Bericht

des Ausschusses 8

Demokratische Kontrollen

I.         Einsetzung des Ausschusses und seiner Mitglieder

Der Österreich-Konvent hat den aus elf Mitgliedern bestehenden Ausschuss 8 "Demokratische Kontrollen" in der Sitzung am 25. Juli 2003 eingesetzt. Als Vorsitzender wurde auf Vorschlag des Präsidiums in der gleichen Sitzung des Österreich-Konvents Volksanwalt Dr. Peter Kostelka bestellt.

Der Ausschuss konstituierte sich am 13. November 2003 und wählte, ebenfalls auf Vorschlag des Konvents-Präsidiums, Bundesrat Prof. Herwig Hösele einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden. Der Ausschuss bestand darüber hinaus aus folgenden weiteren Mitgliedern:

Manfred Dörler, Präsident des Vorarlberger Landtages

Dieter Egger, Landesstatthalter in der Vorarlberger Landesregierung

Johann Hatzl, Präsident des Wiener Landtages

Prof. Albrecht Konecny, Mitglied des Bundesrates u. Vorsitzender der

                                         Sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat

Dr. Evelin Lichtenberger, Abgeordnete zum Nationalrat

Prof. Ing. Helmut Mader, Präsident des Tiroler Landtages

Univ.Ass. Dr. Klaus Poier, Universität Graz

(nominiert vom Präsidenten des Steiermärkischen Landtages)

Walter Prior, Präsident des Burgenländischen Landtages

Dr. Ernst Strasser, Bundesminister für Inneres

Als Vertreter fungierten Mag. Heribert Donnerbauer (als ständiger Vertreter für Bundesminister Dr. Ernst Strasser) sowie fallweise Bundesrat Univ.Prof. Dr. Peter Böhm (Vertretung für Dieter Egger) und Univ.Doz. Dr. Peter Bußjäger (Vertretung für Manfred Dörler).

Zur Betreuung wurde dem Ausschuss vorerst Dr. Gert Schernthanner, Richter am Bezirksgericht Josefstadt, beigegeben. Da Dr. Schernthanner ab 20. September 2003 die Betreuung des Ausschusses 9 "Rechtsschutz und Gerichtsbarkeit" übernahm, wurde die Betreuung des Ausschusses 8 mit dem selben Zeitpunkt Frau Dr. Ingrid Moser, stellvertretende Leiterin des Rechts- und Legislativdienstes der Parlamentsdirektion, übertragen. Die sekretariatsmäßige Betreuung des Ausschusses oblag Frau Valentina Ashurov.

An den Beratungen des Ausschusses nahmen darüber hinaus noch folgende Personen teil:

1. Sitzung am 13. November 2003

Mag. Ronald Faber                                                     (für Dr. Heinz Fischer)

Dr. Marlies Meyer                                               (für Dr. Eva Glawischnig)

Dr. Harald Wögerbauer                                       (für Dr. Andreas Khol)

2. Sitzung am 3. Dezember 2003

Mag. Ronald Faber                                      (für Dr. Heinz Fischer)

Elfriede Hänfling                                                   (für Dr. Dieter Böhmdorfer ab 14.00 Uhr)

Dr. Thomas Hofbauer                                          (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                               (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Michaela Piskernik-Schmaldienst         (Begleitung Walter Prior)

Dr. Gerald Siebeneicher                               (für Dr. Dieter Böhmdorfer bis 14.00 Uhr)

Dr. Harald Wögerbauer                                       (für Dr. Andreas Khol)

3. Sitzung am 13. Jänner 2004

Mag. Ronald Faber                                      (für Dr. Heinz Fischer)

Dr. Thomas Hofbauer                                          (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                               (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Michaela Piskerik-Schmaldienst           (für Walter Prior)

Mag. Bernhard Rochowanski                       (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Dr. Harald Wögerbauer                                       (für Dr. Andreas Khol)


4. Sitzung am 22. Jänner 2004

Markus Kroiher                                                          (für Dr. Andreas Khol)

Dr. Marlies Meyer                                                       (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Bernhard Rochowanski                                      (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Maria R. Thierrichter                                          (Begleitung Univ.Ass. Dr. Klaus Poier)

Mag. Gregor Wenda                                                   (Begleitung Dr. Heribert Donnerbauer)

5. Sitzung am 27. Februar 2004

Dr. Thomas Hofbauer                                                  (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                                       (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Bernhard Rochowanski                                      (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Maria R. Thierrichter                                          (für Univ.Ass. Dr. Klaus Poier)

Dr. Harald Wögerbauer                                               (für Dr. Andreas Khol)

6. Sitzung am 12. März 2004

Mag. Ronald Faber                                                     (für Dr. Heinz Fischer)

Dr. Thomas Hofbauer                                                  (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                                       (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Bernhard Rochowanski                                      (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Maria R. Thierrichter                                          (Begleitung Univ.Ass. Dr. Klaus Poier)

Dr. Harald Wögerbauer                                               (für Dr. Andreas Khol)

7. Sitzung am 31. März 2004

Mag. Ronald Faber                                      (für Dr. Heinz Fischer)

Dr. Thomas Hofbauer                                                  (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                               (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Bernhard Rochowanski                       (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Maria R. Thierrichter                                   (Begleitung Univ. Ass. Dr. Klaus Poier)

Dr. Harald Wögerbauer                                       (für Dr. Andreas Khol)

Dr. Matthias Germann                                          (für Manfred Dörler)

8. Sitzung am 27. April 2004

Mag. Ronald Faber                                      (für Dr. Heinz Fischer)

Dr. Thomas Hofbauer                                          (für Prof. Ing. Helmut Mader)

Dr. Marlies Meyer                                               (für Dr. Eva Glawischnig)

Mag. Michaela Piskernik-Schmaldienst         (für Walter Prior)

Dr. Gerald Siebeneicher                               (für Dr. Dieter Böhmdorfer)

Mag. Gregor Wenda                                            (für Dr. Ernst Strasser)

Dr. Harald Wögerbauer                                       (für Dr. Andreas Khol)


Der Ausschuss gab sich in seiner konstituierenden Sitzung einen 10 Termine umfassenden Arbeitsplan, von dem die nachstehenden in Anspruch genommen wurden:

Mittwoch, 13. November 2003,    10.00 bis 17.15 Uhr

Mittwoch, 3. Dezember 2003, 09.30 bis 16.00 Uhr

Dienstag, 13. Jänner 2004,            10.00 bis 17.20 Uhr

Donnerstag, 22. Jänner 2004,   10.00 bis 17.55 Uhr

Freitag, 27. Februar 2004,            10.00 bis 14.30 Uhr

Freitag, 12. März 2004,                08.00 bis 17.30 Uhr

Mittwoch, 31. März 2004,            10.00 bis 12.45 Uhr

Dienstag, 27. April 2004,               14.00 bis 15.30 Uhr

II.      Mandat und Arbeitsweise

Das Präsidium des Konvents erteilte dem Ausschuss "Demokratische Kontrollen" mit Brief des Präsidenten des Konvents, Präsident Dr. Franz Fiedler, vom 22. Oktober 2003 das nachstehende Mandat:

"Demokratische Kontrollen:

Einrichtungen einer effizienten und effektiven Kontrolle im Bereich von Bund, Ländern und Gemeinden:

• Rechte der Parlamente einschließlich der Minderheitsrechte (zB: Untersuchungsausschüsse),

• Rechnungshöfe und Volksanwaltschaften,

• Frage der Amtsverschwiegenheit,

• Instrumente der direkten Demokratie.

Im Einzelnen ergeben sich dazu folgende Fragestellungen:

A)      Rechte der Parlamente (Nationalrat, Bundesrat, Landtage)

1)   Interpellations- und Kontrollrechte (insb. Art 52-53, 123 und 142 B-VG)

2)    Kontrollrechte der Landtage, insbesondere im Falle der Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung

3)    Amtsverschwiegenheit gegenüber Parlamenten (Art 20 Abs 3 B-VG)

4)    Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (analog zu Art 126a und 148f B-VG)

5)    Immunität (Art 57-58 und 96 B-VG)

6)    Unvereinbarkeitsrecht (insb. Art 59-59b B-VG sowie Unvereinbarkeitsgesetz)

B)      Gemeinden

Kontrollrechte in den Gemeinden (Art 115ff B-VG)

C)      Rechnungshof

1)  Organisation, Wahl und Abwahl der Leitungsorgane (Art 122 und 123 B-VG)

2)  Prüfungskompetenz und Prüfungsverfahren (Art 121ff B-VG)

3)  Parlamentarische Mitwirkungsrechte (Art 123a B-VG) und Beratung von Regierung und Parlamenten

4)      Budgetrecht

 

D)      Volksanwaltschaft

1)  Organisation, Wahl und Abwahl der Mitglieder (Art 148a B-VG)

2)  Prüfungskompetenzen (Art 148a B-VG)

3)  Parlamentsbericht und parlamentarische Mitwirkungsrechte und – pflichten

(Art 148a und 148d B-VG)

4)  Antragsrechte an die Höchstgerichte (u.a. Art 148e B-VG)

5)  Mitwirkungspflichten der geprüften Organe (Art 148b B-VG)

6)  Budgetrecht

E)      Landesrechnungshöfe

F)      Amtsverschwiegenheit, Transparenz der Verwaltung auch unter dem Gesichtspunkt des E-Governments sowie des Verhältnisses zu den Medien (Art 20 Abs 3 und 4 B‑VG)

G)      Instrumente der direkten Demokratie und Bürgerinitiative auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene insbesondere auch

1)  Kontrollmöglichkeiten der Bürger hinsichtlich der Tätigkeiten österreichischer Organe auf europäischer Ebene

2)  Wahlrecht unter dem Gesichtspunkt von Partizipation und Kontrolle (insb. Art 26, 95 und 117 B-VG)

H)      Besondere Kontrollorgane“


Zeitplan

 

Der Ausschuss hat dem Präsidium spätestens 4 Monate nach seiner konstituierenden Sitzung einen schriftlichen Bericht (gegebenenfalls mit Textvorschlägen für eine neue Verfassung) über die Ergebnisse der Beratungen vorzulegen."

In seiner konstituierenden Sitzung kam der Ausschuss auf Vorschlag seines Vorsitzenden überein, dass zur besseren Strukturierung der Ausschussberatungen, zu jedem Problembereich des Mandates eine "Basisinformation" erstellt werden soll. Diese enthielten die vom Ausschuss zu beantwortenden Fragen, kurze Darstellungen der geltenden Rechtslage und die zu ihrer Abänderung gemachten Vorschläge. Wo dies notwendig erschien, wurden auch kurze rechtsvergleichende Übersichten angefügt. Diese Basisinformationen wurden nicht zuletzt auf Grund von Anregungen der Ausschussmitglieder ständig erweitert und ergänzt. Frau Dr. Moser sei unter anderem für diese Arbeiten gedankt. Bei einzelnen Fragen erstellte zudem der Vorsitzende zur besseren Strukturierung der Ausschussberatungen eigene "Fragenkataloge".

Weiters kam der Ausschuss überein, wo dies sinnvoll und notwendig erschien, externe Experten und Ausschussmitglieder zu "kurzen Stellungnahmen" einzuladen. Diese sollten auf Basis der Literatur die Beratungen des Ausschusses besser vorbereiten und Alternativen für die vom Ausschuss zu treffenden Entscheidungen aufzeigen. Im Einzelnen liegen folgende Stellungnahmen vor. Sie sind dem Bericht in der

Anlage I angefügt. Im Einzelnen handelt es sich hiebei um folgende Papiere:

Josef Aicher, Stellungnahme vom 20. Jänner 2004 zum Verhältnis von Vergaberecht und Unvereinbarkeit nach dem Unvereinbarkeitsgesetz (Anlage I/1)

Rudolf Feik, Die Amtsverschwiegenheit (Anlage I/2)

Andreas Hauer, Wirtschaftliche Unvereinbarkeit (Anlage I/3)

Johannes Hengstschläger, Zur Verankerung der Amtsverschwiegenheit in der Bundesverfassung (Anlage I/4)

Andreas Janko, Thesenpapier zum Unterpunkt „Wirtschaftliche Unvereinbarkeit“ des Ausschusses 8 des Verfassungskonvents (Anlage I/5)

Peter Kostelka, Immunität von Staatsoberhäuptern (Anlage I/6)

Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Amtsverschwiegenheit und Zugang zu Informationen staatlicher Verwaltung (Anlage I/7)

Evelin Lichtenberger, Bundes- und Landesumweltanwaltschaften (Anlage I/8)


Evelin Lichtenberger, Kontrollrechte der Gemeinden (Anlage I/9)

Klaus Poier, Direktdemokratische Instrumente auf nationaler Ebene in den übrigen EU-Staaten (wird gesondert veröffentlicht)

Klaus Poier, Instrumente der direkten Demokratie in der Schweiz (wird gesondert veröffentlicht)

Frank Schorkopf, Stellungnahme vom 25. November 2003 zum Organstreitverfahren (Anlage I/10)

Hannes Tretter, Schreiben vom 14. Dezember 2003 zum Thema Unvereinbarkeit (Anlage I/11)

Helmut Winkelmann, Indemnität und Immunität der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage I/12)

III.    Beratungsergebnisse

Der Ausschuss hat das ihm vom Präsidium vorgegebene Arbeitsprogramm eingehend beraten und die Ergebnisse seiner Arbeit im anschließenden Abschnitt "Beratungsergebnisse" zusammengefasst. Der Ausschuss erzielte in der abschließenden Sitzung am 27. April Konsens, den Bericht in der vorliegenden Fassung dem Konvent als Ergebnis seiner bisherigen Arbeiten vorzulegen.

IV.     Verfassungsgesetzliche Textvorschläge

Schon während der Ausschussberatungen haben verschiedene Mitglieder Formulierungsentwürfe für Verfassungstexte vorgelegt, die entweder Vorschläge verdeutlichen oder Beratungsergebnisse widerspiegeln sollten. Weitere Textvorschläge legten der Vorsitzende und der Präsident des RH gegen Ende der Ausschussberatungen als Diskussionsgrundlagen vor.

In ihrer abschließenden Sitzung erzielten die Ausschussmitglieder Konsens, diese Vorschläge für Teile einer neuen Verfassung dem Konvent vorzulegen, ohne jeweils im Einzelfall anzumerken, von wie vielen Ausschussmitgliedern der jeweilige Textentwurf mitgetragen wurde. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren mehrere Aspekte:

·           Fürs Erste erschien im Lichte der Beratungen des zur Bearbeitung von legistischen Strukturfragen eingesetzten Ausschusses Nr. 2 wahrscheinlich, dass das Ergebnis des Konvents eine völlig neue und zeitgemäß textierte Verfassung sein wird. Es wäre somit sinnlos, in den zur Gänze in Frage gestellten Text der geltenden Bundesverfassung mühsam Textelemente einzufügen. Vielmehr müssen die Beratungsergebnisse des Ausschusses gleichsam als Bausteine in ein neues Verfassungsgebäude eingefügt werden. Konsensuale Vorschläge zum Text des derzeit geltenden B-VG könnten hiebei sogar mehr Hindernis als Hilfe darstellen.

