Novellierungsvorschläge des Österreichischen Städtebundes zum Konsultationsmechanismus

vom 8. Juni 2004

 

 

1.        Ausweitung des Anwendungsbereiches des Konsultationsmechanismus

 

·                    Einnahmenausfälle – steuerpolitische Maßnahmen

 

            Notwendige Grundlage jeder Vereinbarung ist unter anderem immer auch der grundsätzlich unveränderte Weiterbestand der für den Vertragsabschluss essentiellen Rahmenbedingungen; fällt die Geschäftsgrundlage nachträglich weg, insbesondere weil eine Seite die Bedingungen in unerwarteter Weise zum Nachteil ihres/r Partner/s verändert, vermag die Vereinbarung keine verbindliche Wirkung mehr zu entfalten.

Ein Versuch, den vorstehenden Grundsatz zu effektuieren, ist in der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ aus dem Jahre 1998 zu erblicken. Durch das mit dieser Vereinbarung etablierte Regime erhalten die Gebietskörperschaften die Möglichkeit, sich gegen Zusatzbelastungen zur Wehr zu setzen, die aus rechtsetzenden Akten des gegenbeteiligten Bundes oder eines Bundeslandes resultieren, ohne in diesem Zusammenhang sogleich das zwischen den Finanzausgleichspartnern vereinbarte „Paktum“ und damit den Finanzausgleich als solchen in Frage stellen zu müssen.

 

Bedenkt man diesen inneren Zusammenhang zwischen Finanzausgleichspaktum und Konsultationsmechanismus (Stabilitätspakt), muss ein auf Dauer unhaltbarer Wertungswiderspruch darin gesehen werden, dass zwar rechtsetzende Maßnahmen mit Ausgaben erhöhender Wirkung in das Konsultationsregime mit einbezogen werden, nicht aber solche, die einen Entfall von – beim Paktumsabschluss einkalkulierten – Einnahmen nach sich ziehen. Für derartige steuerpolitische Maßnahmen bleibt es bis dato beim – grundsätzlich sanktionslosen – Verhandlungsgebot gemäß § 7 FAG 2001.

 

Um das bestehende Ungleichgewicht zwischen ausgaben- und einnahmenseitiger Belastung zu beseitigen und zu verhindern, dass die Verwirklichung jedes legistischen Vorhabens mit einnahmenbezogenem Inhalt – wie etwa der anstehenden Steuerreform – Gefahr läuft, zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Finanzausgleichspaktums mit unabsehbaren Folgen für den Finanzausgleich als solchen zu führen, scheint es dringend geboten, den Anwendungsbereich des Konsultationsmechanismus entsprechend zu erweitern. Auf diese Weise würde den gegenbeteiligten, durch eine Steuersenkung betroffenen Gebietskörperschaften die Möglichkeit eröffnet, den aus einer Steuersenkung drohenden Einnahmenausfall zu thematisieren und entsprechenden Ausgleich einzufordern, ohne das Finanzausgleichspaktum in Frage zu stellen. Umgekehrt bliebe der zuständigen Gesetzgebung die Kompetenz zur Gestaltung des Steuerrechts ungeschmälert erhalten, denn ein Konsultationsverfahren kann – ohne Einverständnis des Rechtssetzungsbefugten – immer nur Ausgleichszahlungen nach sich ziehen, niemals jedoch die beeinspruchte Maßnahme verhindern.

 

·                   Bagatellgrenzen

 

Als gleichermaßen unhaltbar erweist sich vor dem Hintergrund der engen Nahebeziehung zwischen Finanzausgleichspaktum und Konsultationsmechanismus aber auch das Beibehalten der dem Konsultationsregime derzeit immanenten Bagatellgrenzen (vgl dazu insbesondere Art 4 Abs. 5 der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“). Zwar hat die Überlegung, dass von einem anderen Finanzausgleichspartner verursachte geringfügige Modifikationen der Einnahmen- und Ausgabensituation außer Betracht zu bleiben haben, gerade angesichts des aufgezeigten Zusammenhanges zwischen Konsultationsmechanismus und „Paktum“ einiges für sich, denn es liegt auf der Hand, dass marginale Verschiebungen der Rahmenbedingungen dieser Vereinbarung nicht die Geschäftsgrundlage zu entziehen ver­mögen. (Aus demselben Grund erscheint übrigens auch die in Art 4 Abs. 4 der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ angeordnete Einrechnung von Einsparungen und zusätzlichen Einnahmen in die gebotene Abgeltung des Zusatzaufwandes gleichwie die in Abs. 3 leg cit statuierte Beschränkung auf die laufende Finanzausgleichsperiode grundsätzlich systemkonform.) Erforderlich wäre jedoch eine Bestimmung, die – analog zu Art 5 Abs. 3 der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ – im Falle der Häufung von Maßnahmen, die unter der Bagatellgrenze bleiben, eine gemeinsame Betrachtung zulässt. Darüber hinaus müssten auch Mehrbelastungen, etwa nur für Statutarstädte einer gesonderten Bewertung unterliegen und die Rechtsfolgen des Konsultationsmechanismus ausgelöste werden können. Als Zeithorizont für eine derartige Zusammenschau bietet sich freilich eher die laufende Finanzausgleichsperiode als das in der genannten Bestimmung für maßgeblich erklärte Kalenderjahr an.

