Protokoll

über die 18. Sitzung des Ausschusses 4

am 3. Mai 2004

im Parlament, Lokal IV

 

 

 

Anwesende:

 

Ausschussmitglieder (Vertreter):

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk                       (Vorsitzender)

 

Mag. Bernhard Achitz                                             (Vertretung für Friedrich Verzetnitsch)

Univ.Prof. Dr. Peter Böhm                                      (Vertretung für Herbert Scheibner)

Prof. Christine Gleixner

DDr. Karl Lengheimer                                            (Vertretung für

                                                                              Univ.Prof. DDr. Christoph Grabenwarter)

Prof. Ing. Helmut Mader

Mag. Joachim Preiss                                               (Vertretung für Mag. Herbert Tumpel)

Dr. Johann Rzeszut

Dr. Johannes Schnizer                                             (Vertretung für Dr. Maria Berger)

Mag. Terezija Stoisits

Dr. Theodor Thanner (vormittags)/                        (Vertretung für Dr. Ernst Strasser)

Mag. Walter Grosinger (nachmittags)

 

Weitere Teilnehmer/Teilnehmerinnen:

 

Mag. Jochen Danninger                                          (Büro Univ.Prof. Dr. Andreas Khol)

Mag. Ronald Faber                                                (Büro Univ.Prof. Dr. Heinz Fischer)

Mag. Katharina Peschko-Gruber (vormittags)/      (Büro Herbert Scheibner/Dr. Dieter

Mag. Bernhard Rochowanski (nachmittags)          Böhmdorfer)

Dr. Rosi Posnik                                                      (Büro Dr. Claudia Kahr)

 

Univ.Doz. Dr. Hanspeter Hanreich                           (beigezogen von

                                                                               Univ.Prof. Dr. Reinhard Rack)

Dr. Raoul Kneucker                                               (beigezogen von Prof. Christine Gleixner)


Mag. Gerda Marx                                                  (beigezogen von

                                                                              Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk)

Dr. Claudia Rosenmayr-Klemenz                            (beigezogen von

                                                                              Univ.Prof. DDr. Christoph Grabenwarter)

Mag. Thomas Sperlich                                            (beigezogen von Mag. Terezija Stoisits)

 

Büro des Österreich-Konvents:

 

Mag. Birgit Caesar                                                 (fachliche Ausschussunterstützung)

Monika Siller                                                          (Ausschusssekretariat)

 

Entschuldigt:

 

Mag. Herbert Haupt

Univ.Prof. Dr. Reinhard Rack

 

 

Beginn:                                  10.00 Uhr

 

Ende:                                     16.00 Uhr

 

 

Tagesordnungspunkte:

 

1.)      Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

2.)      Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

3.)      Berichte

4.)      Behandlung des Themas „Verbot der Tötung auf Verlangen“ auf Basis einer zusammenfassenden Darstellung von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter und

Dr. Schnizer

5.)      Behandlung des Positionspapiers von Univ.Prof. Dr. Funk zu den sozialen Grundrechten

6.)      Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte (soziale Grundrechte)

7.)      Allfälliges

 

 

Tagesordnungspunkt 1: Begrüßung und Feststellung der Anwesenheit

 

Der Ausschussvorsitzende begrüßt die Mitglieder des Ausschusses 4 und die weiteren Anwesenden und stellt die Beschlussfähigkeit fest.

 

 


Tagesordnungspunkt 2: Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

(27. April 2004)

 

Das Protokoll der siebzehnten Sitzung vom 27. April 2004 wird mit folgender Anmerkung genehmigt (Ergänzung wurde bereits eingearbeitet):

 

Zu Tagesordnungspunkt 4, Pkt. 1.2 „Folterverbot“ (auf Seite 4):

 

Zum Vorschlag, die Rechtsquellen durch eine verfassungsrechtliche Berücksichtigungs­klausel in einen Bezug zum Grundrechtskatalog zu stellen, wird angeregt, diese Frage dem Aus-

schuss 2 (Legistische Strukturfragen) des Österreich-Konvents zuzuweisen.