·           Weiters konnten einzelne Ausschussmitglieder Textvorschläge nicht mittragen, obwohl sie die ihr zu Grunde liegenden verfassungs(politischen) Entscheidungen unterstützten. In Einzelfällen drohte somit der erzielte Konsens bei einer textlichen Umsetzung zu zerbrechen.

·           Schließlich kam der Ausschuss bereits bei Beginn seiner Arbeiten überein, dem Konvent nicht nur Textvorschläge zu konsensualen Entscheidungen vorzulegen, sondern auch zu Textierungen, für die keine verfassungsgebende Mehrheit absehbar war. Es bestand somit von vornherein keine Absicht, in diese Sammlung von Textvorschlägen nur Textmodule aufzunehmen, die dem Ausschuss umsetzbar erschienen.

Der Ausschuss war jedoch der Ansicht, dass die vorgelegten Textvorschläge nicht verloren gehen sollen. Er entschloss sich daher, diese Vorschläge als Anlage II als Sammlung nicht konsentierter verfassungsgesetzlicher Textvorschläge dem Ausschuss als Diskussionsgrundlagen vorzulegen.

Beratungsergebnisse

A.                          Rechte der Parlamente (Nationalrat, Bundesrat, Landtage)

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation I, die Stellungnahmen von Aicher, Hauer, Janko, Korinek, Kostelka und Tretter sowie ein Fragenkatalog des Ausschussvorsitzenden zum Thema Unvereinbarkeit. Weiters lag eine Übersicht betreffend die Geschäftsordnungen der Landtage im Vergleich vor. Betreffend die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland lag die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Mitarbeiters des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Frank Schorkopf zum Organstreitverfahren sowie der Aufsatz „Indemnität und Immunität der Mitglieder des Deutschen Bundestages“, des Sekretärs des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Helmut Winkelmann vor.

A.1.         Interpellations- und Kontrollrechte des Bundes und "Entschlagungsrechte" der Regierungsmitglieder bei Beantwortung von Fragen

Rechtslage

Eine umfassende Definition der Reichweite des Fragerechtes ist weder im Verfassungs- noch im Geschäftsordnungsrecht des NR und BR enthalten. Art 52 Abs 1 B-VG bestimmt lediglich, dass "der NR und der BR ... befugt (sind), die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen". Sein Abs 2 erstreckt dieses Recht auch auf Unternehmen "an denen der Bund mit mindestens 50 v.H. des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen". Eine finanzielle, wirtschaftliche oder organisatorische Beherrschung wird einer derartigen Beteiligung gleichgehalten.

Die geltenden Geschäftsordnungen (§§ 89ff GONR sowie §§ 24 f GOBR) bestimmen des Weiteren, dass dem Fragerecht "insbesondere Regierungsakte sowie Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten" unterliegen. Etwas unklar bestimmen die GONR und GOBR weiters, dass ein Regierungsmitglied, dem ‑ aus welchen Gründen immer – die "Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich" ist, lediglich eine dahingehende Begründungspflicht trifft.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss erzielte Konsens (A.1.1.), dass das Fragerecht gegenüber dem Bundesminister grundsätzlich so weit reichen soll wie dessen Informationsrechte. Dass der Bundesminister also, wenn ihm beispielsweise auf Grund von Minderheitenrechten in Gesellschaften mit einer unter 50% liegenden Beteiligung Informationsrechte zustehen, er dem Parlament über seinen Informationsstand Auskunft zu geben hat. Der Ausschuss war sich der Grenzen einer derartigen Antwortverpflichtung bewusst. Die Informationspflicht des Ministers hat seinen tatsächlichen Informationsstand sowie jenen seines Vollzugsapparates zu umfassen.

Art 52 Abs 2 B-VG erweckt insbesondere durch seine detaillierte Regelung des Fragerechtes über Unternehmungen des Bundes den fälschlichen Eindruck einer abschließenden Regelung dieses Rechtsbereiches, die zudem die Rechte des Parlaments einschränkt. Der Ausschuss war überwiegend (A.1.2.) der Ansicht, Art 52 Abs 2 B-VG zu streichen und dafür seinen Abs 1 durch einen Hinweis auf die Fragerechte über Unternehmungen zu ergänzen. Die weitere Regelung des parlamentarischen Fragerechtes soll künftig mit der notwendigen Präzisierung in der, ohnedies der Zwei-Drittel-Mehrheit unterliegenden, Geschäftsordnung des jeweiligen Vertretungskörpers erfolgen.


Vereinzelt (A.1.3.) wurde an dieser Stelle auch die Einrichtung eines Kontrollausschusses für öffentliche Unternehmungen gefordert (siehe hiezu die Ausführungen unter A.2.)

Der Ausschuss erzielte auch Konsens (A.1.4.), dass die Voraussetzungen für das Recht eines Regierungsmitgliedes, sich einer Antwort zu entschlagen, präzisiert werden müssen. Ein Entschlagungsrecht soll insbesondere das Grundrecht auf Datenschutz, die Achtung des Privat- und  Familienlebens gemäß Art 8 EMRK sowie die absolute Unmöglichkeit eine Frage zu beantworten, begründen. Im Ausschuss bestand Dissens (A.1.5.), ob diese Präzisierung im Verfassungstext selbst oder in den Geschäftsordnungen vorzunehmen ist.

In anderen Ausschüssen des Konvents wird diskutiert, ob die Möglichkeit geschaffen werden soll, Organe des Bundes einfachgesetzlich weisungsfrei zu stellen. Je nach Formulierung könnte dies auch zwingend unter anderem Klarstellungen in Art 52 B-VG nach sich ziehen. Es wurde daher Konsens (A.1.6.) im Ausschuss erzielt, dass er sich im Falle einer solchen Änderung von Art 20 Abs 1 B‑VG jedenfalls nochmals mit notwendig gewordenen Adaptierungen in Art 52 B-VG befassen muss. Insbesondere wäre hiebei zu klären, ob Regelungsbedarf hinsichtlich der zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen notwendigen Informationsrechte von obersten Vollzugsorganen bzw. zur Absicherung der bestehenden Interpellationsrechte besteht.

A.2.  Kontrolle österreichischer Vertreter in internationalen Organisationen

Rechtslage

Im Zuge des Beitrittes zur Europäischen Union wurde dem I. Hauptstück des B‑VG ein Abschnitt "B. Europäische Union" angefügt, der unter anderem den Art 23e über die Mitwirkungs- und Kontrollrechte des NR und BR enthält. Diese Bestimmungen beinhalten weitreichende Informationspflichten der zuständigen Ressortchefs gegenüber dem NR und BR sowie die Möglichkeit dieser Vertretungskörper, vor Beschlussfassung in der EU eine Stellungnahme abzugeben. Handelt es sich hiebei um bundesgesetzlich zu regelnde Angelegenheiten oder solche, bei denen EU-Rechtsakte in Österreich unmittelbar anwendbar sind, so ist eine solche Stellungnahme für das österreichische Regierungsmitglied sogar bindend. Es darf von der parlamentarischen "Stellungnahme" nur aus "zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen" abweichen. Diese Regelung ist unter allen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union – neben einer entsprechenden parlamentarischen Praxis in Dänemark – wohl die derzeit weitreichendste verfassungsgesetzliche Mitwirkungsmöglichkeit parlamentarischer Körperschaften an den Entscheidungen in der EU.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Ein derartiges Mitwirkungs- und Informationsrecht von NR und BR besteht bei internationalen Organisationen nicht, vereinzelte (A.2.1.) Mitglieder des Ausschusses schlugen aber vor, sie zu schaffen. Hiebei wurde insbesondere an die UNO, die WTO oder den IWF gedacht. Dissens (A.2.2.) bestand unter den Mitgliedern des Ausschusses, ob eine Berichtspflicht der Regierung in Bezug auf Österreichs Mitgliedschaft bei derartigen Organisationen geschaffen werden soll sowie die Pflicht zur nachfolgenden Beratung in einem Ausschuss des NR.

A.3.    Ausbau der Akte der besonderen Gebarungsprüfung durch den RH-Unterausschuss sowie Schaffung eines "Kontrollausschusses"

Rechtslage

Gemäß Art 52b B-VG ist ein ständiger Unterausschuss des RH-Ausschusses berufen, "bestimmte Vorgänge in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgesetzgebung" zu überprüfen. In Ausführung dieser Bestimmung bestimmt § 32e GONR, dass dieser Unterausschuss, dem mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss vertretenen Partei angehören muss, Überprüfungen vorzunehmen hat, wenn dies der NR beschließt. Einem solchen Beschluss ist das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des NR gleichzuhalten. Die Zahl der diesem Ausschuss übertragenen Prüfungsaufträge durch den Nationalrat selbst ist nicht begrenzt. Auf Grund eines Minderheitsverlangens darf jedoch gleichzeitig nur eine einzige Gebarungsprüfung vorgenommen werden; ist sie abgeschlossen, so kann eine Minderheit neuerlich ein diesbezügliches Verlangen stellen. Das Recht, die Vorlage von Akten zu verlangen, kommt dem RH-Unterausschuss nicht zu. Er kann lediglich – wie jeder andere Ausschuss – mit Mehrheit das zuständige Regierungsmitglied um Informationen ersuchen bzw. dessen Anwesenheit sowie die Anhörung von Auskunftspersonen beschließen.

Die Kontrolle von Unternehmungen des Bundes kommt dem Parlament insbesondere in Form von parlamentarischen Fragerechten sowie im Zusammenhang mit RH-Berichten zu. Ausschüsse von Vertretungskörpern haben – abgesehen von etwaigen aktuellen Stunden – insbesondere nicht das Recht, ohne derartige parlamentarische Vorlagen die Tätigkeit von Unternehmungen des Bundes zu kontrollieren.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss erzielte Konsens (A.3.1.), dass die bestehenden Regelungen über den RH-Unterausschuss im Wesentlichen beibehalten werden sollen. Dissens (A.3.2.) bestand aber, ob der ständige RH-Unterausschuss künftig nicht nur eine, sondern gleichzeitig mehrere Akte der Gebarungsprüfung auf Verlangen einer Minderheit durchführen können soll. Weiters gab es Dissens (A.3.3.), ob dem RH-Unterausschuss auch das Recht auf Aktenvorlage zuerkannt werden soll.

Schließlich bestand Dissens (A.3.4.), ob das Minderheitsrecht auf Durchführung solcher Akte der Gebarungsprüfung nur in der Geschäftsordnung oder auch in der Verfassung geregelt werden soll.

Zusätzlich schlugen vereinzelte (A.3.5.) Mitglieder des Ausschusses vor, den im Zuge der GONR-Reform 1993 gemachten Vorschlag eines "Kontrollausschusses" aufzugreifen und zu verwirklichen. Diesem soll das Recht zukommen, auf Grund seiner eigenen Beschlüsse die Vorstandsmitglieder bzw. den Präsidenten des Aufsichtsrates zur Lage des Unternehmens und zur Unternehmenspolitik zu befragen.

A.4.      Reform der Ministeranklage gemäß Art 142 B-VG sowie Kontrolle von Ministerentscheidungen in "eigener Sache"

Rechtslage

Gemäß Art 142 B-VG wird der Verfassungsgerichtshof auch als "Staatsgerichtshof" tätig. In dieser Funktion entscheidet er auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers bzw. der Bundes- oder einer Landesregierung wegen schuldhafter Rechtsverletzungen über die „verfassungsmäßige Verantwortlichkeit oberster Bundes- und Landesorgane“ der Gesetzesvollziehung. Gemäß Art 143 B-VG können auf Antrag eines Vertretungskörpers auch „normale“ strafrechtliche Verfahren vor den VfGH gezogen werden.

Solche Verfahren haben in der Geschichte Österreichs praktisch keine Rolle gespielt. Seit 1920 wurden sie lediglich drei Mal beantragt. In allen drei Fällen war die Bundesregierung Antragstellerin und der Angeklagte ein Landeshauptmann. In der 1. Republik war dies zwei Mal der Fall; in beiden Fällen erfolgte die Zurückweisung der Klage. In der 2. Republik war das Ergebnis des einzigen diesbezüglichen Verfahrens ein Schuldspruch, der sich jedoch wegen der "geringfügigen Rechtsverletzung ... auf die Feststellung beschränkte, dass eine Rechtsverletzung vorliegt" (Art 142 Abs 4 B-VG).

Ergebnis der Ausschussberatungen

Vom Ausschuss wurde eingehend diskutiert, ob es sinnvoll sei, die Ministeranklage "leichter handhabbar" zu machen, d.h. insbesondere, das Recht auf Erhebung einer Anklage einer Minderheit zuzuerkennen. Die überwiegende (A.4.1.) Mehrheit der Ausschussmitglieder sprach sich dafür aus, dass an der bestehenden Rechtslage festgehalten werden soll, weil einem Klagebegehren in der Regel eine politische Auseinandersetzung zu Grunde liegt und diese letztendlich nicht durch gerichtliche Verfahren lösbar erscheint. Auch das Tätigwerden des VfGH als „Sonderstrafgericht“ soll ‑ bisher noch nie eingetretenen – Sonderfällen vorbehalten bleiben.

Vereinzelt (A.4.2.) wurde auch die Meinung vertreten, dass die Ministeranklage von einer parlamentarischen Minderheit erhoben werden kann, insbesondere in Zusammenhang mit der Verletzung von Gesetzen, die durch Volksbegehren bzw. Volksabstimmungen plebiszitär legitimiert sind.

Auch unter Bezug auf aktuelle politische Diskussionen wurde darüber hinaus der Vorschlag diskutiert, dass eine besondere politische Kontrolle in all jenen Fällen eingerichtet werden soll, in denen ein Regierungsmitglied als oberstes Vollzugsorgan in einer Angelegenheit entscheidungsberechtigt ist, die es selbst betrifft. In diesem Zusammenhang wurden zwar einige Vorschläge gemacht (besondere Form der parlamentarischen Kontrolle, zB durch den RH-Unterausschuss bzw. Abtretung der Entscheidungsbefugnis an ein anderes Regierungsmitglied u.ä.). Diese Vorschläge fanden jedoch jeweils nur die Zustimmung vereinzelter (A.4.3.) Ausschussmitglieder.


A.5. Kontrollrechte in den Ländern

Rechtslage

Die geltende Bundesverfassung enthält zwar die Regelung der Gesetzgebungs-kompetenzen der Landtage (Art 95ff B-VG), nicht aber deren Rechte auf Kontrolle und Mitwirkung gegenüber den obersten Organen der Landesvollziehung in einer dem Art 52ff B-VG vergleichbaren Weise.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Einige Ausschussmitglieder leiteten aus dieser Rechtslage die Notwendigkeit ab, in das B-VG einen "Mindeststandard an Kontrollrechten" der Landtage aufzunehmen. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf Dissens (A.5.1.), da die Ansicht vertreten wurde, dass die als Ergebnis des Konvents zu verwirklichende Verfassungsreform die Verfassungsautonomie der Länder erhöhen soll. Die Schaffung eines solchen bundeseinheitlichen Kontroll-Mindeststandards würde aber Gegenteiliges bewirken.

