23. Sitzung des Präsidiums des Österreich–Konvents

3. Juni 2004, 9.30 Uhr, 1017 WienParlament, Lokal IV, Ende 16.30Uhr

Protokoll

Teilnehmer:

Dr. Franz Fiedler, Präsident des Rechnungshofes

Vorsitzender des Präsidiums

 

Dr. Peter Kostelka, Volksanwalt

Stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums

 

Angela Orthner, Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages

Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums

 

Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol, Präsident des Nationalrates

Mitglied des Präsidiums

 

Dr. Dieter Böhmdorfer, Bundesminister für Justiz

Mitglied des Präsidiums

 

Dr. Eva Glawischnig, Abgeordnete zum Nationalrat

Mitglied des Präsidiums

Dr. Claudia Kahr, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes

Mitglied des Präsidiums

 

 

Anwesend:

Dr. Edith Goldeband, Geschäftsführerin des Büros des ÖsterreichKonvents

Dr. Gerald Grabensteiner, beigezogen vom Vorsitzenden

Mag. Michael Bauer, beigezogen vom Vorsitzenden

Mag. Jochen Danninger, beigezogen vom Präsidenten des Nationalrates

Dr. Marlies Meyer, beigezogen von der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig

Mag. Ronald Faber, beigezogen vom stellvertretenden Vorsitzenden

Mag. Michael Schön, beigezogen von Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer

Mag. Katharina Peschko–Gruber, beigezogen von Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer

Landtagsdirektor Dr. Helmut Hörtenhuber, beigezogen von der stellvertretenden Vorsitzenden

 

 

Tagesordnung:

1.)     Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 6  (Reform der Verwaltung)

2.)     Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 7 (Struktur besonderer Verwaltungseingrichtungen) sowie Zusammenstellung der Verfassungsbestimmungen im Universitätsrecht

3.)           Allfälliges

 

Zu Beginn der Sitzung werden folgende Ergänzungen zum Protokoll der 21. Sitzung des Präsidiums entgegengenommen: zum Thema Inhaltsverzeichnis: „Über Frage von Präsident Dr. Andreas Khol erläutert der Vorsitzende des Ausschusses 2, dass das dem Zwischen-bericht beigefügte „Inhaltsverzeichnis“ einer neuen Verfassung ein Maximalverzeichnis darstellt. Alles was darin angeführt ist, kommt nur dann als Inhalt einer neuen Verfassung in Frage, wenn darüber Konsens besteht. In diesem Sinn meint Präsident Khol, dass dann die im Inhaltsverzeichnis in Klammer gesetzte Präambel ohne Klammer gestellt werden müsse, andernfalls, auch alle anderen ebenso umstrittenen Teile des Inhaltsverzeichnisses in Klammer gesetzt werden müssten.“

 

Zur Frage der Beiziehung externer Expertinnen und Experten für die Formulierung von Textvorschlägen: „Sollten sich die Präsidiumsmitglieder unterschiedlich positionieren, so können auch zwei oder mehr Textvarianten in Auftrag gegeben werden. Das Präsidium kommt überein, gegebenenfalls Aufträge zur Ausarbeitung von Textvorschlägen direkt an Expertinnen und Experten zu vergeben.“

 

Zu 1.)     Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 6  (Reform der Verwaltung)

Das Präsidium geht aufgrund der Ergebnisse der Vorberatungen des eingesetzten Komitees und der hiezu erstatteten Vorschläge der Präsidiumsmitglieder vor und beginnt seine Beratungen mit der mittelbaren Bundesverwaltung.

 

Mittelbare Bundesverwaltung

Das System der mittelbaren Bundesverwaltung soll grundsätzlich beibehalten werden. Zur Diskussion stehen jedoch für Teile des Präsidiums eine Modifikation zu einem Modell der generellen Steuerung und eine Reduktion auf jene Gesetze, für die eine Steuerungsfunktion des Bundes erforderlich ist. Der Rechtsbestand der mittelbaren Bundesverwaltung soll daher wechselseitig in der Weise durchleuchtet werden, dass die Bundesländer die Kontroll- und Steuerungsinstrumente des Bundes und der Bund ein allfälliges Steuerungsinteresse bei Bundesgesetzen, die durch die Länder vollzogen werden (Art 11 B-VG), bekannt geben sollen.

