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VST-4607/58                        Dr. Smutny                        16                        13. Februar 2004

 

 

Betrifft

Österreich-Konvent;

Ausschuss 10 „Finanzverfassung“;

Gemeinsame Länderstellungnahme

 

 

E-MAIL

 

 

Herrn

Bundesminister für Inneres

Dr. Ernst STRASSER

Vorsitzender des Ausschusses 10 „Finanzverfassung“

Österreich-Konvent

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender !

 

Mit Schreiben vom 28. Jänner 2004 haben Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, als Vorsitzender des Ausschusses 10 „Finanzverfassung“ des Österreich-Konvents den derzeit Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Herrn Landeshaupt­mann Dr. Herbert SAUSGRUBER, ersucht, die grundlegenden Positionen der Länder zum Mandat des Ausschusses als Diskussionsgrundlage für die konstituierende Sitzung des Ausschusses 10 bekannt zu geben.

 

Die Verbindungsstelle der Bundesländer gestattet sich hiezu im Auftrag der Länder folgende

 

gemeinsame Länderstellungnahme

 

vorzutragen:

 

Eingangs darf festgehalten werden, dass es sich bei der Finanzverfassung und beim Finanzausgleich aus finanzpolitischer Sicht um grundlegende Fragen der Länder handelt.

Die im Mandat des Ausschusses enthaltenen Themen sind weiters von einer be­sonderen Komplexität und Konsequenz, sodass eine notwendige eingehende Be­fassung damit eines bestimmten Zeitaufwandes bedarf, der jedoch auf Grund der Kurzfristigkeit nicht gegeben ist.

 

Grundsätzlich ist zum Mandat des Ausschusses 10 „Finanzverfassung“ des Österreich-Konvent festzuhalten, dass sich die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Haushalte in den letzten Jahren grundlegend geändert haben. Dies einerseits aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben, andererseits aber auch aufgrund der einen Anpassungsbedarf erfordernden Entwicklungen in besonders kosten­dynamischen Bereichen, wie beispielsweise der Krankenanstaltenfinanzierung, der Alten- und Behindertenbetreuung sowie der Sicherung des öffentlichen Nahverkehrs und sonstiger Infrastruktureinrichtungen.

 

Sollte daher – wie im Mandat des Ausschusses eingangs ausgeführt wird - unter Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung die langfristige Absicherung des Anteils der Länder an der zur Verfügung stehenden Finanzmasse, etwa durch Zuweisung fixer Ertragsanteile aus dem Steueraufkommen, verstanden werden, wird diese Maßnahme begrüßt.

 

Die eingangs aufgezeigte Entwicklung der Rahmenbedingungen muss dazu führen, dass die Finanzverfassung und der Finanzausgleich aufgabenorientiert und auf der Grund­lage gleichberechtigter Partner zu regeln sind. Den Ländern ist dabei ein größerer Gestaltungsspielraum zu eröffnen. In jedem Fall sind Mehraufgaben für die Länder und damit verbundene Mehrausgaben zu berücksichtigen. Das bedeutet, es sind die Länder finanziell so auszustatten, dass ihre Finanzkraft adäquat zu ihren Aufgaben ist.

 

Grundsätzlich sollte bei der Neukonzeption der Finanzverfassung das bundes­staatliche Prinzip verstärkt Berücksichtigung finden, d.h. prinzipiell ist von einer Parität und Autonomie von Bund und Ländern (sowie Gemeinden) auszugehen. Das würde auch die ausdrückliche Normierung des Verhandlungsgebotes im Bereich des Finanzausgleichs in der Finanzverfassung bedeuten.

Vorzusehen sind auch Regelungen in der Finanzverfassung für den Fall, dass nicht rechtzeitig ein neues Finanzausgleichsgesetz in Kraft tritt. Dies könnte in der Form erfolgen, dass die Geltung des gesamten Finanzausgleichsgesetzes automatisch verlängert wird, bis ein neues Finanzausgleichsgesetz in Kraft tritt.