Konsens (A.5.2.) konnte hingegen erzielt werden, in den die Zuständigkeiten der Landtage regelnden Artikel des B-VG einen generellen Verweis aufzunehmen, dass die Landesverfassungen auch Regelungen über die Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Landtage zu enthalten haben. Diese Ergänzung soll die Landesverfassungsgesetzgeber auch ganz allgemein verpflichten, diesbezügliche Minderheitsrechte vorzusehen.

A. 6.   Kontrolle der mittelbaren Bundesverwaltung im Falle der Verländerung

Rechtslage

Bei der "mittelbaren Bundesverwaltung" (Art 102ff B-VG) handelt es sich funktional um Verwaltung des Bundes unter Inanspruchnahme von Landesbehörden. Die parlamentarische Kontrolle kommt daher derzeit dem NR und BR zu. Landtage haben keinen Rechtsanspruch auf die parlamentarische Kontrolle dieses Teiles der Tätigkeit der Landesregierung und der ihr unterstehenden Landesverwaltung.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Sollte sich der Konvent entschließen, die mittelbare Bundesverwaltung an die Länder abzutreten, so besteht Konsens (A.6.1.), dass eine neuerliche Entscheidung des Ausschusses notwendig ist. Einerseits stand außer Streit, dass in einem solchen Fall die Landtage berufen sein müssen, die Kontrolle dieses Bereiches des Gesetzesvollzuges wahrzunehmen, der ja dann autonome Aufgabe der Länder wäre. Auf der anderen Seite würden bei einer „Verländerung“ der mittelbaren Bundesverwaltung dem Bund noch immer die Gesetzgebungskompetenzen verbleiben. Zur Weiterentwicklung der diesbezüglichen Bundesgesetze sowie zur Wahrung ihres bundeseinheitlichen Vollzuges würde es aber nach Ansicht eines Teiles des Ausschusses notwendig sein, dass gewisse Kontroll- und Informationsrechte bei der Bundesregierung verbleiben, die auch der parlamentarischen Kontrolle von NR und BR unterliegen müssten.

Mitglieder von Landesregierungen können auf Grund der geltenden Rechtslage parlamentarische Fragen beantworten, die Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung betreffen. Sie sind hiezu aber nicht (verfassungs-)gesetzlich verpflichtet. Auf Grund des engen Zusammenhanges von Materien der autonomen Landes- und der mittelbaren Bundesverwaltung werden bereits derzeit in vielen Fällen solche parlamentarische Fragen beantwortet. Der Ausschuss erzielte Konsens (A.6.2.), dass diese Praxis unverändert beibehalten werden soll. Vereinzelt (A.6.3.) wurde die Auffassung vertreten, dass die Bundesverfassung das Anfragerecht der Landtage an Landesregierungsmitglieder in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung sicherstellen sollte.

A.7.    Amtsverschwiegenheit gegenüber den Parlamenten

Rechtslage

Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG lautet: " Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt." Der Verfassungsgesetzgeber der B-VG-Novelle 1925 wollte durch diesen Satz ausdrücklich verhindern, dass sich Mitglieder der Bundes-, einer Landesregierung und der Stadtsenate gegenüber „ihren“ allgemeinen Vertretungskörpern auf die gleichzeitig ins B-VG eingefügten Verschwiegenheitspflichten berufen können. Der damaligen Rechtslage zufolge wurden nämlich in allen drei Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) die obersten Exekutivorgane von den Vertretungskörpern bestellt. Durch die B‑VG-Novelle 1929 wurde jedoch die Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung dem Bundespräsidenten übertragen. Zudem bestimmt Art 117 Abs 6 B-VG seit 1996 zwar nach wie vor grundsätzlich, dass der Bürgermeister vom Gemeinderat gewählt wird, fügt jedoch hinzu, dass in der Landesverfassung vorgesehen werden kann, dass "die zur Wahl des Gemeinderates berechtigten Bürger den Bürgermeister wählen". Sowohl Mitglieder der Bundesregierung wie auch direkt gewählte Bürgermeister können sich daher ‑ zumindest theoretisch – vor "ihren" Vertretungskörper auf die Amtsverschwiegenheit berufen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss erachtete im Konsens (A.7.) beide Regelungen als korrekturbedürftige "Redaktionsfehler" des Bundesverfassungsgesetzgebers. Mitglieder der Bundesregierung sowie direkt gewählte Bürgermeister sollen sich daher in Zukunft nicht mehr unter Berufung auf Art 20 Abs 3 B-VG auf die Amtsverschwiegenheit gegenüber "ihren" allgemeinen Vertretungskörpern berufen können.

A.8.    Untersuchungsausschüsse

Rechtslage

Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Alle Gerichte und anderen Behörden haben dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten und auf Verlangen ihre Akten vorzulegen. Ein Recht einer Minderheit auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, wie es in einigen Staaten (insbesondere der BRD) besteht, gibt es in Österreich nicht.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss bestand Dissens (A.8.), das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch einer parlamentarischen Minderheit zuzuerkennen. Befürworter begründen dies mit den bestehenden Beispielen in einzelnen Staaten (insbesondere der BRD) und der demokratiepolitischen Bedeutung eines solchen Rechtes. Nach geltender Rechtslage wird nämlich ein solcher Ausschuss nur eingesetzt, wenn dies die – in der Regel – zu kontrollierende Mehrheit selbst beschließt. Gegner führten ins Treffen, dass ein solches Minderheitsrecht nur sehr vereinzelt besteht und somit nicht zur notwendigen "Normalausstattung" eines modernen demokratischen Staates gezählt werden kann. Zudem bindet ein solcher Untersuchungsausschuss so viele parlamentarische Kräfte, dass deren Tagung in Permanenz die notwendige parlamentarische Arbeit gefährden würde und die Gefahr eines parteipolitischen Missbrauchs bestünde.

A.9.     Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen

Rechtslage

Die geltende Verfassungsordnung kennt nur vereinzelt die Schlichtung von Kompetenzkonflikten durch Richterspruch. So entscheidet der VfGH gem. Art 138 B-VG, welchen Gebietskörperschaften Gesetzgebungs- oder Vollzugskompetenzen zukommen bzw. ob eine Angelegenheit in die Zuständigkeit der Verwaltung oder von Gerichten fällt. Er ist auch berufen, über Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem RH oder der VA und einer zu prüfenden Einrichtung zu entscheiden. Gerichtsentscheidungen über die inhaltliche Ausgestaltung der Kompetenzen oberster Kollegialorgane kennt das österreichische Verfassungsrecht jedoch nicht.

Das B-VG unterscheidet sich hierin vom wesentlich jüngeren Grundgesetz der BRD. Dieses bestimmt nämlich nicht nur, dass der Bundesverfassungsgerichtshof Kompetenzstreitigkeiten letztinstanzlich zu entscheiden hat, sondern auch, dass er berufen ist, über Streitigkeiten zu entscheiden, die "über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorganes oder anderen Beteiligten" entstanden sind. Einer solchen Streitschlichtung käme auch im System des B-VG bei einer Ausweitung von Minderheitsrechten wesentliche Bedeutung zu. Einerseits wäre in Ausübung solcher Minderheitsrechte die Mehrheit davor zu schützen, dass die Minderheit in (verfassungs-)gesetzwidriger Weise von ihren Rechten Gebrauch macht (zB Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch eine Minderheit in Angelegenheiten, die gar nicht der Vollziehung des Bundes obliegen). Andererseits ist aber auch die Minderheit vor den Rechten der Mehrheit zu schützen (insbesondere bei verfahrensleitenden Beschlüssen).


Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss bestand Konsens (A.9.1.), dass in die österreichische Verfassungsordnung ein solches "Organstreitverfahren" einzufügen sein wird, sollte es zu einer Ausweitung der parlamentarischen Minderheitsrechte kommt (insbesondere Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Verlangen einer Minderheit). Es bestand Einvernehmen, dass in einem solchen Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht nur die "Minderheit vor der Mehrheit", sondern auch die "Mehrheit vor der Minderheit" zu schützen sein würde. Ein solches Verfahren wäre unter erhöhter zeitlicher Priorität vom Verfassungsgerichtshof abzuhandeln. Vereinzelt (A.9.2.) wird die Auffassung vertreten, dass das Organstreitverfahren mit der vollen Reichweite wie in der BRD übernommen werden soll.

A.10.  Immunität (Art 57, 58 und 96 Abs 1 B-VG)

Rechtslage

Die österreichische Verfassungsordnung kennt Immunitätsregelungen lediglich für Mitglieder von gesetzgebenden Körperschaften (NR, BR und Landtage) sowie den Bundespräsidenten. Die geltende Regelung für Parlamentarier ist ein wenig kompliziert: Art 57 B-VG bestimmt den Umfang der Immunität von Mitgliedern des NR relativ detailliert. Art 58 B‑VG regelt hingegen, dass Mitglieder des BR jene Immunität genießen, die den Mitgliedern jenes Landtages zukommt, der sie entsandt hat. Art 96 Abs 1 B‑VG normiert schließlich, dass die Mitglieder eines Landtages "die gleiche Immunität wie die Mitglieder des NR ... genießen". Auch wenn die Angehörigen aller dreier Vertretungskörper somit theoretisch einen völlig identen Immunitätsschutz erhalten, weichen die Immunitätspraktiken nicht unwesentlich voneinander ab.

Art 57 B-VG unterscheidet grundsätzlich zwischen der beruflichen und der außerberuflichen Immunität. Die berufliche Immunität umfasst alle in Ausübung des "Berufes geschehenen Abstimmungen und den in diesem Zusammenhang gemachten mündlichen und schriftlichen Äußerungen". Für ihr Abstimmungsverhalten können Abgeordnete "niemals", für ihre beruflichen Äußerungen (Reden im Vertretungskörper und in seinen Ausschüssen sowie schriftliche Äußerungen in offiziellen Parlamentsdokumenten) nur vom NR selbst verantwortlich gemacht werden. Letzteres erfolgt im Wege des Rechtes des Präsidenten, im Rahmen der Ordnungsbestimmungen der GONR durch den Ruf "zur Sache" bzw. "zur Ordnung" (§§ 110ff GONR). Im Rahmen der "beruflichen Immunität" sind daher weder straf-, noch zivil- oder verwaltungsrechtliche Verfahren möglich.

Im Rahmen der "außerberuflichen Immunität", also insbes. bei Äußerungen und Handlungen außerhalb des Plenums und der Ausschüsse sind – wird der Immunitätsschutz überhaupt zuerkannt – keine (verwaltungs‑)strafrechtlichen Verfahren zulässig, sehr wohl aber solche zivilrechtlicher Natur. Die Immunität stellt jedoch in diesen Fällen nur ein Verfolgungshindernis dar. Nach Niederlegung des Mandates lebt die strafrechtliche Verfolgbarkeit wieder auf; ab diesem Zeitpunkt können daher auch unter dem Schutze der außerberuflichen Immunität gefallene Äußerungen wiederum (verwaltungs-)strafrechtlich verfolgt werden.

Vor allem der Begriff der "außerberuflichen Immunität" ist nach Ansicht des Ausschusses durchaus missverständlich. Er umfasst Äußerungen, die vom Abgeordneten, wenn auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Geschäftsordnung, in Ausübung seines politischen Mandates, gemacht werden. Davon zu unterscheiden sind die völlig privaten Aktivitäten eines Abgeordneten, wie beispielsweise die Ausübung seiner "zivilberuflichen" Tätigkeit. Sie unterliegt keinesfalls der Immunität.

Abgeordnete genießen zudem grundsätzlich einen weitgehenden Verhaftungs- sowie einen Schutz vor Hausdurchsuchungen (ersteres mit Ausnahme der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens).

Der Bundespräsident genießt als einziges Organ mit Exekutivfunktionen Immunitätsschutz. Seine immunitätsrechtliche Stellung entspricht weitgehend jener, wie sie auch für Abgeordnete vor dem Jahre 1979 gegolten hat. Art 63 B-VG bestimmt daher generell, dass jede behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten der vorherigen Zustimmung der Bundesversammlung auf Antrag des NR bedarf.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss ist überwiegend (A.10.1.) der Ansicht, den Kreis jener Personen, für die das Immunitätsrecht gilt, grundsätzlich nicht zu erweitern. Eine Ausnahme von dieser Regel ergab sich jedoch im Zusammenhang mit der Waffengleichheit im Rahmen parlamentarischer Auseinandersetzungen (siehe A.10.4.) Die Immunität soll daher auch in Zukunft vor allem den Mitgliedern von NR und BR sowie der Landtage und dem Bundespräsidenten zukommen.

Konsens (A.10.2.) des Ausschusses bestand des Weiteren dahingehend, die missverständlichen Begriffe der "beruflichen" und der "außerberuflichen" Immunität durch selbsterklärendere Begriffe zu ersetzen. Der Ausschuss schlägt vor, zu den Begriffen der "parlamentarischen" und "außerparlamentarischen" Immunität überzugehen.

Parlamentarische Immunität

Die "parlamentarische Immunität" soll sowohl das Abstimmungsverhalten, wie auch alle schriftlichen und mündlichen Äußerungen im Rahmen der Geschäftsordnung des jeweiligen Vertretungskörpers umfassen. Es bestand somit Konsens (A.10.3.), sie im Wesentlichen unverändert beizubehalten.

In diesem Zusammenhang wurde auch eine einzige Erweiterung des Immunitätsschutzes von der überwiegenden (A.10.4.) Zahl der Ausschussmitglieder erwogen: Im Sinne der Waffengleichheit im Rahmen parlamentarischer Auseinandersetzungen soll die parlamentarische Immunität neben den Abgeordneten auch jenen zugute kommen, die im Rahmen der Geschäftsordnung im Plenum redeberechtigt sind. Immunität soll daher bei parlamentarischen Äußerungen Mitgliedern der Bundesregierung, Staatssekretären, dem Präsidenten des RH und Mitgliedern der VA zukommen. Dieser Immunitätsschutz soll Auskunftspersonen, insbesondere Zeugen vor einem Untersuchungsausschuss, nicht zugestanden werden. Auch im BR soll eine solche Regelung sinngemäße Anwendung finden. Ergreifen Landeshauptleute gemäß § 38 Abs 2 GOBR das Wort vor dem BR, so soll auch ihnen hiebei Immunität zukommen. Dagegen wurde eingewandt, dass die historische Rechtfertigung der Immunität im Schutz von Abgeordneten vor willkürlicher Verfolgung durch Angehörige der Exekutive liegt. Die Immunität solle nicht dazu dienen, für alle an Diskussionen im Parlament Teilnahmeberechtigten ein "Sonderstrafrecht" zu schaffen, das Verhaltensweisen exkulpiert, die in der übrigen Gesellschaft pönalisiert sind.

Vereinzelt (A.10.5.) wurde im Ausschuss die Ansicht vertreten, dass, wie im Deutschen Bundestag, die Immunität dann nicht zuerkannt wird, wenn eine offensichtliche "verleumderische Beleidigung" vorliegt.


Außerparlamentarische Immunität

Die überwiegende (A.10.6.) Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses trat dafür ein, auch die außerparlamentarische Immunität – abgesehen von den nachstehenden Änderungsvorschlägen ‑ im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten.

Hinsichtlich der "außerparlamentarischen" Immunität bestand im Ausschuss Konsens (A.10.7.), dass die nicht leicht nachvollziehbare Grenzziehung zwischen den der Immunität unterliegenden politischen Tätigkeiten eines Abgeordneten und seiner privaten Sphäre leichter verständlich gemacht werden soll.

