Berufsheer - Wehrpflicht - Ersatzdienst

 

Das Präsidium hat in der 28. Sitzung am 24. August 2004 beschlossen, sich aus dem Bereich „Bundesheer“ die Punkte Berufsheer - Wehrpflicht - Ersatzdienst selbst zur weiteren Beratung vorzubehalten.

In der vorliegenden Beratungsgrundlage werden aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen der mit diesen Themen befassten Ausschüsse Textvorschläge vorgelegt, die auf folgender Überlegung basieren: Die Entscheidung darüber, ob die Wehrpflicht beibehalten oder ein Berufsheer eingerichtet wird, soll dem einfachen Gesetzgeber zukommen.

Artikel 9a. (1) …

(2) …

VARIANTE 1

(3) Durch Gesetz kann vorgesehen werden, dass jeder männliche österreichische Staatsbürger wehrpflichtig ist. Dabei ist sicherzustellen, dass

           1. Wehrpflichtige das Recht haben, Zivildienst zu leisten[, wenn sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen können] und

           2. österreichische Staatsbürgerinnen freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten können und das Recht haben, diesen Dienst zu beenden.

VARIANTE 2

(3) Durch Gesetz kann vorgesehen werden, dass jeder männliche österreichische Staatsbürger wehrpflichtig ist. In diesem Fall haben Wehrpflichtige das Recht, Zivildienst zu leisten[, wenn sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen können]. Österreichische Staatsbürgerinnen können freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen leisten und haben das Recht, diesen Dienst zu beenden.

VARIANTE 3

(3) Österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger können freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen und Soldaten leisten. Durch Gesetz kann vorgesehen werden, dass jeder männliche österreichische Staatsbürger wehrpflichtig ist. Wehrpflichtige haben das Recht, Zivildienst zu leisten[, wenn sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen können].“

Anmerkungen:

·        Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, Wehrpflicht für männliche Staatsbürger einzuführen

·        Gewährleistung der Möglichkeit an Stelle des Wehrdienstes Zivildienst zu leisten (entweder unmittelbar verfassungsgesetzlich oder Verpflichtung des Gesetzgebers, dies vorzusehen)

·        Als Variante soll das Recht auf Leistung von Zivildienst auch ohne das Vorliegen von Gewissensgründen möglich sein (vgl. die Ausführungen zu diesem „Alternativdienst“ unten)

·        Beibehaltung bzw. Sicherstellung des Rechts von Frauen, freiwillig Dienst im Bundesheer als Soldatinnen (und nicht nur als ziviles Personal) zu leisten (entweder unmittelbar verfassungsgesetzlich oder Verpflichtung des Gesetzgebers, dies vorzusehen)

Es ist fraglich, ob dieses Recht nur im Fall der Einführung der Wehrpflicht eingeräumt werden soll/muss oder davon unabhängig verankert werden soll.

Da der Wehrdienst sowohl nach der EMRK wie auch nach dem entsprechenden Vorschlag des Ausschusses 4 als Ausnahme vom Verbot der Zwangsarbeit anerkannt ist, muss er nicht zwingend auf verfassungsgesetzlicher Ebene vorgesehen werden. Eine entsprechende Ermächtigung auf verfassungsgesetzlicher Ebene erscheint aber insofern notwendig, als nur für Männer ein verpflichtender Wehrdienst vorgesehen ist. Durch den vorgeschlagenen Text steht es dem einfachen Gesetzgeber frei, ein Berufsheer vorzusehen. Wird keine Wehrpflicht für männliche Staatsbürger eingeführt, dann steht der Zugang zum Berufsheer Frauen und Männern gleichermaßen offen.

Die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten, ist in dem vom Ausschuss 4 vorgelegten Bericht (Seite 27) als verfassungsgesetzlich garantiertes Recht anerkannt. Allerdings besteht im Ausschuss 4 Dissens darüber, ob das Recht, Zivildienst zu leisten, weiterhin an die Geltendmachung von Gewissensgründen geknüpft werden soll.

Der in den Textvorschlägen jeweils als Subvariante enthaltene „Alternativdienst“ könnte allerdings in einem Spannungsverhältnis zu Art. 4 Abs. 3 lit. b EMRK (Verbot der Zwangsarbeit) stehen.

Artikel 4. (3) Als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels gilt nicht:

           a) ...

          b) jede Dienstleistung militärischen Charakters, oder im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese als berechtigt anerkannt ist, eine sonstige an Stelle der militärischen Dienstpflicht tretende Dienstleistung;

                ... “

Der ausdrückliche Verweis auf die Gewissensgründe könnte der Zulässigkeit eines voraussetzungslosen Alternativdienstes entgegen stehen. Für eine Zulässigkeit spricht allerdings der Zweck der Bestimmung, da kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist, wieso es für die Qualifikation als Zwangsarbeit darauf ankommen soll, ob der Staat für die Ableistung eines Ersatzdienstes die Geltendmachung von Gewissensnöten verlangt oder nicht. Wenn der Staat die Wahlfreiheit des einzelnen hinsichtlich der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes erweitert, kann dies wohl kaum dazu führen, dass aus einem zulässigen Ersatzdienst eine unzulässige Zwangsarbeit wird.

Hinzuweisen ist darauf, dass seitens des Leiters der Gruppe „Rechtswesen und Legislativer Dienst“ des BMLV, Dr. Satzinger, in der 14. Sitzung des Ausschusses 1 zum Themenbereich Art. 9a B‑VG Auskunft gegeben und ein Textvorschlag vorgelegt wurde, der auch den Abs. 3 dieser Bestimmung umfasst. Dieser Textvorschlag basiert auf der bisherigen Regelung, wonach die Wehrpflicht zwingend auf verfassungsgesetzlicher Ebene vorgesehen wird.

Artikel 9a. (1) …

(2) …

VARIANTE SATZINGER, BMLV

(3) Jeder männliche österreichische Staatsbürger ist wehrpflichtig. Das Recht zur Ablehnung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen bleibt unberührt. Österreichische Staatsbürgerinnen können freiwillig Wehrdienst im Bundesheer leisten. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“