 

Die Länder gehen von der Erwartung aus, dass wegen der großen Bedeutung der Finanzverfassung und des auf deren Grundlage normierten Finanzausgleichs vor einer Umsetzung der im Ausschuss 10 bzw. in der Folge im Konvent hiefür vorge­schlagenen Regelungen zwischen den Finanzausgleichspartnern noch eingehende Verhandlungen geführt werden.

 

Zu den im Mandat des Ausschusses festgelegten Bereichen im Einzelnen ist folgendes auszuführen:

 

A)           Allgemeines:

 

Das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 überträgt die Kompetenz-Kompetenz in Abgabenangelegenheiten an den einfachen Bundesgesetzgeber. Durch einfaches Bundesgesetz wird die Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung und deren Grenzen gegenüber der Landesgesetzgebung bei der Verteilung der Besteuerungs­rechte und Abgabenerträge bestimmt, ohne den anderen Finanzausgleichs­partnern ein entsprechendes Gegengewicht, z. B. in Form erhöhter Mitspracherechte, zu verschaffen. Die Gesetzgebungshoheit in Abgabesachen ist dadurch weitgehend beim Bund konzentriert und die Landesgesetzgebung ist selbst dort, wo sie autonom tätig werden kann bzw. könnte mit einer Reihe von Einschränkungen und Barrieren konfrontiert. Dies ist aus föderalistischer Sicht abzulehnen. Gleiches gilt auch für das besondere unbeschränkte Einspruchsrecht der Bundesregierung gegen Landesab­gabengesetze.

 

In die Finanzverfassung aufgenommen werden sollte die Verpflichtung des Bundes, die Abgeltung von Einnahmenschmälerungen oder Mehrbelastungen von Ländern und Gemeinden, die während der Finanzausgleichsperiode durch Maßnahmen des Bundes eintreten, mit den Finanzausgleichspartnern einvernehmlich zu regeln. Diesbezüglich wäre die Schutzklausel im § 7 Finanzausgleichsgesetz 2001 zu verbessern und als Verfassungsbestimmung zu übernehmen bzw. die Konsultationsmechanismus-Ver­einbarung effizienter und präziser zu gestalten und in die Finanzverfassung bzw. Bundesverfassung aufzunehmen.

 

Der Inkorporierung der Finanzverfassung in ein umfassendes Verfassungsgesetz kann grundsätzlich näher getreten werden. Damit einhergehen sollte natürlich auch die legistische Bereinigung von widersprüchlichen bzw. verstreuten Finanzver­fassungsbestimmungen.

 

Eine Erweiterung des speziellen Gleichheitsgebotes des § 4 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 für die Mitteldotierung dürfte nicht so formuliert werden, dass sich daraus für die Mittelver­wendung der Landesautonomie und dem Föderalismus zuwider laufende Forder­ungen nach Herstellung gleichwertiger Standards in einzelnen Lebensbereichen (z.B. Soziales, Wohnbauförderung, Kinderbetreuung uvam.) ableiten lassen.

 

B)           Kostentragung:

 

Gegen den Konnexitätsgrundsatz als allgemeine Kostentragungsregel besteht insbesondere wegen der Ausgabenverantwortung bei der jeweiligen Gebiets­körperschaft kein Einwand.

Die Umlagekompetenz der Länder gegenüber den Gemeinden ist im Zusammen­hang mit der sonstigen Finanzausstattung der Länder (höhere Ertragsanteile der Länder an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben, Ausgestaltung der Be­steuerungsrechte der Länder) zu sehen.

 

Eine diesbezüglich adäquate Ausstattung der Länder kann den Entfall derartiger Umlagen zur Folge haben.