Der Ausschuss erzielte Konsens (A.10.8.), dass die außerparlamentarische Immunität auch weiterhin lediglich ein Verfolgungshindernis darstellen soll. Die Verfolgbarkeit einer strafbaren Handlung wird für die Dauer der Ausübung des Mandates lediglich gehemmt und lebt mit Niederlegung des Mandates wiederum auf. Des Weiteren bestand Konsens (A.10.9.), dass der Verhaftungs- und der Schutz vor Hausdurchsuchungen im bisherigen Umfang aufrecht erhalten bleiben soll.

Vereinzelt (A.10.10.) wurde sowohl die Ansicht vertreten, dass die außerparlamentarische Immunität zur Gänze gestrichen werden soll als auch, dass sie inhaltlich auszubauen wäre. Des Weiteren wurde vereinzelt (A.10.11.) in die Diskussion eingebracht, die Immunität auf Meinungsäußerungen "engagierter BürgerInnen" auszudehnen. Dagegen wurde eingewandt, dass gemäß Rechtsanwaltstarifgesetz derzeit ohnedies derartige Gerichtsverfahren obligatorisch mit einem Streitwert von 8.720 € begrenzt sind.

Immunität von Bundesräten und Landtagsabgeordneten

Bisher scheiterte eine Homogenität der Entscheidungen über die Immunität der Mitglieder des BR daran, dass diesen jeweils die Immunität jenes Landtages zukam, der sie entsandt hat. Dies kann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Die überwiegende (A.10.12.) Zahl der Mitglieder des Ausschusses war daher der Ansicht, dass auf Bundesräte künftig die gem. Art 57 B-VG für Abgeordnete des NR geltende Immunität sinngemäß Anwendung finden soll. Die immunitätsrechtlichen Entscheidungen sollen aber vom Bundesrat selbst getroffen werden. Die Ablehnung einer solchen Regelung wurde damit begründet, dass die geltende Rechtslage die Verbundenheit der Mitglieder des BR mit "ihrem" Landtag stärkt.

Im Interesse einer Erhöhung der Gestaltungsmöglichkeiten des Landesverfassungsgesetzgebers war die überwiegende (A.10.13) Zahl der Mitglieder im Ausschuss der Ansicht, dass die immunitätsrechtliche Stellung der Mitglieder der Landtage den Landesverfassungsgesetzgebern überlassen werden soll. In die Bundesverfassung soll aber der generelle Verweis aufgenommen werden, dass Landesverfassungen Immunitäts-Regelungen für Landtagsabgeordnete zu enthalten haben. Ihre Grenzen dürfen zwar enger, nicht aber weiter gezogen werden als im Art 57 B-VG. Im Rahmen dieser Regelungen sollen Länder zur Verwirklichung einer Waffengleichheit in parlamentarischen Debatten, wie unter A.10.4. ausgeführt, nicht nur Abgeordneten, sondern auch obersten Landesorganen (zB Mitgliedern der Landesregierungen), die nach den Geschäftsordnungen im Landtagsplenum redeberechtigt sind, Immunität zuerkennen können. Dem wurde entgegengehalten, dass die Länderverfassungen mehrheitlich Proporzlandesregierungen vorsehen. Definitionsgemäß verfügen die Regierungsparteien in diesen Landtagen zumindest über eine Zwei-Drittel-Mehrheit, weshalb die Stellung einer ohnedies schwachen Opposition nicht noch weiter durch eine neu geschaffene Immunität von Landesregierungsmitgliedern geschwächt werden soll.

Immunität des Bundespräsidenten

Schließlich wurde auch die Immunität des Bundespräsidenten beraten, ohne dass hiezu ein abschließendes Ergebnis erzielt werden konnte. Dies hing auch damit zusammen, dass ein Teil der Ausschussmitglieder im Vorfeld der Bundespräsidentenwahlen keine diesbezüglichen Entscheidungen treffen wollte. Diese Frage wird daher vom Ausschuss nach Abschluss der Bundespräsidenten-Wahlen nochmals zu beraten sein (A.10.14.). Dessen ungeachtet war jedoch im Ausschuss eine Tendenz dahingehend erkennbar, die Immunität des Bundespräsidenten gemäß Art 63 Abs 1 B‑VG aufzuheben. Ihm soll an Stelle dessen künftig die außerparlamentarische Immunität der Abgeordneten zum NR zuerkannt werden (einschließlich des sich daraus ergebenden Verhaftungs- und Schutzes vor Hausdurchsuchungen).


A.11.  Unvereinbarkeitsrecht
(Art 19 Abs 1 und Art 59 bis 59b B-VG sowie das Unvereinbarkeitsgesetz)

Rechtslage

Die Bundesverfassung enthält an verschiedenen Stellen Bestimmungen über die Unvereinbarkeit politischer Funktionen sowie öffentlicher Ämter1). Generell sind Funktionen in der Exekutive mit solchen in allgemeinen Vertretungskörpern vereinbar, Exekutivfunktionen untereinander jedoch zumeist nicht. Zudem sind bestimmte richterliche Funktionen (insbes. VfGH) und die Tätigkeit in unabhängigen Kontrollorganen mit beiden genannten Mandatsarten nicht vereinbar. Darüber hinaus enthält das B-VG relativ detaillierte Regelungen über die Vereinbarkeit der Zugehörigkeit zum NR und BR mit der Tätigkeit eines öffentlich Bediensteten (Art 59a u. b B-VG).

In Bezug auf die sensible Frage der Vereinbarkeit von politischen Mandaten mit privatwirtschaftlichen Tätigkeiten enthält die Verfassung lediglich einen Ausführungsvorbehalt

(Art 19 Abs 2 B-VG). Ihm zufolge dürfen alle obersten Organe und "sonstige öffentliche Funktionäre" Beschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Betätigung in der Privatwirtschaft unterworfen werden. Das bereits 1925 geschaffene Unvereinbarkeitsgesetz wurde in der Zwischenzeit mehrfach novelliert (insbesondere 1980).

Das in 13 Paragraphen insgesamt 8 Verfassungsbestimmungen enthaltende Unvereinbarkeitsgesetz schließt während der Ausübung von politischen Spitzenfunktionen (zB Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung, Präsidenten des NR, Klubobmänner im NR, Präsidenten des RH, Mitglieder der VA und Präsidenten der Landesschulräte) neben der Amtstätigkeit grundsätzlich jede berufliche Tätigkeit aus. Stehen Unternehmungen zu mehr als 25% im Eigentum von Regierungsmitgliedern sowie deren Ehepartnern, so dürfen diese Unternehmungen von jenen Gebietskörperschaften keine Aufträge übernehmen, in der das jeweilige Regierungsmitglied tätig ist. Diese Regelungen sind sinngemäß, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, auch auf freiberufliche Tätigkeiten anzuwenden. Darüber hinaus hat der eingangs erwähnte Personenkreis, aber auch alle Mitglieder von gesetzgebenden Körperschaften, umfangreiche Deklarierungspflichten über ihre privatwirtschaftlichen Tätigkeiten gegenüber dem Unvereinbarkeitsausschuss des NR und BR. Die vom Unvereinbarkeitsgesetz verwendete Systematik erscheint aber nicht ganz zeitgemäß.

Die Fortsetzung einer Tätigkeit als öffentlich Bediensteter neben einem Mandat ist ‑ sofern nicht Berufsverbot besteht – grundsätzlich zulässig. Ausgenommen hievon sind jedoch Tätigkeiten, bei denen die parallele Ausübung eines Mandates mit den Dienstpflichten eine "objektive u. unbeeinflusste Amtsführung" gefährden würde. Ist dies der Fall, so kann ein Ersatzarbeitsplatz angeboten werden; kann er nicht gefunden werden, so ist der betreffende Beamte unter Entfall der Bezüge für die Zeit der Ausübung des Mandates außer Dienst zu stellen. Wird hingegen die Tätigkeit fortgesetzt, so gebührt nur ein Bezug in der Höhe der tatsächlich geleisteten Arbeit.

Schließlich erkennt der VfGH auf Antrag des allgemeinen Vertretungskörpers auf Aberkennung des Mandates, wenn der betreffende Mandatar "seine Stellung in gewinnsüchtiger Absicht missbraucht" und insbesondere den von diesen Gremien ausgesprochenen Ge- und Verboten nicht entsprochen hat.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss war die überwiegende (A.11.1.) Mehrheit der Mitglieder der Ansicht, dass die in der Verfassungsordnung enthaltenen Regeln über die Unvereinbarkeit mehrerer politischer Funktionen ausreichend sind und in diesem Zusammenhang kein legistischer Handlungsbedarf besteht. Die Bestimmungen über die politischen Unvereinbarkeiten sollen somit unverändert bleiben.

Der Ausschuss erzielte im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Unvereinbarkeiten Konsens (A.11.2.), dass die Bundesverfassung in Abänderung des Art 19 Abs 2 B-VG nicht nur einen Ausführungsvorbehalt für ein Unvereinbarkeitsgesetz enthalten soll. In dieser B-VG-Bestimmung sollen zumindest die notwendigen Grundrechtseingriffe abgesichert und notwendige verfassungsgesetzliche Bestimmungen aufgenommen werden. Darüber hinaus sprach sich die überwiegende (A.11.3.) Mehrheit der Ausschussmitglieder dafür aus, dass das Unvereinbarkeitsgesetz grundsätzlich auch für Länder und Gemeinden gelten soll.


Es bestand jedoch Konsens (A.11.4.), dass in diesem Fall den Landesverfassungsgesetzgebern die Möglichkeit eröffnet werden soll, für ihre Bereiche (Länder und Gemeinden) über das Unvereinbarkeitsgesetz hinausreichende, strengere Regelungen in Kraft zu setzen.

Der Ausschuss gab hinsichtlich der Regelungsmethode weiters einer enumerativen Aufzählung der unvereinbaren Funktionen den Vorzug gegenüber einer Komprimierung der gesetzlichen Bestimmungen auf jeweils im Einzelfall zu interpretierende "Generalregeln". Die sich aus dem Unvereinbarkeitsrecht ergebenden Verbote sind daher detailliert im Gesetz auszuführen. Im Ausschuss bestand somit Konsens (A.11.5.), dass einer kasuistischen Regelung gegenüber einer generell abstrakten der Vorzug zu geben ist.

Schließlich bestand im Ausschuss Konsens (A.11.6.), dass das Unvereinbarkeitsrecht eine erhöhte Bestandsgarantie erhalten soll. Werden daher vom Konvent einfache Bundesgesetze erwogen, die nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen und abgeändert werden können, so sollte auch das Unvereinbarkeitsgesetz dieser legistischen Technik unterworfen werden. Kommt es zu keinen Zwei-Drittel-Mehrheitsgesetzen, so könnte dieses Ziel entweder dadurch erreicht werden, die Kernbestimmungen in das B-VG zu inkorporieren oder zum Gegenstand eines verfassungsgesetzlichen Nebengesetzes zu machen.

Im Ausschuss bestand Konsens (A.11.7.), dass nicht nur die in § 4 des Unvereinbarkeitsgesetzes enthaltenen Funktionen in Unternehmungen der Meldungspflicht unterliegen sollen, sondern jegliche berufliche oder privatwirtschaftliche Tätigkeit. Die dem Unvereinbarkeitsrecht unterliegenden Personen sollen somit verpflichtet werden, "ihrem" Unvereinbarkeitsausschuss nicht nur ausgewählte, sondern alle privatwirtschaftlichen Tätigkeiten zu melden.

Die primäre Zuständigkeit eines Gerichtes (zB VfGH) wurde konsensual abgelehnt. Es bestand im Ausschuss somit Konsens (A.11.8.), dass die sich aus dem Unvereinbarkeitsrecht ergebenden Entscheidungen nach wie vor beim Unvereinbarkeitsausschuss des jeweiligen Vertretungskörpers verbleiben sollen.

Es bestand Konsens (A.11.9.), dass der Unvereinbarkeitsausschuss hiebei grundsätzlich zwei unterschiedliche Typen von Entscheidungen zu treffen hat: Personen mit Berufsverbot sollen einer ausdrücklichen politischen Genehmigung bedürfen, wenn sie neben ihrem politischen Amt eine weitere berufliche oder privatwirtschaftliche Tätigkeit ausüben; eine solche darf nur im Falle der Unentgeltlichkeit dieser Tätigkeit erteilt werden. Für diesen Personenkreis ist daher jede weitere Tätigkeit neben ihrer politischen Funktion nur zulässig, wenn sie unentgeltlich ist und wenn hiefür eine positiv genehmigende Entscheidung des Unvereinbarkeitsausschusses vorliegt. Eine solche berufliche Tätigkeit könnte daher ausgeübt werden, wenn beispielsweise auf Grund landes(verfassungs-)gesetzlicher Bestimmungen mit einer Funktion eines Regierungsmitgliedes automatisch jene eines Landesschulratspräsidenten verbunden ist, da es sich hiebei um eine Tätigkeit mit auch nur einem Bezug handelt. Personen ohne Berufsverbot dürfen hingegen neben dem Mandat eine berufs- oder eine privatwirtschaftliche Tätigkeit so lange ausüben, als ihnen dies vom Unvereinbarkeitsausschuss nicht ausdrücklich untersagt wird. Der Ausschuss soll daher bei diesem Personenkreis im Falle der Unvereinbarkeit (Gefahr der Inobjektivität und Parteilichkeit) eine negativ untersagende Entscheidung zu treffen haben. Weiters bestand im Ausschuss Konsens (A.11.10.), dass Tätigkeiten von Personen ohne Berufsverbot außerhalb der politischen Funktion grundsätzlich zulässig sein sollen, sofern sie unentgeltlich ausgeübt werden. Wird ex lege (zB durch das Bezügebegrenzungs-BVG) die Einstellung eines Bezuges verfügt, so gilt die betreffende Tätigkeit automatisch als unentgeltlich. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit seiner Entscheidungen soll der Ausschuss einen allgemein gültigen Katalog für die von ihm zu untersagenden Tätigkeiten erstellen (Entscheidungskatalog für die parlamentarische Praxis).

Dissens (A.11.11.) bestand im Ausschuss, ob parlamentarische Unvereinbarkeitsausschüsse ihre Entscheidungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit fassen sollen.

Der Ausschuss erzielte Konsens (A.11.12.), dass der an mehreren Stellen verwendete Begriff des "Berufes" bzw. der "beruflichen Tätigkeit" künftig klarer gefasst werden muss. Darunter soll jedenfalls jede Art von Tätigkeit verstanden werden, mit der ein Entgelt –gleichgültig welcher Höhe – erzielt wird. Die Verwaltung des eigenen Vermögens soll aber einem Konsens (A.11.13.) im Ausschuss zufolge davon ausgenommen sein. Ausgeschlossen werden muss, dass unter dem Vorwand der Verwaltung des eigenen Vermögens in die Unternehmungsführung eingegriffen werden kann.


Vereinzelte (A.11.14.) Ausschussmitglieder sprachen auch für eine Einschränkung der Tätigkeiten in Interessensvertretungen neben einer politischen Funktion aus.