 

Ferner soll der Ausschuss 6 unter Berücksichtung der Mitgliedschaft Österreichs bei der EU hiezu prüfen, inwieweit Einzelweisungen durch generelle Weisungen ersetzt werden können.

In Bezug auf die Stellung des Landeshauptmannes in der mittelbaren Bundesverwaltung sieht das Präsidium keinen Änderungsbedarf. Auch für eine Zusammenfassung aller fugitiven Zuweisungen an die mittelbare Bundesverwaltung in einem Artikel besteht Konsens. Das Präsidium ersucht den Ausschuss 6, hiezu Textvorschläge zu erarbeiten.

 

Oberste Verwaltungsorgane

Der Ausschuss 6 soll umfassend prüfen, mit welchen Auswirkungen eine Reduktion der Aufzählung in Art 19 (1) B–VG auf Bundes- und Landeregierung (Enfall von bestimmten obersten Organen wie insb Staatssekretären, Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, Präsidenten des Nationalrates und des Rechnungshofes)  verbunden ist, und diesbezüglich einen Textvorschlag vorlegen. Die Stellung von Staatssekretären, Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, Präsidenten des Nationalrates und des Rechnungshofes und anderen obersten Organen, die nicht (mehr) in Art 19 (1) B–VG erfasst sind, wäre in geeigneter Form klarzustellen.

 

Zur Frage der auch vom Ausschuss 3 angesprochenen „übergreifenden Behördenstrukturen“ ersucht das Präsidium den Ausschuss 6 zu prüfen, wie sich die Einrichtung von gebiets-körperschaftsübergreifenden Behörden auswirkt bzw. welche Auswirkungen die Übertragung von Hoheitsrechten und die Einrichtung solcher Behörden über  „Art 15a –Vereinbarungen“ (Umgehung des Gesetzgebers?) nach sich ziehen.

 

Der Ausschuss 6 soll daher unter Berücksichtigung der politischen Verantwortung und der jeweiligen parlamentarischen Kontrolle (voller Weisungszusammenhang und volle demokratische Kontrolle) einen Textvorschlag für gebietskörperschaftsübergreifende sowie verbandsinternübergreifende Behörden erstellen. Dabei ist auch die Stellung der Rechts-unterworfenen (insb im Hinblick auf eine Transparenz der Zuständigkeiten und einen gleichwertigen Rechtsschutz) besonders zu beachten.

 

Die Organisationsstruktur betreffende Bund–Länder–Bindungen

Zur Frage der Aufhebung der in § 2 Abs 5 BVG–Ämter der Landesregierungen getroffenen Regelung, wonach die Geschäftseinteilung der Landesregierung der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, soweit die mittelbare Bundesverwaltung betroffen ist, und zur Frage der Aufhebung der mit § 8 Abs 5 lit d ÜG 1920 getroffenen Regelung, dass die Änderung der Grenzen der Verwaltungsbezirke der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, besteht Konsens. Das Präsidium kommt daher überein, Formulierungsvorschläge für die Aufhebung dieser Bindungen  ausarbeiten zu lassen.

 

Zu Art 15 Abs 10 B–VG, dass  die landesgesetzliche Änderung der Organisationsstruktur der Ämter der Landesregierung oder der Bezirkshauptmannschaften der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, sieht das Präsidium dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusse 3 entgegen.