 

 

Tagesordnungspunkt 3: Berichte

 

Der Ausschussvorsitzende berichtet über einen neuen Textentwurf mit Erläuterungen zu den sozialen Rechten von Prof. Ing. Mader/Univ.Prof. Dr. Rack (Anlage 1 zum Protokoll), über einen über­ar­beiteten Text­entwurf zu den sozialen Rechten vom Sozialdemokratischen Grund­rechtsforum (Anlage 2 zum Protokoll) und über neue externe Schreiben.

 

 

Tagesordnungspunkt 4: Behandlung des Themas „Verbot der Tötung auf Verlangen“ auf Basis einer zusammenfassenden Darstellung von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter und Dr. Schnizer

 

Der Ausschuss behandelt ein von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter und Dr. Schnizer gemein­sam er­stelltes Papier, in welchem die bei der letzten Ausschusssitzung vertretenen Positionen zum „Recht auf Leben“ zusammengefasst wurden (Anlage 3 zum Proto­koll).

 

Als Ergebnis der Beratungen einigt sich der Ausschuss auf folgenden Text, der in den Bericht des Ausschusses 4 aufzunehmen ist (Änderungen gegenüber dem Papier von Univ.Prof. DDr. Graben­­warter und Dr. Schnizer werden in blauer Farbe wiedergegeben):

 

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Ausgehend davon, dass Einverständnis darüber besteht, das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit jeweils getrennt mit eigenen Gesetzesvorbehalten zu regeln, kommt der Ausschuss zunächst zu dem Konsens, dass der Grundtatbestand als solcher mit folgender Formulierung verankert werden sollte:

 

Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt.

 

Einigkeit besteht im Ausschuss darüber, dass diese Formulierung lediglich die Rechtslage nach dem bestehenden Art. 2 EMRK wiedergibt. Dies bedeutet insbesondere, dass sowohl mit dieser Formulierung als auch mit den sonstigen Formulierungen in diesem Kontext die bestehende verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Fristenregelung unberührt bleibt. Der vorgeschlagene Artikel bezieht sich – wie schon Art. 2 EMRK (in der Rechtsprechung des VfGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) – auf das geborene Leben.

Das Verbot der Todesstrafe soll folgendermaßen lauten:

 

„Niemand darf zum Tode verurteilt oder hingerichtet werden.“

 

Ob die Formulierung des Art. 85 B-VG zusätzlich beibehalten werden soll, wäre im Zuge der Debatte über die Bestimmungen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit zu klären.

 

Konsens besteht weiters darüber, dass der Gesetzesvorbehalt zum Recht auf Leben so wie im Entwurf von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter exklusive der lit. c (Niederschlagung eines Aufruhrs oder Aufstandes) formuliert werden soll.

 

Eine Verankerung des Verbots aktiver Sterbehilfe findet überwiegend Zustimmung.

Diesbezüglich enthält der Entwurf von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter eine ausdrückliche Regelung. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 dieses Entwurfs lautet:

 

Tötung auf Verlangen ist gesetzlich zu verbieten.“

 

Damit soll ein Verbot „aktiver Sterbehilfe“ erreicht werden. In diesem Zusammenhang wird auf den Entschließungsantrag des Gesundheitsausschusses des Nationalrates betreffend Beibehaltung der ablehnenden Haltung gegenüber der „aktiven Sterbehilfe“, Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung sowie Verwirklichung der Karenz zur Sterbebegleitung, der am 13. De­zember 2001 mit den Stimmen aller vier im Parlament vertretenen Parteien angenommen wurde (XXI. GP, 115/E), verwiesen. Unabhängig von einem verfassungsrecht­lichen Verbot der Tötung auf Verlangen muss nach einhelliger Auffassung im Ausschuss 4 des Österreich-Konvents auch das Recht auf Sicherstellung der Voraussetzungen für einen würdevollen Tod verankert werden. Dazu gehören ein flächendeckender Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung, die einen leichten und leistbaren Zugang gewährt, bestmögliche Schmerzbehandlung, die Sicherstellung von mobiler und stationärer Hospizversorgung, Palliativpflege und –betreuung, die Ermöglichung der Betreuung durch Angehörige, wobei diese Rechte unabhängig vom Einkommen gewährleistet sein müssen (z.B. etwa durch finanzielle Absicherung Angehöriger während einer Karenz zur Sterbebegleitung). Dies könnte durch einen ergänzenden Satz im Verfassungstext (unter Hinweis insbesondere auf Hospizversorgung, palliative care) sowie entsprechende Erläuterungen geschehen.

