Dr. PETER KOSTELKA

 

Weisungsfreie Verwaltung und

Ausgliederung von Aufgaben der Verwaltung

 

Im Anschluss an die Diskussion des Themas „Weisungsbindung und weisungsfreie Verwaltung“ in der 33. Sitzung lege ich einen – auf einem Vorschlag von Prof. Holoubek basierenden – überarbeiteten Textvorschlag vor.

 

Im Zuge der Überarbeitung hat sich gezeigt, dass eine Regelung der Themen Weisungsfreistellung und Ausgliederung in einem Artikel nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund des Zusammenspiels von Weisungsfreistellung einerseits und Weisungsbindung bei der Ausgliederung hoheitlicher Aufgaben andererseits unbedingt notwendig ist:

 

Nach der derzeitigen Fassung des Präsidiumstextes (Abs 2 Satz 1: „Für die Besorgung einzelner hoheitlicher Aufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger gilt jedenfalls Art. 20 Abs. 1.“) ist nämlich die Weisungsfreistellung eines Ausgegliederten in Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung selbst dann nicht möglich, wenn es sich um einen Bereich handelt, in dem weisungsfrei gestellt werden soll (es würde also zu einer „Rückverstaatlichung“ weiter bereits jetzt weisungsfrei vollzogener Bereiche kommen, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge).

 

Der vorgeschlagene Artikel baut auf den im Präsidium beratenen Texten auf. Er hat folgende Struktur:

 

·           Abs. 1 regelt die obersten Verwaltungsorgane

 

·           Abs. 2 die Weisungsbindung der Verwaltung (geltender Art. 20 Abs. 1)

 

·           Abs. 3 die (teilweise) Weisungsfreistellung bestimmter Organe der Verwaltung

 

·           Abs. 4 die Grenzen der Ausgliederung hoheitlicher Vollzugsaufgaben

 

·           Abs. 5 die Ausgliederung nicht hoheitlicher Vollzugsaufgaben regelt.

 

Gegenüber den im Präsidium besprochenen Texten kommt es zu folgenden Änderungen:

 

·               eine adaptierte Umschreibung der weisungsfreien Bereiche (Abs. 3)

 

·               eine differenzierte Regelung über die parlamentarische Kontrolle (Abs. 3)

 

·               eine Klarstellung, dass die Möglichkeit zur Weisungsfreistellung nach Abs. 3 auch bei der Besorgung von Hoheitsaufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger möglich ist (Abs. 4)


 

Textvorschlag:

(1) Zur Besorgung der Verwaltungsgeschäfte sind die obersten Verwaltungsorgane und die ihnen unterstellten Ämter und Rechtsträger berufen.

 

(2) Unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Verwaltung. Sie sind, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt wird, an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich. Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

 

(3) Durch Gesetz können

 

1.     Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung,

2.     Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,

3.     Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion,

4.     Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,

5.     sonstige Organe, soweit dies auf Grund europarechtlicher Vorschriften geboten ist,

 

vom Leitungs- und Weisungszusammenhang gemäß Absatz 2 ausgenommen werden, wenn dies nach der Eigenart der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben erforderlich ist. In diesem Fall hat das Gesetz die Voraussetzungen der Unabhängigkeit dieser Organe zu regeln und ihre angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle sicherzustellen. Zu diesem Zweck kann das Gesetz dem zuständigen allgemeinen Vertretungskörper direkte Auskunfts- und Informationsrechte einräumen. Für Organe der Ziffern 4 und 5 kann das Gesetz eine, der Eigenart der diesen Organen gesetzlich übertragenen Aufgaben angemessene demokratische Steuerung und zu diesem Zweck begrenzte schriftliche Weisungsbefugnisse der zuständigen obersten Verwaltungsorgane vorsehen.

 

(4) Durch Gesetz können einzelne Aufgaben der hoheitlichen Vollziehung der Gesetze im Rahmen des Absatz 2 und des Absatz 3 auf physische oder juristische Personen übertragen werden.

 

(5) Bei der sonstigen Übertragung von Aufgaben der Vollziehung auf physische oder juristische Personen muss eine der Eigenart der übertragenen Aufgabe entsprechende staatliche Aufsicht, Leitung oder Steuerung gewahrt bleiben.“


 

Kurze Erläuterung:

Grundgedanke ist, dass der Gesetzgeber im Fall des Absatz 3 regeln muss, inwieweit der Leitungszusammenhang (zB im Hinblick auf Budget- und Personalhoheit) für „unabhängige Verwaltungsorgane“ beschränkt bzw beseitigt wird, er gleichzeitig aber auch regeln muss, wie – beispielsweise über Bestelldauer und begrenzte vorzeitige Abberufungsmöglichkeiten – diese Unabhängigkeit ausgestaltet und – zB über Aufsichtsrechte oder Berichts- und Informationspflichten gegenüber einem Parlament oder dem Gemeinderat – eine ausreichende demokratische Verantwortung des „unabhängigen Verwaltungsorgans“ gesichert ist. Organe der Ziffern 1 bis 3 sind wenn, dann vollständig weisungsfrei zu stellen, für Organe gemäß Ziffer 4 und 5 besteht die Möglichkeit, je nach Eigenart der ihnen übertragenen Aufgaben beschränkte und jedenfalls zwingend schriftliche Weisungsbefugnisse vorzusehen (beispielsweise strategische Ziel- oder Planungsvorgaben).

 

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine gesetzliche Einrichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde sind dabei im Absatz 3 differenziert geregelt: Die Organe der Ziffern 1-3 (Organe zur sachverständigen technischen und wirtschaftlichen Prüfung, Organe zur Wahrung und Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Organe mit Schieds-, Mediations- und Interessenvertretungsfunktion) müssen, werden sie als unabhängige Organe eingerichtet, einer angemessenen demokratischen und rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen werden. Eine demokratische Steuerung ist für diese Organe nicht erforderlich bzw würde, wie insbesondere bei Rechtsschutzorganen, der Zielsetzung der Unabhängigkeit dieser Organe geradezu zuwiderlaufen. Organe zur Durchsetzung und Sicherung des Wettbewerbs und von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (Ziffer 4 und allenfalls Z 5) übernehmen demgegenüber auch Aufgaben der Verwaltungsführung. Hier ist über die Kontrolle hinaus auch eine angemessene demokratische Steuerung, also etwa sicherzustellen, dass die grundlegenden strategischen Entscheidungen weiterhin den obersten Verwaltungsorganen vorbehalten bleiben. Absatz 3 konstituiert damit insofern ein bewegliches System zwischen Eigenart der zu besorgenden Aufgaben des unabhängig gestellten Verwaltungsorgans gemäß Ziffer 4 (und allenfalls Ziffer 5) und der Art und Intensität, wie der Gesetzgeber eine angemessene demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle und Steuerung sicherstellt.

 

Die Umschreibung der Organe, die weisungsfrei gestellt werden können, erfasst alle bisher durch Verfassungsbestimmung weisungsfrei gestellte Organe (siehe die Zusammenstellung der Ausschüsse 7 bzw. 9). In Hinblick auf die Organe mit Rechtsschutz- und Kontrollfunktion (Ziffer 2) ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsschutzbeauftragten nach dem Sicherheitspolizeigesetz und dem Militärbefugnisgesetz eine gesonderte Regelung (Anbindung an das Parlament) in der Verfassung erhalten sollen. Organe mit Interessensvertretungsfunktion (Ziffer 3) können auch Einzelpersonen sein, die zum stellvertretenden Schutz subjektiver Rechte eingerichtet sind (zB die „Kontaktfrau“ nach dem Gleichbehandlungsgesetz).