 

Öffentlicher  Dienst

Eine Wiedereinführung des Homogenitätsprinzips erscheint im Hinblick auf die Rechtsentwicklung in den Bundesländern nicht realistisch; dem Präsidium sind jedoch einheitliche Standards bzw Grundsätze für das Dienst- und Besoldungsrecht ein Anliegen. Zur Frage, ob folgender Satz „Unparteilichkeit, Gesetzestreue und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sind sicherzustellen“ als Gesetzesauftrag gelten soll, wird festgehalten, dass es Aufgabe des einfachen Gesetzgebers wäre, die Aufbau- und Ablauforganisation des öffentlichen Dienstes  in der Weise zu gestalten. Das Präsidium  kommt überein, zu den Fragestellungen „Soll es ein einheitlichen Dienstrecht geben?; Soll es dem jeweils zuständigen Gesetzgeber frei stehen, welche Rechtsform (privatrechtlich und/oder öffentlich–rechtlich) er für den öffentlichen Dienst vorsieht? und Soll es ein einheitliches Dienstrecht auf Bundesebene geben?“ Varianten mit Textvorschlägen formulieren zu lassen:

Der Ausschuss 6 erhält daher nach der Maßgabe, dass es auf Bundesebene ein einheitliches Dienstrecht geben soll, den Auftrag,  die verfassungsrechtlichen Grundsätze für ein öffentlich–rechtliches Dienstrecht, für ein privatrechtliches Dienstrecht und für eine Mischform dieser beiden genannten Varianten auszuarbeiten.

 

Der Ausschuss 6 soll bei allen Varianten die Vorteile und Nachteile der unterschiedlichen Systeme erläutern und untersuchen, ob es eines besonderen Schutzes für bestimmte Funktionen bedarf und unter welchen Voraussetzungen die Disziplinargerichtsbarkeit entfallen kann. Das Präsidium beauftragt den Ausschuss 6 überdies, zur Wahrung der Durchlässigkeit der Dienste aller Gebietskörperschaften Verfassungstexte

a)      für ein gemeinsames Dienstrecht für alle Gebietskörperschaften und

b)      für gemeinsame Grundsätze in Angelegenheiten der Besoldung bzw darüber hinaus gehende Grundsätze zu erarbeiten, in denen auch ein möglicher Entfall des Art 21 Abs 4 B–VG mit berücksichtigt wird.

 

Der Ausschuss 6 soll seine Beratungen zur Frage, ob die Diensthoheit bei obersten Organen im Hinblick auf Ausgliederungen, unabhängige Behörden ua beibehalten werden soll, unter Berücksichtigung sowohl der Situation der Bediensteten in den Bundesministerien als auch der Situation der Bediensteten ausgegliederter Rechtsträger fortsetzen und Textvarianten vorlegen. Das Präsidium bevorzugt in diesem Zusammenhang ein einheitliches Personalamt und die Beibehaltung der Verantwortung des zuständigen Bundesministers.

 

Generell soll untersucht werden, ob eine verfassungsrechtliche Regelung notwendig ist oder ob mit einer einfachgesetzlichen Regelung das Auslangen gefunden werden kann.

 

Das Präsidium hält überwiegend den Art 21 Abs 4 letzter Satz B–VG für obsolet; der Regelungsinhalt (wechselseitige Informationspflichten bei Dienstrechtsvorhaben) wäre auf einfachgesetzlicher Ebene, zB im Rahmen der Begutachtung von Rechtsvorschriften bzw der Besoldungsgrundsätze, aufzufangen. Zum Teil wird die Meinung vertreten, dass diese Bestimmung erst entfallen kann, wenn ein allgemeines Begutachtungsverfahren verankert wird.

 

Die Ernennung von Beamten durch den Bundespräsidenten wird im Rahmen der Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 3 behandelt werden.

 

Erweitertes verfassungsrechtliches Effizienzgebot

Ein Effizienz- bzw Effektivitätsgebot, wonach alle Organe ein hohes Maß an Wirksamkeit anstreben und im Sinn der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit handeln, sollte nicht auf Kosten eines Partizipationsprinzips in der Bundesverfassung verankert werden. Der Ausschuss soll sich daher den Fragen, ob ein Effizienz- bzw Effektivitätsgebot den Gesetzgeber und/oder die Verwaltung bindet, ferner zur Partizipation, zur Justiziabilität und nach dem Verhältnis zum Sachlichkeitsgebot, zur Rechtsstaatlichkeit sowie zu den Prüfungszielen des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft widmen und den vorliegenden Textentwurf (ohne Amtshilfe, mit Varianten) entsprechend überarbeiten.

