaut wird, so zwar, dass die Verleihung eines eigenen Statuts schon für Gemeinden in Betracht kommt, die mindestens 10.000 Einwohner haben, und für Gemeinden über 20.000 Einwohnern ein diesbezüglicher Anspruch geschaffen werden soll. Darüber hinaus wird von dieser Seite auch das Modell einer Region oder eines Gemeindeverbandes mit eigenem Statut ventiliert.

Demgegenüber sprechen sich andere Mitglieder dafür aus, die bestehende Behördenstruktur, im Besonderen der Bezirkshauptmannschaften, beizubehalten und meinen, dass schon der Ausbau der Stadt mit eigenem Statut, noch mehr aber die Schaffung einer Region oder eines Gemeindeverbandes mit eigenem Statut zu einer komplizierten und für die Bevölkerung schwer durchschaubaren Behördenstruktur führen würde.

Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist eine allfällige Reform des Legalitätsprinzips. Dazu besteht seitens der Mitglieder des Ausschusses Einvernehmen darüber, dass in Österreich, verglichen mit anderen Staaten, die Gesetze tendenziell zu kasuistisch formuliert sind, dass sie viele Detailregelungen enthalten, die eigentlich nicht in Gesetzen normiert sein müssten, und dass insgesamt die Gesetze zu umfangreich sind.

Kontroversiell wird jedoch die Frage beurteilt, was die Ursachen dafür sind. Sind das allein Gründe, die in rechtssetzungstechnischer Natur liegen - denen daher nur begegnet werden könnte, wenn man die Gesetzgebungspraxis ändert - oder liegen die Ursachen für das genannte Phänomen auch in der Formulierung des Artikel 18 B-VG betreffend das Legalitätsprinzip?

Eine Reihe von Mitgliedern des Ausschusses vertritt dazu die Ansicht, dass eine Neuformulierung des Artikel 18 B-VG im Sinne einer Lockerung des Legalitätsprinzips zur Lösung dieses Problems beitragen könnte. Darüber hinaus sollte der Handlingsspielraum der Verwaltung auch deshalb erweitert werden, um die Effizienz des Verwaltungshandelns zu erhöhen.

Textvorschläge zu einer derartigen Neugestaltung des Artikel 18, die Teil des Ausschussberichtes sind, gehen vor allem in die Richtung, den Gesetzgeber zu ermächtigen, sich auf die Vorgabe von Zielen zu beschränken, beziehungsweise den Determinierungsgrad einer gesetzlichen Regelung nach der Eingriffsnähe des Gesetzes zu bestimmen. Demgegenüber spricht sich eine Reihe von Ausschussmitgliedern gegen eine Änderung des Artikel 18 aus. Von dieser Seite wird vor allem ins Treffen geführt, dass schon die geltende Regelung des Artikel 18 B-VG dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, sich auf das zu beschränken, was rechtspolitisch als wesentlich erachtet wird und außerdem wird zu bedenken gegeben, dass eine Lockerung der Gesetzesbindung das Problem der Normenflut lediglich von der Ebene des Gesetzes auf die der Verordnung verlagern würde.

So weit, meine Damen und Herren, einige Hinweise auf wichtige Punkte, die im Ausschussbericht behandelt worden sind. Ich möchte abschließend die Gelegenheit nutzen, um den Mitgliedern des Ausschusses für die sehr konstruktive und vor allem engagierte Mitarbeit zu danken, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, die gestellte Aufgabe in der vorgesehenen Zeit zu bewältigen. Last but not least möchte ich mich auch noch beim Büro des Konvents, und im Besonderen beim Ausschussbetreuer Herrn Dr. Mayr für seine Mithilfe bedanken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Herr Professor! Ich danke auch für Ihre Ausführungen, die sehr fundiert waren und uns die Arbeit des Ausschusses 3, die im Bericht ihren Niederschlag gefunden hat, näher gebracht haben. Ich danke darüber hinaus auch ebenso, wie Sie es bereits getan haben, den Mitgliedern dieses Ausschusses, die meiner Ansicht nach sehr gute Arbeit geleistet haben, und ich danke auch dem Mitarbeiter des Büros des Konvents, der den Ausschuss während dieser vergangenen vier Monate betreut hat.

Wir gelangen nunmehr zur Diskussion über den Bericht des Ausschusses 3 und als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. - Bitte sehr.

Herwig Hösele: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich darf mich auch als Mitglied des Ausschusses 3 als allererstes mit einem Dank an unseren Vorsitzenden Professor Holzinger für seine große Sachkunde und seine Geduld wenden. Es ist ja logisch, dass in einer solchen Phase der Konventsberatungen und des Konventsprozesses, wo man weiß, dass ohnehin erst in der zweiten Jahreshälfte die breiten Konsense, wenn man ein Ergebnis erzielen will, erzielbar sein werden, in der ersten Phase des Konvents eine Auflistung von vielen Positionen, die es gibt, und die auch einen weiterführenden Prozess einleiten sollen und können, nicht sehr viel großen Konsens geben kann. Und in diesem Zusammenhang bin ich ihm sehr dankbar, dass hier eine sehr ausgewogene Darstellung der verschiedensten Positionen und gleichzeitig auch eine Darstellung dessen, wo man weiterarbeiten kann, gegeben wurde.

Zweitens darf ich sagen, das wird Sie nicht verwundern, der Konvent tagt hier im Bundesratssitzungssaal, wir haben hier einen der Hauptanstöße für diesen Konvent - auch die ungenügende Positionierung zwischen Bund und Ländern - sowohl in der Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung als auch in der Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Es handelt sich ja hier um ein Thema, das uns seit Beginn der österreichischen Bundesverfassung beschäftigt. Und es ist ja in dem Bericht eindeutig festgehalten worden, dass hier ein großer Veränderungsbedarf besteht. Ich habe gerade dieser Tage noch einmal  das stenographische Protokoll der 100. Sitzung der konstitutionierenden Nationalversammlung der Republik Österreich, 20. September 1920, nachgelesen. Dr. Robert Danneberg, der sozialdemokratische Hauptsprecher und Verfassungsexperte, hat dort gesagt zum Bundesrat:

„Und wenn wir auch den Bundesrat überhaupt für eine überflüssige Einrichtung halten, da er nicht zu vermeiden war, ist er hier in seiner Kompetenz doch auf ein Minimum beschränkt und wird die Gesetzgebung nicht zu verhindern vermögen.“

Wenn wir heute in einem modernen Verständnis eines Bundesstaates, eines kooperativen Bundesstaates sind, geht es ja nicht darum, Gesetzgebungen zu verhindern, sondern geht es darum, ein Optimum der Mitwirkung der Länder und auch möglicherweise in einem anderen oder im selben Prozess der Gemeinden an der Gestaltung eines modernen Staatswesens mitzuwirken. Und deswegen wird hier im Bundesrat ein großer Veränderungsbedarf gesehen, eines der Hauptprobleme. Das haben wir im Ausschuss sogar übereinstimmend auch feststellen können, dass der Bundesrat mit einem so genannten Einspruchsrecht, also einem suspensiven Veto, ganz am Schluss des Gesetzwerdungsverfahrens, ausgestattet ist und nur mehr Ja oder Nein sagen kann und nicht eingebunden ist in einem Vorverfahren, sozusagen im gesamten Gesetzwerdungs- und Gesetzgebungsverfahren, möglicherweise durch ein Stellungsnahmerecht, durch ein Begutachtungsrecht.

Zweiter Fall, auch das ist eine wichtige Frage, und sie wird sich ja dadurch besonders aktualisieren, wenn wir die Ergebnisse des Ausschusses 5 und der wichtigen Abgrenzung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern und Gemeinden sehen werden: Wie soll dort von wem mitgewirkt werden? Also auch die Zusammensetzungsfrage des Bundesrates ist offen. Und ich darf hier ganz offen auch eine persönliche Präferenz zum Ausdruck bringen. Ich glaube, dass ein Dualismus zwischen der Landeshauptleutekonferenz und dem Bundesrat so, wie es jetzt ohne Verschränkung ist, nicht ganz sinnvoll ist, sondern ich persönlich würde sehr dafür eintreten - wenn das eine echte Ländermitwirkung sein soll -, dass eine wesentlich stärkere Rückkopplung zu den wirklichen Verantwortungsträgern in den Ländern erfolgen sollte, durchaus mit der vollen Einbindung aller Landeshauptleute in den Bundesrat.

Zweiter Punkt, wenn ich das nur ganz kurz ansprechen möchte, Verfassungsautonomie der Länder. Ich bin der Meinung, dass hier eine wesentlich größere Verfassungsautonomie möglich sein sollte. Bis hin zu Möglichkeiten auch eines mehrheitsbildenden Wahlrechtes, die möglich sein sollten, wobei ich hier durchaus für eine minderheitenfreundliche Variante, wie sie auch unter dem steirischen Politologen und Konventsmitglied Poier eingebracht wurde, votieren würde, weil mir die Vielfalt vor allem der in den letzten zwei Jahrzehnten aufgetretenen Bewegungen in der österreichischen politischen Kultur als sehr wichtig erscheint. Jetzt sind die fünf Minuten um, wenn ich das richtig sehe. Damit plädiere ich am Schluss für eine fünfjährige Gesetzgebungsperiode im Nationalrat. Wir wissen jetzt aus der bisherigen Statistik, dass ziemlich zwei Drittel der Legislaturperioden von der jetzigen vierjährigen verkürzt worden sind, und im Sinne einer längeren Arbeitsperiode wäre es sinnvoll - wenn es schon Verkürzungen gibt -, dass wir insgesamt von einem längeren Zeitraum ausgehen, weil das im Sinne der Arbeitsperioden sinnvoll wäre.

Ich möchte mich noch einmal beim Vorsitzenden bedanken und danke für die Geduld des Präsidenten.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Bundesrat, für die Ausführungen und darf als Nächsten Herrn Präsident Dr. Heinz Fischer zu Wort bitten.

Dr. Heinz Fischer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich habe mir den Bericht sehr genau durchgelesen und ich schließe mich den Worten der Anerkennung, die für diese gründliche und gewissenhafte und umfassende Arbeit geleistet wurden, an. Diese Arbeit ist umso mehr zu würdigen, als das Terrain alles andere als leicht ist.

Ich habe mir die Zusammenfassung der Ergebnisse der Vorberatungen angesehen. Die sind in 73 Einzelthemen oder Einzelergebnisse gegliedert und von denen ist bei 40 angemerkt „ohne Konsens“, bei 24 „mit Konsens“ und bei neun Themen mit „überwiegend vertretenen Positionen“, also wo nicht ein Konsens erzielt wurde, wo aber sich eine Art vorherrschende, wenn auch nicht unbestrittene Meinung herausgebildet hat.

Das sind die nackten Zahlen. Wenn es nun so wäre, dass bei den 24 Konsensthemen alle wichtigen Punkte dabei wären, dann würden mich die 40 Nicht-Konsens Themen nicht stören. Aber so schaut die Sache nicht aus. Wir müssen davon ausgehen, dass trotz der Gründlichkeit der Arbeit viele wichtige Probleme im jetzigen Stadium der Beratungen noch ungelöst sind. Das ist nicht jetzt resignativ formuliert, sondern das muss eben ein Ansporn sein, sich noch um Konsens zu bemühen und manche Bereiche, wo derzeit noch steht „kein Konsens“, halte ich ja für konsensfähig.

Also wenn ich im Sinne des Berichtes mir die Ergebnisse anschaue. Bundespräsident: steht kein Konsens, aber wir wissen am Schluss wird voraussichtlich das Ergebnis sein, dass es im Wesentlichen bei der heutigen verfassungsrechtlichen Struktur einschließlich Volkswahl bleiben wird und dass dort, wo es sinnvoll erscheint, kleine Adaptierungen - ich denke an die Einberufung der Sessionen des Nationalrates, etc. - möglich sind.

Was die Bundesregierung betrifft, haben wir nicht sehr viel Beratungsbedarf gehabt. Der Gedanke einer Geschäftsordnung für die Bundesregierung ist nützlich. Am Bestellungsmodus wird sich voraussichtlich nichts ändern.

Was das Nationalratswahlrecht betrifft, ist es eine sehr schwierige Materie. Ich bekenne mich zum Grundsatz der Verhältniswahl. Ich würde das auch in der Bundesverfassung verankern, weil das eine wichtige Sache ist. Ich glaube, dass die Klausel eines Mindestprozentsatzes nicht höher als 4 % sein sollte. Wir haben das vor ein paar Jahren sehr sorgfältig überlegt - zwischen 3 %, 4 %, 5 % -, haben die 3 %-Variante ausgeschlossen, die 5 %-Variante ausgeschlossen. Ich glaube, die besten Argumente gibt es für die 4 %-Variante, das sollten wir machen.

Ich trete auch, wenn wir hier kühne Sachen in Angriff nehmen wollen, für eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ein. Ich glaube, dass man Menschen zwischen 16 und 18 in den politischen Prozess einbinden soll. Ich gebe zu, es gibt viele Staaten in Europa, wo das so nicht geregelt ist, aber wir können ja Pionierarbeit leisten und ich glaube, es ist ein Ansporn für junge Menschen, sich mit politischen Fragen verstärkt zu beschäftigen.

Der Bundesrat, da fällt mir immer der Essay von Leszek Kolakowski ein: „Der Mensch ohne Alternative“. Ein sehr kluger Essay und er schließt mit den Worten: „Das Problem ist nicht nur ungelöst, sondern unlösbar“. Also manchmal habe ich das Gefühl, Probleme des Bundesrates sind in dieser ganzen Kontroversität sehr, sehr schwierig. Ich sehe noch kein grünes Licht.

Volksbegehren: Ich plädiere entschieden für den Gedanken, dass ein Volksbegehren am Ende einer Legislaturperiode nicht verfallen soll. Das sind wir den Bürgern schuldig. Es gibt einen Unterschied zwischen Initiativantrag, Regierungsvorlagen einerseits, Volksbegehren andererseits.

Ich möchte auch noch sagen, dass das Begutachtungsverfahren etwas ist, was im Zuge der Gesetzgebung immer mehr Bedeutung erlangen wird und wo die technischen Möglichkeiten, Bürger/Innen wirklich in das Begutachtungsverfahren einzubeziehen, sich als immer praktikabler erweisen und ich würde wirklich dafür plädieren, das Begutachtungsverfahren verstärkt und umfassender und gesicherter in unsere Rechts- und Verfassungsordnung aufzunehmen. Vor 20, 30 Jahren war das einfach eine freiwillige Übung. Manchmal ist es gemacht worden, manchmal ist es nicht gemacht worden. Wir sollten hier stärkere Regelungen schaffen.

Mein Diskussionsbeitrag zum Artikel 18 Legalitätsprinzip fällt der 5-Minutengrenze zum Opfer. Danke vielmals.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Präsident, aber ich bin überzeugt davon, Sie werden uns auch noch Ihre Gedanken zum Artikel 18 einmal nachtragen.

Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Prof. Dr. Rack. - Bitte sehr, Herr Professor.

Dr. Reinhard Rack: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Liste, die Präsident Fischer angesprochen hat im Hinblick auf Dissenspunkte, um zwei weitere ergänzen und mich zu zwei Themen äußern, die im Bericht des Ausschusses zum Teil angesprochen werden, zum Teil dort nicht enthalten sind.

Ich möchte mit dem zweiten Thema beginnen. Weder in der Übersicht der Fragen noch im Text wird angesprochen ein Thema, das derzeit in der Bundesverfassung geregelt ist und das meines Erachtens auch zum Dissens Anlass geben könnte, nämlich die Frage des Sitzes der obersten Organe.

Meine Frage geht in die Richtung, warum wird diese Frage im Ausschuss nicht diskutiert? Gibt es hier keinen Änderungsbedarf? Gibt es hier keine anderen Vorstellungen?  Ich meine, es gibt hier sehr wohl einen Reformbedarf und man sollte ihn ansprechen.

Wir  sind es gewohnt, dass seit vielen Jahrzehnten, um nicht zu sagen Jahrhunderten, Wien der Sitz der obersten Organe ist, der Republik oder jedenfalls des Bundes. Wir sind mit dieser Situation nicht schlecht gefahren, aber wir sollten sie angesichts einer Entwicklung in Frage stellen, die durchaus Anlass zu Bedenken gibt.

Wir haben in einer Reihe von anderen Arbeitsausschüssen diskutiert, im Sinne einer Rationalisierung bestimmte Einheiten auf den unteren Organisationsstufen zu vergrößern, hier für mehr Geschwindigkeit, für mehr Effizienz zu sorgen. Das ist ein vernünftiger Denkansatz, und wir werden hier auch zu vernünftigen Ergebnissen kommen - hoffe ich.

Das führt allerdings dazu, dass überall dort, wo wir auf der Ebene von Bezirken, Bezirksgerichten und ähnlichen Einheiten rationalisieren, wir Arbeitsplätze aus den Regionen abziehen, und zwar höchst qualifizierte Arbeitsplätze, und in weiterer Folge führt das dazu, dass nicht nur der Richter oder sonst qualifizierte Beamte diesen Raum verlassen, sondern das geht weiter über die Anwälte, die Notare, die dort angesiedelt sind, und, und, und. Und dann kommt es zu einer Situation, wie hier und heute zunehmend, dass wir an der Universität - ich lehre die Fächer Verfassungsrecht und Europarecht - unseren jungen, guten Absolventen sagen müssen: Freunde, verabschiedet euch von der  Alma Mater und geht nach Wien. Nur dort gibt es noch Möglichkeiten für junge hungrige Leute, Karriere zu machen.

Parallel zu dem, was wir hier für die Frage der Staatsorganisation diskutieren, findet genau dieselbe Entwicklung im Bereich der Wirtschaft statt. Das führt zu einem Brain Drain im wahrsten Sinne des Wortes und dem sollten wir hier gegensteuern. Ich würde mir durchaus vorstellen können, dass beispielsweise das deutsche Modell jedenfalls überlegenswert sein sollte, einige oberste Organe, im Besonderen jene, die der Kontrolle gewidmet sind, aus dem unmittelbaren Umfeld der Bundeshauptstadt Wien zu lösen.

Ein zweites Thema, das ich ganz kurz ansprechen möchte - ich habe es schon einmal angesprochen in meiner ersten Wortmeldung -, ist im Bericht erwähnt, allerdings mit dem Hinweis: Es kann alles so bleiben wie es ist, nämlich die Frage der Zahl der Mitglieder des österreichischen Nationalrates. Hier gehe ich davon aus, dass es zwar durchaus hinreichend Funktion und Arbeit für die 183 Mitglieder des Hauses gibt, die wir derzeit haben, ich glaube aber, wir sollten die Symbolik unseres Reformprozesses nicht außer Acht lassen und ich hätte daher einen Vorschlag zu wiederholen, den ich bereits einmal erwähnt habe.

Wir haben seit der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union Mitglieder im Europäischen Parlament. Sie werden bei der ins Haus stehenden Wahl zum Europäischen Parlament auf 18 reduziert und da gibt sich nun eine sehr symbolische Mathematik. Wenn wir diese 18 Abgeordneten von den 183 abziehen würden, dann kämen wir - welch Zufall - auf 165 Abgeordnete des Nationalrates. Ich meine, eine solche Einsparung müsste sich machen lassen, und wir sollten auch darüber diskutieren. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Herr Professor. Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. -Bitte, Frau Abgeordnete.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident des Konvents, sehr geehrte Damen und Herren!

Wenn ich gleich anschließe bei meinem Vorredner: Also, im Zusammenhang mit staatlichen Institutionen, Wahlen, fällt mir Dringlicheres ein als die Zahl der Abgeordneten, insbesondere - ja natürlich ist alles irgendwo willkürlich, aber ich glaube, wenn man sich das international anschaut, hat Österreich ein Parlament, das mit sehr viel Augenmaß gewählt ist, auch, was die Zahl der Abgeordneten betrifft. Und, die Erwartungen, auch die Interessen eines Wahlkreises wahrzunehmen, die haben diese Zahl als einigermaßen in der Praxis bewährt erscheinen lassen. Also hier sehen die Grünen keinen Änderungsbedarf.

Ganz wichtig ist uns eine Verankerung der tragenden Prinzipien des Wahlrechtes in der Bundesverfassung. Es ist derzeit so, dass einerseits die Prozenthürden unterschiedlich sind - und da danke ich Präsident Fischer für diese Klarstellung aus seiner Sicht, ich hoffe auch, dass das eine Position der SPÖ insgesamt ist - ich glaube auch, dass die Prozentlatte mit 4 Prozent eine vernünftig gewählte ist, die einerseits Zersplitterungen verhindert, andererseits es ermöglicht, dass neue Kräfte zum Zug kommen und eine Chance haben, sich zu bewähren. Und ich gebe zu bedenken, was die Konsequenz wäre, wenn man es ermöglicht, dass insbesondere in den Ländern eine Art Mehrheitswahlrecht eingeführt wird, dass dann andere legitime Interessen, insbesondere Umweltinteressen, nur noch die Chance hätten, sich auf der Straße kundzutun. Und ich glaube, dass das ein Zustand ist, der auch im Interesse der Wirtschaft und im Sinne einer geordneten Verwaltung, die verschiedene Aspekte einbeziehen kann, nicht tunlich und nicht zweckmäßig wäre. Und das Argument des demokratischen Wettbewerbs zwischen Bundesländern, das lasse ich wirklich nicht gelten. Ich glaube, es ist ja völlig unrealistisch und völlig absurd geradezu, anzunehmen, dass Leute deswegen, weil irgendwo eine andere Prozenthürde wäre, jetzt ihren Wohnsitz verlegen sollen, sagen, Super, in dem Bundesland gibt es eine 4-Prozent-Hürde, jetzt muss ich sofort mein Haus verkaufen und meinen Wohnsitz verlegen. Also, ich glaube, die Prinzipien des Wahlrechts und wer eine Chance auf Vertretung in den Landesparlamenten, im Bundesparlament haben sollte, das ist generell zu regeln und es sollte einheitlich sein.

Ein Thema, das gerade jetzt - hier und heute - besondere Aktualität hat: Der Bundespräsident - es ist immer eine schlechte Zeit, das zu diskutieren, weil entweder ist es kurz nach Wahlen, dann heißt es, ja man sagt das, weil der oder die gewonnen hat, oder es ist wieder kurz vor Wahlen; also die Grünen haben durchaus auch diskutiert die Abschaffung dieses Amtes, plädieren heute und ohne eigene Kandidatin/Kandidaten nicht für die Abschaffung dieses Amtes und zwischen den beiden Modellen - so ein relativ stark ausgeprägtes Bundespräsidenten/-präsidentinnen-Amt quasi als Fortsetzung eines monarchischen Elementes und das andere Modell, so eine Art Position eines Volkstribuns oder einer Volkstribunin mit der Möglichkeit, überharte Behördenentscheidungen im Einzelfall zu korrigieren, wird es wohl irgendwo auf so ein Mittelding herauslaufen, wobei wir der Meinung sind, man sollte mit einer Funktion keine Rechte verknüpfen, die in der Praxis dann schwerlich durchzuführen sind. Also dem Bundespräsidenten/der Bundespräsidentin das Pouvoir zu geben, auf die Regierungsbildung einzuwirken, das führt dazu, dass - wenn es zum Beispiel politische andere Auffassungen gibt - unter Umständen Schwierigkeiten entstehen, die unserer Meinung nach absolut entbehrlich sind, wenn man eben sagt: Es gibt Wahlen und die stärkste Fraktion soll und wird da ein vorrangiges Recht haben, in Regierungsverhandlungen einzusteigen.