Vereinzelte (A.11.15.) Ausschussmitglieder schlugen die Schaffung von "Lobbyistenlisten" vor, in denen alle vom Unvereinbarkeitsgesetz erfassten Personen öffentlich deklarieren müssen, ob sie Einkünfte von dritter Seite beziehen. Ein Mitglied schlug insbesondere eine jährliche Offenlegung aller Spenden und sonstigen Zuwendungen gegenüber dem Nationalratspräsidenten vor, welcher für die Veröffentlichung Sorge tragen müsse. Ab einer bestimmten Spendenhöhe sollte auch der Spender veröffentlicht werden müssen. Die überwiegende Mehrheit des Ausschusses war der Ansicht, dass eine derartige Regelung nicht notwendig erscheint, weil § 9 des Bezügebegrenzungs-BVG bereits eine Offenlegungspflicht für Mitglieder des NR und BR sowie der Landtage enthält. Exekutivfunktionen unterliegen darüber hinaus ohnedies einem Berufsverbot.

Der Ausschuss erzielte Konsens (A.11.16.), dass der schon heute von § 3a des Unvereinbarkeitsgesetzes erfasste Personenkreis (oberste Organe der Vollziehung des Bundes und der Länder) künftig alle nennenswerten Vermögenswerte deklarieren muss. Die Schaffung von Bagatellgrenzen wurde konsensual abgelehnt, weil für die politische Sensibilität von Eigentum (an Unternehmensanteilen) nicht zwingend deren Höhe ausschlaggebend sein muss. Dissens (A.11.17.) gab es jedoch dahingehend, wem diese Vermögenserklärungen gegenüber abgegeben werden sollen. Die Meinungen im Ausschuss reichten von der Beibehaltung der bisherigen vertraulichen Mitteilung an den Präsidenten des RH bis hin zur Mitteilung an den Präsidenten des jeweiligen Vertretungskörpers, der die Veröffentlichung dieser Informationen zu veranlassen hätte. Auch der Vorschlag vereinzelter (A.11.18.) Ausschussmitglieder, dass einer Minderheit das Recht auf Einleitung von Untersuchungen über derartige Vermögensdeklarationen zuerkannt wird, fand keine Zustimmung. Vereinzelt (A.11.19) wurde auch gefordert, den Inhalt des Begriffes des "außergewöhnlichen Vermögenszuwachses" gemäß § 3a Abs 3 des Unvereinbarkeitsgesetzes  näher zu regeln. Von vereinzelten (A.11.20.) Ausschussmitgliedern wurde darüber hinaus angeregt, gesetzlich detaillierter zu regeln, welche Rechtspflichten den Präsidenten des jeweiligen Vertretungskörpers treffen sollen, sofern er zur Überzeugung gelangt, dass es einen außergewöhnlichen Vermögenszuwachs bei einem Deklarierungspflichtigen gibt.

Vereinzelt (A.11.21) wurde auch vorgeschlagen, diesen Teil des Unvereinbarkeitsrechtes gänzlich zu streichen, weil die Erreichung des angestrebten Zieles nunmehr ohnedies durch das Vergaberecht sichergestellt wird. Vereinzelt wurde auch vorgeschlagen, diesen Teil des Unvereinbarkeitsrechtes zu verschärfen.

Die Regelungen über die Ausübung eines Mandates bei gleichzeitiger Fortführung der Tätigkeit eines öffentlich Bediensteten erschienen der überwiegenden (A.11.22.) Zahl der Ausschussmitglieder als ausreichend. Sie plädierten daher nicht für eine Veränderung der Rechtslage. Vereinzelt (A.11.23.) wurde jedoch die Ansicht vertreten, dass öffentlich Bedienstete automatisch mit Annahme einer im Unvereinbarkeitsgesetz geregelten politischen Funktion aus dem aktiven Dienst gegen Entfall der Bezüge auszuscheiden haben.

Im Ausschuss bestand Konsens (A.11.24.) über die Notwendigkeit der Ausweitung des Sanktionsinstrumentariums bei Verletzung des Unvereinbarkeitsgesetzes. Konsens gab es auch, dass der VfGH zur Entscheidung zuständig sein soll, gleichgültig ob es sich um eine entgeltliche oder eine unentgeltlich ausgeübte privatwirtschaftliche Tätigkeit handelt. Konsensual war auch, dass ein Mehrheitsbeschluss des NR, des BR oder eines Landtages ein entsprechendes Verfahren beim VfGH auslösen können soll. Vereinzelt (A.11.25.) wurde auch vorgeschlagen, dieses Recht einer Minderheit zuzuerkennen. Im Ausschuss bestand aber Konsens (A.11.26.), dass die Praktikabilität des Sanktionsinstrumentariums dadurch erhöht werden soll, dass der VfGH nicht nur auf Aberkennung des Mandates erkennen können soll. Wie in Verfahren gemäß Art 142 Abs 4 B-VG soll bei einem minderen Ausmaß der Schuld das Urteil in einer Feststellung der Gesetzesverletzung bestehen können. Dem allgemeinen Vertretungskörper bzw. seinem Unvereinbarkeitsausschuss selbst soll keine rechtliche Qualifikation abverlangt, sondern lediglich ein entsprechendes Antragsrecht zuerkannt werden. Es bestand Konsens (A.11.27.), dass die inhaltliche Beurteilung des Sachverhaltes Aufgabe des VfGH bleiben muss.

Konsens (A.11.28.) bestand bei Mitgliedern des Ausschusses über die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes auf Initiative des Betroffenen. Dissens (A.11.29.) gab es aber, ein solches Recht auch einer parlamentarischen Minderheit zuzuerkennen. Sowohl dem Betroffenen, wie auch der Minderheit sollen lediglich jene Rechte zustehen, wie sie auch die Mehrheit des Vertretungskörpers bzw. des Ausschusses in Anspruch nehmen kann. Das bestehende Unvereinbarkeitsgesetz ist vor allem auf Grund zahlreicher Novellierungen bereits in seiner heutigen Fassung weder übersichtlich noch systematisch gegliedert. Die zahlreichen, vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen würden dies im Falle einer bloßen Novellierung des bestehenden Gesetzes noch verstärken. Der Ausschuss erzielte daher Konsens (A.11.30), dass aus Anlass der vorgeschlagenen Adaptierungen der gesamte Bereich des Unvereinbarkeitsrechtes legistisch völlig überarbeitet werden muss.

B.        Kontrollrechte der Gemeinden (Art 115ff B-VG)

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation II sowie Stellungnahmen des Städtebundes und des Gemeindebundes sowie eine Auswertung dazu und eine Punktation von Abg. Dr. Lichtenberger.

Rechtslage

Gemäß Art 115 Abs 2 B-VG sind die Länder grundsätzlich Gemeinderechtsgesetzgeber. Dennoch enthalten die Art 115 bis 120 B-VG bundesverfassungsgesetzliches Gemeinderecht. Sie bestimmen zwar den Gemeinderat als allgemeinen Vertretungskörper und den Gemeindevorstand (Stadtrat) als oberstes Exekutivorgan der Gemeinden, regeln jedoch die Beziehungen zwischen beiden nur sehr rudimentär. Im Zusammenhang mit den parlamentarischen Kontrollrechten der Gemeinderäte gegenüber der Gemeindeexekutive enthält das B-VG überhaupt keine Bestimmungen. Relativ detailliert regelt hingegen Art 119a B-VG die Gemeindeaufsicht des Bundes und der Länder. Sie besteht in einer rechtlichen und einer wirtschaftlichen Aufsicht. Städte- und Gemeindebund stehen der Verankerung eines Mindestkontrollstandards in der Bundesverfassung skeptisch, aber nicht gänzlich ablehnend gegenüber.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss gelangte überwiegend zur Auffassung, dass es sich bei der Gemeindeaufsicht um Gemeindeorganisationsrecht und nicht um Angelegenheiten der "demokratischen Kontrolle" im engeren Sinn handelt. Fragen der Gemeindeaufsicht sind daher nicht von diesem Ausschuss zu beraten. (Siehe auch unter Punkt E. Landesrechnungshöfe).


Im Ausschuss besteht überwiegend (B.1.1.) die Ansicht, dass grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, die rudimentär kontrollrechtlichen Bestimmungen im B-VG betreffend die Gemeinden zu ändern. Der im Ausschuss gemachte Vorschlag, diese Bestimmungen um ein "Mindestniveau für politische Kontrollinstrumente in den Gemeinden" zu ergänzen, die auch Minderheitsrechte umfassen sollen, findet vereinzelt (B.2.) Zustimmung. Vereinzelte (B.3.) Unterstützung fand auch der Vorschlag, dass die grundsätzliche Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen in der Bundesverfassung verankert werden soll.

C.           Rechnungshof

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation III, die Stellungnahme des Rechnungshofes vom 28. November 2003, die Positionen des Rechnungshofes vom 9. Jänner 2004 sowie das Ergebnis des Gespräches des Vorsitzenden mit dem Präsidenten des Rechnungshofes, enthalten in der Beilage I des Protokolls zur 3. Sitzung des Ausschusses vom 13. Jänner 2004.

C.1.   Organisation, Wahl und Abwahl der Leitungsorgane (Art 122ff B-VG)

Rechtslage

Gemäß den Bestimmungen des Fünften Hauptstückes des B-VG über die "Rechnungs- und Gebarungskontrolle" untersteht der RH "unmittelbar dem Nationalrat" und wird je nach Prüfungsbereich als dessen Organ oder Organ des betreffenden Landtages tätig. Der RH besteht "aus einem Präsidenten und den erforderlichen Beamten und Hilfskräften" (Art 122 Abs 3 B-VG), wobei der Präsident auf Vorschlag des Hauptausschusses des NR für eine Funktionsperiode von 12 Jahren gewählt wird. Eine Wiederwahl ist unzulässig. Der Präsident kann durch "Beschluss des Nationalrates abberufen werden" (Art 123 Abs 2 B-VG). Für eine Abwahl ist somit die gleiche Mehrheit wie für seine Wahl erforderlich.

Die Funktion eines vom NR gewählten Vizepräsidenten bestand bis zur B-VG-Novelle 1994. Seither wird der Präsident "im Falle seiner Verhinderung vom rangältesten Beamten des Rechnungshofes vertreten" (Art 124 B-VG). In diesem Fall unterliegt auch dieser der staatsgerichtlichen Verantwortung gemäß Art 142 B-VG.

Die legistische Gestaltung des Fünften Hauptstückes des B-VG erscheint unbefriedigend, da es unnotwendige Wiederholungen enthält und unsystematisch gegliedert ist.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss erzielte nach kurzer Diskussion Konsens (C.1.1.), die Organisation des RH weitgehend unverändert beizubehalten. Im Hinblick auf die mangelnde Systematik und zahlreiche Wiederholungen im Fünften Hauptstück bestand im Ausschuss auch Konsens (C.1.2.), diesen Teil der Bundesverfassung legistisch zu überarbeiten. Der RH hat hiezu einen Formulierungsvorschlag vorgelegt.

Es bestand auch Konsens (C.1.3.), die Dauer der Funktionsperiode (12 Jahre) sowie das Verbot der Wiederwahl des RH-Präsidenten beizubehalten.

Vereinzelt (C.1.4.) wurde im Ausschuss die Ansicht vertreten, dass die Wahl des RH-Präsidenten auch künftig dem NR obliegen soll. Die überwiegende (C.1.5.) Mehrheit des Ausschusses vertrat hingegen die Meinung, dass die Wahl der Bundesversammlung übertragen werden soll (falls der BR und damit die Bundesversammlung nach den Beratungen des Konvents bestehen bleiben). Diese überwiegende (C.1.6.) Mehrheit des Ausschusses wollte aber auch in diesem Falle die Vorbereitung der Wahl und die Erstattung eines Wahlvorschlages beim Hauptausschuss des NR belassen. Vereinzelt (C.1.7.) wurde vorgeschlagen, ein exklusives Antragsrecht für den Wahlvorschlag im Hauptausschuss den in der Bundesregierung nicht vertretenen Minderheitsfraktionen des NR zuzuerkennen.

Dissens (C.1.8.) bestand, ob der RH-Präsident – wie bisher ‑ mit einfacher Mehrheit oder künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden soll. Eine überwiegende (C.1.9.) Mehrheit des Ausschusses argumentierte hingegen, dass künftig für eine Abwahl des RH-Präsidenten eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich sein soll. Vereinzelt (C.1.10.) wurde die Auffassung vertreten, dass jedenfalls für Wahl und Abwahl dasselbe Quorum maßgeblich sein sollte.

Schließlich bestand Konsens (C.1.11.), dass eine Wiedereinführung des RH-Vizepräsidenten nicht notwendig erscheint.


      C.2.   Prüfungskompetenzen und Prüfungsverfahren

Rechtslage

Der RH prüft nicht nur die "Gebarung des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden" (Art 121 B-VG), sondern auch "die Gebarung von Unternehmungen, an denen der Bund (die Länder und Gemeinden) allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des RH unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die der Bund allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt". Einer solchen Beteiligung ist eine organisatorische, wirtschaftliche oder finanzielle Beherrschung des betreffenden Unternehmens gleichzuhalten. Gemeinden unterliegen der Kontrolle des RH grundsätzlich nur dann, wenn sie mehr als 20.000 Einwohner haben. Die Prüfungskompetenz bezieht sich auch auf Stiftungen, Fonds und Anstalten aller dieser Gebietskörperschaften.

Das Prüfungsverfahren des RH ist im B-VG zwar nur rudimentär geregelt (zB Art 127 Abs 5 B-VG). Er nimmt vorerst seine Prüfungen vor, deren Ergebnis er in "Rohberichten" zusammenfasst und diese den kontrollierten Einrichtungen vertraulich übermittelt. Darauf folgt eine zumeist dreimonatige Frist, in der die geprüften Einrichtungen zu den Rohberichten Stellung nehmen können. Unter Einbeziehung dieser Stellungnahmen werden dann die endgültigen Berichte an den NR bzw. die Landtage erstellt. Dieses auch in der Vergangenheit nicht kritiklos gebliebene langwierige Verfahren zur Berichtserstellung soll nach Wünschen des RH beschleunigt werden (insbes. Verkürzung der Stellungnahmefrist von drei Monaten auf sechs Wochen).

Schließlich besitzt der RH keine Prüfungsrechte bei Direktförderungen der EU. Bei sogenannten Co-Finanzierungen kommt ihm zwar ein Kontrollrecht zu, das sich dann aber aus der österreichischen Finanzbeteiligung an einer solchen gemeinsamen Finanzierungsaktion ergibt.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Zur Absenkung der für eine RH-Prüfungskompetenz notwendigen Unternehmensbeteiligung von derzeit 50 auf 25% ergab sich im Ausschuss Dissens (C.2.1.). Die Schaffung einer Prüfungszuständigkeit für Direktförderungen der Europäischen Union wurde vom Ausschuss konsensual (C.2.2.) akzeptiert.

Die Schaffung einer Prüfungszuständigkeit für Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern wurde von der überwiegenden (C.2.3.) Mehrzahl der Ausschussmitglieder abgelehnt.