 


Sonderbehörden im Bereich der weisungsgebundenen staatlichen Verwaltung

Das Präsidium diskutiert die allgemeine Frage, ob grundsätzlich im Bereich der weisungsgebundenen staatlichen Verwaltung Sonderbehörden abgeschafft und die Aufgaben bei den allgemeinen Behörden konzentriert werden sollen, an.

 

Schulverwaltung und Sicherheitsverwaltung

Das Präsidium ersucht den Ausschuss 6, in beiden Bereichen für die im Bericht des Ausschusses 6 vorgestellten Modelle Textvorschläge mit Varianten auszuarbeiten und die  Vor- und Nachteile, Kosten und Nutzen (zusätzliche Kosten und Einsparungspotenziale), vermeidbare Reibungsverluste bzw Schwachstellen der entwickelten Modelle darzustellen. Der Vorsitzende erinnert an diesbezügliche Prüfungsergebnisse des Rechnungshofes.

 

Bei allen Modellen der Schulverwaltung möge der Ausschuss 6 die Partizipation (Schulgemeinschaftsausschüsse) mit einbeziehen; bei der Sicherheitsverwaltung die novellierte StPO. Das Präsidium nimmt überdies die Anregung entgegen, in den diesbezüglichen Ausschussberatungen einen Vertreter des BMJ anzuhören. 

 

Agrarbehören

Nach überwiegender Auffassung des Präsidiums kann im Hinblick auf die Verwaltungs­gerichtsbarkeit erster Instanz die verfassungsrechtliche Verankerung der Rechtsmittel­behörden (Landesagrarsenat, Oberster Agrarsenat) in Angelegenheiten der Bodenreform

(Art 12 Abs 2 B–VG) entfallen. Teilweise wird dieser Entfall von der konkreten Ausge­staltung der Verwaltungsgerichtsbarkeit abhängig gemacht.

 

Mit der Beratung des öffentlichen Haushaltswesens wird der Ausschuss 10 befasst, wobei die folgenden Fragestellungen des Ausschusses 6 berücksichtigt werden sollen:

Sollen die Bestimmungen betreffend das Haushaltsrecht (Art 51 ff B-VG) auf „Globalbudgets“ ausgerichtet werden?; Sollen die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Gliederung in Einnahmen und Ausgaben entfallen (Ausgestaltung soll sowohl nach kameralistischen als auch nach kaufmännischen Grundsätzen möglich sein)?; Soll die nähere Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber überlassen werden, der einheitliche Grundsätze im Sinne einer wirkungsorientierten Verwaltung vorzusehen hat? ... etwa auch hinsichtlich der Gliederung des Voranschlags (zB. nach Ausgabenansätzen oder Produktgruppen),... Sollen diese Grundsätze der Haushaltsführung – insbesondere der wirkungsorientierten Verwaltung –  sinngemäß auch für Länder und Gemeinden gelten?; Soll der „Stellenplan“ (als Anlage zum Bundesfinanzgesetz) durch den „Personalplan“ ersetzt werden, der auch als „Controlling–Instrument“ eingesetzt werden soll?; Soll ein Budget auch für zwei Jahre auf einmal – aber nach Jahren getrennt – beschlossen werden können?; Sollen die Bestimmungen betreffend das Budgetprovisorium flexibler gestaltet werden?

 

E–Government

Das Präsidium diskutiert einheitliche Grundlagen für ein E–Government, wobei die an den Ausschuss 5 zu stellende Frage, ob eine Bundeskompetenz analog den Regelungen im Vergaberecht (Art 14b B–VG) angestrebt werden soll, offen bleibt.

