Wiener Integrationskonferenz

 

 

 

Positionspapier der Wiener Integrationskonferenz

zum Thema neue Verfassung für Österreich

 

Themenbereich „Minderheiten“

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Wiener Integrationskonferenz ist eine Plattform von Selbstorganisationen der MigrantInnen und der im MigrantInnenbereich tätigen Beratungs- und Betreuungseinrichtungen. Die Diskussion zur neuen Verfassung für Österreich sehen wir als eine wichtige Chance zur Modernisierung des Grunddokumentes unserer Gesellschaft.

 

Wir möchten uns im Folgenden auf den Bereich der Grundrechte beschränken, deren Verankerung als Menschen- oder BürgerInnenrechte Stellung und Schutz von Menschen mit Migrationshintergrund ohne und mit österreichischem Pass grundlegend bestimmen.

 

Unser wesentlichstes Anliegen ist es, den in der Verfassung als Staatsbürgerrecht angelegten Gleichheitsgrundsatz vor dem Hintergrund des B-VG zur Beseitigung aller Formen von rassistischer Diskriminierung und der darauf beruhenden Judikatur des VfGH zu einem staatsbürgerschaftsunabhängigen Menschenrecht weiter zu entwickeln. So sollte die neue Verfassung explizit die Gleichheit aller in Österreich Lebenden vor dem Gesetz und den Schutz aller Menschen vor Diskriminierung zum Inhalt haben. Artikel 7 des B-VG sollte daher als Dreh- und Angelpunkt eines umfassenden Antidiskriminierungspakets (ADP) lauten: „Alle Menschen, die in Österreich leben, sind vor dem Gesetz gleich.“ 

 

Weiters sollte dem Art. 13 EGV (Vertrag von Amsterdam) und den auf Unionsebene bestehenden einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien auch in der österreichischen  Verfassung ein besonderer Stellenwert zugemessen werden.  Dementsprechend sollte Artikel 7 Abs. 1 neben dem Bekenntnis zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern bzw. behinderten und nichtbehinderten Menschen auch allen anderen in Art. 13 EGV erwähnten diskriminierungsgefährdeten Menschen Schutz vor Benachteiligung zusichern und positive Fördermaßnahmen zur faktischen Gleichstellung nicht nur zulassen sondern als wesentliches Ziel des Staates verankern.

 

Eine besondere Ausformung des Gleichheitsgrundsatzes ist der Schutz und die Förderungsmaßnahmen, die so genannten autochthonen, „alteingesessenen“ Minderheiten in Österreich erfreulicherweise zukommt, wenn es auch bei der Umsetzung der Schutzbestimmungen aus den Staatsverträgen von St. Germain und Wien und der jüngeren Verfassungsbestimmungen viele Defizite gibt (z.B. topografische Verordnungen, Volksgruppengesetz).

 

Wir sehen eine rechtspolitische Herausforderung der Zukunft darin, dass sich Österreich in ähnlicher Weise wie in Art. 8 Abs. 2 B-VG (eingefügt im Jahre 2000) auch zu seinen allochthonen, in jüngerer Zeit zugewanderten „neuen“ Minderheiten bekennt. So sollte neben dem Schutz der „alten“ so genannten autochthonen Minderheiten der Schutz von „neuen“ ethnischen, sprachlichen, religiösen und kulturellen Minderheiten, die auf österreichischem Staatsgebiet leben, in der neuen Verfassung verankert und deren Identität, Sprache und kulturelle Traditionen in ähnlicher Weise geschützt und gefördert werden.

 

Das Verfassungsprinzip der repräsentativen Demokratie lebt von der Mitsprache aller von Gesetzen und sonstigen politischen Entscheidungen betroffenen in Österreich lebenden Menschen. Die politische Mitsprachemöglichkeit von MigrantInnen manifestiert sich primär in der Möglichkeit wählen und gewählt werden zu können. Das Wahlrecht ist ein Grundrecht und derzeit weitgehend als Staatsbürgerrecht gestaltet. Mit Ausnahme von EU-BürgerInnen und so genannten DrittstaatsbürgerInnen mit fünf Jahren Wohnsitz in Wien können Menschen ohne österreichischen Pass derzeit auf keiner Ebene der allgemeinen Vertretungskörper wählen und gewählt werden. Im Hinblick auf diesen Ausschluss zahlreicher Menschen mit Lebensmittelpunkt in Österreich ist die derzeitige Demokratie eine schwerwiegend defizitäre. Um dieses Defizit zu beheben, erachten wir es als unerlässlich, im Rahmen der neuen Verfassung MigrantInnen mit anderen als der österreichischen Staatsbürgerschaft das aktive und passive Wahlrecht auf Bezirks-, Gemeinde- ,Landes- und Bundesebene einzuräumen bzw. zumindest deren Gleichstellung mit EU-BürgerInnen vorzusehen.

 

Die Einräumung des Wahlrechts wäre ein starkes Signal dafür, dass auch die Meinungen und Interessen dieser Menschen wertvoll und zu vertreten sind. Dies wäre ein weiterer Eckpunkt eines ADP. Es ist unbestritten, dass nur ein gleichberechtigtes Reden und Handeln von MigrantInnen und ÖsterreicherInnen auf allen gesellschaftlichen Ebenen neu entstehende aber auch alte, bereits bestehende Ungleichheiten beseitigen kann. Auch die bestehenden ungleichen Möglichkeiten der politischen Partizipation zwischen den in Österreich lebenden Bürgern der Europäischen Union und den sogenannten Drittstaatsangehörigen entspricht nicht dem „europäischen Geist“.

 

Da der Österreich-Konvent sich zu einer umfassenden Diskussion über die anstehende Verfassungsreform bekennt, möchten wir noch das Thema der Verwendung von kritisch zu hinterfragenden Begriffen einbringen. Als Beispiel sei der in der österreichischen Rechtsordnung verwendete Begriff „Fremde“ (z.B. Kompetenztatbestand Fremdenwesen) zu nennen. Die in der österreichischen Öffentlichkeit häufig diskutierten politischen Maßnahmen zur möglichst guten Integration von MigrantInnen (z.B. durch die so genannte „Integrationsvereinbarung“) werden a priori durch die diesen Menschen als unveränderlich zugeschriebene Fremdheit erschwert und dadurch ihrer Ausgrenzung Vorschub geleistet. Wir plädieren daher eindringlich für einen sensiblen Umgang mit Sprache sowie für die Verwendung von Begriffen, die sich auf die Inhalte der Regelungen anstelle die von den Regelungen betroffenen Menschen beziehen.

 

Mit der Hoffnung, dass unsere Vorschläge im weiteren Diskussionsprozess des Österreich-Konvents Berücksichtigung finden werden, bedanke ich mich für die Einladung der Wiener Integrationskonferenz.

 

 

Für die Wiener Integrationskonferenz

 

Mag. Marko Iljic