Bereits derzeit erfolgt halbjährlich eine Koordination der Prüfungstätigkeiten des RH mit den Landesrechnungshöfen. Dies wird vom Ausschuss begrüßt. Eine verfassungsrechtliche Verankerung dieser informellen Koordinationsgespräche wird jedoch konsensual (C.2.4.) abgelehnt.

Der Ausschuss sprach sich konsensual (C.2.5.) dagegen aus, die Prüfungskriterien gegenüber gesetzlichen beruflichen Vertretungen in gleicher Weise zu gestalten wie jene gegenüber der staatlichen Verwaltung. Ausschlaggebend dafür war, dass Maßnahmen in Vertretung von Mitgliederinteressen anderen Zweckmäßigkeitskriterien unterliegen als in der staatlichen Verwaltung.

Eine begleitende Kontrolle ist grundsätzlich wünschenswert. Sie kann aber in der Regel nicht gemeinsam mit der nachprüfenden Kontrolle von einer Einrichtung wahrgenommen werden. Dem RH ist vor allem die nachprüfende Kontrolle übertragen. Es bestand daher Konsens (C.2.6.) im Ausschuss, dass es auch künftig dabei bleiben soll. Der RH soll die nachprüfende, die ministeriellen Kontrollabteilungen die begleitende Kontrolle wahrnehmen. Vereinzelt (C.2.7.) wurde vorgeschlagen, dem RH die Prüfung von Großprojekten zu übertragen, sofern ihm dies durch Beschluss des zuständigen Exekutivorganes übertragen wird.

Ein Großteil des Berichtserstellungsverfahrens findet sich gemäß der geltenden Rechtslage nicht in der Verfassung, sondern im Rechnungshofgesetz. Es bestand im Ausschuss Konsens (C.2.8.), dass es hiebei grundsätzlich auch bleiben soll und daher das Berichtserstellungsverfahren im Allgemeinen und die hiebei geltenden Fristen im Besonderen nicht Gegenstand von Entscheidungen des Ausschusses sind. Wenn aber eine Änderung der gegenständlichen Fristenregelung vom RH erwogen wird, so sollte hiebei eine gewisse Flexibilität ermöglicht werden.

C. 3.   Parlamentarische Mitwirkungsrechte (Art 123a B-VG) und Beratung von
Regierung und Parlament

Rechtslage

Gemäß Art 123a B-VG ist der Präsident des RH berechtigt, an den parlamentarischen Beratungen über die Berichte des RH, des Bundesrechnungsabschlusses, über Anträge auf Durchführung von Sonderprüfungen sowie über die den RH betreffenden Budgetkapitel teilzunehmen. Dieses Recht steht dem ihn vertretenden Beamten nicht zu. Der RH regt zudem ein Rederecht seines Präsidenten in "allen Angelegenheiten an, die die Interessen des RH berühren".

Der RH nimmt an den Begutachtungsverfahren zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen teil. Zudem beantwortet er auch außerhalb seiner Kompetenzen Anfragen von obersten Organen. Für diese beratenden Tätigkeiten besteht jedoch keine verfassungsrechtliche Grundlage.

Schließlich ersucht der RH, von "wesensfremden Tätigkeiten", wie beispielsweise der Erstellung des gesamtösterreichischen Einkommensberichtes, befreit zu werden.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Nach Ansicht der überwiegenden (C.3.1.) Mehrheit des Ausschusses ist es nicht notwendig, die parlamentarischen Rechte des RH-Präsidenten über das in Art 123a B-VG bereits vorgesehene Ausmaß hinaus auszuweiten.

Jenem Beamten, der den RH-Präsidenten in der Leitung vertritt, soll auf Grund eines Konsenses (C.3.2.) im Ausschuss nicht auch noch zusätzlich die Verpflichtung aufgebürdet werden, ihn parlamentarisch zu vertreten.

Im Ausschuss bestand Konsens (C.3.3.), die vom RH freiwillig wahrgenommenen Beratungstätigkeiten, insbesondere oberster Organe (einschl. der Teilnahme an Begutachtungsverfahren), nicht verfassungsgesetzlich zu verankern. Dies wäre nur notwendig, wenn diese Tätigkeiten dem RH verpflichtend auferlegt werden sollten. Dies soll jedoch im Interesse des RH vermieden werden.

Im Ausschuss wurde anerkannt, dass dem RH übertragene Aufgaben, wie beispielsweise die Erstellung des gesamtösterreichischen Einkommensberichtes, diesen nicht unbeträchtlich arbeitsmäßig belasten. Es bestand aber Konsens (C.3.4.), dass kein anderes Staatsorgan diese Aufgaben besser erfüllen könne als der RH. Eine Änderung der Rechtslage wird daher vom Ausschuss nicht befürwortet.

Dissens (C.3.5.) bestand schließlich im Ausschuss, ob die parlamentarischen Mitwirkungsrechte des RH-Präsidenten in den Landtagen in einer dem Art 123a B-VG vergleichbaren Weise bundesverfassungsgesetzlich verankert werden sollen.

C.4.   Budgetrecht

Rechtslage

Der Präsident des RH ist haushaltsleitendes Organ und verfügt über "seine" Budgetmittel gemäß dem geltenden Bundesfinanzgesetz. Zudem ist er als solches verpflichtet, dem Finanzminister jährlich für "sein" Kapitel einen Bundesvoranschlags-Entwurf zu übermitteln (§ 35 BHG). Dieser arbeitet – gegebenenfalls unter Vornahme von Änderungen – das Rechnungshof-Budget ebenso wie jenes aller anderen obersten Organe in den von der Bundesregierung zu beschließenden Entwurf eines Bundesfinanzgesetzes ein. Nach Beschlussfassung im Ministerrat ist er fristgerecht dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen (Art 51 B-VG). Damit entspricht die im internationalen Vergleich ansonst sehr starke Stellung des RH nicht den allgemeinen Standards für oberste Rechnungskontrollbehörden. Die "Deklaration von Lima" sieht nämlich vor, dass Rechnungshöfe das Recht haben sollen, die von ihnen benötigten finanziellen Mittel unmittelbar bei jener Körperschaft, der die Beschlussfassung des Budgets obliegt, zu beantragen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Die Vollständigkeit des Bundeshaushaltes in allen Stadien seiner Entstehung ist eine der zentralen Grundsätze des österreichischen Budgetrechtes. Eine direkte Antragsstellung von Haushaltsteilen beim Parlament – wie sie vom RH vorgeschlagen wird – würde diesem Prinzip widersprechen. Aus systematischen Gründen müsste dieses Recht zudem auch anderen obersten Organen (zB Präsidentschaftskanzlei, Parlament, Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und VA) zugestanden werden. Im Ausschuss herrscht daher die überwiegende (C.4.) Meinung vor, die bestehende Rechtslage unverändert beizubehalten.

D.                     Volksanwaltschaft

Die Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation IV sowie die Stellungnahmen der Volksanwaltschaft vom 26. November 2003 und vom 1. März 2004.

D.1.     Organisation, Wahl und Abwahl der Mitglieder (Art 148g B-VG)

Rechtslage

Die Volksanwaltschaft besteht aus drei gleichberechtigten Mitgliedern, unter denen der Vorsitz für jeweils ein Jahr rotiert. Sie werden vom NR auf Grund eines "Gesamtvorschlages des Hauptausschusses" mit einfacher Mehrheit auf die Dauer von sechs Jahren gewählt; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Im Hauptausschuss des NR kommt den "drei mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht" zu, je einen Volksanwalt zu nominieren. Scheidet ein Mitglied der Volksanwaltschaft vorzeitig aus, so hat jene Partei, die den ursprünglichen Vorschlag für das betreffende Mitglied der VA gemacht hat, das Recht, ein neues für den Rest der laufenden Funktionsperiode namhaft zu machen. Die beiden im Amt verbliebenen Mitglieder der VA beenden davon unbeeinträchtigt "ihre" Funktionsperiode; für den nachgewählten Volksanwalt verkürzt sich diese auf den verbleibenden Rest. Eine Abwahl ist bundesverfassungsgesetzlich nicht vorgesehen und daher auch nicht möglich.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss trat überwiegend (D.1.1.) für die Beibehaltung der sechsjährigen Funktionsperiode und der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl ein. Vereinzelt (D.1.2.) wurde auch eine vierjährige Funktionsperiode und die Möglichkeit einer zweimaligen Wiederwahl gefordert (ergibt ebenfalls eine maximale Funktionszeit von 12 Jahren).

Vereinzelt (D.1.3.) wurde vorgeschlagen, dass relevante Änderungen der Mehrheitsverhältnisse im NR während der volksanwaltschaftlichen Funktionsperiode bei einer kollegial organisierten VA auch eine Änderung ihrer Zusammensetzung nach sich ziehen sollen. Auch der Dissens (D.1.4.), aus wie vielen Mitglieder die VA bestehen soll, war im Ausschuss nicht überbrückbar. Die Vorschläge reichten von einem Mitglied (evtl. mit Stellvertretern), über die Beibehaltung von drei Mitgliedern bis zur Berufung eines vierten Mitgliedes der VA.

Dissens (D.1.5.) bestand hinsichtlich des zur Vornahme der Wahl berufenen Kollegialorgans: Ein Teil des Ausschusses trat dafür ein, sie beim NR zu belassen, ein anderer war für die Übertragung an die Bundesversammlung (vor allem, wenn diese auch den Präsidenten des RH wählen sollte). Trotz eingehender Diskussionen blieb der Dissens (D.1.6.) nicht überwindbar, ob die Wahl der einfachen oder einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen soll.

Im Falle einer kollegial organisierten VA trat die überwiegende (D.1.7.) Mehrheit für die Beibehaltung der geltenden Nominierungsrechte ein (je ein Mitglied für die mandatsstärksten Fraktionen im NR). Vereinzelt (D.1.8.) wurde im Ausschuss auch vorgeschlagen, das B-VG dahingehend zu ergänzen, dass bei Mandatsgleichstand das Nominierungsrecht von jener Fraktion ausgeübt werden soll, die bei den letzten NR-Wahlen mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte. Vereinzelt (D.1.9.) wurde auch vorgeschlagen, dass dieses Recht der, nicht in der Bundesregierung vertretenen, NR-Minderheit zukommen soll. Konsensual (D.1.10.) war, dass die Vorbereitung des (Gesamt)Vorschlages für die (das) zu wählende(n) Mitglied(er) der VA – gleichgültig welcher Vertretungskörper zur Wahl berufen ist – auch weiterhin dem Hauptausschuss des NR obliegen soll.

Die überwiegende (D.1.11.) Mehrheit des Ausschusses trat dafür ein, in die Verfassung die Möglichkeit einer Abwahl eines Mitgliedes der VA aufzunehmen. Dissens (D.1.12.) bestand hingegen unter den für eine Abwahl eintretenden Mitgliedern des Ausschusses, ob die Abwahl Aufgabe des NR oder der Bundesversammlung sein soll. Ebenso bestand Dissens (D.1.13.), ob sie der einfachen oder der Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen soll. Vereinzelt (D.1.14.) wurde die Auffassung vertreten, dass jedenfalls das Quorum für Wahl und Abwahl dasselbe sein sollte.

Grundsätzlicher Konsens (D.1.15) bestand im Falle einer kollegial organisierten VA, dass die derzeitige Regelung der Nachwahl beibehalten werden soll (das ausgeschiedene Mitglied der VA wird für den Rest der laufenden Funktionsperiode ersetzt). Die Funktionsperiode der beiden im Amt gebliebenen Mitglieder der VA läuft nach geltender Rechtslage von einer Nachwahl völlig unbeeinflusst aus. In diesem Zusammenhang ist auf den unter D.1.3. von einzelnen Ausschussmitgliedern geäußerten Vorschlag zu verweisen (Berücksichtigung geänderter Mehrheitsverhältnisse im NR).


D.2.      Wahlmöglichkeit der Länder zur Errichtung volksanwaltschaftlicher Einrichtungen (Art 148i B-VG)

Rechtslage

Das B-VG eröffnet den Ländern drei Alternativen:

1)        Sie können die VA durch Landesverfassungsgesetze "auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes (und dessen Gemeinden) für zuständig erklären" (Art 148i Abs 1 B-VG) oder

2)        Landesvolksanwaltschaften als "Einrichtungen mit gleichartigen Aufgaben" schaffen (Art 148i Abs 2 B-VG) oder

3)        keine der beiden Wahlmöglichkeiten ergreifen und damit die Landes- und Gemeindeverwaltung ihres Landes keiner volksanwaltschaftlichen Kontrolle unterwerfen. Die Zuständigkeit der VA zur Kontrolle der mittelbaren Bundesverwaltung im jeweiligen Land bleibt davon unberührt.

Sieben Bundesländer haben von der ersten Möglichkeit Gebrauch gemacht und die VA für zuständig erklärt. Vorarlberg und Tirol haben hingegen eigene Landesvolksanwaltschaften geschaffen. Die dritte Alternative ‑ auf Landes- und Gemeindeebene überhaupt keine volksanwaltschaftliche Einrichtung vorzusehen ‑ hat keines der neun Bundesländer in Anspruch genommen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss bestand Konsens (D.2.), den Ländern künftig nur mehr zwei Wahlmöglichkeiten zu eröffnen: Sie sollen nur mehr die Möglichkeit haben, entweder die VA gemäß Art 148i Abs 1 B‑VG auch für den Bereich ihrer Landes- und Gemeindeverwaltung für zuständig zu erklären oder eine eigene, mit vergleichbaren Kontrollbefugnissen ausgestattete, Landesvolksanwaltschaft einzurichten (Art 148i Abs 2 B‑VG). Diese Entscheidungen sollen reversibel bleiben. Dies würde bedeuten, dass auch in Zukunft eine bereits erteilte Zuständigkeitserklärung für die VA zu Gunsten einer Landesvolksanwaltschaft aufgegeben werden bzw. eine solche zu Gunsten der Zuständigkeitserklärung für die VA auch aufgelöst werden kann.


D.3.        Berichterstattung, Prüfungskompetenzen und Prüfungsverfahren

Rechtslage

Die VA hat gemäß Art 148d B-VG "dem NR und dem BR jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten". Daraus hat die Präsidiale des NR geschlossen, dass der VA lediglich das Recht auf Vorlage eines einzigen jährlichen Berichtes, nicht aber von Sonderberichten zusteht. Welcher Ausschuss des NR und des BR für die Beratungen der VA-Berichte zuständig ist, wird derzeit nicht durch das B-VG geregelt.

Art 148a Abs 1 B-VG gibt jedermann das Recht, sich über behauptete "Missstände in der Verwaltung des Bundes (einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten) zu beschweren". Daraus wird geschlossen, dass die Verwaltung des Bundes nur dann der Kontrolle der VA unterliegt, sofern sie vom Bund selbst, nicht aber von einem anderen Rechtsträger, beispielsweise infolge einer "Ausgliederung", wahrgenommen wird. Die VA verliert somit – im Gegensatz zum Rechnungshof – automatisch Zuständigkeiten, wenn eine Gebietskörperschaft von ihrem Recht auf Organisationsreformen Gebrauch macht.

Der Kontrolle der VA unterliegt nur die Verwaltung, nicht aber die Gerichtsbarkeit. Ihr kommt daher das Recht auf Kontrolle der Justizverwaltung, nicht aber richterlicher Entscheidungen zu.