 
Zu den  Fragen, ob ein einheitliches Verordnungsregister bzw eine einheitliche Kund­machungs­plattform eingerichtet werdenund auch die Gemeinden einen einheitlichen Zugang zu E–Government gewährleisten sollen, verfolgt das Präsidium einvernehmlich die Zielsetzung, dass in einer zeitgemäßen Form feststellbar sein muss, welche Regelungen zu welcher Zeit gegolten haben bzw gelten und eine technisch zeitgemäße Kundmachung zB über das Internet erfolgen soll. Die Umsetzung dieses Anliegens muss die Entwicklung auf EU-Ebene berücksichtigen und für alle Gebietskörperschaften finanziell und technisch zumutbar sein. Der Ausschuss 2 soll daher unter Zugrundlegung der Vorgaben der EU untersuchen, wie ein für alle Gebietskörperschaften einheitlicher Zugang zum E–Government (elektronische Kundmachung und aktuelle Dokumentation der Rechtsvorschriften), zB über den Verfahrensgesetzgeber erreicht werden kann.

 

Der Ausschuss 6 erhält den Auftrag, alle die Verwaltung betreffenden Verfassungsbe­stimmungen des B–VG, insb aber die Artikel 19, 29, 21 Abs 3 bis 5, 22, 23, 78 a bis d, 8a, 81b sowie 102, 103 und 104 B–VG auf Möglichkeiten der Straffung und Systematisierung zu durchforsten. Ferner wird dem Ausschuss 6 aufgetragen, die vom Ausschuss 2 zugewiesene „Zusammenstellung der in Geltung stehenden Regelungen in bundesverfassungsgesetzlicher Form (Bundesverfassungsgesetze und Verfassungs­bestimmungen in Bundesgesetzen)“, dem Zwischenbericht des Ausschusses 2 entsprechend zu behandeln.

 

Nach einer Unterbrechung setzt das Präsidium seine Beratungen um 13.45 Uhr über Vorschläge zu den Themen Weisungsfreistellung und Ausgliederung fort.

 

Weisungsfreistellung

Das Präsidium diskutiert, in welcher Form weisungsfreie Behörden eingerichtet werden können. In diesem Zusammenhang erörtert das Präsidium die Frage, ob die Weisung durch ein „Ingerenz- und Verantwortlichkeitsmodell“, wonach den obersten Organen eine allgemeine Leitungs- und Aufsichtsbefugnis verbliebe, ersetzt werden soll und zweitens, ob für genau definierte Bereiche ("weisungsfreie Zonen") eine ausdrückliche Ermächtigung einer einfachgesetzlichen Weisungsfreistellung vorgesehen werden soll. Zur zweiten Frage stehen eine Ermächtigung des einfachen Bundes- und Landesgesetzgebers zur Einrichtung weisungsfreier Verwaltungs­organe in bestimmten Materien, eine verfassungsgesetzliche Regelung einer generellen Weisungsfreiheit bei Vorliegen bestimmter Kriterien, welche einfachgesetzlich umgesetzt werden sollen, ferner –  für den Fall des Weiterbestehens weisungsfreier Sonderbehörden – die Schaffung einer verfassungsgesetzlichen Grundlage, die eine Einrichtung weisungsfreier Behörden durch einfaches Gesetz ermöglicht, die Möglichkeit einer Weisungsfreistellung sonstiger Organe (zB Umweltanwalt, Gleichbehandlungs­beauftragte) durch einfaches Gesetz und die Festlegung von Kriterien, nach denen eine Weisungsfreistellung möglich ist, zur Diskussion. Eine völlige Freiheit des einfachen Gesetzgebers bei der Weisungsfreistellung löst demgegenüber grundsätzliche Bedenken aus.

 

Das Präsidium ersucht die Ausschüsse 6 und 7 – unter Einbeziehung des Position der Grünen vom 3. Juni 2004 – gemeinsam, in einer von den beiden Ausschüssen selbst festzulegenden Struktur, Varianten mit Textvorschlägen, wie im Folgenden näher ausgeführt, ausarbeiten:

a) für eine generelle Regelung, die den einfachen Gesetzgeber unter bestimmten inhaltlichen und formalen Voraussetzungen, unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen verwaltungskontrollierenden und verwaltungsführenden Organen, insbesondere auch der Regulatoren, zur Einrichtung weisungsfreier Organe für definierte Bereiche und Organe ermächtigt;

b) wenn eine derartige generelle Regelung nicht erstellt werden kann, eine Auflistung der weisungsfreien Organe im B–VG zu prüfen.