Ein allerletztes und wirklich nur gestreift: Der Bundesrat. Also, dieses vielfache Lamento „der Bundesrat muss aufgewertet werden“. Ja, sagen wir auch. Aber es wird vor allem an den handelnden Personen liegen. Und es wird auch an der Rolle der politischen Parteien liegen, ob der Bundesrat mehr oder minder so ein nachgeschalteter Ableger des Nationalrates ist oder eine eigenständige Rolle hat. Und da plädieren wir sehr stark dafür - also ganz krass und ganz stark schließen wir aus ein gebundenes Mandat, das kann nicht mit einem Parlament konform gehen. Wir plädieren dafür, Landtagsabgeordnete in diese Funktion zu entsenden, weil die Kraft ihres Amtes stärker und vorrangig den Landesinteressen verpflichtet sind. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke auch, Frau Abgeordnete. Als nächster hat sich Herr Präsident Hatzl zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Präsident.

Johann Hatzl: Meine Damen und Herren!

Lassen Sie mich trotz der kurzen Zeit mit einem fremden Beispiel beginnen. Normalerweise kaufe ich mir Gewand und Kleider, wenn etwas kaputt, zerschlissen ist, oder wenn ich etwas ergänzen möchte. Bei der Verfassung ist es ähnlich. Wir beraten darüber, aber wir wissen, dass die jetzige Verfassung nicht kaputt und zerschlissen ist und daher brauchbar ist. Und es geht eher um Ergänzung, und daher aber auch um die Vorsicht, wenn man etwas austauscht, ob das, was man sich sucht, tatsächlich besser ist. Man wird daher erst am Ende des Konvents natürlich darüber nachdenken und beurteilen, welchen Weg man gegangen ist, ob der richtig war oder nicht. Für mich ist es unbestritten und eigentlich klar: Ich neige bei einer so heiklen Materie sehr zur Vorsicht bei all dem, was man tauschen oder verzichten möchte. Weil es zumindestens - selbst, wenn es manchmal nicht unbestritten ist, wenigstens rechtlich ausjudiziert und klar ist, und daher auch eine Verlässlichkeit für den Staatsbürger oder die Staatsbürgerin, aber auch für die politischen Bewegungen und die Parteien und die Gesellschaftsgruppierungen unseres Landes gibt. Und da bin ich bei einigen Punkten, wo ich mich auch ganz gerne heute deklarieren möchte, die angesprochen wurden im Bericht.

Ich verstehe, dass man manchmal auch aus verständlichen tagespolitischen Gründen verärgert ist über die Rechte des Bundespräsidenten. Trotzdem sehe ich keinen Anlass, sie wesentlich zu verändern. Ich verstehe nicht, dass wir uns noch nicht in der Anfangsphase - ich hoffe in der Fortsetzungsphase, dass es möglich ist - entscheiden konnten, dass doch ab 16 gewählt wird. Ich habe nicht die Hoffnung aufgegeben, dass jene, die schon sehr lange in unserem Land leben und mitgestalten und mitwirken und Steuer zahlen, nur weil sie nicht österreichische Staatsbürger sind, nicht wählen dürfen, trotzdem das Wahlrecht bekommen. Und nicht nur auf „niederster“ Ebene bei Kommunalwahlen, sondern auch auf „höchster“ Ebene.

Ich gehe davon aus, dass wir uns entschließen könnten, die Vertretungen in den Körperschaften tatsächlich nach der Bewohneranzahl und nicht nach der Staatsbürgerzahl zu berechnen. Es ist hoch an der Zeit, nicht nur diesen eingegrenzten Blickwinkel „Staatsbürgerschaft“ weiter aufrecht zu erhalten, sondern zu beseitigen und zu verändern.

Ich gehe davon aus, dass wir uns entschließen können, dass für Gemeinde- und Landtagswahlen die gleichen Rechtsstrukturen der Stimmabgabe möglich sind, wie wir sie derzeit bei Bundeswahlen haben, dass der Bürger künftig daran teilnehmen kann, nicht nur auf Bundesebene, auch bei Landtags- oder bei Kommunalwahlen. Wenn er sich nicht an seinem Gemeindeort befindet, besitzt er dann diese Chance nicht.

Und ich bin sehr dafür, dass die Bürger das Recht bekommen und wissen, dass ihre Gesetzesinitiativen nicht beendet sind, nur weil gerade zufällig das Parlament aufgelöst wird.

Und so gibt es auch für mich noch eine andere Frage, die ich ganz besonders auch als Landespolitiker sehe: Ich plädiere dafür, dass in einer Verfassung sehr klare und ordentliche Fristen für Begutachtungsverfahren vorhanden sind, weil gerade - gestatten Sie mir diese Bemerkung - die letzten Jahre deutlich machen, dass man das Begutachtungsverfahren offensichtlich ad absurdum führt.

Und ich bin der Meinung, dass es auch ein Gesetzesinitiativrecht im Parlament durch Einbringung von zum Beispiel Gemeindebund und Städtebund geben sollte und dass das nicht nur ausschließlich begrenzt sein soll auf die Anzahl der Abgeordneten und ich meine, dass, auch wenn mehrere Länder einen gemeinsamen Antrag für das Parlament haben, man auch diesen einbringen sollte und verhandeln sollte. Und ich bin auch der Meinung, wir sollten Vorsorge treffen, dass zu dem Zeitpunkt, wo jemand als Mitglied der Bundesregierung das Misstrauen bekommt, er nicht weiterhin das Recht auf Fortführung der Amtsgeschäfte besitzen kann. Und ich hoffe, und das ist schon der Abschluss, dass wir uns noch etwas mehr bewegen, dass zum Beispiel etwas, weil es Verfassung auch für die Zukunft bedeutet, nicht so ist, wie es momentan aussieht, dass die Positionen zum Beispiel der Bundesjugendvertretung zum Österreich-Konvent nahezu in keiner wie immer gearteten Art und Weise in jetzigen Berichtsvorschlägen für die Zukunft aufscheinen; hier steckt vieles drin, dass man ver-wirklichen könnte. Wir haben einiges zu tun, wir müssen uns nur nicht fürchten.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Präsident. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Präsidenten Dr. Leitl. - Bitte Herr Präsident.

Dr. Christoph Leitl: Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Aus Effizienzgründen werde ich meine Wortmeldungen zu den drei Ausschüssen zusammenfassen in eine und darf zuerst sagen, dass die Wirtschaft die Fünf-Jahres-Gesetzgebungsperiode unterstützt und dass der Vorschlag des Abgeordneten Rack auf Reduzierung der Zahl der Abgeordneten zum Nationalrat auf 165 Abgeordnete durchaus eine symbolische Geste sein könnte, die überlegenswert ist. Auch die Wirtschaftskammer hat die Anzahl der Delegierten zum Wirtschaftsparlament reduziert.

 Zu der Kritik an der zu kasuistischen, zu detaillierten und zu umfangreichen Gesetzgebung meine ich, bietet der Artikel 18 B-VG keinen Anlass zur Änderung, sondern der einfache Gesetzgeber ist aufgerufen, qualitative Verbesserungen wahrzunehmen, die Folgekosten stärker und professioneller zu beurteilen, zu analysieren, und zwar nicht nur die Folgekosten im staatlichen, sondern auch im Folgenbereich für die Normpartner, die Verständlichkeit zu verbessern und vor allem die Vollziehbarkeit immer im Auge zu behalten.

Meine Damen und Herren! Bezüglich der nicht territorialen Selbstverwaltung meine ich, dass die Selbstverwaltung eine wichtige Form der Selbstorganisation gesellschaftlicher Gruppen ist, die das Zusammenwirken bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, das Ermöglichen des Erreichens gemeinsamer Ziele zum Inhalt hat. Es ist eine Form der Zivilgesellschaft, die für das 21. Jahrhundert durchaus angepasst ist und sie sollte daher verfassungsrechtlich abgesichert werden. Ich empfehle daher, den diesbezüglichen Vorschlag des Ausschusses 7 anzunehmen. Ich würde aber weitergehen und auch die soziale Selbstverwaltung, gerade angesichts der Diskussion um die Entwicklung des Gesundheits- und Altersvorsorgesystems, hier integrieren. Eigenverantwortung und Solidarität sollten im Rahmen der Selbstverwaltung institutionell verankert werden.

Was die Staatszielbestimmungen betrifft, danke ich Präsident Korinek, der gesagt hat, klare Spielregeln für die Verfassung, Grundrechtskatalog und Gewährleistungsverantwortung des Staates zu verankern. Das können wir von Seiten der Wirtschaft nur unterstützen, eine nach Spielregeln geordnete Verfassung soll  den politischen Prozess ermöglichen und nicht vorgeben. Die Sicherung gewisser Grundbedürfnisse trifft auf das Verständnis seitens der Wirtschaft. Ich ersuche allerdings, hier auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes als Grundlage vieler sozialer, ökologischer und sonstiger Wünsche miteinzubeziehen.

Schließlich möchte ich auf die Sozialpartnerschaft hinweisen. Die Tätigkeit der Sozialpartnerschaft ist im Europäischen Verfassungsentwurf verankert, sie sollte auch in einer österreichischen Verfassung verankert sein. Der Ausschuss 7 hat dazu einen konsensualen Vorschlag erstellt und ich trete dafür ein, dass dieser Vorschlag von Seiten des Konvents angenommen wird. Ich möchte damit erreichen, dass mit Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung, die österreichische Realverfassung tatsächlich auch in der Verfassung ihre Deckung findet und dass damit eine klare Einordnung von sozialpartnerschaftlichen und Sozialversicherungsinstitutionen in die demokratischen Spielregeln erfolgt. Das wird immer wieder gefordert, dazu bekenne ich mich und ich glaube, dazu sind wir bereit.

Schließlich meine ich, dass wir einen EU-Verfassungsentwurf vorliegen haben und wir sollten auf die Kompatibilität der österreichischen Vorstellungen mit den europäischen Vorstellungen achten. Die österreichischen Vertreter haben dem Verfassungsentwurf auf europäischer Ebene ihre Zustimmung gegeben, sie haben damit Leitlinien definiert, die für uns nicht nur interessant, nicht eine unverbindliche Richtlinie sind, sondern die Leitschnur auch für unseren Verfassungskonvent sein sollten. Besten Dank.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Dankeschön, Herr Präsident. Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Schnizer. - Bitte sehr.

Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren!

Im Ausschuss 3 wurden auch Fragen des Wahlrechts diskutiert und dabei ist auch ein Vorschlag sehr intensiv beraten worden, der allen Konventsmitgliedern zugegangen ist und der auch in der Öffentlichkeit bereits viel Beachtung gefunden hat, nämlich die Forderung nach einem Kinderwahlrecht. Ich finde das Kinderwahlrecht als Vorschlag sehr sympathisch, es geht offenbar darum, dass man Interessen von Kindern wahrt, und ich möchte mich deswegen nur auf dieses Thema beschränken. Insbesondere auch deswegen, weil gleichzeitig die Bundesjugendvertretung für die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre eintritt und weil man beim Durchdenken des Prinzips des Kinderwahlrechtes auf ganz elementare Fragen der Demokratie und des repräsentativen Systems eingehen kann.

Der Vorschlag für ein Kinderwahlrecht besagt, dass das allgemeine Wahlrecht nicht völlig verwirklicht ist, es haben im Wesentlichen nämlich nur Personen über 18 Jahren das Wahlrecht, eine gesamte, sehr große und wichtige Personengruppe ist ausgeschlossen, nämlich die Kinder. Deswegen fordert man, dass auch Kinder ein Wahlrecht haben sollten; doch betrachtet man den Vorschlag genau, geht’s nicht darum, dass die Kinder ein Wahlrecht haben sollen, sondern dass Eltern eine Stimme für ihre Kinder abgeben können. Insofern ist der Begriff täuschend, es geht um ein Elternwahlrecht, und offenkundig geht man davon aus, dass Eltern von sich aus dafür eintreten, dass die Gesellschaft besser wird im Interesse ihrer Kinder.

Insofern konsequenterweise schlägt dieser Vorschlag vor, dass deswegen Eltern eine weitere Stimme haben, die sie für ihre Kinder abgeben, sie haben nicht einfach um 50% oder 100% mehr Gewicht in ihrer Stimme, sie haben eine weitere Stimme, die sie für ihre Kinder abgeben. Damit stellt sich die Frage, wie sie dieses Stimmrecht wohl ausüben. Zunächst einmal die eigene Stimme für die eigenen Interessen, die geben sie ab, damit jene Partei gewählt wird, die ihre Interessen maximal nützt. Dann die zweite Stimme, bei der müssen sie sich die Frage stellen, ja welche Partei, welche von den antretenden Wählergruppierungen vertritt denn die Interessen ihrer Kinder am besten. Gehen wir einmal davon aus, es ist eine andere Partei, als diejenige, die sie für die eigenen Interessen gewählt haben. Dann haben wir ein gespaltenes Wahlverhalten, wobei ich mir die Frage stelle, ob das wirklich verantwortungsbewusst ist von Eltern, eine Partei selbst zu wählen, die nicht die Interessen ihrer Kinder vertritt. Gehen wir deswegen davon aus, dass ein Elternteil die zwei Stimmen der gleichen Partei gibt, dann wird aber evident, dass ein solches Wahlrecht mit dem gleichen Wahlrecht - jede Stimme, jede Person hat ein gleiches Stimmengewicht - in diametralem Widerspruch steht.

Aber gleichzeitig müssen wir zugestehen, dass dieser Vorschlag davon ausgeht, dass offenkundig Eltern eine besondere Sachkunde haben, was für ihre Kinder gut ist, wie eine Gesellschaft aussieht, die ihren Kindern bestmöglich nützt. Wie diese Gesellschaft hinsichtlich des Steuersystems gestaltet sein soll, ob diese Gesellschaft Abfangjäger braucht oder nicht, wie stark das System der sozialen Sicherheit ausgestaltet sein soll, wie viel Pensionen die Eltern einmal von ihren Kindern erhalten sollen usw.

Gehen wir von dieser allgemeinen Sachkunde von Eltern aus, dann stellt sich aber die Frage, warum diese Sachkunde ausgerechnet dann endet, wenn das Kind volljährig wird. Dann kann das Kind diese Sachkunde noch nicht haben, schließlich hat es im Normalfall selbst noch keine Kinder. Auch danach wissen Eltern aber vermutlich, was Kindern nützt und wissen, wie in einer Gesellschaft, die aus mehreren Generationen aussieht, der Generationenvertrag am besten eingelöst wird. Dies folgt konsequent dazu, dass man allen Personen, die Kinder in die Welt gesetzt haben, bis zu ihrem Lebensende auch das Wahlrecht mit einem höheren Stimmgewicht geben sollte, denn sie wissen aufgrund ihrer familiären Erfahrung, wie eine Gesellschaft aussehen soll, die einer solchen Mehrgenerationengesellschaft bestmöglich entspricht.

Es bleibt dann nur eine Gruppe übrig, die kein Wahlrecht hat, nämlich jene, die keine Kinder bekommen haben oder bekommen haben können. Dann stellt sich aber die Frage: Warum gerade diese? Vielleicht haben sie deshalb keine Kinder bekommen, weil die Gesellschaft nicht entsprechend kindergerecht ist? Man müsste dann denen ein zusätzliches Stimmgewicht verleihen, damit die Gesellschaft so verändert wird, dass ihnen ermöglicht wird, Kinder in diese Welt zu setzen.

Wir sehen, wir kommen mit einigen grundsätzlichen Problemen, die hinter dem allgemeinen Wahlrecht stehen, in Konflikt. Dem allgemeinen Wahlrecht steht nämlich gegenüber, dass ein allgemeiner Vertretungskörper gewählt wird, der insgesamt die Interessen in einer Gesellschaft zu beurteilen hat und zum Ausgleich bringen soll. Dafür glaube ich, ist es am besten, wenn jeder ein gleiches Wahlrecht hat, und damit auch für Kinder und Jugendliche jede Stimme gleich viel zählt wie jede andere. Die Gesellschaft insgesamt ist damit auch nicht aus der Verantwortung zu entlassen, für eine kindergerechte Welt zu sorgen und deshalb sollten wir das allgemeine Wahlrecht ernst nehmen und sagen: ja, wenn wir ein verbessertes allgemeines Wahlrecht haben wollen, dann sollen wir, so wie im 19. Jahrhundert, weitere Personengruppen in das Wahlrecht einbeziehen, und deswegen sollte man 16-Jährigen bereits das Wahlrecht geben, damit sie ihre Interessen selbst vertreten können und das nicht anderen Personen übertragen müssen. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Kollege Schnitzer. Als nächster zu Wort hat sich Herr Präsident Jabloner gemeldet. -Bitte sehr.

Dr. Clemens Jabloner: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Ich möchte mich ganz kurz zum Legalitätsprinzip äußern, und man soll mich im Kreise jener wissen, die gegen eine Lockerung des Legalitätsprinzips sind, oder genauer gesagt, gegen eine Änderung des Textes, Artikel 18, Abs. 1 und 2. ich bin sehr froh darüber, dass der Herr Präsident der Bundeswirtschaftskammer ebenfalls gegen eine Änderung des Textes ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Gesetzesbindung der Verwaltung für viele kleine Gewerbetreibende von großer Bedeutung ist, man darf eben die Sache nicht nur immer aus der Perspektive der großen Akteure auf dem wirtschaftlichen Parkett sehen. Das Legalitätsprinzip steht an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen, und die Argumente, die für die Abschaffung vorgebracht werden, vermögen alle nicht zu überzeugen. Zunächst einmal bekämpft man etwas, was es so gar nicht gibt, ein kulthaft überhobenes Legalitätsprinzip. Der Verfassungsgerichtshof legt in etwa das Muster eines differenzierten Legalitätsprinzips zu Grunde. Geht man davon aus, ist ein ganz großer Problembereich bereits beseitigt. Zweitens darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass man bei einer Lockerung große Ermessensräume der Verwaltung eröffnet. Wenn man den rechtssoziologischen Trend richtig versteht, so erhöht man damit nur letztlich die gerichtliche Kontrolldichte, wie das auch in anderen Staaten deutlich wird.

Das oft vorgebrachte Argument, das Legalitätsprinzip habe etwas zu tun mit Überregulierung und Normenflut, ist nicht mehr als ein Gerücht; oft gesagt, aber grundfalsch. Das Legalitätsprinzip regelt nur die Verteilung der Normenmenge. Wenn man sich einmal entschlossen hat, etwas zu regeln, und das ist die entscheidende Frage, und verzichtet man auf die Ebene des Gesetzes, dann hat man es mit internen Weisungen und Judikaturketten zu tun, in denen sich der Einzelne dann noch viel schwerer zurechtfinden kann. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Gesetzbindung über die Eingriffsintensität geregelt werden kann. Das gilt nur für die Grundrechte. Aber ansonsten sind subjektive Rechte die Folge einer verdichteten gesetzlichen Regelung und stehen dieser nicht voran. Und überhaupt stehen einander der Staat und der Einzelne gegenüber, in der Regel, und der Staat hat die öffentlichen Interessen zu wahren und das sind die Interessen vieler anonymer Menschen daran, dass die vom Nationalrat beschlossenen Ziele auch umgesetzt werden, und das kann nicht über Intensitäten geregelt werden.

Auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten sehe ich keinen Anlass, etwas zu ändern. Es ist zwar richtig, dass das Gemeinschaftsrecht zu sehr komplizierten Rechtslagen führt, es wird immer schwieriger für die Verwaltung und natürlich auch für den Einzelnen, die maßgebliche Fallnorm überhaupt zu erkennen. Es ist eine patchworkartige Situation. Aber in dieser Situation einen der wenigen Regulatoren, nämlich das Legalitätsprinzip, über Bord zu werfen, hielte ich für eine ganz falsche Reaktion. Ich habe mich auf diesen Punkt konzentriert, weil ich auch eine gewisse Gefahr sehe. Man könnte sich im Österreich-Konvent nicht einigen über die Kompetenzverteilung, nicht einigen über die Grundrechte und andere zentrale Themen und dann läge die Versuchung nahe, sich am Legalitätsprinzip zu schaffen zu machen, weil das relative einfach ist, weil man damit einen leichten Erfolg einheimsen kann und davor möchte ich die geschätzten Mitglieder des Konventes warnen! Ich danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke ihnen, Herr Präsident, für die sehr konturierten Ausführungen zum Legalitätsprinzip, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig haben lassen. Die nächste Wortmeldung steht bei Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer. - Bitte, Herr Landeshauptmann!

Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Als Landeshauptmann melde ich mich natürlich zum Arbeitskreis 3, zum Thema Länderkammer, Bundesrat. Länderkammer ist wahrscheinlich übertrieben, in der derzeitigen Fassung. Ich schließe mich in wesentlichen Punkten den Aussagen des Herr Bundesrates Hösele aus der Steiermark an. Die derzeitige Konzeption des Bundesrates ist unbefriedigend. Auch, wenn wir im Saal des Bundesrates tagen, wäre der Ausdruck „suboptimal“ stark untertrieben. Bis jetzt ist der Bundesrat keine Länderkammer, er ist bestenfalls ein Anhängsel des Nationalrates.

Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage lautet: Was will man? Will man eine wirksame, aber sehr vernünftig konzipierte Mitsprache und Mitwirkung der Länder in der Bundesgesetzgebung oder will man das nicht? Ich halte es im kooperativen Bundesstaat für notwendig und auch für höchst sinnvoll. Will man sich das seitens des Bundes von den Ländern, will man, dass die Länder dieses Recht haben, oder will man das nicht? Meine Damen und Herren, die derzeitige Bundesgesetzgebung nimmt Länder und auch Gemeinden in die Pflicht, ohne, dass sich die Betroffenen wirksam wehren können, insbesondere dort, wo es um finanzielle Auswirkungen geht.

Ich meine das Beispiel des Arbeitszeitgesetzes für Ärzte, ohne zu sagen, ob das sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Faktisch ist nur, dass hier der Bund, der seine Kosten bei den Spitälern gedeckelt hat und auch die Sozialversicherung den Ländern und Gemeinden Kosten in hohem Ausmaß aufdrückt, ohne, dass die Länder die Chance hatten, und auch die Gemeinden, sich dagegen zu wehren. Und das finde ich nicht richtig, nicht fair. Ich erinnere auch historisch daran, dass es die Länder waren, die zweimal die Republik gegründet haben. Heute hat man manchmal den Eindruck, dass die Länder, die Existenz der Länder, ein Gnadenakt des Bundes sei.