Die VA hat gemäß Art 148e B-VG das Recht, Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich von Verordnungen, nicht aber im Zusammenhang mit Gesetzen zu beantragen.

Wird die VA auf Grund einer Beschwerde tätig, so ist dafür Voraussetzung, dass dem Beschwerdeführer "ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht". Bei Prüfungen von Amts wegen (Art 148a Abs 3 B-VG) ist sie an diese Einschränkung nicht gebunden. Die Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden haben gemäß Art 148b Abs 1 B‑VG die VA "bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen, ihr Akteneinsicht zu gewähren und auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wobei Amtsverschwiegenheit gegenüber der Volksanwaltschaft nicht geltend gemacht werden kann". Vereinzelte Auskunftserteilungen oder Aktenübermittlungen nehmen jedoch ein Jahr oder noch länger in Anspruch.

Im Unterschied zum RH können weder die allgemeinen Vertretungskörper, noch die obersten Organe der Vollziehung der VA Prüfungsaufträge erteilen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Dissens (D.3.1.) besteht in der Frage der Zulässigkeit von "Sonderberichten". Welcher Ausschuss zur Vorberatung von VA-Berichten zuständig sein soll, ist nicht von der Verfassung, sondern durch die Geschäftsordnung des Vertretungskörpers zu regeln. Der Konventsausschuss erzielte daher Konsens (D.3.2.), dass in diesem Zusammenhang keine von ihm zu entscheidende Verfassungsfrage vorliegt.

Dissens (D.3.3.) bestand über die Zuständigkeiten der VA zur Prüfung von ausgegliederten Rechtsträgern. Ein Teil des Ausschusses trat für die inhaltliche Identität der Prüfungszuständigkeiten von RH und VA ein, ein anderer für die Beibehaltung der bestehenden unterschiedlichen Regelungen.

Dissens (D.3.4.) bestand hinsichtlich der von der VA gemachten Vorschläge des Ausbaues der Rechte auf dem Gebiete der Justiz, insbesondere im Zusammenhang mit der Säumnis in gerichtlichen Verfahren und bei Dienstpflichtverletzungen von Richtern. Der ablehnende Teil des Ausschusses begründete dies damit, dass ein Hilfsorgan der Gesetzgebung nicht in richterliche Entscheidungen eingreifen soll. Die Befürworter verwiesen darauf, dass die "Selbstreinigungskraft" des Gerichtssystems nicht immer ausreicht, um Missstände zu beseitigen.

Künftig wird in der Regel nur das erstinstanzliche Verfahren von der Verwaltung wahrzunehmen sein, von der zweiten Instanz an werden jedoch – nicht zuletzt auf Grund einer Entscheidung des Konvents – (Verwaltungs-)Gerichte zu entscheiden haben. In Reaktion darauf schlug die VA die Schaffung einer "Beschwerde zur Wahrung der Gesetze" vor. Die überwiegende (D.3.5.) Mehrheit des Ausschusses war der Ansicht, dass dieser Vorschlag nicht vom gegenständlichen, für die demokratische Kontrolle zuständigen Ausschuss des Konvents, sondern von jenem entschieden werden soll, der vom Konvent zur Beratung der Organisation der Gerichtsbarkeit eingesetzt wurde.

Für die Schaffung einer verfassungsgesetzlich derzeit nicht geregelten Frist für die Antworterteilung der geprüften Einrichtungen an die VA wurde ein Zusammenhang zwischen diesem Wunsch der VA und einem ähnlichen des RH konstatiert. Für die vom RH geprüften Einrichtungen gelten – zumindest teilweise – für die Übermittlung von Stellungnahmen Fristen von drei Monaten. Diese sind für das Prüfungsverfahren der VA nicht ganz vergleichbar. Im Ausschuss bestand aber Dissens (D.3.6.), ob für die Übermittlung von Stellungnahmen und Unterlagen (einschließlich von Akten) eine Frist verfassungsgesetzlich verankert werden soll, die von der VA mit maximal drei Monaten bemessen werden kann.

Dissens (D.3.7.) ergab sich im Zusammenhang mit dem Vorschlag auf Schaffung eines Antragsrechtes der VA für Gesetzesprüfungsverfahren durch den VfGH.

Dissens (D.3.8.) bestand auch in der Frage, ob die zuständigen Vertretungskörper und die obersten Organe der Vollziehung das Recht erhalten sollen, der VA konkrete Prüfungsaufträge zu erteilen ( vergleichbar dem RH gemäß zB Art 126b Abs 4 und Art 127 Abs 7 B-VG).

D.4.          Parlamentarische Rechte der VA und Budgetrecht

Rechtslage

Ebenso wie der RH hat auch die VA im Zuge der Budgeterstellung ihre Anträge dem Finanzminister vorzulegen, der sie gegebenenfalls ändert und der Bundesregierung zur Beschlussfassung übermittelt. Diese legt dann den – einstimmig beschlossenen – Bundesvoranschlag dem NR vor. In Vollziehung des Budgets ist die VA als haushaltsleitendes Organ ebenso selbstständig wie der Präsident des RH. In der Budgeterstellung kommen aber auch ihr weniger Rechte zu als einem Ressortchef. Die Volksanwälte haben auch gemäß Art 148d B-VG das Recht, an den parlamentarischen Verhandlungen über die Beratung ihre Berichte und ihres "Budgetkapitels" im Plenum und im Ausschuss teilzunehmen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Aus ähnlichen Überlegungen wie beim RH (siehe hiezu die Ausführungen unter C.4.) ist die überwiegende (D.4.1.) Mehrheit des Ausschusses der Ansicht, dass das Budgetrecht, soweit es die VA betrifft, nicht geändert werden sollte.


Aus den gleichen Erwägungen wird von der überwiegenden (D.4.2.) Mehrheit des Ausschusses abgelehnt, die parlamentarischen Mitwirkungsrechte der VA zu erweitern.

E.           Landesrechnungshöfe

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation V, eine Übersicht über landesverfassungsrechtliche Grundlagen zu Einrichtungen der Gebarungskontrolle der Bundesländer und zugehörige Ausführungsgesetze sowie das Positionspapier der Landeskontrolleinrichtungen vom 12. Dezember 2003. Weiters lag eine Übersicht betreffend den Vergleich der gesetzlichen Regelung der Landesrechnungshöfe von acht österreichischen Bundesländern vor.

Rechtslage

Ohne verfassungsgesetzliche Verpflichtung wurden derartige Einrichtungen, wenn auch mit gewissen Unterschieden, in jedem einzelnen der neun Bundesländer geschaffen. Das B-VG erwähnt Landesrechnungshöfe (LRH) aber lediglich in Art 127c B-VG. Er gibt Landesverfassungen jener Länder, die LRH geschaffen haben, das Recht vorzusehen, dass der VfGH angerufen werden kann, um in Meinungsverschiedenheiten über deren Zuständigkeit zu entscheiden.

Die LRH sind zur Prüfung der Gebarung der Länder, nicht jedoch auch jener der Gemeinden berufen. Gemäß Art 119a Abs 2 B-VG ist das Aufgabe der Gemeindeaufsicht der Ämter der Landesregierungen. Wenn LRH Prüfungsaufgaben gegenüber Gemeinden wahrnehmen, so tun sie dies nicht auf Grund eigener Zuständigkeiten, sondern als Gutachter für die zuständige Landesregierung. Dem RH selbst kommt gemäß Art 127a B-VG eine Prüfungszuständigkeit nur gegenüber Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohner zu. Bei Gemeinden mit weniger Einwohnern ist das nur dann der Fall, wenn die zuständige Landesregierung den RH um eine Prüfung ausdrücklich ersucht. Weder der RH noch die LRH sind somit befugt, auf Grund selbstständiger Entscheidungen eine Gemeinde mit weniger als 20.000 Einwohnern zu prüfen. Von den 2.359 Gemeinden Österreichs haben nur 24 mehr als 20.000 Einwohner (insgesamt 2.878.813 Einwohner). Zur Prüfung von Gemeindeverbänden ist der RH unabhängig von der Größe der ihnen angehörenden Gemeinden zuständig; sie unterliegen somit stets der Kontrolle des RH.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss geht davon aus, dass eine B-VG-Bestimmung notwendig ist, um die Anrufung des VfGH zur Entscheidung in Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeiten von LRH zu ermöglichen. Dissens (E.1.) bestand aber im Ausschuss, an welcher Stelle im B-VG dies erfolgen soll. Eine Variante besteht darin, diese Regelung in Art 138 B-VG (VfGH als Kompetenzgerichtshof) aufzunehmen. Dies wäre jedoch legistisch insofern inkonsequent, als sich die vergleichbare Bestimmung im Zusammenhang mit dem RH nicht in Art 138 B-VG, sondern in dem die "Rechnungs- und Gebarungskontrolle" regelnden Fünften Hauptstück des B-VG befindet (Art 126a B-VG). Die zweite Variante besteht darin, eine derartige Bestimmung in Art 127c B-VG zu belassen, sie jedoch dahingehend umzuformulieren, dass das B-VG vom tatsächlichen Bestehen eines unabhängigen Landesrechnungshofes in jedem Bundesland ausgeht.

Im Ausschuss bestand auch Dissens (E.2.), ob LRH künftig nicht nur für die Kontrolle der Gebarung der Länder, sondern zusätzlich auch noch für jene der Gemeinden und Gemeindeverbände zuständig sein sollen. Dadurch würde eine lückenlose Rechnungshofkontrolle aller dreier Verwaltungsebenen (Bund, Länder und Gemeinden) geschaffen werden. Hiezu wäre auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene zumindest ein Eingriff in die gemeindeaufsichtliche Finanzkontrolle der Gemeinden gemäß Art 119a Abs 2 B-VG erforderlich. Im Ausschuss bestand aber Konsens (E.3.), eine solche Prüfungszuständigkeit den Ländern zumindest durch eine entsprechende Ergänzung von Art 119a Abs 2 B-VG zu ermöglichen.

Dissens (E.4.) bestand hingegen, ob in das B-VG auch ein "Mindestniveau“ für die Organisation und die Kontrollinstrumentarien der LRH aufgenommen werden soll.

Dissens (E.5.) ergab sich auch für eine bundesverfassungsgesetzliche Verankerung einer LRH-Prüfungskompetenz bei EU-Direktförderungen sowie einer solchen bei Landesunternehmungen ab einer 25%-Beteiligung. Die Gegner einer diesbezüglichen B-VG-Ergänzung begründeten dies mit einer abzulehnenden Einschränkung der Verfassungsautonomie der Länder.


F.            Amtsverschwiegenheit und Transparenz der Verwaltung

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation VI und ein Fragenkatalog des Ausschussvorsitzenden zur Neuordnung der Amtsverschwiegenheit. Der Ausschuss hat zu diesem Thema weiters Thesenpapiere der Universitätsprofessoren Dr. Kucsko-Stadlmayer und Dr. Hengstschläger eingeholt. Dem Ausschuss lag auch noch eine Darstellung von Ass.Prof. Dr. Feik vor.

Rechtslage

Das B-VG verpflichtet "alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe ... zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, ... deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit)". Diese Regelung wurde im Jahre 1987 durch Art 20 Abs 4 B-VG erweitert, der die oben genannten Organe verpflichtet, "über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht". Die nähere Regelung dieser Auskunftspflicht obliegt dem Bund für seinen Vollzugsbereich. Gegenüber den Ländern kommt ihm auch noch eine Grundsatzgesetzgebung zu. Die Landtage haben schließlich die Pflicht zur Ausführungsgesetzgebung. Letztendlich gelten in Österreich somit 11 Auskunftspflichtgesetze: Ein solches des Bundes, ein Bundes-Grundsatzgesetz sowie 9 Ausführungsgesetze der Länder.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Gegensatz zur geltenden Gleichrangigkeit der B-VG-Regelungen für die Amtsverschwiegenheit und die Pflicht zur Auskunftserteilung gemäß Art 20 Abs 3 und Abs 4 B-VG besteht im Ausschuss Konsens (F.1.) über eine künftige hierarchische Unterordnung der Amtsverschwiegenheit unter die Informationsverpflichtung. Die Auskunftspflicht soll somit grundsätzlich die geltende Regel darstellen, die Amtsverschwiegenheit die auf ein Mindestmaß reduzierte Ausnahme. Es besteht Konsens (F.2.) im Ausschuss, dass dem Betroffenen ein diesbezügliches verfassungsrechtlich verankertes, subjektiv einklagbares Recht auf Erteilung von Auskünften zuerkannt werden soll.

Die überwiegende (F.3.) Mehrheit des Ausschusses war der Ansicht, dass die Amtsverschwiegenheit – wenn auch eingeschränkt – im B-VG verankert bleiben soll. Im Rahmen eines Ausgestaltungsvorbehaltes soll der einfache Gesetzgeber ermächtigt werden, die für die Amtsverschwiegenheit relevanten Bereiche möglichst klar zu umschreiben. Eine Einschränkung des Rechtes auf Auskunft soll vor allem im Rahmen von Art 10 Abs 2 EMRK und zum Schutz personenbezogener Daten möglich sein. Vereinzelt (F.4.) wurde die Ansicht vertreten, dass nur Art 10 Abs 2 EMRK zulässige Ausnahmen von der Informationspflicht begründen soll.

Überwiegend (F.5.) wird eine generelle Volksöffentlichkeit von Verwaltungsverfahren vom Ausschuss abgelehnt.

Überwiegend (F.6.) erzielte der Ausschuss Einvernehmen, dass die derzeitige Zersplitterung der Rechtsquellen über die Auskunftspflicht (insgesamt 11 Gesetze) einer einheitlichen Norm weichen soll, um die für alle Gebietskörperschaften und deren mittelbar oder unmittelbar zuzurechnenden Verwaltungen gelten soll. Vereinzelt (F.7.) wurde angeregt, für die bisher von den Landesgesetzgebern zu regelnde Auskunftspflicht eine Bedarfskompetenz des Bundes vorzusehen (vergleichbar jener für das Verwaltungsverfahren gemäß Art 11 Abs 2 B-VG). Des Weiteren bestand auch Konsens (F.8.), dass nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Gerichte der neuen Auskunftserteilungs-/Amtsverschwiegenheits-Regelung unterworfen werden sollen. Bei ausgegliederten Rechtsträgern wird nach überwiegender (F.9.) Ansicht des Ausschusses jeweils im Einzelfall zu beurteilen sein, ob dem betreffenden Rechtsträger durch eine Auferlegung der Auskunftspflicht ein unzumutbarer Schaden am Markt zugefügt werden würde. Es müssten daher entsprechende Bestimmungen in die jeweiligen Ausgliederungsgesetze aufgenommen werden.

Es bestand schließlich Konsens (F.10.), dass die zu schaffenden B-VG-Bestimmungen möglichst abstrakt formuliert werden sollen. Die von der Regelung erfassten Datenarten (zB Akten, EDV usw.) sollen daher nicht detailliert in die Verfassungsregelung aufgenommen werden.


G.                     Instrumente der direkten Demokratie und der Bürgerinitiative auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation VII sowie ein Fragenkatalog zur Direkten Demokratie des Ausschussmitgliedes Klaus Poier.

