38. Sitzung des Präsidiums des Österreich–Konvents

29. November 2004, 10.00 Uhr, 1017 WienParlament, Lokal III, Ende 16.00 Uhr

 Protokoll

Teilnehmer:

Dr. Franz Fiedler, Präsident des Rechnungshofes a.D.

Vorsitzender des Präsidiums

 

Dr. Peter Kostelka, Volksanwalt

Stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums

 

Angela Orthner, Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages

Stellvertretende Vorsitzende des Präsidiums

 

Dr. Eva Glawischnig, Abgeordnete zum Nationalrat

Mitglied des Präsidiums

 

Dr. Manfred Matzka, Sektionschef als Vertreter von Dr. Claudia Kahr

 

Univ.Prof. Dr. Andreas Khol, Präsident des Nationalrates

Mitglied des Präsidiums

 

Herbert Scheibner, Klubobmann; Mitglied des Präsidiums

 

Anwesend:

Dr. Edith Goldeband, Geschäftsführerin des Büros des ÖsterreichKonvents

Dr. Renate Casetti, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Gerald Grabensteiner, beigezogen vom Vorsitzenden

Mag. Dagmar Hartl, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Clemens Mayr, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Ingrid Moser, beigezogen vom Vorsitzenden

Dr. Gert Schernthanner, beigezogen vom Vorsitzenden

Landtagsdirektor Dr. Helmut Hörtenhuber, beigezogen von der stellvertretenden Vorsitzenden

Mag. Jochen Danninger, beigezogen vom Präsidenten des Nationalrates

Dr. Marlies Meyer, beigezogen von der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig

Mag. Thomas Sperlich, beigezogen von der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig

Mag. Ronald Faber, beigezogen vom Stellvertretenden Vorsitzenden

Mag. Katharina Peschko-Gruber, beigezogen von Klubobmann Herbert Scheibner

Mag. Joachim Preiss, beigezogen vom Mitglied des Verfassungsgerichtshofes

 

 

Tagesordnung:

 

1.)          Protokolle der letzten Sitzungen

2.)           Fortsetzung der Beratungen zu Demokratie und Kontrolle
Kontrollausschuss, Auskunftsrecht, Direkte Demokratie (Volksbefragung, Volksbegehren, obligatorische Volksabstimmung nach Volksbegehren), Kontroll- und Minderheitenrechte in Gemeinden und Landtagen, Kompetenzen des Bundespräsidenten, Verfassungsrechtliche Sonderstellung Wien

2.)3.) Fortsetzung der Beratungen zu Grundrechten (sofern noch nicht behandelt bzw. allenfalls vorliegende Textentwürfe des Vorbereitungskomitees) und Staatszielen Prinzipien und Präambel Umwelt, Frieden, umfassende Sicherheit, Neutralität, Altösterreicher und Südtiroler, Familie, Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, ausgeglichener Haushalt, Höchstgrenze der Besteuerung, Sozialstaat, Rechtsstaat

2.)4.) Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit
Weisungsrecht des BMJ, Richterernennung, Gesetzes- bzw. Verfassungsbeschwerde, Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mit Abschaffung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit, Anfechtungsbefugte bei Verwaltungsgerichten und VfGH, Staatshaftung, Menschenrechts- und Rechtsschutzbeauftragte, Fragen des Disziplinarrechts insbes. bei der Justiz Textvorschläge zu den bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen betreffend die Gemeinden

2.)5.) Reform der Verwaltung
Legalitätsprinzip, einheitliches Dienstrecht, Schul-, Sicherheits- und Gesundheitsverwaltung, Selbstverwaltung inkl. Universitäten, Regionenmodell, Statutarstädte

2.)6.) Allfälliges

zu 1.)  Protokolle der letzten Sitzungen

 

Die Geschäftsführerin des Büros nimmt Ergänzungen zu den Entwürfen der Protokolle der 36. und 37. Sitzung entgegen, die im Vorbereitungskomitee überarbeitet werden.

 


zu 2.)     Fortsetzung der Beratungen zu Demokratie und Kontrolle
Kontrollausschuss, Auskunftsrecht, Direkte Demokratie (Volksbefragung, Volksbegehren, obligatorische Volksabstimmung nach Volksbegehren), Kontroll- und Minderheitenrechte in Gemeinden und Landtagen, Kompetenzen des Bundespräsidenten, Verfassungsrechtliche Sonderstellung Wien

 

Das Präsidium nimmt Bezug auf den im Bericht des Ausschusses 8 (Seite 14) enthaltenen Textvorschlag zu Art 52 c von Lichtenberger und diskutiert die Einrichtung eines Kontrollausschusses, der sich im Unterschied zum ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses nicht mit Mängeln, sondern vor allem mit strategischen Fragen der Bereitstellung öffentlicher Leistungen durch Unternehmungen (ab einer Beteiligung der öffentlichen Hand von 25%) insb auch im Infrastrukturbereich befassen soll. Mitglieder des Präsidiums äußern hiezu die Sorge, dass hiedurch Nachteile für die betroffenen Unternehmungen entstehen könnten.