             

·                   EU-Vorschriften:

Ebenfalls nicht von der bestehenden Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus erfasst sind Mehrbelastungen die in Umsetzung von EU-Vorschriften entstehen. Bei einer Novellierung des Konsultationsmechanismus müssen auch diese Belastungen berücksichtigt werden.

 

2. Klarstellung der Einklagbarkeit der Ansprüche nach Verhandlungen des Konsultationsgremiums

           

            Was die Frage nach der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus dem Konsultationsmechanismus anlangt, sollte die Möglichkeit der Klagsführung vor dem Verfassungsgerichtshof als ultima ratio jedenfalls beibehalten werden.

 

Einleitend eine Klarstellung betreffend die unmittelbare Ableitung durchsetzbarer Ansprüche aus der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“:

 

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass jene Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes, die für staatsrechtliche Vereinbarungen nach Art 15a B-VG (der gemäß Art 2 Abs. 1 BVG Gemeindebund grundsätzlich auch auf die „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ zur Anwendung kommt) die Notwendigkeit einer speziellen Transformation durch Gesetze, Verordnungen und dgl vorsieht, nur auf Vereinbarungen zutrifft, die Rechte und Pflichten außenstehender Dritter begründen. Beschränkt sich ein Abkommen – wie die „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ – dagegen auf die Festschreibung wechselseitiger Rechte und Pflichten der vertragschließenden Gebietskörperschaften, kommen die vom Gerichtshof aufgezeigten und für seine restriktive Auslegung ausschlaggebenden Bedenken betreffend die durch Art 138a B-VG nicht hinreichend erfüllten Rechtsschutzbedürfnisse der Normunterworfenen nicht zum Tragen. Im Schrifttum wird daher angenommen, dass wechselseitige vermögensrechtliche Ansprüche der Gebietskörperschaften aus Vereinbarungen gemäß Art 15a B-VG sehr wohl unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof eingeklagt werden können [vgl etwa Ruppe, § 2 F-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 34 (2000)].

 

Zum anderen weisen – speziell für die „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ – auch die im BVG über die Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und Städtebundes enthaltenen Spezialvorschriften zu Art 15a B-VG eindeutig in Richtung unmittelbarer Einklagbarkeit von Ansprüchen aus dem Konsultationsmechanismus. Sowohl Art 2 Abs. 1 Z 2 leg cit, demzufolge die gegenständliche Vereinbarung „von § 2 Finanz-Ver­fas­sungs­gesetz abweichende Regeln über die Tragung des Aufwandes der Gebietskörperschaften“ vorsehen kann, als auch Art 3 leg cit, der neben den Gemeinden selbst auch den Österreichischen Städtebund sowie den Österreichischen Gemeindebund zur Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche der Kommunen aus dem Konsultationsmechanismus „nach Art. 137 B-VG“, dh im Wege der verfassungsgerichtlichen Kausalgerichtsbarkeit, beruft, lassen genau besehen keine andere Deutung zu (vgl auch Art 4 Abs. 2 und Art 5 Abs. 1 der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“).

 

Strittig könnte aufgrund der unglücklichen Formulierung des Art 4 Abs 2 der „Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus der Gebietskörperschaften“ lediglich die Frage sein, ob neben den in der Vereinbarung selbst enthaltenen Kostentragungsregeln auch eine im Konsultationsgremium erzielte Einigung als unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Aufgrund des am angeführten Ort gebrauchten Terminus „Empfehlung“ sowie in Anbetracht der Kostentragungsregelung für den Fall, dass einer Empfehlung des Konsultationsgremiums „nicht Rechnung getragen“ wird, scheinen diesbezügliche Zweifel prima vista nicht unbegründet (vgl etwa Ruppe, § 2 F-VG Rz 41).

 

Bei näherem Hinsehen spricht freilich vieles dafür, dass der Einleitungssatz lediglich den Grundsatz festschreibt, dass in den angeführten Fällen „ein Ersatz der durch die Verwirklichung des Vorhabens zusätzlich verursachten finanziellen Ausgaben zu leisten [ist]“. Wie dieser Ersatzanspruch in concreto zu bemessen ist, ergibt sich erst aus den nachfolgenden Sätzen der angesprochenen Bestimmung, und hier heißt es ausdrücklich, dass „[i]m Falle einer Einigung über die Höhe der zu ersetzenden finanziellen Ausgaben und deren Tragung […] diese Einigung maßgeblich [ist]“. Eine dezidierte Klarstellung wäre dennoch wünschenswert.