In die Textvorschläge sind jene Aspekte, die die Regulatoren bei ihrer Tätigkeit berücksichtigen müssen (zB öffentliches Interesse), mit einzubeziehen, ebenso Fragen der Berichtspflichten und (parlamentarischen) Kontrolle von Regulatoren.

 

An den Beratungen des gemeinsamen Ausschusses können die Vertreterinnen/Vertreter von  Präsidiumsmitgliedern teilnehmen.

 

Ausgliederung

Das Präsidium bespricht, ob es „ausgliederungsfeste Aufgaben“ des Staates geben, diese abschließend aufgelistet oder der derzeitige Status beibehalten werden soll. Zur Diskussion stehen eine ausdrückliche Ermächtigung zur Einrichtung von Rechtsträgern außerhalb der Verwaltung zur Verwaltungsführung, die Verankerung von „ausgliederungsfesten“ Kernaufgaben und eine Lockerung oder Verschärfung der Kriterien für die Ausgliederung.

 

Die Ausschüsse 6 und 7 werden beauftragt, gemeinsam die Varianten des Punktes IV des Berichtes des Ausschusses 6, dh den „Vorschlag Jabloner“ und den „Vorschlag Raschauer“ auszuarbeiten und die Systematik der bestehenden Rechtslage bzw der bisher durchgeführten Ausgliederungen zu berücksichtigen. Ebenso sollen sie eine Variante mit „Ausgliederungs-modulen“ erarbeiten, die Kriterien und Voraussetzungen enthalten, nach denen Ausgliederungen zulässig sind.

 

Alle Ausgliederungsmodelle sollen von allen Gebietskörperschaften gleichermaßen genutzt werden können. Die Ausschüsse sollen weiters prüfen, ob Kriterien für ausgliederungsfeste Bereiche (Judikatmodell, Kernaufgaben) definiert werden können.

 

Zu 2.)   Intensivberatung des Berichtes des Ausschusses 7 (Struktur besonderer Verwaltungseingrichtungen) sowie Zusammenstellung der Verfassungs-bestimmungen im Universitätsrecht

 

In Rede steht zunächst eine „Typisierung“ von  weisungsfreien Behörden und Regulatoren.  Die Verpflichtung der Regulatoren zur Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse übersieht, so die Auffassung im Präsidium, dass die Aufgaben einer solchen Behörde im öffentlichen Interesse gelegen und ein besonderes Interesse der Bevölkerung an der Infrastruktureinrichtungen gegeben sein müssten. Der gemeinsame Ausschuss 6 und 7 soll daher die vorgelegte Variante B vertiefen.

 

Zu der auch vom Ausschuss 7 angesprochenen Integration eines Großteils der weisungsfreien Behörden (insbesondere nach Art. 133 Z 4 B–VG) in eine künftige Verwaltungsgerichts-struktur, zu den Berichtspflichten und zu der (parlamentarische) Kontrolle von Regulatoren sowie zu den einfachgesetzlichen Anregungen zur inneren Organisation von Regulatoren erzielte das Präsidium bereits Konsens.

 

Das Präsidium kommt neuerlich auf das Thema Ausgliederungen zu sprechen. Die hiezu vom Ausschuss 7 erhobenen Fragestellungen, nämlich betreffend das Recht des Bundes zur Normierung von Sondergesell­schafts­­recht (im Rahmen seiner Zivilrechts­kompetenz) im Fall von Ausgliederungen, betreffend einen möglichst eng umfassten Spielraum für besonderes Ausgliederungs–Organisations­­recht und das Anliegen, dass jedenfalls alle Gebietskörper-schaften solche Formen in gleicher Weise nutzen können,  hat das Präsidium dem gemeinsamen Ausschuss zugewiesen.