Daher mein Vorschlag, und gleich vorweg: weder Landeshauptleute, noch die Länder wollen Geschaftelhuber oder Wichtigtuer dieser Republik sein. Ich plädiere für eine Konzentration der Aufgaben und der Zuständigkeiten des Bundesrates auf jene Themen, die wirklich für Länder und Gemeinden von Bedeutung sind, die für uns wichtig sind. Wir haben kein Interesse, dass unsere, vom Landtag entsendeten Bundesräte irgendwelchen Kulturabkommen mit Uruguay oder sonstigen nebensächlichen, aus unserer Sicht -  ich betone aus unserer Sicht! -  nebensächlichen Agenden die Zustimmung geben müssen, oder die Zustimmung verweigern.

Meine Damen und Herren, die Mitwirkung ist nur dann etwas wert, wenn sie auch etwas bewirkt. Das heißt, es muss Folgen geben, und ich plädiere nicht direkt  für das deutsche Modell, weil das Mitwirkungsrechte in Form von Zustimmungsrechten bei 50 Prozent der Materien vorsieht, nein, es genügen, 10, 15 Prozent der Materien, die wirklich wichtig sind, wo der Bundesrat ein Zustimmungsrecht und nicht nur ein kleines Verzögerungsrecht benötigt, dass dann dieses Haus wirklich den Namen Länderkammer verdient. Zweitens: will der Bundesrat wirklich Länderkammer sein, dann müssen auch die im Bundesrat vertreten sein, die die Länder wirklich repräsentieren. Ich plädiere für die Integration der Landeshauptleutekonferenz, der Landtagspräsidentenkonferenz in die Länderkammer, das kann ein Mischsystem sein aus Abgeordneten, aus Bundesräten wie jetzt und aus den tatsächlichen ersten Entscheidungsträgern eines Landes.

Meine Damen und Herren, das ist in Deutschland so, das ist dort möglich. Man muss die Fehler, die in Deutschland im Konzept sind, nicht nachmachen. Man kann sich hier wirklich auf vernünftige Kompromisse einigen. Meine Damen und Herren! Ich sehe darin eine große Chance, dann könnte man sich viel ersparen bis hin zu aufwendigen Mechanismen, zu vielen Konferenzen auf verschiedenen Ebenen, die man dann wieder neu koordinieren muss. Ich halte es einfach für notwendig, dass im Zeitalter der Globalisierung im Sinne der Subsidiarität den Ländern und auch den Gemeinden - da muss man sich eine sinnvolle Einbindung überlegen - ein höherer Stellenwert in der Bundesgesetzgebung zugemessen wird. Dort und nur dort, meine Damen und Herren, wo sie betroffen sind. Keine Geschaftelhuberei, aber dort einbinden, wo es für die Länder und Gemeinden auch Konsequenzen gibt.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke sehr, Herr Landeshauptmann. Als nächster hat sich Herr Prof. Öhlinger zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Professor.

Dr. Theodor Öhlinger: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Ich habe dem Ausschuss 3 nicht angehört und habe daher zwei Fragen zu dem Bericht, zwei Fragen, die sich im Themenkreis Legalitätsprinzip und europäisches Gemeinschaftsrecht halten.

Die erste Frage: hier habe ich eine Aussage im Bericht vermisst, sie ist aber jetzt von Präsident Jabloner angesprochen worden. Mir ist aufgefallen, dass der Aspekt des Gemeinschaftsrechts in diesem Zusammenhang nicht erwähnt ist. Nun teile ich nicht ganz die Auffassung meines Vorvorredners, dass im Gemeinschaftsrecht die Sache ohnehin mehr oder minder identisch wie in Österreich ist. Ich glaube, dass es auch im Gemeinschaftsrecht so etwas wie einen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gibt - er ist durch die Judikatur ausgebildet worden -, dass aber dieser Grundsatz doch anders akzentuiert wird, als es die österreichische Rechtsprechung tut. Es gibt Fälle, in denen wahrscheinlich unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts sogar eine genauere, präzisere Regelung erforderlich wäre, als wir sie im österreichischen Recht haben. Es gibt aber sicher mehr Fälle, in denen das Gemeinschaftsrecht den Verwaltungsorganen, den Vollzugsorganen, einen größeren Entscheidungsspielraum vorgibt, nur gibt das Gemeinschaftsrecht oder die Judikatur des EuGH Regeln vor, nach denen dieses Ermessen auszuüben ist, die man auf die Formel des Verhältnismäßigkeitsprinzips bringen kann. Mir fällt auf, dass im Bericht dieses Spannungsverhältnis zwischen Legalitätsprinzip auf europäischer Ebene und auf innerstaatlicher Ebene nicht angesprochen wird, obwohl wir ja vor der Situation stehen, dass österreichische Verwaltungsorgane sehr oft Gemeinschaftsrecht unmittelbar anzuwenden haben, aber dabei nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts und nicht nach denen des staatlichen Rechts vorzugehen haben. Diese Diskrepanz verdient meines Erachtens zumindest noch näherer Überlegung.

Und ein zweiter Punkt: Ich finde in dem Bericht auf Seite 29 den Satz: „Der Verfassungsgerichtshof ist nicht befugt, innerstaatliche Rechtsnormen am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen“. Das ist in dieser Pauschalität nicht richtig und kann so nicht gemeint sein, und meine Frage ist: Was ist gemeint? Es hat ja jedes österreichische Gericht innerstaatliche Normen am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen und natürlich ist der Verfassungsgerichtshof von dieser gemeinschaftsrechtlichen Pflicht nicht ausgenommen. Er muss die Konformität des von ihm angewendeten staatlichen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht prüfen. Vielleicht ist gemeint, dass die spezielle Verordnungsprüfungskompetenz des Verfassungsgerichtshofs nach Artikel 139 B-VG nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts ausgeübt werden kann. Das heißt, es gibt nach dem Gemeinschaftsrecht, weil jedes Gericht innerstaatliches Recht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts prüfen muss, kein Monopol der Verordnungsprüfung, und eine solche Monopolisierung wäre sicher problematisch.

Was aber der Verfassungsgerichtshof jedenfalls prüfen könnte, ist die verfassungsrechtliche Ermächtigung, Gemeinschaftsrecht allenfalls durch Verordnungen auszuführen, denn das ist eine verfassungsrechtliche Frage und diesbezüglich bleibt die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs natürlich aufrecht. Und wenn man dies mit dem Legalitätsprinzip als Maßstab der Möglichkeit, Gemeinschaftsrecht durch Verordnungen auszuführen, in Verbindung bringt, dann ist klar, dass man das nicht einfach nur formal prüfen kann, sondern dass man auch auf den Inhalt - Was steht in der Verordnung? Was steht in der Richtlinie? und Wie passt das zusammen? - eingehen muss. Insofern kann dieser Satz, so wie er dasteht, nicht wörtlich genommen werden. Und vor allem nicht in dem Zusammenhang, in dem er steht, in dem es um die Frage geht: Soll Gemeinschaftsrecht durch Verordnungen ausgeführt werden können? Wenn hier steht - nein, weil Verordnungen nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts überprüft werden können - so kann ich dem nur entgegenhalten: auch Gesetze können nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts überprüft werden. Das kann kein Argument für die Rechtsform Gesetz oder Verordnung sein, weil hier aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine völlig idente Rechtslage gilt.

Tatsächlich wird auch heute schon die Mehrzahl von Richtlinien durch Verordnung umgesetzt. Die Grundlage bilden formale Delegationen im Lebensmittelgesetz und so weiter, wo etwa steht: Wenn es zum Schutz der Verbraucher erforderlich ist, dann kann der Bundesminister eine Verordnung erlassen. Dann findet man unter Berufung auf einen solchen Paragraphen eine Verordnung im Bundesgesetzblatt: gemäß § 27 Lebensmittelgesetz wird das und das verordnet. Wenn Sie sich diese Verordnung anschauen, dann wird zum Teil wörtlich Gemeinschaftsrecht bis hin zu Beistrichfehlern - wenn es solche nach der neuen Rechtschreibung überhaupt noch gibt, jedenfalls nach der alten Rechtschreibung - abgeschrieben. Es ist dann unehrlich zu sagen: Das erfolgt auf Grund einer Verordnungsermächtigung im Lebensmittelgesetz. Es erfolgt natürlich auf Grund der Richtlinie der Gemeinschaft.

Ich schließe damit. Ich meine nur, dass dies Themen sind, die noch einer näheren Prüfung würdig wären. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke schön, Herr Professor. Ich kann aber alle Mitglieder des Konvents beruhigen, der Konvent wird sich nicht mit der neuen Rechtschreibung und einer allfälligen Reform dieser neuen Rechtschreibung zu befassen haben. Ich glaube, wir haben Probleme genug.

Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Voith. - Bitte sehr!

Dr. Günter Voith: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich will nicht auf einzelne Punkte eingehen in den Berichten, die ja sehr gewissenhaft und fachmännisch auch schon behandelt wurden. Ich will eigentlich eingehen auf ein Thema, das sich durchziehen muss durch alle Arbeiten. Sie werden nicht erstaunt sein, wenn ich sage, nämlich: die wirtschaftliche Frage. Der Konvent hat bei den Vorgaben ja hier auch sehr viel schon bekommen. Natürlich weiß ich auch, Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne eine funktionierende Wirtschaft ist alles nichts, kann man da sagen. Da gibt es keine Umverteilung und keine Politik. Natürlich macht es uns in der Wirtschaft Sorgen, dass wir etwa folgende Entwicklung immer noch haben. Wir hatten im Jahr 1962 auf drei Industriebeschäftigte einen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Im Jahr 85 war das Verhältnis eins zu eins. Heute muss ein - ich sage - produktiver Industriebeschäftigter fast zwei Öffentliche erhalten.

Das System kann nicht so weitergehen. Das ist klar, „erhalten“ ist hart. Aber, warum - frage ich - ist es notwendig, dass zum Beispiel die Steiermark doppelt so viel Landesbeamte hat wie Oberösterreich, bei etwa gleicher Bevölkerungszahl? Warum hat die Stadt St. Pölten - bei halber Einwohnerzahl wie Innsbruck - doppelt so viel Gemeindebeamte? In absoluten Ziffern: wir hatten 1970 - 426 000 öffentlich Beschäftigte, wir haben 2001 767 000 trotz Ausgliederungen. Es kommen heute auf einen öffentlich Beschäftigten vier Gesamtbeschäftigte oder auf 11 Personen der Gesamtbevölkerung, eins zu elf. Wir hatten vor 100 Jahren in der Monarchie - ich weiß schon - andere Aufgaben, aber die ach so bürokratische Monarchie, da kam ein Öffentlicher auf 90 Personen Gesamtbevölkerung. Das sind ungern gehörte und vielfach auch nicht bekannte Sachverhalte.

Ausschussergebnisse: Die bisherigen Ausschussergebnisse meine ich, sind dort ohne Konsens geblieben, wo eigentlich mit einer Fülle von Wünschen wegen parteipolitischer und ideologischer Differenzen klar war, dass auch die Verfassungsdiskussionen keine Übereinstimmung bringen konnten. Man hat damit nichts erreicht als Angriffsfläche in der Öffentlichkeit, es geht nichts weiter.

Es ist daher notwendig, dass, glaube ich, man an die Vorgaben, die wir für den Verfassungskonvent bekommen haben, erinnert wird. Dies ist, was ich alles durchsieben muss: Aufgaben des Konvents in den Gründungsgrundsätzen, Vorschläge für grundlegende Staats- und Verwaltungsreform, Voraussetzungen für effizientere Verwaltung schaffen, zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente, bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben. Dann heißt es: Bereiche, Struktur der staatlichen Institutionen mit effizientem Mitteleinsatz, Bürgernähe, e-Government, Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung - da habe ich noch nicht viel gehört -, Vorschläge für Straffung des Verfassungstextes, der Baugesetze usw. Der Herr Präsident hat in der Eröffnungsrede beim Konvent noch klar auf die formalen Erfordernisse hingewiesen: Verfassung straffen, Inkorporationsgebot usw.

Dort geschieht ja, Gott sei Dank, im Konvent auch einiges, aber ich empfehle, dass man die total umstrittenen Themen nicht immer wiederkäut. Der Erfolg des Konvents wird gemessen werden daran, ob diese Grundprinzipien eingehalten werden. Und zwar wird nicht nur die Wirtschaft darauf hinweisen, ob der Konvent ein Erfolg oder ein Misserfolg wird, sondern machen wir uns nichts vor: bei der viel zitierten Politikverdrossenheit der Bevölkerung wird das auch daran gemessen werden. Bei diesen - und nur bei diesen - Reformen ist der Konsens ja leicht möglich, und auf das sollte auch in der Öffentlichkeit hingewiesen werden. Ein bisschen muss natürlich über den Schatten gesprungen werden, und nicht nur in politischen Machtverhältnissen gedacht werden. Aber der wohl sehr oft behauptete Reformwille müsste ja dazu reichen. Danke.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke für die Wortmeldung. Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Poier. - Bitte schön.

Dr. Klaus Poier: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich auf den Bereich des Wahlrechts konzentrieren.

Viele Länder beschränken sich in ihrer Verfassung bei den Wahlrechtsbestimmungen auf wenige Sätze, in Österreich hingegen ist die Wahlrechtsverfassung von einem Detailreichtum gekennzeichnet, der international gesehen fast einzigartig ist. Das betrifft vor allem den Artikel 26 B-VG. Insbesondere seit der Wahlrechtsreform 1992 ist es dem einfachen Gesetzgeber fast unmöglich gemacht, mehr als bloß marginale Wahlrechtsänderungen ohne eine Änderung der Bundesverfassung durchzuführen. Eine Wahlrechtsreform wie etwa die von 1970 wäre heute einfachgesetzlich nicht mehr möglich.

Ich habe mir die Mühe gemacht, den Artikel 26 von 1920 und den von heute zu vergleichen. Der Artikel 26 von 1920 - auch nicht ganz kurz - hatte fünf Absätze, darin sieben Sätze und 145 Wörter. Heute umfasst der Artikel 26 sieben Absätze, darin 16 Sätze und 422 Wörter. Ich glaube - auch wenn die Länge nicht allein entscheidend ist -, dies zeigt eindrucksvoll, dass hier Handlungsbedarf besteht. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass im Ausschuss Konsens herrscht, dass man den Artikel 26 ändert.

Für diese Aufblähung des Artikel 26 sehe ich zwei Gründe: Der eine Grund ist eine enge Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, viele Jahre lang, jahrzehntelang, die dazu geführt hat, dass der Gesetzgeber Reformen kasuistisch getätigt hat und nicht in Form einer generellen Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber.

Und der zweite, wahrscheinlich wichtigere Grund ist darin zu sehen, dass das Wahlrecht eine politisch hoch brisante, hoch sensible Angelegenheit ist und dass deshalb insbesondere jede Großpartei darauf geschaut hat, dass das Wahlrecht verfassungsrechtlich abgesichert ist und nicht bei geänderten Mehrheitsverhältnissen die Bedrohung bestand, dass die jeweils andere Großpartei hier etwas ändert.

Aus diesem letzten Grund würde ich es auch für durchaus zweckmäßig ansehen, wenn man das Wahlrecht generell zur Zweidrittelmaterie macht, in der Form, dass man in der Verfassung nur die Grundsätze regelt und alles Übrige in einem verfassungsausführenden Gesetz auf einfachgesetzlicher Ebene, zu dessen Beschlussfassung es allerdings einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Das würde drei Vorteile bringen: Erstens eine schlanke Verfassung; zweitens einen breiten politischen Konsens in dieser Spielregelmaterie - wie etwa bei der Geschäftsordnung des Nationalrates -  und drittens würde dieses verfassungsausführende Gesetz auch der Überprüfung des Verfassungsgerichtshofs unterliegen.

Wenn man sich darauf nicht einigen kann, dann muss man jedenfalls akzeptieren, dass wir im Wahlrechtsbereich keine schlanke Verfassung bekommen werden, maximal eine halbschlanke Verfassung. Abgesehen von dieser Entschlackung des Artikel 26 spreche ich mich für eine Modernisierung des österreichischen Wahlrechts aus, insbesondere was die Briefwahl und das E-Voting betrifft. Es ist nicht einzusehen, dass in annähernd oder mehr als 100 Ländern der Welt Briefwahl möglich ist, dieses Service dem österreichischen Bürger aber bisher vorenthalten ist. Und auch das E-Voting - auch wenn wir heute sicher noch nicht so weit sind - muss für die Zukunft möglich sein. Wenn die Technik garantiert, dass die Sicherheit gewährleistet ist, muss dieses Service auch dem österreichischen Bürger zukommen.

Natürlich stellt sich hier auch wieder die Frage, wie man das rechtstechnisch löst. Ich würde es vorziehen, dass man in der Verfassung nur die Wahlrechtsgrundsätze vorsieht und in den Erläuterungen genau ausführt, dass wir das Prinzip der geheimen und der persönlichen Wahl nun anders sehen, als der Verfassungsgerichtshof das bisher getan hat. Wenn man dies in Hinblick auf die Judikatur als unzureichend ansieht, dann bleibt der Wermutstropfen, dass man neuerlich kasuistisch regeln muss, aber das wäre ein notwendiger Wermutstropfen.

Ein letzter Punkt: Ich plädiere für eine Ausweitung der Verfassungsautonomie der Länder auch im Wahlrechtsbereich. Die Bundesverfassung sollte für das Wahlrecht der Bundesländer nur die Wahlrechtsgrundsätze vorgeben, alles Übrige sollten diese selbst regeln können, also Wahlsystem, Wahlkreise, die Möglichkeiten der Stimmabgabe und das Wahlalter.  Aber natürlich könnte man auch hier - und ich würde das für durchaus sinnvoll halten - die Notwendigkeit einer Zweidrittelregelung vorsehen. Das würde bedeuten, dass in den Bundesländern jeweils eine breite Mehrheit notwendig wäre, wenn man derartige Reformen in Bereichen durchführt, die eben Spielregelcharakter haben. Danke schön!

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke,  Herr Dr. Poier. Die nächste Wortmeldung: Herr Dozent Dr. Bußjäger. - Bitte sehr.

Dr. Peter Bußjäger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich möchte zu zwei Punkten des Ausschussberichtes Stellung nehmen, und zwar zum Bundesrat und zur Verfassungsautonomie.

Zum Bundesrat: Es besteht offenbar Einvernehmen darüber, dass Änderungsbedarf besteht. Nun, Konsens besteht auch offenbar darüber, dass es zur Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im Wege des Bundesrates, wie es heißt, keine zweckmäßige Alternative geben soll. Insbesondere nicht - wie es heißt - in einer unmittelbaren Mitwirkung der einzelnen Länder selbst. Ich möchte diese Aussage hinterfragen; sie scheint mir in dieser Pauschalität nicht haltbar. Natürlich, der Konsens besteht, aber ich möchte hier Kritik äußern. Vermutlich ist diese Auffassung dadurch bedingt, dass die Mitglieder des Ausschusses das Konzept der bestehenden Zustimmungsrechte der Länder - wie wir es im Artikel 102, 129a und im Grund auch 14b haben - vor Augen haben.

Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn man der großflächigen Anwendung dieses Konzepts, das auf eine absolute Vetoposition jedes einzelnen Akteurs nach Durchlaufen des vollen parlamentarischen Prozesses hinausläuft, kritisch gegenüber steht, weil es nicht nur Blockade ermöglicht, sondern in gewisser Hinsicht auch provoziert. Das bedeutet aber nicht, dass es dazu nicht eine zweckmäßige Alternative gäbe! Gerade dann, wenn man - wie dies ja der Ausschuss tut - eine frühzeitige Einbindung des Bundesrates für sinnvoll erachtet, stellt sich die Frage, ob eine frühzeitige Einbindung der Länder selbst - die ja eine Vielzahl der Bundesgesetze entweder selbst zu vollziehen haben, sei es im Rahmen der selbständigen Verwaltung, sei es im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung, oder in sonst irgendeiner Weise betroffen sind - nicht sogar zweckmäßiger wäre als eben die frühzeitige Einbindung des Bundesrates. Immerhin könnten die Länder bei frühzeitiger Einbindung ihre Vollzugserfahrungen direkt einfließen lassen und nicht erst über den Bundesrat, dessen Mitgliedern die spezifische Kenntnis der Vollzugspraxis doch häufig fehlen dürfte.

Es spräche aus meiner Sicht auch nichts dagegen, ein im Einvernehmen mit den Ländern - über das Ausmaß dieses Einvernehmens, wie weit sich das erstrecken soll, über wie viele Länder, darüber kann man natürlich reden -, wenn man also ein solches im Einvernehmen mit den Ländern erlassenes Gesetz in der Weise privilegieren würde, dass der Bundesrat nachher anschließend keine weiteren Mitwirkungsrechte hätte. Oder anders herum gesagt: Sucht der Bundesgesetzgeber dieses Einvernehmen eben nicht, dann wäre die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.  Dieses Modell würde die Einbeziehung des Sachverstandes ermöglichen, der aus den Länder-Exekutiven kommt, andererseits dann auch trotzdem eine Ländermitwirkung über ein parlamentarisches Organ ermöglichen. Ich glaube daher, dass es schon zweckmäßige Alternativen zu einer Monopolisierung der Ländermitwirkung über den Bundesrat geben könnte.

Im Übrigen ist klar, dass einer der Hauptangelpunkte der Reform des föderalen Systems eben die Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung ist. Wenn sich daran nichts ändert, wird die Reformfähigkeit des System äußerst begrenzt sein, ganz abgesehen davon, dass es auch nicht leicht fallen wird, einen Bundesrat, an dem sich nichts ändert, gegenüber der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise kommunizieren zu wollen.

Noch ein Wort zur Verfassungsautonomie: Es ist erfreulich, dass im Ausschuss Konsens bestand, in der Formulierung des Artikels 99 B-VG auf die seinerzeitige Vorlage zur Bundesstaats-Reform zurückzugreifen, erfreulich auch, dass Konsens darüber besteht, die Regelungen des B-VG betreffend die Exekutive der Länder zu reduzieren. Was ich entgegentreten möchte, sind aber Bestrebungen, die Verfassungsautonomie der Länder - zu der man sich vollinhaltlich bekennt - über den Umweg dann wieder auszuhöhlen, sei es auch dadurch, dass man etwa Mindest-Prozentklauseln im Verhältniswahlrecht für Landtagswahlen einführt. Hier sollte man sich, wie mein Vorredner gesagt hat, vollinhaltlich zur Verfassungsautonomie bekennen.

Ein letztes Wort noch zur Frage der Selbstkoordination der Länder. Hier fällt auf, dass man dieser Frage sehr kritisch gegenübersteht - also gemeinsame Einrichtungen kritisch betrachtet und so weiter. Erstaunlicherweise wurde das sogar als Indiz gesehen, dass es sinnvoll wäre, diese Aufgabe dem Bund zu übertragen! Also hier möchte ich dem schon scharf entgegentreten und die Auffassung vertreten, dass Selbstkoordination der Länder im Regelfall zweckmäßiger ist, als eine von oben herab angeordnete Vollzugspraxis. - Ich danke Ihnen.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Dozent.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Präsidentin Orthner. - Bitte, Frau Präsidentin.