 

Zur Diskussion wird folgender Text gestellt:

 

„Jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben. Tötung auf  Verlangen ist unter Strafe zu stellen. […]“

 

Ein weiterer Satz zur Konkretisierung staatlicher Leistungspflichten im Zusammenhang mit dem Recht, in Würde zu sterben, ist erforderlich und soll in Abstimmung mit Garantien für den Gesundheitsschutz angefügt werden. Zur Diskussion wird folgender Text gestellt:

 

„Dies schließt jedenfalls das Recht auf bestmögliche Schmerzbehandlung ein. Die Betreuung durch Angehörige ist unabhängig vom Einkommen zu gewährleisten.“

 

Die Diskussion über derartige Formulierungen konnte im Ausschuss nicht abgeschlossen werden.

 

Vereinzelt wird ein verfassungsrechtliches Verbot der Sterbehilfe prinzipiell abgelehnt. Zwar werden die Kommerzialisierungstendenzen in diesem Bereich strikt abgelehnt, doch ein solches Verbot führe zu einer Diskriminierung zwischen Personen, die aus Eigenem ihrem Leben ein Ende setzen könnten und jenen, die dazu nicht mehr in der Lage seien und hiefür auf fremde Hilfe angewiesen seien.

 

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Der Ausschussvorsitzende dankt Univ.Prof. DDr. Grabenwarter und  Dr. Schnizer für ihre Ausarbeitungen.

 

 

Tagesordnungspunkt 5: Behandlung des Positionspapiers von Univ.Prof. Dr. Funk zu den sozialen Grundrechten

 

Der Ausschuss berät ein Positionspapier von Univ.Prof. Dr. Funk über allgemeine Erwä­gungen zu sozialstaatlichen Gewährleistungen und sozialen Grundrechten, welches bei der letzten Ausschusssitzung vorgelegt wurde. Bei der letzten Sitzung wurde hiezu kritisch angemerkt, dass der Vorschlag zu Ziffer 9 eingehender zu prüfen sei und dass die Erwä­gungen zur Erweiterung der verfassungs­gerichtlichen Befugnisse (Ziffer 11) mit Vorbehalt zu sehen seien. Gleiches wurde zu den Fragen des Rechtsschutzes (Ziffer 10) angemerkt.

Ein Schreiben von Univ.Prof. DDr. Graben­warter mit Anmerkungen zum Positions­papier des Ausschussvorsitzenden liegt als Tischvorlage auf.

 

Als Ergebnis der Beratungen einigt sich der Ausschuss auf folgenden Text, der in den Bericht des Ausschusses 4 aufzunehmen ist (Änderungen gegenüber dem Papier von Univ.Prof. Dr. Funk werden in blauer Farbe wiedergegeben):

 

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Sozialstaatliche Gewährleistungen und Soziale Grundrechte

Allgemeine Erwägungen und Vorschläge zu deren Aufnahme

in einen neuen Grundrechtskatalog

 

 

1.         Eine erneuerte österreichische Bundesverfassung sollte sozialstaatliche Gewähr­leistungen enthalten. Bereits die geltende Bundesverfassung ist keine „Spielregel­verfassung“, son­dern enthält Leitwertbekenntnisse in Form von sog. Baugesetzen, Staatszielbestim­mun­gen, Gesetzgebungsaufträgen und vor allem grundrechtlichen Garantien. Darunter finden sich auch Gewährleistungen sozialpolitischen Inhalts und sozialpolitischer Relevanz, z.B. in Form von Diskriminierungsverboten, Gleichbe­hand­­lungs­pflichten und Förderungsver­pflichtungen. So ist etwa das „Recht auf Bildung“ bereits geltendes Verfassungsrecht. Die vorhandenen Regelungen sind allerdings unsystematisch und unvollständig.