           

Die Anknüpfung der Zuständigkeit des Rechnungshofs an den Begriff „Rechtsträger“ und die Zusammenfassung diverser Verfassungsbestimmungen des V. Hauptstücks sowie die Erweiterung der Zuständigkeit der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger wird das Präsidum  im Zuge des Intensivberatungen des Berichtes des Ausschusses 8 behandeln. Das Präsidium befürwortet einhellig die Beibehaltung der derzeitigen Regelung der Amtshaftung für ausgegliederte Rechtsträger.

 

Privatwirtschaftsverwaltung

Dem Präsidium liegt der Vorschlag (Punktation) für ein ergänzendes Mandat zu den Themen „Handlungsformen und Rechtsschutz der öffentlichen Verwaltung – insbesondere auch im Hinblick auf die Privatwirtschaftsverwaltung“ vor, das auch dem Anliegen eines weit-gehenden Zusammenwirkens der Gebietskörperschaften im Förderungsbereich und den Anregungen zur effektiveren Kontrolle der Subventionsverwaltung (Förderrichtlinien, Vereinheitlichung von Berichten usw.) entgegenkommt. Die Mitglieder des Präsidiums werden bis 9. Juni 2004 Expertinnen/Experten für eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema nominieren.

          

Nichtterritoriale Selbstverwaltung (insb. Interessenvertretungen)

Das Präsidium erörtert, ob und in welcher Form die nicht territioriale Selbstverwaltung in der Verfassung verankert werden soll: In dieser Diskussion werden eine generelle Ermächtigung, dass durch einfaches Gesetz Selbstverwaltungskörper eingerichtet werden können,  eine Verankerung der wesentliche Strukturmerkmale und Ausprägungen,  die Verankerung von bestimmter Gruppen von Selbstverwaltungskörpern (Sozialpartner, Arbeitnehmer, Wirtschaft, Hochschülerschaft, freie Berufe ua), die jedenfalls als solche einzurichten sind, und die Verankerung der Verwaltung der Sozialversicherung durch Selbstverwaltungskörper angesprochen.

 

Die unterschiedlichen Auffassungen bestehen insb zur Frage, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen (demokratische Willenbildung, Transparenz, ua) die vier Sozialpartner aufgrund ihrer besonderen Stellung in die Bundesverfassung aufgenommen werden sollen. Der Ausschuss 7 soll daher ausgehend vom Bericht des Ausschusses Textvorschläge für folgende im Präsidium erörterte Positionen formulieren:

 

1)      Grundsätzliche verfassungsrechtliche Verankerung der nichtterritorialen Selbstverwaltung ohne Nennung bestimmter Gruppen von Selbstverwaltungskörpern

2)      Verankerung einschließlich ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Absicherung der Kammern der Arbeitnehmer, Wirtschaft und Landwirtschaft

3)      Verankerung einschließlich ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Absicherung der Kammern der Arbeitnehmer, Wirtschaft und Landwirtschaft sowie der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH)  und der Sozialversicherung

4)      Verankerung einschließlich ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Absicherung der Kammern der Arbeitnehmer, Wirtschaft und Landwirtschaft sowie der ÖH, der Sozialversicherung sowie der freien Berufe

 

Bei allen Varianten ist auf die demokratische Legitimation und Willensbildung sowie wirksame Kontrolle dieser Einrichtungen ausdrücklich Bedacht zu nehmen.

 

Die Übertragung von Aufgaben staatlicher Verwaltung an Selbstverwaltungskörper nur unter Bereitstellung der Mittel stellt keine Verfassungsfrage dar. Die Schaffung einer Staatsziel­bestimmung betreffend die Sozialpartnerschaft wäre vom Ausschuss 1 zu behandeln.

 

Ferner wird dem Ausschuss 6 aufgetragen, die vom Ausschuss 2 zugewiesene „Zusammen­stellung der in Geltung stehenden Regelungen in bundesverfassungsgesetzlicher Form (Bundesverfassungsgesetze und Verfassungs­bestimmungen in Bundesgesetzen)“, dem Zwischenbericht  des Ausschusses 2 entsprechend zu behandeln.