Angela Orthner: Danke. Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zunächst einmal sage ich danke - danke Herrn Prof. Dr. Holzinger und allen, die mit ihm an der Arbeitsunterlage für den Ausschuss 3 gearbeitet haben. Und ich sage diesen Dank nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich sehe, dass sein Bericht, aber auch alle anderen Berichte, die wir im Konvent, im Plenum und im Präsidium erhalten haben, von großer Qualität sind. Sie sind von großer Qualität und bieten auch eine hervorragende Entscheidungsgrundlage.

Und wenn wir die Ausschüsse darum bitten, auch quasi über die Themen, die Konsens gefunden haben, aber auch die Bereiche, die noch im Dissens sind, Auflistungen zu machen, dann, denke ich, dass das noch einmal eine Grundlage ist, in welchen Bereichen wir rascher vorankommen, aber auch, welche Bereiche wir noch verstärkt zu bearbeiten haben. Und ich sehe aus diesen Auflistungen heraus, selbst in vielen Bereichen, wo wir „Dissens“ darüber stehen haben oder nur vereinzelte oder überwiegende Übereinstimmung, aber keinen Konsens, dass wir eine Reihe von Themenfeldern hier ganz sicherlich für den Konsens vorbereiten können.

Eines dieser Konsensfelder sehe ich ganz sicher in all dem, was mit Wahlen zusammenhängt. Mein Wiener Amtskollege Hatzl hat die Verfassung mit dem nicht uninteressanten Vergleich der Kleidung und des Gewandes in Zusammenhang gebracht, und er meinte, man kauft sich etwas Neues, wenn das Alte zerschlissen oder verschlissen ist. Von dem abgesehen, dass wir die Wirtschaft nicht erfreuen würden, würden wir uns immer nur etwas Neues kaufen, wenn das Alte wirklich unbrauchbar ist, denke ich mir, geht es in der Mode vielleicht um den Begriff des „Unmodernen“. Wenn man ihn in die Politik oder in das gesellschaftliche Leben hinüberträgt, könnte man es mit einem nicht mehr zeitgemäßen Begriff umschreiben, oder auch - und das passt durchaus für beide Bereiche - mit einem Begriff, den ich als „Man fühlt sich nicht mehr wohl“ beschreiben könnte.

Und tatsächlich ist es so, dass in den Lebensentwürfen der Menschen sich heute andere Dinge auftun also vor 80 Jahren. Und ich glaube, dass gerade im Bereich der Briefwahl Möglichkeiten, im Bereich des E-Votings, im Bereich, dass - und da sind wir ja auch einer Meinung -, dass Länder und Gemeinden nicht hinter Bundesregelungen im Nationalrats-Wahlrecht zurückstehen können, dass wir hier vieles auf neue Lebensumstände der Menschen einfach einzurichten haben.

In diesen Wochen und Monaten finden Arbeiterkammerwahlen statt, und es ist uns selbstverständlich, dass es ein Briefwahlrecht zu den Arbeiterkammerwahlen gibt, und ungefähr 30 Prozent der wahlberechtigten Frauen und Männer geben ja auch ihre Stimme mittels Briefwahl ab. Und ich glaube, es gibt auf Dauer gesehen und nach gründlicher Betrachtung und nach durchaus auch Sehen der Problemfelder, die sich durchaus auch ergeben können, keinen Grund, ein Briefwahlrecht in Österreich für die Landes- und Gemeindeebene abzulehnen. Wir sehen in vielen anderen europäischen Ländern, bei unserem Nachbarn, der Bundesrepublik Deutschland, dass es diese Möglichkeiten gibt - dass es diese Möglichkeiten gibt im Zusammenhang selbstverständlich mit einem freien und persönlichen und geheimen Wahlrecht.

Und ich schließe mich dem an, was Dr. Poier gesagt hat: E-Voting! - Wir machen eine Verfassung ja nicht für die nächsten zehn, sondern vielleicht wieder für die nächsten 80 Jahre oder für das 21. Jahrhundert. Und wir sollen diese Dinge einfach mitdenken und auch mit entscheiden, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Lande nützen und sie sicherlich auch dazu bringen, sich stärker an gesellschaftspolitischen Richtungen, Linien und Visionen zu beteiligen: Das ist es letztendlich ja auch, was wir alle miteinander möchten.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke, Frau Präsidentin.

Als Nächster zu Wort hat sich Herr Dr. Lengheimer gemeldet. - Bitte sehr.

DDr. Karl Lengheimer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Als Mitglied des Ausschusses 3 möchte ich zunächst einmal dem Vorsitzenden unseres Arbeitskreises, Herrn Prof. Holzinger, auch von dieser Stelle meinen herzlichen Dank für seine Arbeit sagen. Er hat durch eine wirklich exzellente Vorbereitung der sehr umfangreichen Themen, die wir zu behandeln gehabt haben, ermöglicht, dass wir unser Pensum auch bewältigen konnten. Er hat darüber hinaus mit seiner klugen Vorsitzführung dafür gesorgt, dass mögliche Kompromisse dort, wo sie möglich waren, nicht an Missverständnissen scheitern, sondern zum Durchbruch kommen. Andererseits aber dort, wo eben kein Kompromiss zu finden war, die Teilnehmer oder die Mitglieder nicht abqualifiziert wurden, sondern dafür gesorgt, dass auch widersprüchliche Stellungnahmen verzeichnet wurden.

Eine solch unaufgeregte und tolerante Einstellung werden wir überhaupt benötigen, wenn das Ergebnis des Österreich-Konvents nicht nur eine rechtswissenschaftliche Festschrift, sondern wirklich eine neue Verfassung werden soll. Ich denke hier insbesondere an die Fragen des Wahlrechtes, wo das von Bedeutung ist. Hier gibt es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte, hier gibt es den Wunsch nach Herabsetzung des Wahlalters auf 16,  - warum nicht auf 14? - , auch die Idee des Elternstimmrechtes für die Kinder - Kollege Schnitzer hat heute hier ausgeführt, dass dann die Eltern gleich bis zum Lebensende für die Kinder wählen. Warum er das glaubt, wird er uns noch im Ausschuss erklären. Ich habe das nicht ganz mitgekriegt, denn wir haben ja im Zivilrecht das Recht der Eltern, für die Kinder zu handeln, und das endet natürlich mit der Volljährigkeit.

Aber das sind halt die Auffassungsunterschiede. Wir haben Auffassungsunterschiede bei der Frage des allgemeinen Wahlrechtes. Wenn man für eine Ausdehnung des allgemeinen Wahlrechtes eintritt, muss man doch wohl auch dafür eintreten, dass jeder auch das Wahlrecht ausüben kann und  nicht nur das Recht hat. Dazu gehören Fragen wie etwa die der Briefwahl. Zu diesem Thema ganz allgemein: Es macht wenig Sinn, bei diesen Dingen die eigenen Anschauung als unabdingbare demokratiepolitische Notwendigkeit hinzustellen und Gegenmeinungen als unnötige oder gar abstruse Ideen abzuqualifizieren. Wenn wir nicht bereit sind, uns ernsthaft mit den Gegenargumenten auch auseinander zu setzen, wird es nichts werden beim Wahlrecht.

Ein Thema, bei dem der Ausschuss seinem Programm nicht oder, richtiger gesagt, noch nicht erschöpfend nachgekommen ist, war die Reform des Bundesrates. Zunächst einmal deshalb, weil die Reformbestrebungen mit den im Ausschuss 5 angestellten Überlegungen zur Kompetenz zu koordinieren sind. Das ist klar. Der Präsident des Niederösterreichischen Landtages Mag. Freibauer, den ich im Konvent vertrete, hat in dieser Frage ein Diskussionsmodell erstellt. Es gibt natürlich auch andere Vorschläge, aber wie immer man in der Frage der gesetzlichen Vertretung der Länder auch entscheidet, Eines, denke ich, muss wohl klar sein: Wenn die Institution des Bundesrates auch nicht die wichtigste des Konvents sein mag,  wenn wir hier nicht eine zeitgemäße Reform zustande bringen, die sich an den Grundsätzen der Sparsamkeit und der Zweckmäßigkeit orientiert, dann werden wir einen ganz entscheidenden Punkt, den die Öffentlichkeit bei der Reform in diesem Konvent erwar-tet, nicht erfüllt haben. Wir würden daran gemessen werden.Ich habe mich, das ist im Bericht des Vorsitzenden angesprochen worden, auch für ein konkretes Modell für eine Reform der Funktion des Staatsoberhauptes, des Bundespräsidenten, ausgesprochen. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, weil ich  gleichzeitig im Ausschuss zu jenen gehört habe , die der Meinung waren, dass in einem Wahlkampf jeder noch so ernst gemeinte Reformvorschlag Gefahr läuft, unter dem Aspekt der Wahlchancen für den einen Kandidaten oder die andere Kandidatin beurteilt zu werden. Ich meine, dass dafür auch nach dieser Bundespräsidentenwahl noch Zeit sein wird.

Zum Legalitätsprinzip nur ganz kurz: Wenn wir der Meinung sind, der Gesetzgeber sollte anders handeln, dann frage ich mich, warum wir den Gesetzgeber nicht in der Verfassung dazu auch bestimmen. Wir machen Präambeln, Staatsziele, um den Gesetzgeber zu einem gewissen Verhalten zu bestimmen - warum wollen wir ihn nicht auch hier dazu führen, dass er die Verwaltung leitet und nicht selbst den Oberverwalter spielt? Das Führungsprinzip der Delegierung gilt auch in anderen Bereichen. Es sollte wohl auch hier gelten.

Erfreulich sind die Ergebnisse - als Bundesländervertreter sage ich das -  bezüglich der Abschaffung des Bundesverfassungsgesetzes über die Ämter der Landesregierung: Hier besteht wirklich die Möglichkeit, dass die Länder und auch der Bund in Konkurrenz treten und auch im verwaltungsreformatorischen Bereich neue Wege gehen.

Abschließend sei gesagt: Es ist vielleicht ein Vorteil dieses Arbeitsausschusses gewesen, dass wir zum größten Teil handfeste organisatorische und konkrete Probleme zu beraten hatten. Ich glaube aber, dass das Ergebnis dieses Ausschusses Hoffnung für eine erfolgreiche Arbeit des Konvents im Allgemeinen gibt.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Landtagsdirektor. Als Nächster hat sich Herr Gemeinderat Stürzenbecher gemeldet.- Bitte sehr!

Dr. Kurt Stürzenbecher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich war selbst nicht in die Beratungen über den Ausschuss 3 einbezogen, aber ich kann feststellen, dass es ein sehr interessanter Bericht geworden ist, der hier herausgekommen ist, der ein sehr hohes inhaltliches Niveau hat.

Es ist allerdings eine Frage im Ausschussbericht nur sehr kurz angerissen, das ist das Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger, die seit längerem in Österreich ansässig sind. Der Einzige, der bisher dankenswerterweise dieses Thema angesprochen hat, ist Herr Präsident Hatzl. Ich möchte einige Worte als Erstes zu diesem wichtigen Thema  sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen uns bewusst sein, dass Migration, dass Zuwanderung ein Phänomen ist, das auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in der Europäischen Union und auch in Österreich präsent sein wird, ob man es jetzt will oder nicht. Es geht darum, möglichst intelligent mit diesem Phänomen, diesem Prozess umzugehen und sachlich einen Dialog zu führen, wie bestmöglich Integration möglich ist. Ich glaube, das ist ein allgemeines, wichtiges politisches Ziel. Dazu gehört eben auch eine geeignete Partizipation der Zuwanderer am politischen Prozess, zumindest auf kommunaler Ebene, aber nicht nur. Ich meine, dass das einfach demokratie- und integrationspolitisch sehr wichtig ist.

Derzeit ist ja ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger nur auf der Ebene der Bezirksvertretungen in Wien möglich. Der Wiener Landtag hat bekanntlich ein neues Wahlrecht beschlossen, nach dem Zuwanderer, die mindestens 5 Jahre in Wien wohnhaft sind, ein aktives und beschränkt passives Wahlrecht haben, wobei die Beschränkungen beim passiven Wahlrecht ihre Gründe in der geltenden Bundesverfassung haben. Wie künftig eine Bundesverfassung mit diesem Thema umgehen könnte, möchte ich jetzt auf Grund der Zeitnot auf den Diskussionsentwurf des sozialdemokratischen Grundrechtsforums verweisen. Demnach sollte der einfache Gesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit haben, festzulegen, ob und inwieweit Zuwanderer das Wahlrecht haben. Der Landesgesetzgeber könnte dann beispielsweise festlegen, ob es auf Gemeindeebene oder auch auf Landesebene ein derartiges Wahlrecht gibt. Nur nebenbei sei erwähnt, dass in gut der Hälfte der EU-Staaten zumindest auf kommunaler Ebene bereits ein Zuwandererwahlrecht existiert und dass man durchwegs gute Erfahrungen damit gemacht hat.

Ein weiteres wichtiges Thema wurde schon angesprochen, auch im Ausschussbericht angesprochen: Die Senkung des Wahlalters für das aktive Wahlrecht auf das vollendete 16. Lebensjahr. Mir scheint, das ist  ein bedeutendes Projekt, das mit dazu beitragen soll, dass sich junge Menschen verstärkt in unserem politischen System artikulieren können. Auch hier hat Präsident Hatzl schon darauf hingewiesen, dass leider die Forderungen der Bundesjugendvertreter nicht im ausreichenden Maß bisher im Konvent behandelt und auch zu Papier gebracht wurden. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem herabgesetzten Wahlalter auf kommunaler Ebene im Burgenland, in Kärnten, aber auch in Oberwölz in der Steiermark - beispielsweise - sind durchaus positiv. Es hat relativ hohe Wahlbeteiligungen gegeben. Es wurde das Vorurteil, die Jungen wollen das selber ja gar nicht, eindeutig widerlegt und es scheint mir, dass es durchaus sinnvoll wäre, das auch auf Ebene der Nationalratswahlordnung festzulegen. Nur nebenbei sei erwähnt, der Wiener Landtag hat es für seinen Zuständigkeitsbereich auch schon beschlossen.

Ein dritter Punkt sei noch kurz angerissen, auch mein Freund und Kollege Dr. Schnitzer hat ja schon sehr treffend und ironisch dazu Stellung genommen. Es steht im Ausschussbericht, „von einigen Ausschussmitgliedern wird die Einführung des Familienwahlrechts zur Diskussion gestellt“. Diese Idee sollte man meiner Ansicht nach ablehnen. Es würde dadurch das gleiche Wahlrecht abgeschafft werden. Es würden Menschen mit Kindern unsachlich privilegiert gegenüber Menschen ohne Kinder beziehungsweise, es würden Menschen ohne Kinder diskriminiert. Es wäre vom Prinzip her ein Rückschritt ins ausgehende 19. Jahrhundert, wo es eben kein gleiches Wahlrecht, sondern ein extrem ungerechtes Wahlrecht gegeben hat. Eine neue Bundesverfassung sollte uns ja mehr Demokratie bringen. Eine neue Verfassung sollte eine noch bessere Demokratie bringen. Dazu passt ein geeignetes Zuwandererwahlrecht, dazu passt es, der Jugend mehr Rechte zu geben. Dazu passt es sicher nicht, ein so genanntes Familienwahlrecht einzuführen. - Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Danke schön, Herr Dr. Stürzenbacher. Nun ist als Nächster Herr Univ. Prof. Dr. Brauneder zu Wort gemeldet. - Bitte, Herr Professor.

MMag. Dr. Willi Brauneder: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

Bei allen devoten Verneigungen vor dem Föderalismus selbst österreichischer Prägung möchte ich doch einen Punkt ein bisschen zurecht rücken. Es sind nicht nur die Länder gewesen, die unseren Staat begründet haben. Wir sollten gerade in diesem Haus auch an das gesamtstaatliche Organ der Provisorischen Nationalversammlung denken. Und dies deswegen, weil - ich möchte es jetzt konkret zum Bundesrat sagen - es vielleicht auch daraus verständlich ist, dass der Bundesrat in seiner allerersten Sitzung festgestellt hat, und dies zweimal, er werde dem Nationalrat in der Gesetzgebung nie im Wege stehen. Und dieses Erbe scheint ja der Bundesrat bis heute treulich bewahrt zu haben.

Aber wohl nicht aus diesem historischen Grund, sondern aus einem anderen. Wenn heute mehrfach beklagt worden ist, dass der Bundesrat in seiner derzeitigen Zusammensetzung der Aufgabe der Ländervertretung nicht so recht nachkommt, so liegt es wohl daran, dass der Bundesrat von seiner Konzeption ja ebenso eine Parteienkammer ist wie der Nationalrat. Wenn daher an eine Reform des Bundesrates gedacht wird, muss eben ein Modell gefunden werden, das diesen Charakter ihm nicht mehr zukommen lassen kann.

Ich glaube, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber hier selbst einen Weg gewiesen hat, schon seit längerer Zeit, und damit auch eine Kritik am Bundesrat angebracht hat, nämlich durch die Integrationskonferenz der Länder. Die ist eigens geschaffen worden mit Kompetenzen, die Sie kennen, jedenfalls mit Kompetenzen, die der deutsche Namensvetter Bundesrat selbst wahrnimmt. Offenbar hat man das unserem Bundesrat nicht zugetraut.

Daher meine ich, dass eine Reform des Bundesrates anknüpfen sollte an diesen Grundgedanken der Integrationskonferenz, wo Landeshauptmann und Landtagspräsident vertreten sind. Das würde also bedeuten, dass man sowohl die Landesexekutive wie die Landesgesetzgebung in den neuen Bundesrat aufnimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass sozusagen die demokratisch Legitimierten, der demokratisch legitimierte Teil direkt gewählt wird im Zusammenhang mit einer Landtagswahl. Ich würde mich dagegen aussprechen, dass einige Landtagsabgeordnete gleichzeitig Bundesratsmitglieder sind. Man kann sich vielleicht noch erinnern, dass es Terminschwierigkeiten gegeben hat, als die EU-Abgeordneten hierorts gleichzeitig Nationalratsabgeordnete waren.

Zu den Kompetenzen dieses Bundesrates neu will ich mich im Detail jetzt nicht äußern, möchte aber nur einen Gedanken festhalten. Wenn man davon ausgeht, man werde in Hinkunft die Bundeskompetenzen wie auch die Landeskompetenzen taxativ aufzählen und einen dritten Bereich schaffen, dann wäre es doch vorstellbar, dass in diesem dritten Bereich der Bundesrat, ich will jetzt nicht auf die Details eingehen, eine Entscheidung treffen könnte dahingehend, ob Angelegenheiten aus diesem dritten Bereich besorgt werden durch ländereinheitliche paktierte Gesetze oder dem Nationalrat auf Grund eines Initiativantrags des Bundesrates angeboten werden, und im Falle beides nicht eintritt, die Landesgesetzgebungskompetenz zum Tragen käme. Es scheint mir dieser Gedanke paktierter Gesetze für neun Länder gemeinsam weiter übertragbar zu sein derart, dass auch zumindest zwei Länder ein Instrumentarium besitzen, von der Bundesverfassung vorgegeben, um paktierte Gesetze zu verabschieden. Es gäbe genug historische Beispiele, die ich hier nicht ausbreiten möchte. Ich will aber hinzufügen, dass wir auf der Länderebene die eher völkerrechtliche Lösung der 15a-Verträge haben, es gäbe aber eben auch die sozusagen staatsrechtliche Lösung des gemeinsamen Gesetzes, u. a. auf Grund eines gemeinsamen Landtagsausschusses.

Zum Schluss noch ein Wort zum Wahlrecht. Ich würde sagen, der Begriff der Demokratie und daher Begriff des Volkes, des Demos, ist unteilbar auf jeder Ebene, wo es Repräsentativkörperschaften gibt. Mir wäre es daher sehr sympathisch, etwa im Anschluss an den Artikel 1 oder in einem neuen Artikel 1 der Bundesverfassung die Wahlrechtsgrundsätze gemeinsam für alle Ebenen des Föderalismus festzulegen. Und ich glaube auch, dass nicht das Wahlrecht ein Mittel der Integration von Zuwanderern ist, sondern der Erwerb der Staatsbürgerschaft. Danke schön.

Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Franz Fiedler: Ich danke, Herr Professor. Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Professor Wiederin. - Bitte schön.

Dr. Ewald Wiederin: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Auch ich habe dem Ausschuss nicht als Mitglied angehört, und ich möchte, wenn es die Zeit erlaubt, zu vier Punkten Stellung nehmen.

1. Beim Legalitätsprinzip habe ich den Eindruck, dass die Übereinstimmung breiter ist, als der Bericht suggeriert. Es gibt Konsens, dass die Verfassung weiterhin ein Legalitätsprinzip enthalten soll. Diese Festlegung ist bemerkenswert, weil ein Legalitätsprinzip in der Verfassung im internationalen Vergleich alles andere als selbstverständlich ist. Der Dissens reduziert sich letztlich auf die Frage, ob man symbolische Gesten setzen und den Text des Artikels 18 adaptieren soll. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, es bei der jetzigen Formulierung zumindest des Artikel 18 Absatz 1 zu belassen. Ich halte wenig davon, von der Judikatur entwickelte Kriterien wie finale Determinierung, Partizipation oder Eingriffsnähe zu kodifizieren. Und ich halte es für gefährlich, die äußere Organisation der Verwaltung vom Legalitätsprinzip freizustellen. Das wäre ein Rückfall in die Organisationsgewalt der Verwaltung des 19. Jahrhunderts.

Vorstellen kann ich mir hingegen eine Lockerung beziehungsweise auch eine Ausnahme im Hinblick auf die Selbstverwaltung. Dazu müsste man den Text des Artikel 18 Absatz 1 gar nicht ändern. Wenn es dort heißt, dass die staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf, so bedeutet das bei unbefangener Lektüre, dass die Selbstverwaltung freigestellt ist, weil sie im historischen Konzept nicht als staatliche Verwaltung verstanden wurde. Weiters vorstellen kann ich mir eine Modifikation des Artikel 18 Absatz 2, die ihn sowohl erweitert als auch einengt: einengend dahingehend, dass es künftig einer ausdrück­lichen spezialgesetzlichen Ermächtigung bedarf und nicht mehr wie bisher unmittelbar aufgrund der Verfassung Verordnungen zur Gesetzeskonkretisierung erlassen werden dürfen; erweiternd dahingehend, dass der Nationalrat die Möglichkeit haben soll, im weiteren Umfang als bisher seine Gesetzgebungsbefugnis an die Verwaltung zu delegieren.

2. Beim Bundesrat suchen wir alle nach einem neuen Profil, das bis jetzt erst im Umrissen erkennbar ist. Ich möchte mich dagegen aussprechen, just in einem Moment, in dem sich in der Bundesrepublik die Föderalismusreformkommission vom Bundesratsmodell zu verabschieden und sich das österreichische Modell näher anzusehen beginnt,  das deutsche Modell zu adoptieren. Große Sympathie habe ich hingegen für den Vorschlag im Ausschussbericht - und es handelt sich um einen Konsenspunkt -, die Zustimmungsrechte der Länder zur Kundmachung von Bundesgesetzen im Bundesrat zu bündeln. In diesem Zusammenhang eine Anregung: Ich plädiere dafür, die Zustimmungsrechte des Bundes und jene der Länder bzw des Bundesrates symmetrisch zu konzipieren. Mit anderen Worten: Wenn es für den Bund Fristen gibt, muss es auch für die Länder Fristen geben, und wenn es für die Länder Kriterien gibt, muss es auch für den Bund Kriterien geben.