 

2.         Konkrete Vorschläge für eine Kombination von sozialstaatlichen Ziel- und Aufgaben­bestimmungen und individuellen Rechten sind bislang nicht angenommen worden. Nach den Vorstellungen des für Grundrechte zuständigen Konvent-Ausschusses 4 sollte eine etwaige verfassungsrechtliche Verankerung sozialstaatlicher Verantwor­tung in einem neuen Grundrechtskatalog primär in Form von individuell durchsetz­baren Gewähr­leistungen erfolgen.

 

3.         Bei der Anhörung und Aussprache vom 19. April 2004 sind unter den eingeladenen Experten zum Thema sozialstaatlicher Gewährleistungen unterschiedliche Auffas­sungen vertreten worden. Der Bogen reicht von der dezidierten Forderung nach sozia­len Grundrechten bis zu einer zurückhaltenden Auffassung, die für eine Parallel­führung mit der europäischen Rechtsentwicklung eintritt. Eine unbedingte Ablehnung solcher Verfassungsgarantien ist nicht vertreten worden. Von allen Experten wurde die Grund­rechte-Charta der Europäischen Union zum Bezugspunkt ihrer Überle­gun­gen gemacht.

 

4.         Dem Ausschuss 4 sind verschiedene Vorschläge für sozialstaatliche Gewährleistungen übermittelt worden. Die Vorschläge des Sozialdemokratischen Grundrechtsforums und der Ökumenischen Expertengruppe enthalten Kataloge subjektiver Rechte. Der Vor­schlag Prof. Grabenwarter enthält staatliche Gewährleistungspflichten im Arbeits- und Sozial­recht, die durch Gesetz umzusetzen sind. Sie alle enthalten in unterschied­licher Ausprä­gung Vorschläge für individuelle Rechte. Die Bandbreite reicht von um­fassen­den Katalo­gen sozialer Grundrechte bis zu Vorschlägen, die eher auf Gesetz­gebungs­aufträge hin aus­gerichtet sind.

 

5.         Der Ausschuss 4 hat sich mit allgemeinen Fragen der Verankerung sozialstaatlicher Gewährleistungen in einer künftigen Bundesverfassung beschäftigt. Eine Spezial­debatte über Einzelheiten konnte noch nicht nur teilweise geführt werden.

 

6.         Der Ausschuss 4 ist der Auffassung, dass eine künftige Bundesverfassung sozialstaat­liche Gewährleistungen enthalten soll. Ein Rückschritt hinter die europäische Verfas­sungs­­ent­wicklung (derzeit noch in Form der EU-Grundrechte-Charta) sollte vermie­den werden. Dazu kommt, dass nach herrschender, durch die Rechtsprechung des Euro­päischen Ge­richts­hofs für Menschenrechte und staatlicher Gerichte geprägter Rechts­auffassung in Abwehr-Grundrechten staatliche Schutz- und Gewährleistungs­pflichten eingeschlossen sind, durch welche die konfrontierende Gegenüberstellung von (klassi­schen) Abwehr­rechten und (neuen) Leistungsansprüchen bereits nach gel­ten­der Ver­fassungsrechtslage relativiert wird. Solche Ansprüche werden überdies durch Diskri­minierungsverbote garantiert, die schon jetzt Bestandteil der Verfassung sind und weiter ausgebaut werden sollen, wobei darüber aus Zeitgründen noch nicht diskutiert werden konnte.