 

C)           Abgabenwesen:

 

Der Kompetenz zur Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge kommt zentrale Bedeutung zu. Die uneingeschränkte Zuständigkeit des einfachen Bundes­gesetzgebers zur Verteilung der Ertragshoheit ist als dem bundesstaatlichen Prinzip widersprechend anzusehen. Für diese Verteilung sollte daher finanzverfassungs­rechtlich festgelegt werden, dass diese im Finanzausgleichspaktum vereinbart werden muss und während der Finanzausgleichsperiode nur im Einver­nehmen mit den am Ertrag beteiligten Gebietskörperschaften geändert werden darf. Dies gilt auch für die Neueinführung von Abgaben als ausschließliche Bundes­abgaben. Darüber hinaus sollten zumindest bestimmte Steuern (in erster Linie die Umsatzsteuer) als gemeinschaftliche Bundesabgaben bzw. zwischen Bund und Ländern (Gemeinden) geteilte Abgaben in der Finanzverfassung ausdrücklich ge­nannt werden, verbunden mit den Grundsätzen für die Verteilung. Gegen die ver­fassungsgesetzliche Festlegung von Steuerfindungsrechten und selbstständigen Abgabenerhebungsrechten für Länder und Gemeinden besteht kein Einwand.

 

D)           Transfers:

 

Grundsätzlich wird zur Reduktion der Komplexität des Finanzausgleichs im weiteren Sinne der Ersatz der vielen Finanzzuweisungen und Zweckzuschüsse durch Ertrags­anteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben angestrebt. Als ergänzendes Instrumentarium sind jedoch die er­wähnten Finanzzuweisungen und Zweckzu­schüsse außer Streit zu stellen. Transfer­zahlungen zwischen den Gebietskörper­schaften sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Feinabstimmung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörper­schaften. Diese sind auch Bestandteil des horizontalen Finanzausgleichs.

 

E)           Haushaltsrecht:

 

Die bereits bestehenden finanzverfassungsrechtlichen Regelungen in diesem Be­reich sind jedenfalls ausreichend. Eher sollte eine weitergehende Deregulierung erfolgen.

Auch Regelungen bezüglich Haushaltskoordinierung (Artikel 13 Abs. 2 B-VG, Österreichischer Stabilitätspakt 2001) sind mehr als ausreichend. Dies gilt auch für die damit verbundene Stabilisierung der öffentlichen Haushalte durch Schulden- und Defizitgrenzen.

Die Voranschläge und Rechnungsabschlüsse sind mit den Bestimmungen in § 16 Abs. 1 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 und der Voranschlags- und Rechnungsabschluss­verordnung 1997 mehr als ausreichend geregelt. Einer Weiterentwicklung in ein doppisches System steht jedoch nichts entgegen.

Für eine verfassungsrechtliche Regelung einer Kosten- und Leistungsrechnung besteht kein Bedarf.

 

F)           Transparenz und Finanzstatistik:

 

Über die Bestimmungen der im Österreichischen Stabilitätspakt 2001 und die Ge­barungsstatistik-Verordnung hinausgehende Verpflichtungen werden abgelehnt. Die darin enthaltenen Auskunftsrechte bzw. -pflichten und Konsequenzen bei Nichter­füllung sind ohnehin schon schwer genug ohne zusätzliche Personalaufstockung zur Gänze zu erfüllen.

 

Zusammenfassend ist zur Reform der Finanzverfassung festzuhalten, dass im Zuge der Neuordnung der Kompetenzverteilung eine Stärkung der Flexibilität der Länder gewährleistet werden muss. Sowohl bei den Reformen hinsichtlich der Rechts­setzung und der Behördenorganisation insbesondere aber bei der Reform der Finanzverfassung ist darauf zu achten, dass die Länder (sowie auch die Gemeinden) nicht zusätzlich Aufgaben des Bundes ohne Abgeltung übernehmen können. Ein fairer Ausgleich muss stattfinden, in dem sich Bund, Länder und Gemeinden als gleichbe­rechtigte Partner gegenüberstehen.

Die durch die Bundesverfassung zu gewährleistende Unabhängigkeit in der Haus­haltsführung setzt voraus, dass die einzelnen Gebietskörperschaften über ihre Ein­nahmen weitgehend autonom verfügen können, sie also mit dem Recht zur freien Entscheidung zur Verwendung von Abgabenerträgen im Rahmen der Ertragshoheit ausgestattet sind.

 

Die Verbindungsstelle der Bundesländer trägt dies Ihnen, sehr geehrter Herr Vorsitzender, als gemeinsame grundsätzliche Länderposition zum Mandat des Ausschusses 10 des Österreich-Konvent vor.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

Dr. BRAND

Leiter der Verbindungsstelle