3. Beim Bundespräsidenten besteht Konsens, an der Volkswahl nicht zu rütteln, und Dissens im Hinblick auf die drei wesentlichen Kompetenzen Regierungsbildung, Nationalratsauflösung und Notverordnungsrecht. Ich muss gestehen, dass mir diese drei Befugnisse in ihrer Kombination zu weit gehen. Ich unterstütze daher jene Strömung im Ausschuss, die hier Änderungen vornehmen will. Es ist schon richtig, dass - wie zu bedenken gegeben worden ist - ein Feuerlöscher auch dann eine nützliche Sache ist, wenn man ihn nicht verwendet. Es ist andererseits aber auch richtig, dass Gewehre gefährlich bleiben, auch wenn man sie 70 Jahre in einem Schrank belässt. Das gilt umso mehr, als der Schrank in diesem Fall unversperrt ist. Ich sehe aber die Schwierigkeit, dass es nach einer Beseitigung der drei zentralen Rechte letztlich wenig Grund gibt, den Bundespräsidenten noch vom Volk wählen zu lassen. Eine Rückkehr zum Konzept des B-VG 1920 erscheint mir darum bei Festhalten an der Direktwahl als ausgeschlossen.

4. Meine letzte Bemerkung ist eher eine Gesamtbeobachtung. Sowohl formal als auch inhaltlich bewegen sich alle Ausschussberichte weitgehend in den Bahnen des B‑VG. Die Textvorschläge präsentieren sich als Novellen zu B‑VG-Bestimmungen, und die Strukturen der Institutionen orientieren sich an den Strukturen des B‑VG. Neue große Würfe, die es rechtfertigen würden, das B‑VG 1920 zu verabschieden und zu einer neuen Verfassung überzugehen, sind derzeit noch nicht in Sicht. Das muss man allerdings nicht negativ sehen. Vielleicht führt die Arbeit des Konvents zur Einsicht, dass unser B‑VG weit besser ist als sein Ruf. Vielen Dank.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer (übernimmt den Vorsitz): Danke schön. Nächster Redner Kollege Pramböck. - Bitte.

Dkfm. Erich Pramböck: Geschätzter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Präsidiums! Meine Damen und Herren!

Ich möchte mich für die Beratungen im Ausschuss 3 bedanken und das deshalb ausdrücklich erwähnen, weil ja die Vorsitzenden der Ausschüsse 6 und 3 übereingekommen sind, dass kommunale Angelegenheiten ausschließlich im Ausschuss 3 beraten werden. Die Frage der Stellung der Städte und Gemeinden in der künftigen Bundesverfassung wurde daher in diesem Ausschuss zentral behandelt, und ich möchte deshalb einige grundsätzliche Bemerkungen dazu abgeben.

Ich glaube, dass uns vom Konvent eine Reihe von Zielen vorgegeben wurden und wir dadurch eine extrem schwierige Aufgabe hatten, eine Modernisierung der Verfassungsstruktur und des Rahmens für Städte und Gemeinden zu beraten, weil wir doch eine sehr breit gefächerte Kommunallandschaft in Österreich haben mit Gemeinden mit wenigen hundert Einwohnern und daneben Städten mit hunderttausenden Einwohnern und alle erbringen Leistungen für die Bürger. Alle diese Leistungen sind ausgesprochen wichtig und auch sehr geschätzt. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Bürgernähe erstes Ziel des Konvents ist und auf der Gemeindeebene von 61 % der Bevölkerung bejaht wird, auf der Landesebene sind es noch 42 % und auf der Bundesebene nur noch 18 %.

Ebenfalls positiv wird von der Bevölkerung die Effizienz der Aufgabenerfüllung gesehen. Bei den Gemeinden sind 46 % der erwachsenen Österreicher der Ansicht, dass sie sehr gut beziehungsweise gut arbeiten, auf der Landesebene immerhin noch 32% und auf der Bundesebene 19 %. Ähnlich sind die Ergebnisse, was den Umgang mit den Finanzmitteln betrifft. Das heißt, die vom Konvent vorgegebenen Kriterien - Bürgernähe, Transparenz, Wirtschaftlichkeit - werden bereits heute in den Städten und Gemeinden in einem ganz hohen Ausmaß bei ihrer Tätigkeit erfüllt.

Die Bürger erwarten sich, dass die Kommunen Leistungen vor Ort erbringen, dass sie Leistungen der Daseinsvorsorge, aber auch der Hoheitsverwaltung vor Ort haben und dass im hohen Maße diese Leistungen durch die Gemeinden selbst erbracht werden. Bis zu 90 %, zumindest aber 50 % der Bevölkerung wollen, dass die Leistungen im Bereich der technischen und sozialen Infrastruktur durch die Gemeinden erbracht werden und es ist auch klar, dass dies ein wichtiger Auftrag für uns ist, effizient vorzugehen. Das heißt ja nicht immer, dass die Gemeinden alle Aufgaben selbst mit eigenem Personal und dergleichen erfüllen, ganz im Gegenteil, wir arbeiten sehr, sehr effizient und es gibt die Zusammenarbeit mit dem Privaten genauso wie auch die Frage der kommunalen Zusammenarbeit.

Und diese neue Form, die in der künftigen Bundesverfassung verstärkt berücksichtigt werden sollte, möchte ich nur kurz erwähnen. 91 % der Bevölkerung treten für eine verstärkte Zusammenarbeit von Gemeinden in bestimmten Fragen ein und ähnlich oder genau gleich hoch ist der Prozentsatz der Bevölkerung, was eine verstärkte Stadt-Umland-Kooperation betrifft. Das bedeutet Kooperation, nicht Eingemeindung, nicht Fusionierung.

Berücksichtigt man nun, dass wir eine Verfassung schaffen, die einen Rahmen setzt für starke Städte und Gemeinden in einem künftigen Europa, das heißt, leistungsfähige Akteure braucht, dann müssen wir unter dem Aspekt der Bürgernähe und der Demokratie hervorheben, dass wir neue Instrumente ermöglichen sollen. Und diese Instrumente haben wir im Rahmen des Städtebundpapiers vorgeschlagen. Ich möchte sie nur ganz kurz erwähnen und darauf eingehen.

Wir halten an der Einheitsgemeinde fest, wollen sie aber flexibler machen, das heißt, entweder Aufgaben an Bezirkshauptmannschaften abgeben können, aber auch stärker Aufgaben von den Bezirkshauptmannschaften im Sinne der Bürgernähe und der Standortqualifikation zu erhalten. Das bedeutet auch unter Umständen eine Aufwertung der Städte und Gemeinden in Richtung Statutarstadt, und ich würde bitten, dem Prinzip zu folgen: Der, der Leistungen erbringen will, soll dazu in die Lage versetzt werden und es soll ihm ermöglicht werden und dabei nicht behindert werden.

Auch die interkommunale Zusammenarbeit spielt in unserem Papier eine ganz große Rolle. Wir erwarten, dass es hier zu einem besseren Rahmen kommt für lockere Verwaltungsgemeinschaften, Zusammenarbeiten bis zur Bildung von Gemeinverbänden über Bezirks- und Landesgrenzen hinweg, weil wir sicher dadurch besser die Aufgaben erfüllen können.

Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass wir im Rahmen des Städtebundes auch ein diesbezügliches Pilotprojekt in Österreich durchführen. Es gibt eine Fülle von weiteren Vorschlägen, die das Know-how, das in den Städten und Gemeinden vorhanden ist, in den Gesetzgebungsprozess und überhaupt einbringen soll.

Ich denke hier insbesondere an die verstärkte Mitwirkung von Städtebund und Gemeindebund in der Gesetzgebung, etwa Begutachtungs- und Gesetzesinitiativrechte, die Einbindung kommunaler Interessen bei der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene und in diesem Zusammenhang glaube ich, dass bei Berücksichtigung dieser Prinzipien und Vorschläge wir eine Verfassung bekommen, die effizient ist, aber auch sehr bürgernah, wie ich mit meinen Ausführungen zur Bevölkerungsbefragung aufgezeigt habe. Vielen herzlichen Dank.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Mag. Ulrike Schebach-Huemer. - Bitte sehr.

Mag. Ulrike Schebach-Huemer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich denke, die Beratungen im Ausschuss 3 beziehungsweise der Ausschussbericht geben uns ein sehr gutes Spiegelbild, wie derzeit die Beratungen im Konvent sind. Wir führen sehr konstruktive Gespräche, wir legen Positionen auf den Tisch, aber leider ist es uns derzeit noch nicht möglich, in wichtigen Fragen Konsens zu schaffen. Im Ausschuss 3 war es uns nicht möglich, über eine Neuausrichtung des Bundesrates, über das Wahlrecht oder auch über den gesamten Gemeindebereich einen Konsens zu erzielen.

Aber ich würde das nicht als grundsätzlich negativ bezeichnen, sondern ich sehe es vielmehr als eine Chance, dass wir nun im Plenum durch intensive Beratungen doch noch das Ziel erreichen, eine neue, eine einfachere, eine bürgernähere und auch eine transparentere Verfassung zu erarbeiten.

Als Vertreterin der österreichischen Städte möchte ich mich vor allem deren Anliegen widmen. Jeder von uns lebt in einer Stadt, jeder von uns nimmt tagtäglich Leistungen der Städte und Gemeinden in Anspruch. Wenn wir zu einer Behörde gehen, dann gehen wir primär einmal zu den Stadtmagistraten oder zu den Gemeindeämtern, oft sogar dann, wenn wir wissen, dass die Gemeinden gar nicht zuständig sind. Darüber hinaus muss uns bewusst sein, dass 60 % der Investitionen für die Wirtschaft von den Kommunen aus gehen, und eines darf auch nicht vergessen werden - die Gemeinden sind die dritte demokratisch legitimierte Ebene in Österreich.

Aber trotz all dieser Punkte bläst den Gemeinden und den Städten ein ziemlich rauer Wind in den letzten Jahren entgegen. Einerseits natürlich der finanzielle Aspekt, aber andererseits werden die Gemeinden nicht als dieser dritte gleichwertige Partner angesehen. Die Gemeinde und Städte sind eigentlich immer so „der kleine Partner“, der eben mitgetragen wird. Und teilweise hat man da den Eindruck, dass die Bedeutung der Städte und Gemeinden völlig verkannt beziehungsweise auch unterschätzt wird.

Dabei muss man aber auch – wie es der Vorredner schon gesagt hat – einfach sehen, dass die Bevölkerung von ihren Gemeinden, von ihren Städten, eine sehr hohe Meinung hat. Aufgabenerfüllung, Effizienz und Bürgernähe werden als sehr gut betrachtet.

Zur Bundesverfassung: Der gesamte Gemeindebereich ist vom Grundsatz der abstrakten Einheitsgemeinde geprägt. Sprich, jede Gemeinde, ob sie jetzt hundert Einwohner oder hunderttausende Einwohner hat, sie dürfen und müssen die gleichen Aufgaben erfüllen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese abstrakte Einheitsgemeinde wirklich noch der Realität entspricht. Wobei ich sofort sagen möchte, dass ich an der abstrakten Einheitsgemeinde gar nicht rütteln will.

Ich denke, man soll den kleinen Kommunen keine Aufgaben wegnehmen. Aber man muss darauf hinweisen, dass die Finanzkraft besonders von kleinen Gemeinden einfach eingeschränkt ist und dass die sich vor allem durch interkommunale Zusammenarbeit besser organisieren sollen.

Unser Ansatz ist ein anderer. Die Realität ist derzeit so, dass größere Städte und Gemeinden mehr Leistungen erbringen können. Das liegt auf der Hand: Größere Gemeinden haben eine bessere Infrastruktur, sie haben mehr Personal, sie haben fachkundigeres Personal. Und daher verlangt auch die Bevölkerung in diesen Gemeinden und Städten, dass diese Gemeinden ein höheres Leistungsangebot zur Verfügung stellen. Sei es in der Hoheitsverwaltung, sei es auch in der Privatwirtschaftsverwaltung. Es gibt nun meiner Ansicht nach zwei Möglichkeiten, diese Städte und Gemeinden zu stärken. Einerseits der Ansatz, die interkommunale Zusammenarbeit zu fördern und andererseits aber gerade größere Städte zu stärken.

Wie kann das geschehen? Unsere Forderung ist das, dass wir größere – wir denken an Städte ab etwa 10.000 Einwohnern – größere und leistungsfähigere Städte stärken, dass sie mehr Aufgaben übertragen könnten oder mehr Aufgaben übernehmen könnten. Es stehen zwei Varianten im Raum: Die eine Variante ist das Modell der so genannten flexiblen Einheitsgemeinde, Städte ab 10.000 Einwohnern können von den Bezirksverwaltungsbehörden Aufgaben übernehmen. Folgende Bereiche könnten in Betracht gezogen werden: das gesamte Personenstandswesen, die Ausstellung von Pässen und Führerscheinen. Und die zweite Variante wäre, Städten ab 10.000 Einwohnern schon ein Recht auf ein eigenes Statut einzuräumen, und somit können diese automatisch die Agenden der Bezirksverwaltungsbehörden erledigen.

Ich denke, unsere Forderungen sind gewiss neu und vielleicht in einigen Bereichen auch sehr mutig. Aber Ziel des Konvents ist es auch, auf neue Gegebenheiten zu reagieren, und in der kommunalen Landschaft hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan.

Städte sind ein wesentlicher Investitionsfaktor und sie sind dafür verantwortlich, dass die Bürgerinnen und Bürger Lebensqualität und auch Sicherheit erhalten und in diesem Sinne hoffe ich, dass die Forderungen des Städtebundes in den Beratungen des Konvents auch Berücksichtigung finden. Herzlichen Dank.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. - Bitte sehr.

Dr. Peter Kostelka: Danke vielmals, Herr Präsident.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vorerst möchte ich in jene Posaune blasen, die auch Kollege Lengheimer schon zur Hand genommen hat, nämlich die Frage der Reform des Bundesrates. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Zusammenhang nicht nur auf die Notwendigkeit von protokollarischen Reformen und Signalen verstehen, sondern uns ganz konkret die Frage vorlegen, was wir mit einer entsprechenden Änderung wollen oder nicht wollen.

Ich tue das deswegen so dezidiert, weil es ein unausgesprochener, aber immer wieder durchaus zitierter Grundsatz ist, dass ausschließlich die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat vorgenommen werden kann und dass es dazu keine Alternative gibt.

Ich stelle daher in diesem Kreis ganz bewusst die Frage: Was ist, wenn eine gesetzgebende Körperschaft von diesem Recht konsequent 80 Jahre lang nicht Gebrauch gemacht hat? Gibt es dann eine solche Mitwirkung? Denn, meine Damen und Herren, die Situation ist ja schlicht und einfach so, dass es im Grunde genommen eine der Nationalratsmehrheit widersprechende Mehrheit in diesem Hause nur dann gibt, wenn die politischen Mehrheiten hüben und drüben unterschiedlich sind. Und mit Ausnahme von zwei Fällen ist es auch stets zu einem Beharrungsbeschluss des Nationalrates gekommen. In einem Fall ist die Einigung in der Koalition in der Zwischenzeit zerbrochen. Im anderen Fall ist ein anderer Finanzminister berufen worden und daher erscheinen Änderungen am Gesetz notwendig. Einmal eine in-haltliche Änderung erreichen und einmal eine Nichtbeschlussfassung ist eigentlich in 80 Jahren keine berauschende Leistung und daher sollten wir uns diese Frage stellen.

Und den Ansatz von Herrn Landeshauptmann Pühringer aufgreifend, nämlich dass Landeshauptmänner sich auch durchaus in diesen Kreis setzen sollten und könnten, möchte ich gerne die Frage hinzu gesellen: Herr Landeshauptmann, sind Sie sicher, dass dann die Entscheidungen in diesem Haus und hier getroffen werden? Dass dann die Repräsentanten der neun Bundesländer hier verhandeln, um entsprechende Änderungen herbeizuführen? Sie nicken. Ich nehme das zur Kenntnis. Aber ich hege, in Kenntnis der österreichischen politischen Landschaft, meine leichten persönlichen Zweifel.

Punkt Nummer 2: Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage des Bundespräsidenten ist weder im Ausschuss noch hier sonderlich detailliert diskutiert worden. Persönlich bedauere ich das. Und zwar, weil die Argumente, die dagegen ins Treffen geführt werden, schlicht und einfach immer gültig sind. In einer Demokratie - und das ist eine Binsenweisheit - gibt es Wahlen letztendlich immer irgendwo. Und zweitens ist es zwar richtig, dass die Funktion des Bundespräsidenten - im Übrigen gibt es nur eine einzige, die noch länger währt, und auch die geht irgendwann einmal, wie Figura beweist, zu Ende - dass zwar die Periode des Bundespräsidenten im Augenblick dabei ist, zu enden, dass es aber gerade das - in meinen Augen - ein Argument ist, über die Änderungen, die gegebenenfalls vorgenommen werden, zu diskutieren. Erstens einmal gibt es die Möglichkeit, dem Bürger mehr Klarheit zu schaffen. Die Kandidaten könnten entsprechend dazu Stellung nehmen und darüber hinaus wäre natürlich auch die Möglichkeit, dass der Wähler sich besser orientieren kann.

Für mich - das möchte ich ganz deutlich sagen - ist aber eines klar: Dieses Dreiecksverhältnis - Gesetzgebung, Regierung und Bundespräsident - ist ein wohl ausgewogenes und durchaus sinnvolles. Und man kann, wenn man die Funktion tatsächlich in Frage stellt, diese Aufgaben nicht so reduzieren, dass letztendlich nur mehr eine protokollarische Funktion übrig bleibt. Daher entweder so oder gar nicht. Und da bin ich aus den genannten Gründen dezidiert für eine Regelung, wie sie derzeit besteht.

Letzte Bemerkung: Ich bin dezidiert für eine gesetzliche Verankerung eines gesetzlichen Begutachtungsverfahrens. Speed kills ist ein Spruch, der sich nicht wirklich in diesem Zusammenhang erfolgreich erwiesen hat. Und daher wäre für Regierungsvorlagen, nicht für Initiativanträge im Nationalrat, eine gesetzliche Verankerung eines Begutachtungsverfahrens sinnvoll. Faktisch haben wir eine solche Verpflichtung ja und wir sollten sie daher auch entsprechend legistisch umsetzen.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollege Dr. Hink ist der nächste Redner, bitte sehr.

Dr. Robert Hink: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der Ausschuss 3 - Institutionen - hat sich mit den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften auseinandergesetzt, und als Interessensvertreter der kleinen und mittleren Gemeinden gestatten Sie mir dazu eine kurze Anmerkung.

Frau Präsidentin Orthner hat gesagt, wir beschäftigen uns oder wünschen uns eine neue zukunftsweisende Verfassung für Österreich. Was die staatlichen Institutionen und die Gebietskörperschaften betrifft, ist unsere Verfassung nach wie vor in einem sehr hierarchischen System verankert - unterhalb Länder, unterhalb Gemeinden. In der täglichen Debatte und auch auf Europaebene aber haben wir ganz andere Grundsätze mitzubeachten, nämlich das System der Bürgernähe, System der Subsidiarität und wir wünschen uns alle die Zufriedenheit der Bürger mit den Politiken. Ich glaube daher, wenn Sie jetzt meine Ausführungen zuhören, dass wir hier ein neues System im Verhältnis der Gebietskörperschaften zueinander wollen, nicht ein hierarchisches, sondern ein partnerschaftliches, vernetztes System, wo alle drei Gebietskörperschaftsebenen gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Im Ausschuss 3 glaube ich, möchte ich hier darauf hinweisen, haben wir uns mit dem System der Gemeinde beschäftigt. Unsere derzeitige Bundesverfassung garantiert nur der Institution Gemeinde, aber nicht der derzeit bestehenden Gemeinde, ihren Bestand. Aus der Sicht des Österreichischen Gemeindebundes wünschen wir uns eine Bestandsgarantie in dem Sinn, den Gemeinden mit den derzeitigen Flächen, dass eine Zwangsfusionierung, eine Zusammenführung der Gemeinde gegen deren Willen nicht möglich ist. Diese Zwangsbeglückungen der Gemeinden haben in der Vergangenheit nur zu Unzufriedenheit, zu Unruhe geführt, und daher glaube ich, muss der Wille der Bevölkerung respektiert und akzeptiert werden: Dass es keine Zwangsfunktionierungen geben darf, sondern, eine Zusammenlegung und eine Trennung von Gemeinden zwingend einer Volksabstimmung der betroffenen Bevölkerung zuzuführen ist.

Ein weiterer Punkt, vom Generalsekretär des Städtebundes angesprochen, ist der Begriff der Einheitsgemeinde. Die Einheitsgemeinde, glaube ich, ist ein unverzichtbarer Bestandteil in unserer Bundesverfassung, denn jeder Bürger hat von seiner Gemeinde einen Anspruch darauf, bestes Service in gleicher Qualität zu bekommen. Es kann nicht so sein, dass es Gemeinden unterschiedlicher Qualität gibt, dass ein Bürger in den ländlichen Gebieten, weil es kleine Gemeinden sind, weniger Leistungen von seiner Gemeinde erhalten kann, als die Bürger in einer großen Stadt. Den Bürger interessiert dabei überhaupt nicht, wo die Arbeit gemacht wird. Der Bürger braucht als Ansprechperson seine Gemeinde, die sich ja seit Jahrhunderten bewährt hat. Ich glaube daher, wir sollten die Einheitsgemeinde in Österreich garantieren, verfestigen und gleichzeitig den Weg der interkommunalen Zusammenarbeit gehen. Wer im Backoffice arbeitet, wer die Bescheide macht, wer die Administration intern macht, interessiert den Bürger überhaupt nicht. Er möchte beste Leistung haben und die vor Ort. Der Österreichische Gemeindebund hat sich daher erlaubt, Sie alle, die hier sind, zu einer Veranstaltung nächste Woche, die wir mit dem Föderalismusinstitut durchführen - Dr. Bußjäger ist hier - einzuladen, wo wir die neuen Wege der Gemeindezusammenarbeit nicht nur theoretisch diskutieren, sondern bereits auch anhand einiger Beispiele darstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Landeshauptmann Pühringer hat von der Umwandlung des Bundesrates in eine Länderkammer gesprochen. Und ich glaube, das ist wirklich ein zukunftsweisender Weg, dem Bundesrat verstärkte Aufgaben in wesentlichen Punkten zu geben. Nicht überall im Nachhinein zu kontrollieren, sondern mitzuwirken. Ich glaube aber, dass die Gemeinden ebenso betroffen sind von jedem Gesetz, und daher glaube ich auch, dass man dem Modell Freibauer, das von einer Länder- und Gemeindekammer spricht, das man dem näher treten soll und hier auch wirklich, natürlich nicht paritätisch, aber in einem gewissen Ausmaß, die Gemeindeninteressen mit einzubeziehen sollte, und nicht nur die Landeshauptleute, sondern auch die Spitzengremien des Gemeindebundes und Städtebundes mit involvieren sollte.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass vor allem der Bereich des Wahlrechtes einer Durchforstung und einer wegweisenden Erneuerung zugeführt werden soll. Gerade auf kommunaler Ebene, wo wir die Wahlen durchführen, stehen wir vor großen Problemen und gerade auf kommunaler Ebene werden auch sehr viele vom Wahlrecht durch die derzeitigen Gesetze ausgeschlossen. Dieses Wochenende finden in Finnland Schirennen statt, hat jemand von Ihnen bedacht, dass Maier, Eberharter usw., wir wählen in Salzburg und Tirol, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Ich plädiere daher auch hier noch einmal, darüber nachzudenken, neue flexible Wege zu gehen.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Nächster und vorläufig vorletzter Redner ist der Kollege Mag. Wutscher. Bitte, Herr Kollege.