 

7.         Der Ausschuss 4 ist weiters der Auffassung, dass sozial- und leistungsstaatliche Verfas­sungs­garantien in differenzierter und kombinierter Form eingeführt werden sollten. In Betracht kommen Staatszielbestimmungen – Gesetzgebungsaufträge – institutionelle Garantien – Grundrechte mit individuellem und kollektivem Garantie­gehalt. Ein künf­tiger Grundrechtskatalog sollte für sämtliche Möglichkeiten offen sein. Vorschläge für die konkrete Ausgestaltung wären in fortgesetzter Ausschuss­arbeit zu suchen. Ein sol­ches Vorgehen würde allerdings einen politischen Grund­konsens in diese Richtung voraus­setzen, der vom Ausschuss nicht erzeugt werden kann.

 

8.         Entsprechend den Überlegungen und Vorschlägen von Univ.Prof. Dr. Holoubek tritt der Ausschuss 4 für eine möglichst konkrete Fassung sozial- und leistungsstaatlicher Ver­fas­sungsgarantien als Grundrechte „im technischen Sinne“ ein. Formulierungen Sprach­lich diffuse Formen, wie ein „Recht auf Gesundheit“ sollten daher als aus­schließli­che Gewähr­leistungen vermieden und in genaue, rechtlich geschützte Posi­tio­nen, z.B. ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge oder einen Anspruch auf medizinische Not­fall­ver­sor­gung übersetzt und durch diese ergänzt werden.

9.         Dabei wären Eein allgemeines Missbrauchsverbot sowie Gesetzesvorbehalte vorzu­sehen, die den Staat davor schützen, zur Leistung von „Unerfüllbarem“ verpflichtet zu sein. Die wären als Schranken wären vorzusehen, jedoch so zu gestalten, dass Min­dest­standards nicht unter Berufung auf nicht vorhandene Mittel unterschritten werden können.

 

10 9.    Nach Überzeugung des Ausschusses 4 sollte das rechtliche Instrumentarium zur Durch­­setzung sozial- und leistungsstaatlicher Verfassungsgarantien ebenso differen­ziert ge­staltet sein wie die Verankerung solcher Garantien. Vorhandene Ansätze in der juristi­schen Dogmatik sind zu nutzen, zu entwickeln und auszubauen, neue Instru­mente bereit zu stellen.

 

Keine allgemeine Zustimmung finden die folgenden weitergehenden Überlegungen zu Ziffer 9, die aus Zeitgründen nicht ausreichend diskutiert werden konnten:

Eine Rechtsdurchsetzung, die ausschließlich oder vorwiegend auf dem Wege der auf individuelle Eingriffsabwehr zugeschnittenen Grundrechtsbeschwerde bei den Unab­hängigen Verwaltungssenaten und beim VfGH erfolgte, wäre unzureichend. Mechanis­men kollektiver Rechtsdurchsetzung werden zusätzlich zu schaffen sein. Der Gerichts­barkeit in Zivil-, Arbeits-, Sozialrechts- und Strafsachen werden wesentliche Funk­tionen bei der Effektivierung sozial- und leistungs­staatlicher Verfassungs­garantien zu­fallen. Hier besteht bereits ein flexibles dogmatisches Instrumentarium an argumen­tativen Mustern, insbesondere in Form des Grundsatzes der verfassungskon­formen Gesetzesauslegung und von teleologischen Operationen (Reduktion oder Extension). In einer neu zu schaffenden Verfassungsklausel sollte die Grundrechts­pflichtigkeit sämtlicher Staatsfunktionen ausdrücklich klargestellt werden.

 

11 10.  Nach Auffassung des Ausschusses 4 wird die Aufnahme von sozial- und leistungs­staatlichen Verfassungsgarantien Folgewirkungen in den Bereichen der Normen­kontrolle und des Staats­haftungsrechts haben müssen.

 

Keine allgemeine Zustimmung finden die folgenden weitergehenden Überlegungen zu Ziffer 10, die aus Zeitgründen nicht ausreichend diskutiert werden konnten:

Das traditionelle Kassationsprinzip in der verfassungs­gerichtlichen Normenkontrolle stößt schon jetzt auf Grenzen der Handhabbarkeit. Bei den neuen Gewährleistungen werden Überlegungen in die Richtung begrenzter Normsetzungsbefugnisse des VfGH anzustellen sein. Das bestehende Privileg des Ausschlusses von außervertraglicher Staatshaftung gegenüber rechtswidrigem Verhalten von Legislativorganen wird in Frage zu stellen sein.