 

Das Präsidium wird den Ausschuss 2 ersuchen, die Zusammenstellung von Verfassungs­bestimmungen im Universitätsrecht zu behandeln.

 

Zu 3.) Allfälliges

Es wird festgehalten, dass aufgrund der Sondersitzung des Nationalrates die am 4. Juni 2004 vorgesehene Sitzung des Präsidiums entfällt. Ferner wird vereinbart, dass die Ausschuss-betreuer die Arbeiten für die Ergänzungen der Ausschussmandate möglichst rasch, jedoch bis Montag, 7. Juni 2004 (Mittag), erstellen und mit dem eingesetzten Komitee vorbereiten sollen.

 

Das vom Vorsitzenden des Ausschusses 6 (Reform der Verwaltung) übermittelte Angebot zur Einholung eines Gutachtens zum Thema „Freisetzung von Effizienzpotentialen in der öffentlichen Verwaltung“ wird verteilt.

 

In der nächsten Sitzung des Präsidiums am 9. Juni 2004, um 11.00 Uhr im Lokal IV sollen der Bericht des Ausschusses 4 vorgestellt und die ergänzenden Mandate der Ausschüsse 5, 6, 7 und 9 finalisiert werden.


 

Anlage

Dr. Eva Glawischnig

Arbeitsunterlage für das Präsidium am 3. Juni 2004

 

 

Weisungsfreie Organe

Grüne Position

 

Derzeit können mit Verfassungsbestimmung oder Bundesverfassungsgesetz nach Belieben Organe weisungsfrei gestellt werden. Da der verfassungsrechtliche Wildwuchs beendet werden soll, stellt sich die Aufgabe, in der Verfassung den einfachen Gesetzgeber zur Einrichtung weisungsfreier Organe zu ermächtigen.

 

„Weisungsfreie Zonen“:

 

Weisungsfreie Organe sollten die Ausnahme darstellen und stellt sich daher die Frage, wie diese Ausnahmen definiert werden. Hiefür gibt es folgende Anknüpfungspunkte:

 

a)      Die Art der Tätigkeit des Organs, wie zB Sachverständigentätigkeit, Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bzw anwaltschaftliche Vertretung diffuser oder subjektiver Interessen (zB Umweltanwaltschaften, Gleichbehandlungsanwaltschaft, Rechtsschutzbeauftragter), sonstige Kontrolle der Verwaltung (finanzielle Kontrolle), Schieds- und Mediationstätigkeit, behördliche Entscheidungen.

b)      Den Verwaltungsbereich, in dem das Organ tätig ist, wie zB Datenschutz-, Dienst-, Gleichbehandlungs-, Umweltschutz-, Tierschutz-, Gesundheits- und Jugendrecht, Regulierung liberalisierter Märkte.

 

Eine Möglichkeit der Abgrenzung wäre auch a) aufgrund von EU-Recht zwingende Einrichtung des Organs und b) Kontrolle der Verwaltung (zum Schutz subjektiver oder diffuser Interessen). Die bisherigen Vorschläge der Ausschüsse 6 und 7 decken jedenfalls nicht alle bisherigen Anwendungsfälle ab (siehe dazu zB Positionspapier der Umweltanwaltschaften) und sind darüber hinaus nicht stringent.

 

Sonstige Voraussetzungen:

 

Da die Weisungsfreiheit in der Frage der Erledigung die parlamentarische Kontrolle durchbricht, sind kompensatorische Maßnahmen notwendig. Außerdem sind neben der Weisungsfreistellung andere Maßnahmen notwendig, um die Unabhängigkeit des Organs zu befördern. Verwaltungskontrollierende Organe befinden sich naturgemäß in einem gewissen Spannungsfeld zum Obersten Organ. Aus diesen Gründen sollte die Verfassung mit der Weisungsfreistellung der Organe bestimmte Vorsorgen betreffend

 

 

zwingend verbinden.

 

Auch in diesem Punkt sind die bisherigen Vorschläge unbefriedigend (zum Punkt Mindestausstattung siehe wieder Positionspapier der Umweltanwaltschaften).