Mag. Werner Wutscher: Danke, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte mich auf drei Punkte beschränken, der erste Punkt ist das Gesetzgebungsverfahren. Ich glaube, dass es Ziel dieses Konvents sein sollte, ein möglichst effizientes und auch rasches Gesetzgebungsverfahren zu gewährleisten. Ich stimme durchaus mit überein mit Kollegen Bußjäger, dass es notwendig und sinnvoll ist, die Mitwirkung der Länder in jedem Fall sicherzustellen und auch unter bestimmten Kriterien auszubauen. Und auf diese Kriterien möchte ich ganz kurz eingehen.

Der erste Punkt ist sicherlich das Einbringen der Sachkunde der Länder im Bereich des Vollzugs. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2002 ist in einer Vielzahl von Gesetzen, die derzeit in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, die Ebene der Ministerien weggefallen, und damit auch sehr viel Verwaltungserfahrung. Im Grunde genommen ist notwendig, hier die Länder entsprechend einzubinden. Ich glaube auch, dass die derzeitigen Verfahren, auch der neue 14b Bundesverfassung, keine abschließende Antwort auf dieses Problem gestellt hat. Jedenfalls muss aber sichergestellt sein - und ich glaube, das ist vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeiten der Europäischen Union notwendig -, dass es ein rasches Verfahren ist, das nicht mittel- und langfristig blockiert werden kann.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Frage des Legalitätsprinzips und ich möchte hier ausdrücklich mich auch bei der Wortmeldung von Professor Öhlinger sehr herzlich bedanken, denn es war nicht umsonst so, dass sich im Mandat des Ausschusses 6 die Frage des europäischen Legalitätsprinzips gefunden hat, wir aber mit Holzinger übereingekommen sind, sie im Ausschuss 3 zu diskutieren. In der Tat ist heute in der Verwaltung gerade mit dem Beitritt zur Europäischen Union eine Vielzahl und Fülle an Normen umzusetzen und ich glaube - ich bekenne mich auch völlig zum Konsens im Ausschuss 3 -, dass hier eine entsprechende verfassungsgesetzliche Verankerung stattzufinden oder vorzunehmen ist. Ich glaube aber dennoch, dass die Probleme, die heute schon angesprochen worden sind, einer weiteren Diskussion bedürfen, und auch eines weiteren Auseinandersetzens.

Der letzte Punkt ganz kurz, die Frage des Begutachtungsverfahrens. Ich bin durchaus der Meinung von Volksanwalt Kostelka, das gesetzlich zu verankern, glaube aber nicht, dass es notwendig ist, im Zeitalter der Internetkonsultation und wo in vielen Bereichen auch bei der Einbindung von Stake Holdern eigene Prozesse von einzelnen Ministerien im Begutachtungsverfahren vorgesehen sind, dies verfassungsgesetzlich zu normieren, sondern ich glaube, dass hier eine flexible Regelung notwendig ist. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin Stoisits bitte, Frau Magistra!

Mag. Terezija Stoisits: Danke Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!

Ich möchte noch zwei Anfügungen machen, weil die Zeit der Frau Dr. Petrovic, die die Grünen in dem Ausschuss vertreten hat, davongelaufen ist. Fünf Minuten sind wahrlich kurz, wenn man bedenkt, dass es eine Erörterung über eine mögliche künftige Bundesverfassung sein soll.

Meine Anmerkung gilt dem Wahlrecht, in dem Fall der Frage, wie viele Menschen gibt es, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Lieber Herr Doktor, also mein Mitleid mit Maier und Eberharter ist da, ich bedaure es sehr, dass Maier und Eberharter am Sonntag ihre Stimme nicht abgeben können, aber sie sind, wiewohl nicht das Hauptproblem, das wir haben, wenn es um die Partizipation von Menschen an dem politischen Prozess in Österreich geht. Es gibt nämlich tausende und abertausende von Menschen, die seit Jahren und Jahrzehnten hier leben, und gerade auf jener Ebene, der, für die Sie gesprochen haben, nämlich auf der der Gemeindeebene, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Und auf der Ebene der Gemeinden ist es für mich sozusagen überhaupt das völlig am wenigsten Nachvollziehbare, weil es dort um die elementaren Interessen des Einzelnen und der Einzelnen geht, die sie gerne einbringen möchten.

Und deshalb ist es ein erklärtes Anliegen der Grünen hier im Konvent, diesem Gesichtspunkt besonders deutliches Augenmerk zu schenken und deshalb freue ich mich, dass heute mehrere Redner, die Mitglieder sind oder die mitgearbeitet haben im Ausschuss, darauf eingegangen sind. Also - weil ich nämlich im Bericht gelesen habe, das Wort „vereinzelt.“ Also mir erschienen der Bericht und die Stellungnahmen heute nicht als vereinzelt, denn es haben sowohl Vertreter der Städte als auch der SPÖ, als auch der Gemeinde, hier eindeutig heute Stellung genommen und ich bitte Sie, jetzt im Sinne von Eberharter und Maier, jetzt in Bezug auf Briefwahl, da sind wir auch offen, aber auch in der Frage der möglichst großen Übereinstimmung zwischen Wohnbevölkerung - da kann man reden sozusagen, wie lang jemand hier seinen Wohnsitz zu haben hat -und Wählerinnenbevölkerung zu einer möglichst großen Übereinstimmung auf allen Ebenen zu kommen. Danke vielmals.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Habe ich Wortmeldungen übersehen, zu diesem Teil der Debatte, zum ersten Tagesordnungspunkt? Wenn das nicht der Fall ist, dann schließe ich diesen Teil unserer Beratungen ab, über den weiteren Fortgang werden wir ja dann im Präsidium sprechen, und ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf. Der wird eingeleitet durch einen Bericht von Dr. Matzka. Eine Redezeit von maximal 15 Minuten vorgesehen. Bitte, Herr Kollege Dr. Matzka.

Dr. Manfred Matzka: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf zum Ergebnis des Ausschusses 7 meinen Bericht erstatten, und Sie erlauben mir vor Eingang in den Gerichtstext drei Vorbemerkungen.

Erstens. Der Bericht zeigt, denke ich, dass es möglich ist, auch im Konvent Konsense zu erzielen. Und wenn anlässlich anderer Berichte beklagt wurde, dass nur Auflistungen kontroversieller Positionen das Ergebnis dominieren, dann ist das in unserem Bericht zum Glück nicht der Fall und ich finde das auch sehr gut: Wir haben gezeigt, dass wir hier die Chancen haben, zu konstruktiven Ergebnissen gemeinsam zu kommen.

Zweitens. Die Zahl der Konsenspunkte wäre mit Sicherheit noch größer, wenn an den Ausschussberatungen diejenigen teilgenommen hätten, die eigentlich dem Konvent angehören. Wir hatten ganz ausgezeichnete Vertreter in diesem Ausschuss, ganz hervorragende, aber die kommen natürlich an irgendeinem Punkt an das Ende des Pouvoirs, und dann ist ein Konsens in Sichtweite und man schafft ihn nicht, weil das Pouvoir nicht weiter reicht. Schlussfolgerung klar.

Drittens. Wenn ich unser Ergebnis unter legistischen Aspekten zusammenfasse, dann wird deutlich, dass ein beträchtlicher Effekt für den Verfassungsrechtsbestand erreicht werden könnte. Im Vergleich zum geltenden Recht werden rund 100 Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen entfallen, nämlich die Sonderregelung für die weisungsfreien Behörden. Es werden darüber hinaus drei Artikel über die Kontrolle ausgegliederter Einrichtungen durch den Rechnungshof auf einen einzigen zusammengefasst werden können, und die sind jeder eine Druckseite lang. Es werden drei Bestimmungen über die Privatwirtschaftsverwaltung, die sich an verschiedener Stelle im Verfassungstext finden und die eine verwirrend unterschiedliche Wortwahl zeigen, zu einer Norm zusammenfallen, und auf der Ebene des einfachen Gesetzes könnten im Optimalfall die derzeit mindestens 63 Ausgliederungsgesetze des Bundes, von denen der Länder rede ich nicht, auf 4 oder 5 reduziert werden. Im schlechtesten Fall könnte man jedenfalls vermeiden, dass hier im Ausgliederungsrecht der Nachwuchs so anhält wie in den letzten Dekaden.

Nun zum Inhalt des Berichts. Der Ausschuss hatte sich im weitesten Sinne mit den staatlichen Einrichtungen auseinanderzusetzen, die weder dem Typus nach, noch in ihrer konkreten Ausprägung zurzeit der Entstehung des B-VG 1920 bestanden haben. Es ist neben dem B-VG eine Fülle von weisungsfreien Einrichtungen entstanden, die heute so zahlreich sind, dass sie geradezu nach einer generellen Regelung schreien.

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde eine Reihe staatlicher Tätigkeiten auf neu geschaffene Rechtsträger ausgelagert, für die eine exakte Position im Gefüge der staatlichen Organisation bisher nicht recht klar - aber jedenfalls nicht einheitlich - fixiert ist. Es stellt sich die Frage, wie diesem Phänomen verfassungsrechtlich zu begegnen ist.

Darüber hinaus ist das heutige Staatshandeln, gegenüber der Situation von vor 80 Jahren dadurch geprägt, dass heute viele Aktivitäten privatrechtlich - formal gesehen   privatrechtlich - sind, und sich unsere Institutionen der Verfassung auf die öffentlich-rechtlichen Handlungsformen konzentrieren. Und auch die nicht-territoriale Selbstverwaltung und die Sozialpartnerschaft findet praktisch überhaupt keine Spiegelung im geltenden Verfassungsrecht. Der Ausschuss schlägt nun vor,  alle diese neuen Phänomene verfassungsrechtlich durchaus zu erfassen; sie aber nur in den Grundsätzen, aber nicht im Detail zu regeln; mit dem einfachen Gesetz einen Gestaltungsspielraum zu lassen, der nicht unbegrenzt sein soll. Aber er soll dadurch gekennzeichnet sein, dass der Gesetzgeber nicht für jede einzelne Neuerfindung eine spezielle neue und besonders originelle Lösung trifft, sondern sich so weit wie möglich an Standards hält. Ausgehend von diesem Grundverständnis gibt der Ausschuss eine Reihe von Anregungen gegenüber anderen Ausschüssen ab. Sie finden diese aufgelistet auf Seite vier.

Der erste Block der konkreten Vorschläge des Ausschusses beschäftigt sich nun mit Regulatoren und sonstigen unabhängigen Behörden. Und hier haben wir im Gegensatz zum eigentlichen Ansatz des Mandats die Möglichkeit gesehen, einen gemeinsame Vorschlag für beide Behördentypen vorzulegen. Also umgekehrt: Wir konnten es vermeiden, zwei getrennte verfassungsrechtliche Regelungen für Regulatoren und unabhängige weisungsfreie Behörden vorzulegen.

Der Ausschuss legt eine Grundbestimmung zur weisungsfreien Verwaltung vor, in der eine generelle, abstrakte Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber gegeben wird. Er soll weisungsfreie Behörden zwar ermöglich, da diese aber die gesamte Konstruktion unseres Verwaltungsaufbaus auflösen würde, soll er es nur auf bestimmte Verwaltungsfelder beschränkt tun können. Diese Felder werden mit allgemeinen Termini beschrieben und sie finden auf der Seite 24 einen Textvorschlag, der im Prinzip konsentiert ist, aber in den Nuancen der Definition dieser Tatbestände unterscheidet, in zwei Varianten.

Mit dem Ergebnis ist es jedenfalls künftig nicht mehr notwendig, für jede weisungsfreie Einrichtung eine eigene Verfassungsbestimmung zu schaffen. Damit löst sich in der Konsequenz aber auch das Konzept der heutigen Artikel 133 Ziffer 4 auf. Diese sollen nach Vorschlag möglichst weitgehend in eine Verwaltungsgerichtsstruktur aufgehen, und nur dort, wo das nicht sinnvoll erscheint, können ausnahmsweise weisungsfreie Behörden weiterhin geschaffen werden. Für diese scheint es uns da nicht mehr notwendig, ein richterliches Mitglied vorzusehen, und der Instanzenzug soll dann direkt zum Verwaltungsgericht gehen. Wir kennen die Konzeption, wie sie im zuständigen Ausschuss hierfür entwickelt wurde, und billigen sie.

Bei näherem Hinsehen passen die Regulatoren, die in letztem Jahrzehnt geschaffen wurden, durchaus auch in dieses Konzept. Nach einer Anhörung haben wir für die Regulatoren noch eine Fülle weiterer Anregungen aufgenommen, die sich allerdings nicht auf Verfassungsebene, sondern auf das einfache Gesetz beziehen. Sie finden  auf Seite 8 und folgende den Hinweis, dass Regulatoren dort, wo sie zu politischen Entscheidungen in der Infrastrukturpolitik berufen sind, auch den obersten Organen nachgeordnet sein sollen, eine politische Verantwortung gegenüber dem Parlament haben sollen. Dort, wo sie Einzelfallentscheidungen treffen, soll Unabhängigkeit gegeben sein. Verbesserungen sind notwendig, weil die Verfahrensdauer bei Regulatoren ganz durchgehend als zu lang empfunden wird. Auch ein Instanzenzug innerhalb eines Regulators wurde nicht als sehr sinnvoll angesehen, und es gab auch eine Kritik an unbegrenzten Kosten, die bei den Regulatoren entstehen und von den Regulierten zu tragen sind.

Jedenfalls werden Standardisierungen in diesem Bereich gewünscht. Wir empfehlen für die einfachgesetzliche Schaffung von Regulatoren daher Kollegialbehörden, aber nur eine Schicht, mit Einbeziehung sachverständiger Mitglieder, einer hohen Transparenz des Verfahrens, Verfahrenskonzentrationen, Kostendeckelung und Konzentrationen aller Führungs- und Managementzuständigkeiten beim Leiter des jeweiligen Regulators.

Der zweite Block des Berichts bezieht sich auf die ausgegliederten Rechtsträger. Es geht also nicht um die Brechung des Weisungszusammenhangs, sondern es geht darum, dass der Zurechnungszusammenhang durch ein eigenes Rechtssubjekt durchschnitten wird. Hier schlagen wir vor, im Verfassungsrecht sicherzustellen, dass bestimmte staatliche Hoheitsaufgaben nicht ausgegliedert werden dürfen. Als ausgliederungsfeste Aufgaben haben wir durchaus über jenen Bereich diskutiert, der sich aus der derzeitigen VfGH-Judikatur ergibt. Wir empfehlen allerdings keinen taxativen Katalog dafür im B-VG, sondern wir meinen, dass mit einer adäquaten Formulierung der Grundrechte oder der Staatsziele dieses Ergebnis sichergestellt werden kann und soll.

Für den Verfassungstext empfehlen wir dem Bund und den Ländern die absolut gleichen Möglichkeiten bei der Ausgliederung zu Verfügung zu stellen. Die derzeitige Kompetenzlage benachteiligt der Länder. Den Vorschlag, der daraus resultiert, sehen Sie auf der Seite 29. Weitere verfassungsrechtliche Regelungen für Ausgliederungen schlagen wir nicht vor. Wir meinen aber, dass es dringend notwendig ist, den derzeitigen Bestand an Ausgliederungsnormen zu durchforsten, zu vereinheitlichen, zu standardisieren. Als geeignetstes Instrument dafür empfehlen wir ein Weißbuch, das von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam erarbeitet und getragen wird, und in dem solche Standards entwickelt werden.

Die Probleme, die sich aus der derzeitigen bunten Vielfalt ergeben sind ja nicht nur theoretischer Natur, sie haben auch praktische Konsequenzen. Manchmal ist es nicht einmal möglich, eine Eröffnungsbilanz bei einem Ausgegliederten zu schaffen. Manches Mal sind die Zusammenhänge zwischen Aufsichtsorganen und dort tätigen Organen unklar, manches Mal gibt es bei den Dienstnehmern der Ausgegliederten große Probleme in Folge der Uneinheitlichkeit. All das lässt sich durch Standardisierungen beseitigen und regeln. Wichtig ist aber auch - und das haben wir mehrfach festgehalten - die Kontrolle in Bezug auf Ausgliederungen. Und zwar eine Kontrolle - und hier möchte ich ein Missverständnis im Text vermeiden - eine Kontrolle, die dem jeweiligen parlamentarischen Organ für die jeweiligen ausgegliederten Einrichtungen zukommen soll. Also, des Gemeinderats für die Gemeindeausgegliederten, des Landtags für die im Land Ausgegliederten und auf Bundesebene genauso.

Wir haben festgehalten auch noch, dass man sich bei den Ausgliederungen eine intensive Vorbereitung und Nachbereitung wünschen muss. Man braucht für eine Ausgliederung eine klare Zielsetzung, Effizienzkriterien, Wirkungsanalyse und im Nachhinein eine Evaluierung. Und dann machen wir in zwei Bereichen noch konkretere Vorschläge, nämlich zur Personalgestion und zu den Kontrollnotwendigkeiten bei der Ausgliederung. Wir meinen zur Kontrolle, dass es bei der politischen und bei der Rechnungshofkontrolle Ausgegliederter jedenfalls keinen kontrollfreien Raum geben darf. Und dort, wo über das oberste Verwaltungsorgan eine parlamentarische Kontrolle in Folge der Weisungsfreiheit oder der Ausgliederung nicht möglich ist, muss man nach Alternativen suchen, für die es durchaus international auch Beispiele gibt.

Der nächste Block des Berichts beschäftigt sich mit der Privatwirtschaftsverwaltung und ich erspare mir hier allgemeine Bemerkungen, gestützt auf eine Diskussion von 30 Jahren Rechtswissenschaft. Seite 16 folgende, finden Sie ein paar Andeutungen dazu. Wir sind auch der Versuchung widerstanden, aufwendige Spezialregelungen zur Lösung jener Probleme vorzuschlagen, die von der Literatur und Wissenschaft entwickelt wurden. Ich glaube auch, wenn wir den Artikel 18 aufs Zehnfache aufblasen, wird das die Diskussion nicht erübrigen. Wir lassen also das Legalitätsprinzip unangetastet im vollen Verständnis dessen, dass es für den Privatwirtschaftsverwaltungsbereich andere Geltungskraft hat als für den hoheitlichen Verwaltungsbereich. Wir schlagen keinen neuen Text zum Artikel 18 vor. Was wir aber schon vorschlagen, ist eine einfache und klare Bestimmung, dass alle Gebietskörperschaften und sonstigen Selbstverwaltungskörper privat rechtsfähig sein sollen. Da gibt es Varianten in der Textformulierung.

Zur Kompetenzverteilung empfehlen wir die Beibehaltung des derzeitigen Systems in der Privatwirtschaftverwaltung, also nicht das deutsche System, wonach die Kompetenzverteilung auch für den privatrechtlichen Vollzug gelten soll, sondern nehmen nach langer Diskussion sehr positiv und bewusst in Kauf, dass es parallele und konkurrierende Zuständigkeiten gibt. Dabei soll es bleiben, so meinen wir das im Ausschuss.

Besonderes Gewicht legt der Bericht darauf, dass im Grundrechtsbereich jener Rechtsschutz, der in den letzten Jahren durch die Judikatur auch im Feld der Privatwirtschaftsverwaltung entwickelt wurde, auch weiterhin aufrecht bleibt oder womöglich noch verbessert wird. In anderen Worten: Der Staat soll sich durch die Flucht ins Privatrecht einer Verantwortung nicht entziehen können. Tendenzen, wie sie in der Rechtssprechung entwickelt wurden, zeigen aber sehr deutlich, dass die letztinstanzlichen Gerichtshöfe, inklusive des OGH, diese Ansicht durchaus teilen und stützten.

Zum speziellen Aspekt privatrechtlicher Förderungen empfehlen wir vor dem Hintergrund der konkurrierenden Zuständigkeiten jedenfalls eine möglichst weitgehende gegenseitige Akkordanz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - da haben wir lang gestritten im Detail, wie man das textieren soll.

Der letzte Block bezieht sich auf die nicht-territoriale Selbstverwaltung. Hier schlagen wir eine Verankerung auf verfassungsrechtlicher Ebene vor. Diese soll aber sehr knapp und sehr kurz sein und sich an den Regelungen für die Gemeinden orientieren. Die Frage, welche gesellschaftlichen Situationen Selbstverwaltungskörper haben sollen, das Recht darauf haben, haben wir so gelöst, dass wir uns an der Realverfassung orientiert haben und die Großen vorgeschlagen haben als Pflichtprogramm für die Selbstverwaltung. Die Sozialversicherungsträger haben wir diskutiert. Sie haben große Unterstützung gefunden als Pflichtprogramm für die Selbstverwaltung. Aber dazu gab es keinen Konsens. Das ist auch festgehalten.

Ansonsten sehen Sie, dass wir für diese Selbstverwaltungskörper die innere Organisation in den Grundprinzipien zu Regeln vorschlagen, wie wir sie für die Gemeinden finden. Ich möchte schließen mit dem Dank an die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. Ich habe selten in meiner Berufslaufbahn in einem so guten und engagierten Team gearbeitet. Das muss man wirklich sagen. Und, ich möchte mich bedanken beim Ausschussbetreuer, der sehr phantasievoll und kreativ vieles beigetragen hat. Ihnen herzlichen Dank, und ich hoffe auf gute Aufnahme des Berichts.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: So, vielen Dank für den Bericht, und nachdem der Vorsitzende allen seinen Ausschussmitgliedern gedankt hat, dürfen wir auch dem Vorsitzenden herzlich danken.

Wir gehen in die Debatte ein. Redezeit jeweils 5 Minuten. Als erster Redner Kollege Dr. Korinek, bitte.