 

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Tagesordnungspunkt 6: Fortsetzung der Themenbehandlung in merito: konkrete Vorschläge für einzelne Grundrechte (soziale Grundrechte)

 

Der Ausschuss berät das „Recht auf soziale Sicherheit“ und das „Recht auf Arbeit“ (Teilsynopsen D-29 und D-32, Anlagen 4 und 5 zum Protokoll).

Hiezu liegen Textentwürfe von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter, von der Ökumenischen Ex­per­tengruppe, von Prof. Ing. Mader/Univ. Prof. Dr. Rack, von Univ.Prof. Dr. Rack, vom Sozialdemokratischen Grundrechtsforum und von Mag. Stoisits/Grüner Parlamentsklub vor.

 

DDr. Lengheimer (als Vertreter von Univ.Prof. DDr. Grabenwarter) ist der Auffassung, wie bereits in der Sitzung vom 19. April 2004 vom Vorsitzenden ausgeführt wurde, dass aus Zeitgründen eine Diskussion über die einzelnen sozialen Grundrechte nicht sinnvoll sei und dass jedenfalls für die Sitzung am 3. Mai 2004 die Rechte der Volksgruppen und des Gleich­heitssatzes in Aussicht genommen wurden. Dazu ist festzuhalten, dass der Ausschuss am

27. April 2004 aufgrund einer Abstimmung mehrheitlich beschlossen hat, bei der Sitzung am 3. Mai 2004 die sozialen Grundrechte zu beraten.

 

Zum „Recht auf soziale Sicherheit“ gibt es folgende Anmerkungen:

 

1.   Die Frage individueller Befindlichkeit („selbstverschuldete Not“) kann über den Hilf­lo­sigkeits­vorbehalt aufgelöst werden. Unterhaltspflichten sind auf der Grundlage der Ver­hältnismäßigkeit und des Vorbehaltes gesetzlicher Regelungsmöglichkeiten zu berück­sichtigen, ebenso wie allfällige Regresspflichten.

 

2.   Zur Frage des Rechtsschutzes und der Durchsetzbarkeit (Art. 2 Abs. 2 des Entwurfes der Ökumenischen Expertengruppe und Art. 32 Abs. 2 des Entwurfes des Sozialdemokra­ti­schen Grundrechtsforums):

Bereits nach bestehender Rechtslage gibt es gesetzlich gewährleistete Rechte im Bereich der Sozialhilfe, die im Wege des öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechts­schutzes geltend gemacht werden können. Als eine weitere Möglichkeit käme – auch für den Fall des Fehlens gesetzlicher Gewährleistungen – die Einräumung klagbarer Positionen gegen den Staat in Betracht (Modell Art.137 B-VG; Staatshaftungsrecht).

 

 

Bei den Beratungen wurde noch keine Lösung erzielt. Die aus den Textentwürfen ableitbaren unterschiedlichen Positionen werden im Ausschussbericht dargestellt.

 

 


Tagesordnungspunkt 7: Allfälliges

 

In der nächsten Ausschusssitzung wird der Berichtsentwurf des Ausschussvorsitzenden beraten.

 

Die nächste Ausschusssitzung findet am

 

Montag, 10. Mai 2004, von 10.00 bis 16.00 Uhr

 

statt.

 

Der Ausschussvorsitzende dankt den Anwesenden für die konstruktive Mitarbeit und schließt die Sitzung.

 

 

 

Vorsitzender des Ausschusses 4:                                             Fachliche Ausschussunterstützung:

 

 

 

 

 

Univ.Prof. Dr. Bernd-Christian Funk e.h.                                Mag. Birgit Caesar e.h.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5 Anlagen