 

Ferner bespricht das Präsidium im Zusammenhang mit Art 8 EMRK, Art 20 Abs 3 B–VG und dem Auskunftspflichtgesetz die Vorschläge (von Prammer, Poier, Lichtenberger) zur Ausgestaltung des Auskunftsrechtes als subjektives Recht im B–VG sowie die Auswirkungen für den VfGH bzw den VwGH und hält hiezu unterschiedlichen Meinungen fest. Ferner geht das Präsidium in diesem Zusammenhang auf den Vorschlag von Janko zur EU-konformen Neuregelung der Offenlegung von Bezügen und Ruhebezügen gem dem Bezügebegrenzungsgesetz (Nachfolgeregelung zu § 8 Bezügebegrenzungsgesetz und Einkommensbericht gem Art 121 B–VG) ein. Der Vorschlag findet im Präsidium Unterstützung.

 

Zur Stärkung der direkten Demokratie (Volksbefragung, Volksbegehren, obligatorische Volksabstimmung nach Volksbegehren) besteht Konsens, dass für Volksbegehren, der Grundsatz der Diskontinuität im GOG-NR durchbrochen werden soll. Eine Beteiligung an Volksbefragung und Volksbegehren soll ab dem vollendeten 16. Lebensjahr ermöglicht werden. Ferner steht die Beteilung aus dem Ausland in Rede. Sympatie gibt es auch für den Vorschlag, zu ausreichend unterstützten Volksbegehren verpflichtend eine Volksbefragung durchzuführen. Die weitergehende Vorschläge für eine obligatorische Volksabstimmung nach einem hinreichend unterstützten Volksbegehren sowie zur Erweiterung der Gegenstände von Volksbegehren und Volksbefragungen und das Initiativrecht für eine Volksbefragung (Vorschläge von Lichtenberger) finden keinen Konsens im Präsidium.

 

Hinsichtlich der Kontroll- und Minderheitenrechte in Gemeinden und Landtagen steht das Anliegen zur Diskussion,  auf Bundes- und Landesebene einheitliche demokratische Grundsätze (Standards über die die Länder hinausgehen können) zu verankern. Bezug nehmend auf die Textvorschläge im ergänzenden Bericht des Ausschusses 8 (Prammer, Lichtenberger zu Art 98 Abs 5, Poier zu Art 102 Abs 6; auf Seite 17 bespricht das Präsidium die unterschiedliche Ausgestaltung der Interpellation gegenüber dem Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung; eine einheitliche Regelung für alle Bundesländer scheint konsensfähig, jedoch ist die Beratung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen. Im Präsidium wird die Meinung vertreten, dass die Gemeindeverbände in die Kontrollrechte der Gemeinden miteinbezogen werden sollten. Die Vorschläge (Lichtenberger) für verpflichtende Minderheitenrechte in den Landtagen und den Gemeinderäten finden keinen Konsens.

 

Schließlich hat das Präsidium in diesem Zusammenhang noch die Bereiche Kompetenzen des Bundespräsidenten sowie Sonderregelungen für die Bundeshauptstadt Wien erörtert.

 

Zu den Kompetenzen des Bundespräsidenten kann ein über die bisherigen Beratungen hinausgehender Konsens nicht erzielt werden. Daher bleiben die in der 31. Sitzung am 4. Oktober erzielten Ergebnisse weiterhin maßgeblich.

 

Zu den bundesverfassungsgesetzlichen Sonderregelungen betreffend die Bundeshauptstadt Wien kann kein Konsens über eine Änderung bzw. Aufhebung der Art. 108, 111 und 112 B–VG erzielt werden. Hinsichtlich einer allfälligen Abänderung des Art. 109 im Hinblick auf die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Instanz wird die Beratung nicht abgeschlossen, da erst mit Vertretern der Stadt Wien Rücksprache gehalten werden soll.

 

zu 3.)     Fortsetzung der Beratungen zu Grundrechten (sofern noch nicht behandelt bzw. allenfalls vorliegende Textentwürfe des Vorbereitungskomitees) und Staatszielen Prinzipien und Präambel Umwelt, Frieden, umfassende Sicherheit, Neutralität, Altösterreicher und Südtiroler, Familie, Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht, ausgeglichener Haushalt, Höchstgrenze der Besteuerung, Sozialstaat, Rechtsstaat

 

In der Folge wird eine erste Grundsatzdiskussion über Fragen im Zusammenhang mit der Einklagbarkeit von Grundrechten geführt, wobei von allen Seiten die Wichtigkeit der Justiziabilität der Grundrechte betont, jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass die konkrete Diskussion über die einzelnen Details den nächsten Präsidiumssitzungen, insbesondere jenen am 6. und 7. Dezember 2004, vorbehalten bleiben solle:

 

Zum Problemkreis „Gesetzesbeschwerde“ (ehemals „Subsidiarantrag“) – „Verfassungs-beschwerde“ (ehemals „Urteilsbeschwerde“) wird einerseits die Gesetzesbeschwerde in der Fassung des im Bericht des Ausschusses 9 enthaltenen gemeinsamen Textvorschlags Jabloner/Grabenwarter/Rzeszut gefordert, wobei diesbezüglich auch auf das gemeinsame Sozialpartner-Papier verwiesen wird; gleichzeitig wird die Verfassungsbeschwerde – wegen der drohenden Überlastung des VfGH im Fall ihrer Einführung und unter ausdrücklichem Hinweis auf die negativen Auswirkungen der Urteilsbeschwerde in Deutschland – abgelehnt. Auch eine Verbandsklage wird abgelehnt. Dagegen solle die Bescheidbeschwerde nach Art. 144 B–VG bleiben. Andererseits wird die Einführung sowohl der Verfassungsbeschwerde als auch der Verbandsklage gefordert; die Einführung der vorgeschlagenen Gesetzesbeschwerde sei zu wenig weitgehend. Dabei wird u. a. auch Kritik an der mangelnden Effizienz der Grundrechtsbeschwerde geübt: diese werde derzeit in wenigen Fällen erhoben und habe nur selten Erfolg. Weiters wird von Teilen des Präsidiums darauf verwiesen, dass ohne eine Verfassungsbeschwerde kein einheitlicher Grundrechtsschutz gesichert sei und gerade bei den sozialen Grundrechten, die zum Großteil in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen, das bisherige Grundrechtsschutzinstrumentarium nicht ausreicht.

 

Zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Staatshaftung wird einerseits die Meinung vertreten, dass ein Staatshaftungsanspruch nur bei gänzlicher Untätigkeit des Gesetzgebers bestehen solle. Andererseits wird ein solcher Staatshaftungsanspruch darüber hinaus – entsprechend einem im Ausschuss 9 erstatteten Textvorschlag – auch für Fälle der „qualifizierten Untätigkeit“ („qualifizierte Rechtswidrigkeit“) des Gesetzgebers gefordert.

 

Letztlich wird betont, dass noch weiterer Beratungsbedarf gegeben sei und eine abschließende Regelung der Frage der Einklagbarkeit der Grundrechte erst bei Vorliegen des „Gesamtpakets“ getroffen werden könne. Sodann setzt das Präsidium seine Beratungen einzelner Grundrechte fort.

 

Recht auf Menschenwürde:

Grundsätzlicher Konsens als einklagbares Grundrecht.

Kein Konsens wird in der Frage erzielt, ob die Grundrechtsbeschwerde beim OGH als ausreichend für die Rechtsdurchsetzung angesehen wird oder dieses Grundrecht  unmittelbar einklagbar sein soll.

 

Recht auf Leben

Es bestand grundsätzlicher Konsens zur Verankerung als Grundrecht.

Zu den Absätzen 1, 2 und 3 erzielte das Präsidium Konsens, aber nicht zum Ergänzungs-vorschlag zu Abs 1. Die gegenwärtige Rechtslage zur Fristenlösung soll nicht geändert werden. Dies sollte auch Eingang in die erläuternden Bemerkungen finden. Dem zusätzlichen Vorschlag zur Aufnahme eines Rechts der Frauen auf Selbstbestimmung über ihre eigene Reproduktionsfähigkeit wurde im Präsidium nicht näher getreten. Kein Konsens wurde über die Frage eines Verbotes der Sterbehilfe und dem Recht auf ein menschenwürdiges Sterben unter Festschreibung sozialer Garantien erzielt.

 

Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit:

Es bestand grundsätzlicher Konsens zur Verankerung als Grundrecht und zum Textvorschlag. Auf Überschneidungen zum Recht auf Gesundheit wird hingewiesen.

 


Folterverbot:

Es bestand grundsätzlicher Konsens zur Verankerung als Grundrecht und zum Textvorschlag.

 

Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit

Es bestand grundsätzlicher Konsens zur Verankerung als Grundrecht und zum Textvorschlag.

 

Schutz der persönlichen Freiheit:

Es bestand grundsätzlicher Konsens zur Verankerung als Grundrecht und zum Textvorschlag. Ein Teil der Präsidiumsmitglieder äußert den Wunsch, die 48-Stundenfrist für die Festnahme ohne richterlichen Befehl auf 24 Stunden zu verkürzen.

 

Um 16.00 Uhr wird die Sitzung beendet und die noch nicht behandelten Punkte der Tagesordnung werden in den folgenden Sitzungen am 6. und 7. Dezember  beraten.