Dr. Karl Korinek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Die fünf Minuten ermöglichen es nicht, den Bericht umfassend zu würdigen. Ich möchte daher auf das mir besonders wichtig erscheinende Problem der ausgegliederten Rechtsträger in einigen kleinen Punkten eingehen, zuvor aber zwei Bemerkungen zu anderen Bereichen machen. Ich bin sehr beeindruckt von den Vorschlägen über die nicht-territoriale Selbstverwaltung in ihrer Ausgewogenheit, der Intensität der Regelung. Ich halte das für im hohen Maß gelungen. Zur Privatwirtschaftsverwaltung würde ich bitten, ein bisschen weiter zu denken. Die Ansätze, die in dem Papier drinnen stehen, zu einer Differenzierung der Bindung privatrechtlicher Gestaltung durch den Staat an das Gesetz, je nachdem, um welche Bereiche es inhaltlich geht. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wird hier sicher ganz anders zu behandeln sein, als etwa die Subventionsverwaltung. Das ist angedacht, aber sollte ausgeführt werden.

Zu den ausgegliederten Rechtsträgern: zunächst habe ich den Eindruck, dass es sich auch hier um eine sehr ausgewogene Position handelt, die das Papier vorschlägt. Ich bin auch als Vorsitzender des Ausschusses 2 ganz begeistert von den Vereinfachungseffekten, die vor allem von zwei Vorschlägen ausgehen, nämlich einerseits vom Wunsch zu einer generellen Ermächtigung für Regulatoren und zum anderen von dem Vorschlag der Einheit des einheitlichen Personalamtes für Beamte, die hier tätig sein sollen. Diese beiden Dinge führen ja derzeit zu unglaublich vielen einzelnen Verfassungsbestimmungen.

Eine Anregung, die wohl eher ans Präsidium zu richten ist, als an den Ausschuss von der Thematik her: Es fehlt mir eine Behandlung der spezifischen Probleme der beliehenen Gesellschaften. Wenn Sie etwa an die Zivildienstverwaltung denken - eine GesmbH, das ist nicht ein Regulator im eigentlichen Sinn. Das ist auch kein ausgegliederter, das sind beliehene, und dort gibt es eine Reihe von sehr ähnlichen Problemen, die man überlegen soll. Konkret zu einigen Sätzen auf Seite 8 des Berichts. Da wird zunächst gesagt, dass bei den Regulatoren die Unabhängigkeit vom Staat wesentlich erscheint, solange dieser Eigentümer von Unternehmen des regulierten Bereichs ist. Und dann wird später - allerdings nur einfachgesetzlich - die Weisungs-, das Weisungsrecht postuliert. Da liegt ein gewisser Widerspruch drin, Unabhängigkeit vom Staat und Weisungsrecht gegenüber den obersten staatlichen Organen passen nicht voll zusammen. Meine Grundposition hier - ich meine, die Idee kommt ja aus dem Gemeinschaftsrecht - ist die Trennung des Schiedsrichters vom Spieler. Das soll getrennt werden, nur meine persönliche Meinung ist, dass der Staat geeignet ist, Schiedsrichter zu spielen und nicht Mitspieler sein soll. Also, wenn man hier trennt, dann glaube ich, dass es die Aufgabe des Staates ist, sich auf die Regulierung zu beschränken und nicht auf die Unternehmenseigentümerschaft.

Ich glaube allerdings auch, dass die Weisungsbindung ganz notwendig ist, und zwar vor allem im Interesse des demokratisch parlamentarischen Systems. Man muss sich dieses Zusammenhangs immer wieder bewusst sein, nämlich des Zusammenhangs Ingerenzmöglichkeit der Obersten Organe und Kontrolle der Obersten Organe durch das Parlament, vom Fragerecht hin bis zu den anderen Möglichkeiten. Dort, wo ich Oberste Organe von der Ingerenz ausschalte, schalte ich letztlich das Parlament von der Kontrolle aus - und das ist keine gute Entwicklung. Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Nächster Redner Herr Landeshauptmann Niessl. - Bitte. Und dann Frau Dr. Petrovic.

Hans Niessl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Unsere Bundesverfassung ist seit ihrem Bestehen starken Veränderungen unterworfen. Im Bericht des Ausschusses VII wurden sehr wichtige Bereiche angeführt. Das betrifft die Ausgliederung, die weisungsfreie Besorgung von Verwaltungsangelegenheiten, die Einführung unabhängiger Verwaltungsorgane, das Handeln in nicht-hoheitlichen Formen und die Selbstverwaltung. Den Entwicklungen in diesen Bereichen ist in einer modernen Verfassung Rechnung zu tragen.

Was die Regulatoren betrifft, sind im Bericht Rahmenbedingungen vorgesehen, die ich auf jeden Fall für erforderlich halte. Damit ist gewährleistet, dass in wesentlichen Fragen die politische Verantwortung weiterhin von den obersten Organen wahrgenommen werden muss.

Zu diesen wesentlichen Fragen zählt die Infrastruktur. Eine allfällige Verordnungsermächtigung an den Regulator ist mit einer einfachgesetzlichen Regelung ausdrücklich zu bestimmen. Der Aufgabenbereich ist zu umschreiben. Weiters sollte auch ein Zustimmungsrecht der politisch Verantwortlichen - zum Beispiel der Minister - verankert werden. Darüber hinaus unterstütze ich den Standpunkt, diese Form der staatlichen Verwaltungsorganisation auch zu befristen. Zu befristen auf  jenen Zeitraum, in dem der Staat Eigentümer von Unternehmen des regulierten Bereiches ist.

Die Diskussionen im Ausschuss VII brachten mich auch zu der Überzeugung, dass eine neue Staatszielbestimmung aufgenommen werden sollte. Das betrifft die im Ausschuss I diskutierte Formulierung der Daseinsvorsorge. Diese Formulierung umfasst Leistungen im öffentlichen Interesse. Konkret geht es dabei um die Versorgungssicherheit, um den Verbraucherschutz, um die soziale Erreichbarkeit, um die Gesundheit und die Bildung, die Nachhaltigkeit und den territorialen und sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.

In punkto Ausgliederung teile ich grundsätzlich die Bedenken hinsichtlich der Schaffung von Sonderprivatrecht. Falls derartige Sonderrechte dennoch geschaffen werden, sollten sie nicht nur für den Bund, sondern auch für die anderen Gebietskörperschaften gelten.

Zur Frage der Privatwirtschaftsverwaltung einige kurze Feststellungen:

Ich halte es für problematisch, wenn der Staat die Rechtsstellung des Bürgers durch den Wechsel der Rechtsform vom hoheitlichen in den privatwirtschaftlichen Bereich verschlechtert, damit subjektive öffentliche Rechte beseitigt und keine äquivalenten zivilrechtlichen Ansprüche gewährt. Dies würde bei der Durchsetzung von Interessen vor allem zu Lasten der Schwächeren in unserer Gesellschaft gehen.

Weiters trete ich für die Beibehaltung der derzeitigen Kompetenzlage ein. Bund und Länder sollen wie bisher die Möglichkeit der Förderung haben. Das andiskutierte Zusammenwirken der Gebietskörperschaften bei Förderungen muss jedenfalls auch in Relation zur gewährten Förderung stehen, um allzu hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Selbstverwaltungskörper beim Aufbau unseres Staates trete ich für eine Verankerung in der Verfassung ein; ausdrücklich auch unter Einbeziehung der Sozialversicherungsträger.

Grundsätzlich wurde allgemein begrüßt, dass die Verankerung der Sozialpartner im Artikel 47 des Entwurfs des Vertrages über eine Verfassung für Europa enthalten ist, womit die Europäische Union die Rolle der Sozialpartner anerkennt und auf Ebene der Union fördert. Daher sollten auch die Sozialpartner bei den Staatszielbestimmungen berücksichtigt werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Frau Doktor Petrovic, bitte. Und dann Kollege Dr. Bußjäger.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Grünen konnten aus Gründen der personellen Restriktionen im Konvent nicht am Ausschuss VII teilnehmen - möglicherweise ein Grund dafür, warum hier das Maß des Konsenses als höher eingeschätzt wird als in anderen Ausschüssen -, aber ich will insofern unsere zentralen Positionen zu den wesentlichen Punkten des Ausschussberichtes skizzieren; wir werden uns dann auch natürlich erlauben, das schriftlich zu deponieren.

Wir haben eine grundsätzliche Skepsis bei der Ausweitung weisungsfreier Organe, weil natürlich die Weisung die eine Seite der Medaille ist, und die politische Verantwortung der Ressortleiterin die andere Seite der Medaille. Und das ist uns sehr wichtig, dass es hier eine klare Zuordnung gibt, noch dazu, wo uns im Ausschussbericht die Struktur dieser weisungsfreien Behörden in vielen Punkten nicht befriedigt, insbesondere, wenn man schon solche Einrichtungen braucht bzw. in manchen Bereichen für erforderlich hält, dann ist es ein zentrales Kriterium, dass gerade derartige Organe eine strikte Gesetzesbindung haben, dass der Bestellungsmodus klar ist, und dass es eine politische Verantwortung - unserer Meinung nach - gegenüber dem Parlament gibt.

Ich erlaube mir, in dem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen - es wird ja hier teilweise der ganze Komplex der Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament verwiesen an den Ausschuss VIII -, ich erlaube mir einmal mehr festzuhalten: Wir haben heute schon einen gewaltigen Bereich von Verwaltungshandlungen, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen, und zwar im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. Hier haben wir zwar nach Länderpraxis unterschiedlich, aber jedenfalls kann ich für mein Bundesland, für Niederösterreich, sagen, einen riesigen Bereich, in dem wir weder vom zuständigen Landesrat, der zuständigen Landesrätin noch vom Bundesminister irgendeine Auskunft bekommen. Das sind praktisch alle umweltrelevanten Materien. Man kann anfragen zum Ozongesetz oder ähnliche Stellen, die Antwort ist immer dieselbe: Land antwortet nur zur Vollziehung von Landesgesetzen durch Landesorgane, Bund nur beim entsprechenden bundesrechtlichen Pendant. Dieser große Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung ist schon heute de facto außerhalb der parlamentarischen Kontrolle, und daher haben wir natürlich große Angst, jetzt hier einen Bereich zu sehen, wo es möglicherweise eine Ausweitung dieser nicht kontrollierten Bereiche gibt, ohne dass ich schon eine sehr klare Absicht habe, wie hier das Kontrolldefizit zu beheben ist.

Das heißt: Wir stimmen sicher keinen Modellen zu, wenn nicht die Art der Kontrolle ganz transparent und klar skizziert ist. Dasselbe gilt natürlich spiegelbildlich für die Regulatoren. Auch hier ist uns die Frage der Transparenz und das Bestellungsverfahren zu zentral, um uns mit diesem Modell hier anfreunden zu können.

Im Zusammenhang mit den Ausgliederungen haben wir vielfach schon in der Vergangenheit bedauert, und gerade, wenn immer dieses für mich schon fast nicht mehr hörbare Gebot der Effizienz im Raume steht, dann habe ich immer gesagt: Bitte, bei den Ausgliederungen, rechnet doch vor, was bringt es, was kostet es? Ich mache da überhaupt kein kategorisches Prinzip daraus, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass es in Summe bei manchen Ausgliederungen nicht billiger gekommen ist, weil ich brauche eine Grundstruktur auch im Bereich der Verwaltung. Und ich brauche dann die Schnittstellen, die definierten, und da ist dann schon sehr fraglich, was die Ausgliederung wirklich bringt. Also hier möchten wir auch eine sehr viel konkretere Definition, was ist ausgliederbar, was nicht, und wie schaut das dann im Detail aus.

Wir begrüßen sehr - und insofern wäre es auch mit uns hier zu einem Konsens gekommen - das Bekenntnis zum Legalitätsprinzip auch für die Privatwirtschafts-Verwaltung. Und mir fehlt hier die Zeit, das näher auszuführen, aber ich sehe teilweise ausufernde Detailbestimmungen in Gesetzen - das liegt nicht am Legalitätsprinzip. Also man kann sehr wohl eine strikte Bindung ans Gesetz bejahen, ohne auf unbestimmte Gesetzesbegriffe und Ähnliches zu verzichten.

Ein Allerletztes - ich sehe schon das rote Licht -: Bei den Selbstverwaltungskörpern wäre es uns ganz wichtig, dass sich das hier nicht auf die reine Sozialpartnerschaft beschränkt, sondern wenn Selbstverwaltung, dann muss das verschiedene Lebensbereiche umfassen können. - Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Herr Dr. Bußjäger und dann Frau Mag. Ettl.

Dr. Peter Bußjäger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Nur zwei kurze Bemerkungen.

Ich begrüße die Entscheidung des Ausschusses, keine ausgliederungsfesten Staatsaufgaben zu definieren und damit die VfGH-Judikatur zu kodifizieren, ich begrüße auch die Feststellung des Ausschusses, dass die Privilegierung des Bundes bei der Schaffung von Sondergesellschaftsrecht beseitigt werden soll. Diese Differenzierung ist nicht nur nicht einzusehen, ich halte die Auswirkungen der bestehenden Verfassungsrechtslage auch nicht für besonders effizient.

Kritisch scheint mir allerdings, dass es offenbar Meinungen gibt, dem Gesetzgeber überhaupt keinen Spielraum zur Schaffung von Ausgliederungs-Organisationsrecht in privatrechtlichen Formen oder von anderen Sonderregelungen zu gewähren oder zumindest einen möglichst engen Spielraum zu ziehen. Mit welchen Gründen soll es dem Staat eigentlich verwehrt sein, für ausgegliederte Rechtsträger, die öffentliche Aufgaben erfüllen, spezifische, auf die besonderen Verhältnisse abgestimmte Regelungen zu erlassen?  Ich würde hier davor warnen, die Verfassung wieder als Knebelungsinstrument des einfachen Gesetzgebers einzusetzen.  Meines Erachtens müsste das allgemeine Sachlichkeitsgebot eine ausreichende Schranke gegen willkürliche Privilegierungen, die es natürlich geben kann, sein.

Zweite Bemerkung: In der Privatwirtschafts-Verwaltung soll es nach dem Bericht des Ausschusses - was ebenfalls zu unterstützen ist - bei der bisherigen Kompetenzlage bleiben. Mich würde aber interessieren, wie man sich ein Koordinationsinstrumentarium zur besseren Abstimmung der Förderungsverwaltung, das dort angedacht wurde, genau vorzustellen hätte - zumindest auf der verfassungsrechtlichen Ebene. Das Anliegen einer besseren Koordination in der Subventionsverwaltung als Sache der Verwaltungsreform ist natürlich unbestritten, wie man das aber auf der Verfassungsebene bewerkstelligen soll ohne die Schaffung neuer Kontrollinstanzen, das würde mich schon interessieren. - Danke.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Kollegin Ettl, dann Dr. Schnizer. - Bitte.

Mag. Johanna Ettl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 Zunächst einmal auch von unserer Seite Lob und Anerkennung für die Arbeit des Ausschusses 7, sowohl für seinen Vorsitzenden als auch für die Mitglieder dieses Ausschusses. Es ist diesem Ausschuss nicht nur geglückt, einen wirklich kompakten Bericht zu verfassen, es ist ihm auch geglückt, nach bald einem Jahrhundert von veritablen Lehr- und Schulenstreitigkeiten, begleitet von zahlreichen Judikaten des Verfassungsgerichtshofes, eine Lösung zu finden, die die Rolle und Bedeutung der so genannten nicht-territorialen Selbstverwaltung in einer neu kodifizierten österreichischen Bundesverfassung entsprechend würdigt.

Es gibt leider auch einen Wermutstropfen: Im Gegensatz zur wirtschaftlichen, beruflichen und studentischen Selbstverwaltung konnte die Verankerung der sozialen Selbstverwaltung trotz ihres jahrzehntelangen erfolgreichen Wirkens keine einhellige Unterstützung bekommen. Aber ich denke, dass zu diesem Thema doch letztlich ein Konsens möglich sein wird, wenn ich an das Eintreten des Herrn Bundeskanzlers für die soziale Selbstverwaltung anlässlich des Bundeskongresses des Österreichischen Gewerkschaftsbundes im letzten Herbst erinnere.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist kein zufälliges oder willkürlich gewähltes Strukturmerkmal der gesetzlichen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung, im Rahmen der Selbstverwaltung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern organisiert zu werden. Es handelt sich dabei nicht um einen Ausfluss sozialpartnerschaftlicher Ästhetik, sondern um hart errungenes Gestaltungsrecht der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.  Ich erinnere daran, wie sehr die österreichische Arbeiterbewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts darum kämpfte, neben den Arbeitgebern als gleichberechtigter Partner in der Verwaltung ihrer sozialen Anliegen respektiert zu werden. Was aber hier und heute noch wichtiger ist: Die Selbstverwaltung entspricht dem absolut wichtigen staatspolitischen Prinzip der Subsidiarität.

Ich plädiere daher an dieser Stelle uneingeschränkt dafür, im Rahmen der weiteren Arbeiten zum künftigen Verfassungstext jene Textpassage zu integrieren, die da lautet: „Zur Sicherung einer wirksamen und umfassenden Vertretung der gesundheitlichen und sozialen Interessen der Versicherten wird die Sozialversicherung im Bereich der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung durch Selbstverwaltungskörper verwaltet.“ - O-Ton Ausschuss 7.

Einen weiteren Punkt, auf den ich noch kurz eingehen möchte, das betrifft die Verankerung eines Staatszieles zu Dienstleistungen im allgemeinen Interesse, gemeinhin als „öffentliche Daseinsvorsorge“ bezeichnet. Es ist ja nicht nur für die Bundes-Arbeitskammer ein wesentliches Anliegen, dass im Rahmen der Staatsziele, daneben aber auch im Rahmen der sozialen Grundrechte, die Verantwortung des Staates für funktionierende öffentliche Dienstleistungen festgeschrieben wird. Ich erwähne das im vorliegenden Zusammenhang deshalb, da gerade Regulatoren, deren Strukturprinzipien vom Ausschuss 7 behandelt worden sind, in geöffneten Wirtschaftsbereichen mit der Verpflichtung ausgestattet werden müssen, auf die Grundbedingungen und Voraussetzungen öffentlicher Dienstleistungen Rücksicht zu nehmen.

Da dieser Aspekt nicht als Legitimationsgrundlage für Regulatoren durchsetzbar war, ist es umso wichtiger, ihn zumindest mittels eines entsprechenden Staatsziels zu verankern - ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die vielen Plädoyers aus der Zivilgesellschaft, die nicht ungehört verhallen mögen.

Andererseits kann ich es nur vorbehaltlos begrüßen, dass sich der Ausschuss dafür ausgesprochen hat, infrastrukturpolitische Fragen nicht von der Politik an Regulatoren delegieren zu lassen und dass er zudem Ansätze einer Verbesserung der parlamentarischen Einbindung in die Arbeit der Regulatoren in diesem Ausschussbericht findet.

Nochmals der Dank unserer Organisation an die engagierte Arbeit des Ausschussvorsitzenden und des Ausschusses. - Danke schön.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals. Herr Dr. Schnizer, dann Herr Dr. Raschauer.

Dr. Johannes Schnizer: Dr. Johannes Schnizer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte mich wieder auf ein einziges Thema konzentrieren. Es ist dies, wie Sektionschef Matzka schon in seinem Bericht erwähnt hat, ein altes Thema, nämlich das Thema der Privatwirtschaftsverwaltung, das spätestens seit den sechziger Jahren die Dogmatik und die Rechtswissenschaft ausführlich beschäftigt.

Gleichwohl ist dieses Thema nach wie vor aktuell – die Privatwirtschaftsverwaltung ist in ihrer Masse heute von weit größerer Wichtigkeit für den Einzelnen und für den Staat insgesamt als die Hoheitsverwaltung –, und auch die Eingriffe, um die es für den einzelnen Menschen im Zusammenhang mit der Privatwirtschaftsverwaltung geht, sind mindestens ebenso bedeutsam wie viele Eingriffe, die im hoheitlichen Weg vorgenommen werden.  Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Entscheidung über eine Sozialhilfe mindestens von der gleichen existenziellen Bedeutung ist wie etwa eine Entscheidung über die gerechte Zumessung einer Parkraumstrafe.

Der Ausschussbericht enthält dazu keine abschließende Empfehlung. Das ist auch gar nicht möglich, denn es handelt sich um ein strukturelles Problem unserer Verfassung und deswegen sind nicht zufällig auch die Ausschüsse 3, 5, 6 und 9 damit befasst. Gleichwohl meine ich, dass es Zeit ist, hier zu einem neuen Ansatz zu gelangen.

Die zugrunde liegende Teilung ist älter als das B-VG, sie ist 2.000 Jahre alt und geht auf das römische Recht zurück. Im Hintergrund steht die Trennung zwischen privatem Recht und öffentlichem Recht. Es steht die Vorstellung dahinter, dass es einerseits einen Bereich gibt, wo sich die einzelnen Menschen als Gleiche gegenüberstehen, auf der anderen Seite ein Bereich, in dem der Staat einseitig eingreift und für sich selbst und mit bindender Wirkung für die Unterworfenen die Rechtsverhältnisse regelt.

Diese Bilder stimmen schon seit langem nicht mehr. Der Staat ist nie gleich wie ein Privater, es besteht immer ein strukturelles Übergewicht – auch dann, wenn er sich der Formen bedient, die auch dem Einzelnen zur Verfügung stehen. Die Problematik der Privatwirtschaftsverwaltung reicht vor allem in drei Bereiche hinein: In die Kompetenzverteilung, in das Legalitätsprinzip und in den Rechtsschutz.

Gerade beim Rechtsschutz zeigt sich die grundsätzliche Problematik, wenn man sich vor Augen hält, wie der Gesetzgeber eine Angelegenheit entweder in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung oder in den Bereich der Hoheitsverwaltung verweist. Er tut dies, indem er dem einzelnen Menschen einen Rechtsanspruch nicht verleiht, einen möglichen Rechtsanspruch nimmt. Er schreibt z.B. in ein Gesetz hinein „für diese Leistung besteht kein Rechtsanspruch“. Damit ist die Verwaltung entsprechend der Dogmatik vom Selbstbindungsrecht nicht gehalten, hierüber einen Bescheid zu erlassen. Die Konsequenz ist, dass diese Angelegenheit in die ordentliche Gerichtsbarkeit fällt, die aber letzten Endes auch nicht entscheiden kann, weil eine Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit setzte voraus, dass diese Angelegenheit vom Gesetzgeber auch mit Wirkung für den Bürger geregelt wird.

Ich schildere dies deswegen so aufwändig, weil diese Dogmatik fest gefügt ist, aber unlängst in die Luft gesprengt wurde. Die inhaltlich von mir sehr begrüßte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum Bundesbetreuungsgesetz, die allerdings einige Vorläuferentscheidungen etwa im Bereich der Presseförderung gehabt hat, hat hier klargestellt, dass auch in diesem Bereich der Mensch nicht der Willkür ausgeliefert ist, sondern dass hier gewisse elementare Grundsätze gelten. Alle sonstigen Fragen konnte diese Entscheidung nicht beantworten und hat sie auch nicht beantwortet, beispielsweise, welcher Gesetzgeber zuständig wäre, dies zu regeln; da die Gerichte zuständig sind, nur der Bundesgesetzgeber wegen des Privatrechts? Die Länder nur dann, wenn es erforderlich wäre im Sinne der Lex Starzynski und ähnliche Fragen mehr.