 

3. Änderung des Konsultationsverfahrens

Die bisher bestehende Möglichkeit zur Klagsführung vor dem Verfassungsgerichtshof soll als ultima ratio jedenfalls beibehalten werden. Ein Klagsführung erscheint aber aus unterschiedlichsten Gründen oft als nicht opportun, insbesondere auch im Hinblick auf die Verfahrenslänge vor dem VfGH.
Aus diesem Grund sollte die Klagsmöglichkeit beim Verfassungsgerichtshof nicht die einzige Sanktionsdrohung bleiben, sondern durch weitere Instrumentarien ergänzt werden:

·                   Neuregelung der Vorsitzführung:

Ein effektives Mittel, um der gelegentlich beklagten Obstruktion des – nach einer nach Auslösung des Konsultationsmechanismus zu konstituierenden – Konsultationsgremiums durch die Aufwand verursachende Gebietskörperschaft vorzubeugen, könnte dabei in einer Neuregelung der Vorsitzführung gesehen werden. Anstatt wie bisher der potentiell ersatzpflichtigen Gebietskörperschaft den Vorsitz und damit die Entscheidung über die Einberufung des Konsultationsgremiums anzuvertrauen, könnte diese Funktion der/n auslösenden Gebietskörperschaft/en übertragen werden, die naturgemäß ein höheres Interesse am Zusammentreten des Gremiums und an der Erzielung von Verhandlungsfortschritten hat/haben als die ihr/ihnen gegenüberstehende Seite.

 

·                   Installierung eines Kontrollgremiums:


Weiters scheint es vor dem geschilderten Hintergrund erstrebenswert, ein Kontrollgremium zu installieren, das die Einhaltung der Vorschriften über das Konsultationsverfahren von Amts wegen oder zumindest auf Initiative Dritter (dh nicht der Gemeinden oder ihrer Vertretungen) überwacht.

Die prima vista nahe liegende Lösung, Übertretungen der gegenständlichen Bestimmungen zu einem Mangel des laufenden Normerzeugungsverfahrens zu erklären, der die – grundsätzlich von jedermann relevierbare – Rechtswidrigkeit des auf diese Weise zustande gekommenen Gesetzes respektive der so erlassenen Verordnung bedingt, leidet an dem – für den Verfassungsgesetzgeber zwar nicht unüberwindlichen, aber dennoch berücksichtigungswürdigen – Schönheitsfehler, dass die zentralen Elemente des Konsultationsverfahrens – zumindest bei Gesetzen – regelmäßig schon im Entwurfsstadium und damit vor dem eigentlichen, verfassungsgesetzlich geregelten Gesetzgebungsverfahren angesiedelt sind. Abgesehen davon scheint es auch rechtspolitisch nicht völlig unproblematisch, den an sich rein internen Streit der Gebietskörperschaften um zusätzliche finanzielle Belastungen unter Einbeziehung der Rechtsunterworfenen auszutragen.

Mehr Sinn könnte in dieser Hinsicht schon die Betrauung einer unabhängigen Stelle mit Aufgaben der „Finanzausgleichsaufsicht“ machen. Vor allem bezüglich der Überwachung jener Vorschriften, die Gesetzes- und Verordnungsverfasser zur detaillierten Darstellung der finanziellen Auswirkungen ihres Vorhabens verpflichten, wäre dabei in erster Linie an die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder zu denken, für die ein Hinterfragen der prognostizierten Gesetzes- und Verordnungsfolgekosten durch­aus ein enges Naheverhältnis zu ihrem Hauptkompetenzbereich aufweist.
Ob dieser Befund auch für die Überwachung des Fortganges der Verhandlungen im Konsultationsgremium gilt, sei an dieser Stelle dahingestellt. Es würde schon reichen, dem jeweils zuständigen Rechnungshof nach Auslösung des Konsultationsmechanismus durch eine Gebietskörperschaft oder – im Falle der Gemeinden – ihrer Vertretung die Befugnis einzuräumen, von Amts wegen ein Verfahren zur Konkretisierung der hieraus resultierenden Kostenfolgen einzuleiten. Dieses Verfahren könnte nach dem Vorbild der Schiedsgerichtsbarkeit unter Beteiligung von Vertretern der Streitparteien durchgeführt werden und würde im Falle einer Einigung die Einbringung einer formellen Klage beim Verfassungsgerichtshof obsolet machen. Dieser Weg wäre nur mehr dann – gleichsam als letzter Ausweg – zu bestreiten, wenn auch das Schiedsverfahren zu keiner gütlichen Einigung führt.