Verein österreichischer Juristinnen

1040 Wien

Blechturmgasse 10/18

Tel: 0650-8405031

 

 

 

 

An den Vorsitzenden des Österreich-Konvents

Dr. Franz Fiedler

 

An den stellvertretenden Vorsitzenden des Österreich-Konvents

Dr. Heinz Fischer

 

Per Fax

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Fiedler,

sehr geehrter Herr Dr. Fischer!

 

Der Verein österreichischer Juristinnen besteht seit mehr als 15 Jahren. Wir haben uns immer für eine Weiterentwicklung der österreichischen Rechtskultur im Sinne von Emanzipation und Frauenrechten eingesetzt.

 

Mit großer Besorgnis haben wir wahrgenommen, dass die zivilisatorische Errungenschaft des straffreien Schwangerschaftsabbruchs massiv in Frage gestellt wird, wie wir dem Ihnen vorliegenden Vorschlag des ÖCV für Österreichs neue Bundesverfassung (http://www.oecv.at/presse/20040405.pdf, insbesondere Art 46) entnommen haben.

 

Der Verein österreichischer Juristinnen fordert den Konvent auf, mit dem Thema Selbstbestimmung und Gesundheit von Frauen sensibel umzugehen. Eine Beschäftigung des Konvents mit sozialen und gesundheitlichen Grundrechten darf keine Einschränkung des erreichten Rechtsstandards bei Fristen- und Indikationslösung mit sich bringen. Vielmehr muss der Konvent gerade in dieser Angelegenheit seine Aufgaben zur Entwicklung einer modernen Verfassung konkretisieren und sich den Anforderungen einer offenen Gesellschaft stellen.

 

Dies beinhaltet die Gewährleistung von reproduktiver Gesundheit und Selbstbestimmung für Frauen. Wir legen dem Konvent daher nahe, in einen zukünftigen Grundrechtskatalog ein umfassendes Grundrecht auf reproduktive Selbstbestimmung aufzunehmen, in dem die Freiheit jeder Einzelnen garantiert wird, Zahl und Zeitpunkt von Geburten unter den bestmöglichen medizinischen Bedingungen selbst zu bestimmen. Frauen müssen die Mittel frei wählen können, die sie dazu einsetzen. Es darf für Frauen keinen wie auch immer gearteten faktischen oder rechtlichen Zwang geben, eine unerwünschte Schwangerschaft auszutragen oder eine bestehende Schwangerschaft zu beenden.

 

Verbote und Einschränkungen führen nicht dazu, dass es keine Abtreibungen mehr gibt – Frauen haben in der Zwangslage einer ungewollten Schwangerschaft zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften trotz schwerster staatlicher Strafen versucht, Schwangerschaften abzubrechen. In der Illegalität erfolgen Schwangerschaftsabbrüche unter Bedingungen, die das Recht der Frauen auf Leben und körperliche Integrität schwerstens gefährden. Gegner der Fristenlösung nehmen in Kauf, dass Frauen unter menschenunwürdigen Bedingungen zu illegalen Praktiken Zuflucht nehmen müssen.

 

Wir fordern Sie auf, die entsprechenden Gremien des Österreich-Konvents mit dieser Forderung zu befassen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

 

 

 

Maga Martina Thomasberger                            Drin  Renate Novak eh.

Vorsitzende                                        stv. Vorsitzende