Ich glaube deswegen, dass es hoch an der Zeit ist, dieses Problem einer Regelung zuzuführen. Ich möchte dafür vier Elemente vorschlagen: Ich glaube nicht, und das findet sich auch im Ausschussbericht, dass man die Privatwirtschaftsverwaltung an die Kompetenzverteilung knüpfen sollte. Es hat seinen guten Grund, dass jede Gebietskörperschaft hier tätig werden kann. Allerdings ist es erforderlich, dass eine ausdrückliche Kompetenz für jeden Gesetzgeber jeder Gebietskörperschaft geschaffen wird, derartige Angelegenheiten zu regeln, und zwar auch mit Wirkung nach außen, nicht nur als Selbstbindungsgesetz. Damit sollte auch eine Verpflichtung verbunden sein, immer dann, wenn es nicht bloß um das Einkaufen von Kugelschreibern oder die Anschaffung von PCs geht, eine gesetzliche Grundlage vorzusehen, die dann – wie es auch Präsident Korinek gesagt hat – natürlich differenzieren muss etwa zwischen Subventionsverwaltung und Erwerbswirtschaft.

Hand in Hand damit müsste eine flexible Gestaltung des Rechtsschutzes gehen, die dem Gesetzgeber ermöglicht, ohne Bindung an die Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht im Einzelfall adäquat eine Rechtskontrolle auszugestalten, wenn nicht ein individueller Rechtsanspruch als auslösendes Element besteht.

Abschließend setzt das voraus, dass der Typenzwang der Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgehoben wird und dass es dem Gesetzgeber freigestellt wird, auch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zur Kontrolle dieser Privatwirtschaftsverwaltung zu berufen.

Ich komme zum Schlusssatz: Ich glaube, dass dies deswegen ein für den Konvent besonders geeignetes Thema ist, weil alles dies nicht parteipolitisch umstritten ist, aber von umso größerer rechtspolitischer Relevanz. Ich glaube, dass der Konvent sich schon dann unter juristischen Gesichtspunkten gelohnt hat, wenn dieses Problem gelöst wird.

Stellvertretender Vorsitzender des Österreich-Konvents Dr. Heinz Fischer: Herr Dr. Raschauer! Und dann Mag. Wutscher.

Dr. Bernhard Raschauer: Herr Vorsitzender! Hoher Konvent!

Die freien Berufe erbringen wichtige Leistungen in unserer staatlichen Gemeinschaft. Die Kammern der freien Berufe sind wichtige Institutionen in unserer staatlichen Gemeinschaft und sie wirken in zunehmendem Maße staatsentlastend, wie zuletzt Verwaltungsreformgesetz und Deregulierungsgesetz 2001 gezeigt haben. Die Kammern der freien Berufe sind daher dankbar, dass man auch im Konvent, in diesem Ausschuss 7, ihrer gedacht hat, um eine verfassungsrechtliche Absicherung vorzuschlagen. Denn solange Ungewissheit über die Zukunft der Kompetenzverteilung, die ja heute die verfassungsrechtliche Grundlage der Autonomie bildet, besteht, solange herrscht eine gewisse Situation der Unsicherheit. Insoweit Dank an den Ausschuss 7, in dem ich nicht Mitglied war. Allerdings, der erwähnte Wermutstropfen ist auch hier hervorgekommen: Wenn Sie sich den Vorschlag auf Seite 35 des Berichtes vor Augen führen, hat er für einige Unruhe gesorgt. Es sollen dort vorgesehen werden: Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer, Kammern der Studierenden - und „erforderlichenfalls der freien Berufe“.

Das ist natürlich eine Reihenfolge, die zumindest diskriminierend empfunden wird. Vielleicht kann man da noch einmal über eine Textierung nachdenken. Ich habe versucht klar zu machen, dass das natürlich einen Hintergrund hat, denn es soll jetzt etwa nicht - ein fiktives Beispiel - die Gruppe der Wirtschaftsanwälte eine eigene Kammer unter Ausgliederung von den Rechtsanwaltskammern schaffen können unter Berufung auf diese Bestimmung. Nur: Das Problem gilt auch für jede beliebige Innung der Wirtschaftskammer, auch die könnte auf die Idee kommen - denken wir nur an die Gasversorger - und sich unter Berufung darauf sagen können: Wir haben auch einen Verfassungsanspruch.  Also bitte ich den Konvent, das in diesem Lichte vielleicht noch einmal - bei aller Anerkennung dieses Vorschlags - überdenken zu wollen.

Und dann gestatten Sie mir noch ein kurzes Wort in Replik - nämlich gerade im Kontext dieses Ausschussberichts - auf den sehr defensiven Extremstandpunkt, den heute wieder Präsident Jabloner zum Legalitätsprinzip vertreten hat. Der Bericht bestätigt es mir: Wir brauchen ein differenziertes Verständnis. Nur: Differenziertes Verständnis gibt es, wenn der Verfassungsgerichtshof dazu Lust hat. Wenn er keine Lust hat, gibt es kein differenziertes Legalitätsprinzip im österreichischen Recht. Europäisches Legalitätsprinzip - der Unterschied, den Jabloner nicht wahrhaben will: Es hat noch nie der EuGH einen europäischen Rechtsakt wegen mangelnder Bestimmtheit für nichtig erklärt. Wenn der Verfassungsgerichtshof dagegen sagt, in die Frequenzverteilung will ich mich nicht hineindenken, dann hebt er das Gesetz wegen unzureichender Bestimmtheit auf.

Das ist, glaube ich, etwas, das man überdenken muss, denn es führt, was Jabloner nicht wahrhaben will, dazu, dass sich neben dem Gesetz eine zweite, dritte, vierte Steuerungsebene entwickelt, die Treu- und Glaubenrichtlinien im Datenschutzgesetz, denn das wollen wir uns nicht anfangen, solche Regeln im Datenschutzgesetz zu regeln, die Marktregeln in der Elektrizitätswirtschaft - nur auf der Homepage der Regulierungsbehörde kundgemacht - haben riesige Bedeutung für die Energieunternehmen, aber wir wollen uns das nicht anfangen, derartiges im Gesetz zu regeln.

Also das heißt: Wir flüchten längst aus dem Gesetz, weil wir es dort kasuistisch regeln müssten. Gerade die Regulierungsbehörden. Und der Verwaltungsgerichtshof anerkennt das. Der dritte Senat beruft sich mittlerweile im Telekombereich auf nicht-kundgemachte reine Empfehlungen der Europäischen Kommission. Ich glaube, es ist angebracht, wenn der Konvent sich Folgendes überlegt: Das Legalitätsprinzip ist Teil des Demokratieprinzips. Der Nationalrat entscheidet über die Grundsätze der politischen Willensbildung. In welchem Maß an Kasuistik er regeln will, sollte doch dem Ermessen des Nationalrats überlassen bleiben. Wenn er meint, in Details gehen zu müssen, dann soll er das. Wenn nicht, muss das auch Recht sein. Ich glaube, dafür ist beim heutigen Stand der Judikatur eine Ergänzung des Artikel 18 Absatz 1 erforderlich. Danke.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner   (übernimmt den Vorsitz):  Danke. Nächster Redner ist Herr Mag. Werner Wutscher. Bitte.

Mag. Werner Wutscher: Danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist heute schon mehrmals betont worden, dass die Ausschüsse 5, 6 und 7 eine Reihe von Themen behandeln, die sehr ineinander greifen. Und ich möchte mich daher auch beim Ausschuss 7 sehr herzlich für die Vorlage dieses Berichtes bedanken, weil damit ein wichtiger Beitrag für die Lösung einiger Fragen gelegt worden ist.

Ganz kurz anfänglich zur Frage der Ausgliederung generell. Ich glaube, wir sind uns einig, dass vor der Ausgliederung jedenfalls die Frage der Aufgabenkritik stehen sollte, und ich begrüße auch außerordentlich, dass es hier keine Definition der Kernaufgaben oder auch der ausgliederungsfesten Datenbestände gegeben hat, da ich glaube, dass wir hier nicht vorgreifen sollten. Eines ist unzweifelhaft, und die Kritik, aufgreifend von Frau Abgeordneter Petrovic, viele Ausgliederungen in der Vergangenheit waren sicher auch die Flucht aus dem Dienst- und Haushaltsrecht, und das wird dann gerade auch der Ausschuss 6 zu behandeln haben, inwieweit es uns gelingt, hier die entsprechenden Antworten zu geben.

Die Frage der Weisungsfreistellung beschäftigt auch uns intensiv aus einem etwas anderen Blickpunkt. Faktum ist, dass rund 130 Verfassungsbestimmungen nur dazu erlassen wurden, um die Weisungsbindung entsprechend zu durchbrechen. Und die Frage, die sich hier stellt, ist, inwieweit es möglich ist, unter Wahrung, und ich glaube, dazu muss man sich ausdrücklich bekennen, der politischen Verantwortlichkeit, entsprechende Flexibilisierungen auch im ordentlichen Verwaltungsbereich durchzusetzen.

Zum Punkt der mittelbaren Bundesverwaltung, das muss ich aufgreifen, weil ich mich einfach angesprochen fühle, ich glaube, dass gerade das Instrument der mittelbaren Bundesverwaltung eines jener Steuerungsinstrumente ist und auch den Verantwortungszusammenhang schließt. Und daher war ich auch überrascht über Ihre Kritik, dass hier sozusagen weiße Flecken bestehen, wenn ich mich erinnere an die Debatten zum Vollzug des Wasserrechtsgesetzes oder Forstgesetzes, so sind wir hier intensiv auch natürlich im Dialog und haben auch die entsprechenden Möglichkeiten, derzeit die entsprechenden Informationen zu beschaffen.

Der letzte Punkt ganz kurz, und ich schicke voraus, dass das jetzt auch kein ausgereiftes Statement ist, aber nur zur Frage der Privatwirtschaftsverwaltung. Ich bekenne mich dazu, dass es hier jedenfalls ein faires Auftreten geben kann, jedenfalls keine Willkür des Staates, verweise aber doch auch gerade aus dem Vollzugsbereich der Agrarförderung darauf, dass es durchaus sinnhaft ist, hier den Typenzwang entsprechend vorzubinden oder gebunden zu sein, und hier auch damit dann die entsprechenden Rechtsfolgen einerseits an die hoheitliche Verwaltung, andererseits an die Privatwirtschaftsverwaltung gezwungen vorzufinden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Nächster Redner ist der Herr Dr. Ewald Wiederin. - Bitte

Dr. Ewald Wiederin: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich kann in den Chor des Lobes einstimmen: Es ist ein wirklich guter Bericht. Er ist in einem Maße kompakt und konzis, dass wir ihn uns nur zum Vorbild nehmen können. Es gibt einen einzigen Bereich, in dem ich weniger Kritik anzubringen habe als vielmehr ein Unbehagen artikulieren will -  und das ist der Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung.

Die Dogmatik der Privatwirtschaftsverwaltung war in den 60-er Jahren heiß umkämpft und ist später befriedet worden. Momentan habe ich den Eindruck, dass sie in den letzten Jahren wegzubröckeln begonnen hat. Erstens hat die Lehre starke Zweifel artikuliert, ob Artikel 17 B-VG wirklich als Grundlage für Selbstbindungsgesetze taugt. Zweitens sind seit der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes zur Bundesbetreuung Selbstbindungsgesetze längst nicht mehr das, was sie einmal waren. Man kann diese Entwicklung auch positiv sehen, und es ist anzuerkennen, dass sie für Rechtsschutz und Grundrechtsbindung in der Privatwirtschaftsverwaltung gesorgt hat. Dennoch bleiben Probleme. Beim Rechtsschutz ist es einfach ein Faktum, dass die ordentlichen Gerichte komplizierter sind, dass sie teurer sind; und wenn und weil es hier auch um Grundrechtsfragen geht, haben wir es in der momentanen Situation mit zwei Grenzorganen zu tun, sodass es zu unterschiedlichen Rechtssprechungen kommen kann.

Ein zweites Problem liegt in der Kompetenzverteilung. Wenn wir ernsthaft daran denken, in die Verfassung Leistungsansprüche und soziale Grundrechte aufzunehmen, dann kann Transkompetenz in der Privatwirtschaftsverwaltung nicht mehr das letzte Wort sein. In dem Moment, in dem ich Träger eines sozialen Grundrechts bin, das besagt, dass der Staat ein bestimmtes Schutzgut gewährleistet, und ich dieses Grundrecht einklagen will, stellt sich die Frage, welche Gebietskörperschaft ich klagen soll: Bund, Länder oder Gemeinden? So weit mein Unbehagen. Ich habe keine durchdachte Lösung für die angerissenen Punkte. Ich glaube aber, dass hier ein Problem liegt, dem wir letztlich noch nicht gerecht geworden sind. Das gilt für alle Ausschüsse in gleichem Maße.

Ein möglicher Lösungsansatz könnte - und hierin kann ich an Johannes Schnitzer anknüpfen und seine Wortmeldung unterstützen - im Versuch liegen, dem öffentlichen Recht wieder eine breitere Bresche zu schlagen. Wir könnten versuchen, Hoheitsverwaltung anders als bisher von der Privatwirtschaftsverwaltung abzugrenzen, indem wir nicht mehr an den Rechtsformen kleben, die sich ja letztlich auch in Zusammenhang mit dem Zugang zu den Verwaltungsgerichten als höchst problematisch erweisen. Wir könnten die Abgrenzung danach vornehmen, ob es um Erwerbswirtschaft geht oder um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Mit anderen Worten: überall dort, wo es sich um Subventionen oder um Daseinsvorsorge handelt und nicht um unmittelbare Bedarfsdeckung oder Erwerbswirtschaft, sollten wir die Verwaltung öffentlich-rechtlich einzufangen versuchen und sie als schlicht-hoheitliche Verwaltung begreifen. Damit hätten wir den Rechtsschutz vereinfacht: Der Rechtszug ginge zu den Verwaltungsgerichten, wo die Probleme auch hingehören. Die Grundrechtsbindung könnte sodann der Verfassungsgerichtshof einlösen. Das Legalitätsprinzip muss man in diesem Bereich sicherlich differenziert sehen.

Es bleibt das Kompetenzproblem. Der Grundsatz der Transkompetenz kann, wie gesagt, nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber eine gewisse Kompetenzkonkurrenz ist sicherlich unvermeidlich. Wenn es uns allerdings gelingt, die Kompetenzverteilung flexibler zu machen, indem wir über weite Strecken zu konkurrierenden Kompetenzen übergehen, könnten wir zu einem Regime gelangen, das auch auf die Privatwirtschaftsverwaltung passt. Sofern dieses Projekt scheitert, kann man sich immer noch Sonderregelungen überlegen. Vielen Dank.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Das war die letzte Wortmeldung zum Bericht des Ausschusses 2. Gibt es noch einen Bedarf an Wortmeldungen dazu? Sieben - Entschuldigung, ja. Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich diese Diskussion zum Ausschuss 7 ab und eröffne die über den zweiten Bericht des Ausschusses 1. Da habe ich zwei Wortmeldungen, die Herren Hösele und Specht. Herr Professor Hösele, bitte, zu beginnen. Da er offensichtlich nicht im Saal ist, oder? Ist er schon da. Jawohl. - Bitte

Herwig Hösele: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist ja im Ausschuss 1 kein Konsens darüber erzielt worden, ob es eine Präambel geben soll, und wenn es eine geben sollte, was in dieser Präambel drinnen stehen sollte.

Ich wurde angeregt durch diverse verschiedene Stellungnahmen öffentlicher Natur und dann noch verstärkt durch den Diskussionsbeitrag des steirischen Diözesanbischof Egon Capellari am letzten Sonntag in der ORF-Pressestunde, in der er präzisierend zu seiner Position zu einer möglichen Präambel gemeint hat: Präambel ja, wenn der Corpus stimmt, sozusagen wenn der Inhalt der Verfassung stimmt, dann ist auch aus der Sicht des Bischofs Kapellari, und ich glaube, er hat doch einen weiten Kreis christlicher Gruppen auch angesprochen, dann natürlich eine Präambel, und dann auch einen Gottesbezug in der Präambel. Ich halte das für eine sehr gute Position und darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass in der niedersächsischen Verfassung sich ein Text befindet, der folgendermaßen heißt: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das Volk von Niedersachsen durch seinen Landtag diese Verfassung gegeben.“ Diese Verfassung ist im Jahr 1997 erarbeitet worden. Der damalige Ministerpräsident heißt Dr. Gerhard Schröder und er hat in der Argumentation, wieso dieser Gottesbezug dort möglich sein sollte, ausgeführt: Für diejenigen, und das scheint mit ein sehr bedenkenswertes Argument, für diejenigen, denen es aus ihrem christlichen Glaubensverständnis ein wirklich fundamentales Anliegen ist, ist es ganz schwer, darauf zu verzichten. Diejenigen dagegen, die diesen Bezug nicht wollen, können leichter damit umgehen.

Das ist eine Position, die ich für eine sehr bedenkenswerte halte. Ich würde dann aber persönlich auch noch eine etwas relativierendere Position sehen. In der polnischen Verfassung, wie wir wissen, heißt es: „Diejenigen, die an Gott als Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit des Guten und des Schönen glauben, als auch diejenigen, die diesen Glauben nicht teilen, diese universellen Werte aus anderen Quellen ableiten“, ist eine Formulierung, die sozusagen offen ist für, glaube ich, alle Gruppen der jeweiligen Bevölkerung, und ich könnte mir vorstellen, dass wir doch, falls wir schlussendlich nach Abschluss der Beratungen zu einer Präambelformulierung kommen könnten, eine etwas weniger pathetische Formulierung als in Polen, aber auch hier finden könnten, nämlich etwa in der Form, und das wollte ich hier zur Kenntnis bringen als meine vorläufige Überlegung, sowohl diejenigen, die an Gott als Quelle der Schöpfung, der Würde und Rechte des Menschen, der Gerechtigkeit und der Freiheit, Nächstenliebe und Toleranz glauben, als auch jene, die diesen Glauben nicht teilen, sondern diese universellen Werte aus anderen Quellen ableiten, haben uns in freier Selbstbestimmung kraft unserer verfassungsgebenden Gewalt diese Bundesverfassung gegeben.

Und dann könnte man eine ganze Reihe anderer Präambelgrundformulierungen, wie sie ja in dem eingebrachten Text vom 10. Dezember zur Kenntnis gebracht wurden, nahtlos anschließen. Diese Position wollte ich heute hier kurz dargestellt haben. Danke für die Aufmerksamkeit.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Als Nächsten bitte ich Herrn Dr. Leopold Specht um seine Ausführungen.

Dr. Leopold Specht: Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf zwei Punkte beziehen. Der erste Punkt sind die Annexe 2 und 3 zum Bericht des Ausschusses 1 und insbesondere möchte ich mich auf den Annex 2 beziehen. Mir scheint nämlich, dass sich hier etwas auftut, das über den konkreten Anlassfall der Diskussion der möglichen Eliminierung der Absätze eins und zwei des Artikel 9a Bundesverfassungsgesetz hinausgeht, und eine Methode der Diskussion angibt, gegen die ich mich verwehren möchte.

Es heißt im Annex 2, unterzeichnet von fünf Mitgliedern des Ausschusses 1, dass die Diskussion dahingehend zusammenzufassen ist, dass die Staatsaufgaben der umfassenden Landesverteidigung nicht bloß gestrichen und so weiter werden. Es ist dies eine unrichtige Wiedergabe der Diskussion im Ausschuss. Das Protokoll nachlesend kann man sich davon überzeugen, dass es zum Artikel 9A Absatz 1 und 2 Übereinstimmung, Einhelligkeit gab, diese beiden Bestimmungen gegebenenfalls zu eliminieren beziehungsweise einen derartigen Vorschlag zu unterbreiten.

Nun mag man überlegen, warum es zu einem derartigen Annex kommt, und ich stehe nicht an, die zwei Überlegungen, die ich anstellte hier, in das Plenum einzubringen. Es mag sein, dass die Diskutanten des Ausschusses 1, die diesen Annex 2 dann unterfertigten oder zum Bericht gaben, irgendwann einmal vor ihrer eigenen Courage Angst gehabt haben. Das ist quasi die „Bene-volente-Interpretation“. Die weniger bene volente Interpretation ist die, dass man versucht, nachdem ein derartiger Bericht zustande gekommen ist und konsensual zustande gekommen ist, versucht, aus politischen Gründen, aber in einer derartigen, wie mir scheint, irreführenden Weise, ein Ergebnis in Frage zu stellen. Ich glaube, wenn man sich vom Bericht des Ausschusses 1 distanzieren möchte in einem Punkt, sollte man das klar tun und sollte es im Plenum so vortragen. Das hat etwa ein Mitglied des Ausschusses in Form des Annexes 3 getan.

Der zweite Punkt, zu dem ich Stellung nehmen möchte, ist die Anregung meines Vorredners, und ich darf das vielleicht so versuchen. Der Verweis in der Landesverfassung eines deutschen Bundeslandes auf Gott hat einen systematischen Bezug etwa in der Präambel des Grundgesetzes. Der Verweis auf Gott in der Verfassung der nunmehrigen Republik Polen hat einen historischen Sinn. Diese Verfassung ist ein normatives Dokument des Bruches. Sie stellt ein inhaltliches Abkehren von Regelungen, von normativen Anforderungen dar, die zu Zeiten der Volksrepublik Polen in Geltung gestanden sind. Diese Bezugnahmen sind also im Kontext nachvollziehbar.

Wenn ich mir diese Beispiele aber mit Bezug auf die österreichische Verfassung überlege, dann komme ich zur Feststellung, dass das Dokument der Diskontinuität des Jahres 1918 das Bundesverfassungsgesetz 1920 ist, welches ganz bewusst eine derartige Formulierung nicht wählte. Und nach der Katastrophe, die 1945 zumindest ein erstes Ende fand, hat der Verfassungsgesetzgeber keinen Grund gesehen, selbst in Ansehung dieser Katastrophe einen Verweis auf Gott in die Bundesverfassung aufzunehmen. Ich meine daher, dass es zwar systematisch interessant ist, derartige Überlegungen hier anzustellen, dass die Verweise aber nicht unmittelbar auf unser Bundesverfassungsgesetz Anwendung finden können, weil ich der Meinung bin, dass wir nicht in einer Situation der Diskontinuität stehen, wie etwa im Übergang von der Volksrepublik Polen zur Republik Polen, sondern dass wir hier eigentlich aufgerufen sind, in Kontinuität diese Verfassung zu diskutieren. Danke vielmals.

Stellvertretende Vorsitzende des Österreich-Konvents Angela Orthner: Danke. Mir liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Ich darf allen herzlich danken, die sich an der Diskussion beteiligt haben, allen Vorsitzenden der Ausschüsse, allen Damen und Herren, die in den Ausschüssen ihre Arbeit so qualitätsvoll tun.

Die nächste Sitzung des Plenums findet voraussichtlich am 29. März statt. Eine Einladung dazu wird Ihnen rechtzeitig zugehen. Danke für Ihre Teilnahme. Die Sitzung ist geschlossen.