G.1.   Volksbegehren

Gemäß Art 41 Abs 2 B-VG gelangen (Gesetzes)vorschläge an den Nationalrat auch als Volksbegehren auf Grund einer Unterstützung von mindestens 100.000 Stimmberechtigten bzw. einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder. Stimmberechtigt ist hiebei jeder zum NR Wahlberechtigte, wobei nur positive Stimmen abgegeben werden können. Gegenstand eines Volksbegehrens kann nicht nur eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit sein, sondern auch eine entsprechende Anregung. Das Teilnahmealter bei Volksbegehren ist ident mit jenem bei Nationalratswahlen. Die Stimmabgabe (Eintragungsverfahren) erfolgt dadurch, dass sich  der Wahlberechtigte im Eintragungslokal durch seine Unterschrift in die Eintragungsliste einträgt; Wahlkarten, die den "Stimmkarten" bei Nationalratswahlen entsprechen, können ausgegeben werden.

Ein Volksbegehren ist einzuleiten, wenn es von mindestens einem Promille der Wohnbevölkerung (derzeit 8032) unterstützt wird.

B-VG, Volksbegehrens- und Geschäftsordnungsgesetz sehen lediglich vor, dass ein Volksbegehren vom Nationalrat in Beratung zu ziehen ist und dass nach entsprechenden Ausschussberatungen auch eine abschließende Plenardebatte stattzufinden hat. Konsequenzen für eine "Nichtumsetzung" eines Volksbegehrens enthält die geltende Verfassungsordnung nicht; sie wurden jedoch wiederholt gefordert. Die in der Geschäftsordnung enthaltenen Fristen beziehen sich lediglich auf eine laufende Gesetzgebungsperiode. Aus § 46 Abs 4 GOG-NR ergibt sich aber, dass mit einer Legislaturperiode sämtliche in ihr eingebrachten Vorlagen, also auch Volksbegehren untergehen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss bestand Dissens (G.1.1.), ob ein Volksbegehren auch eine durch Verordnung zu regelnde Angelegenheit betreffen kann. Die Befürworter dieser Ausweitung begründen dies unter anderem damit, dass bei einiger legistischer Fantasie die gegenwärtige Regelung umgangen werden kann. Eine Ausweitung von Volksbegehren auch auf individuelle Verwaltungsakte wurde überwiegend (G.1.2.) abgelehnt, weil dies im Widerspruch zum Legalitätsprinzip stehen würde. Die Befürworterin verwies darauf, dass Volksbegehren an den NR gerichtet sind und dieser in einer Vollzugsangelegenheit ohnehin nur Entschließungen fassen könnte. Der Vorschlag, durch Volksbegehren eine inhaltliche Bindung eines österreichischen Regierungsmitgliedes in einem EU-Rat oder bei Staatsverträgen (Volksinitiativen) zu bewirken, wurde nur vereinzelt (G.1.3.) vertreten.

Weiters bestand Konsens (G.1.4.), dass für ein Volksbegehren eine Möglichkeit zur Stimmabgabe im Ausland geschaffen werden soll. Als Minimalvariante ist jene Form der Stimmabgabe zu betrachten, wie sie derzeit bei NR-Wahlen besteht (Wahlkarte, die von einem wahlberechtigten Zeugen unterschrieben sein muss). Unter den Ausschussmitgliedern bestand jedoch Dissens (G.1.5.), ob auch die Stimmabgabe mittels eines Briefes bzw. elektronischer Hilfsmittel ermöglicht werden soll. Voraussetzung hierfür wäre, dass die persönliche Ausübung des Stimmrechtes und die Identifizierbarkeit des Stimmberechtigten sichergestellt werden können. Bei Volksbegehren ist zudem lediglich die persönliche, nicht aber die geheime Abgabe der Stimme sicherzustellen.

Konsens (G.1.6.) bestand, dass für das Mindestalter zur Teilnahme an Volksbegehren das gleiche Wahlalter wie bei allen Wahlen gelten soll. Dissens (G.1.7.) gab es hingegen generell, wie hoch das Mindestalter für Wahlen sein soll; die Herabsetzung auf 16 Jahre fand ebenso Befürworter, wie die Beibehaltung der geltenden Altersgrenze von 18 Jahren.

Einvernehmlich wurde festgehalten, dass hinsichtlich des Einleitungsverfahrens für Volksbegehren keine Änderungswünsche vorgebracht werden und daher Konsens (G.1.8) besteht, eine Änderung der bestehenden Rechtslage nicht anzustreben. Gleiches gilt für das Zustandekommen eines gültigen, dem NR vorzulegenden Volksbegehrens (100.000 Stimmen oder je ein Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder).

Auch nach längerer Diskussion bestand Dissens (G.1.9.), ob im Falle einer unterbliebenen Umsetzung eines stark unterstützen Volksbegehrens dieses einer obligatorischen Volksabstimmung zu unterziehen wäre. Die Ausschussmitglieder mit ablehnender Haltung verwiesen insbesondere auf ein Spannungsverhältnis zwischen einer solchen Regelung und den, dem B-VG zu Grunde liegenden Prinzipien der repräsentativen Demokratie. Die Befürworter beriefen sich auf die Notwendigkeit des Ausbaues der direkten Demokratie.

Dissens (G.1.10.) bestand hingegen, ob über die geltende Rechtslage hinausgehend nach den parlamentarischen Ausschussberatungen die Abgeordneten in einer "abschließenden" Debatte gezwungen werden sollen, zum Volksbegehren inhaltlich Stellung zu beziehen. Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist gemäß der GONR hätte dann nicht nur eine abschließende NR-Debatte stattzufinden, sondern auch eine inhaltliche Abstimmung über die dem Volksbegehren zu Grunde liegenden Zielsetzungen. Den Initiatoren eines Volksbegehrens sollte das Recht zustehen, auf ihr Begehren eine Antwort zu erhalten. Die Rückverweisung an den Ausschuss wäre dann erst nach einer solchen Abstimmung über ein "Umsetzungsgesetz" oder das Volksbegehren selbst zulässig.

Vereinzelt (G.1.11.) schlugen Ausschussmitglieder vor, Gesetzen, die auf Volksbegehren zurückgehen, eine erhöhte Bindungswirkung zuzuerkennen (zB erschwerte Abänderbarkeit u.ä.).

Konsens (G.1.12) bestand schließlich, dass der parlamentarischen Behandlung eines Volksbegehrens ein höherer demokratischer Stellenwert zukommen muss als dem Fristenlauf einer zu Ende gehenden Legislaturperiode. Reichen die geschäftsordnungsmäßigen Beratungsfristen für Volksbegehren über das Ende einer Legislaturperiode hinaus, so soll dies nicht gemäß der bestehenden Rechtslage zum Untergang des Volksbegehrens mit der auslaufenden Gesetzgebungsperiode führen. In einem solchen Falle wäre in einer von Art 28 Abs 4 B-VG abweichenden Weise sicherzustellen, dass die unterbliebenen Beratungsschritte in der nachfolgenden Legislaturperiode des NR nachgeholt werden.

G.2.   Volksbefragungen (Art 49b B-VG)

Rechtslage

In Angelegenheiten von "grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung", zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, kann eine Volksbefragung durchgeführt werden. Voraussetzung hiefür ist, dass der NR auf Antrag von Abgeordneten oder der Bundesregierung und nach Vorberatungen im Hauptausschuss eine solche Volksbefragung beschließt. Individuell konkrete Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden und Wahlen sind ausdrücklich nicht als Gegenstände einer Volksbefragung zugelassen. In Volksbefragungen ist sowohl die Abgabe von Pro- wie auch von Kontra-Stimmen zulässig. Abstimmungsberechtigt ist, wer auch an Volksbegehren mitwirken kann.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss war sich durchaus bewusst, dass die Einschränkung von Volksbefragungen lediglich auf Angelegenheiten von "grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung" begrifflich nicht unproblematisch ist. Dennoch bestand eine überwiegende (G.2.1.) Mehrheit darauf, diese Regelung beizubehalten. Begründet wurde dies vor allem mit der Ablehnung des Vorschlages, Volksbefragungen zu Angelegenheiten zu ermöglichen, die von ausschließlich regionaler Bedeutung sind. Vereinzelt (G.2.2.) wurde angeregt, dass auch das Verhalten von österreichischen Regierungsmitgliedern in der EU oder bei Staatsverträgen zum Gegenstand von Volksbegehren gemacht werden kann. Auch der Wunsch nach Durchführung von Volksbefragungen in Teilen des Bundesgebietes wurde nur vereinzelt (G.2.3.) geäußert. Gleiches galt auch für den Vorschlag, dem Landesverfassungsgesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, Volksbefragungen zu Angelegenheiten durchzuführen, die im Zuständigkeitsbereich des Bundes liegen (G.2.4.). In gleicher Weise wie bei Volksbegehren trat eine überwiegende (G.2.5.) Mehrheit dafür ein, dass nicht nur Akte der Gesetz-, sondern auch der Verordnungsgebung zum Gegenstand einer Volksbefragung gemacht werden können. Eine Ausdehnung der Volksbefragungen auch auf individuelle Verwaltungsakte wurde – wie beim Volksbegehren – nur vereinzelt (G.2.6) begehrt.

Nur vereinzelt (G.2.7.) wurde eine Regelung unterstützt, wonach eine bestimmte Zahl von Bürgern – ähnlich wie bei Volksbegehren – das Recht erhalten soll, die Durchführung einer Volksbefragung zu erzwingen. Vereinzelt (G.2.8.) wurde auch die Durchführung einer Volksbefragung auf Initiative einer parlamentarischen Minderheit gefordert. Beides wurde mit dem Argument abgelehnt, dass eine solche Regelung im Widerspruch zum parlamentarischen repräsentativen System im B-VG stünde. Schließlich gab es auch zum Vorschlag einen Dissens (G.2.9.), dem BR ein Initiativrecht auf Durchführung von Volksbefragungen zuzuerkennen. Gegner dieses Vorschlages argumentierten mit der Gefahr, dass solche Beschlüsse nur zu erwarten seien, wenn eine Opposition im NR über eine Mehrheit im BR verfügt. Dies würde zu einer stärkeren parteipolitischen Prägung des BR führen. Befürworter führten vor allem die Notwendigkeit der Aufwertung des BR ins Treffen.


Hinsichtlich der Absenkung bzw. der Beibehaltung des Stimmalters ergab sich das selbe Bild wie bei der Diskussion dieser Frage im Zusammenhang mit dem Volksbegehren; es blieb beim Dissens (G.2.10.).

G.3.       Volksabstimmungen (Art 43 B-VG)

Rechtslage

Die geltende Verfassungsordnung kennt sowohl obligatorische wie auch fakultative Volksabstimmungen. Jede "Gesamtänderung der Bundesverfassung" ist vor ihrer Kundmachung zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen (Art 44 Abs 3 B‑VG). Teiländerungen des B-VG sind einer Volksabstimmung zu Grunde zu legen, wenn dies ein Drittel der Mitglieder des NR oder BR verlangt. Schließlich ist eine Volksabstimmung über einen Gesetzesbeschluss durchzuführen, wenn dies der NR beschließt oder eine Mehrheit seiner Mitglieder verlangt (Art 43 B-VG). Die Überprüfung, ob eine obligatorische Volksabstimmung durchzuführen gewesen wäre, nimmt der VfGH im Nachhinein vor. Trotz einer einschlägigen Judikatur des VfGH ist nur schwer vorhersehbar, ob im Einzelfall eine Verfassungsänderung als "Gesamtänderung" qualifiziert und damit für ein gültiges Gesetz eine Volksabstimmung erforderlich ist.

Volksabstimmungen werden nach den gängigen wahlrechtlichen Bestimmungen durchgeführt. Für ein positives Ergebnis einer Volksabstimmung ist die "unbedingte Mehrheit der gültigen abgegebenen Stimmen" erforderlich (Art 45 Abs 1 B-VG).

Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss erzielte Konsens (G.3.1.), dass die bestehende Trennung in obligatorische und fakultative Volksabstimmungen unverändert beibehalten bleiben soll. Eine Erweiterung der Fälle, in denen das B-VG zwingend Volksabstimmungen vorschreibt, wird abgelehnt.

Konsens (G.3.2.) bestand dahingehend, dass der Bundesregierung das Recht eingeräumt werden soll, in sinngemäßer Anwendung von Art 138 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eine "Vorabentscheidung" über die Frage einzuholen, ob ein konkreter Gesetzesentwurf eine Gesamtänderung darstellt und daher einer obligatorischen Volksabstimmung unterzogen werden muss.


Dissens (G.3.3.) besteht, dieses Antragsrecht auch dem Bundespräsidenten vor Beurkundung eines Gesetzes einzuräumen. Vereinzelt (G.3.4.) wird dieses Antragsrecht auch für eine Minderheit des NR gefordert.

Vereinzelt (G.3.5.) wurde im Ausschuss auch gefordert, Gesetzen, die einer Volksabstimmung unterzogen worden sind, eine erhöhte Bestandskraft oder eine erschwerte Abänderbarkeit zuzuerkennen. Vereinzelt (G.3.6.) wurde auch die Ansicht vertreten, dass ein Verstoß gegen ein "Volksabstimmungs-Gesetz" eine erhöhte Verantwortlichkeit der obersten Vollzugsorgane zur Folge haben soll (zB Erhebung einer Anklage gemäß Art 142 B-VG als parlamentarisches Minderheitsrecht).

Hinsichtlich des Abstimmungsverfahrens (Wahlberechtigte, Wahlverfahren, erforderliche Mehrheiten) bestand Konsens (G.3.7.), dass gegenüber der geltenden Rechtslage kein Änderungsbedarf besteht. Beim Wahlalter sowie bei der Einführung von Briefwahl und E-Voting ergab sich der gleiche Dissens (G.3.8.) wie bei Volksbegehren und Volksbefragungen.

Dissens (G.3.9.) bestand schließlich gegenüber dem Vorschlag, das Recht auf Durchführung einer Volksabstimmung auch dem BR zuzuerkennen. Diejenigen, die diesen Vorschlag ablehnen, führen vor allem ins Treffen, dass bei unterschiedlichen politischen Mehrheiten im NR und BR eine derartige Möglichkeit dazu führen könnte, dass letzterer den NR nicht aus föderalistischen, sondern aus parteipolitischen Erwägungen zu konterkarieren versuchen würde. Die Befürworter eines solchen Rechtes des BR führten dagegen ins Treffen, dass diese Bedenken durch eine im BR erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit ausgeräumt werden könnten.

Der Vorschlag, das Recht auf Veranlassung einer Volksabstimmung einer noch zu konkretisierenden Anzahl von Ländern zuzuerkennen, wurde nur vereinzelt (G.3.10) geäußert. Auch der Vorschlag, in der Verfassung ein "Vetoreferendum" (Volksabstimmung über die Außerkraftsetzung von Bundesgesetzen) einzufügen, wurde nur vereinzelt (G.3.11.) geäußert. Nach italienischem Vorbild soll nach Vorstellung der Befürworter ein solches "Vetoreferendum" durchzuführen sein, wenn dies eine bestimmte Anzahl von Wählern verlangt. Spricht sich in der Abstimmung eine Mehrheit gegen das Gesetz aus, so tritt es automatisch außer Kraft. Überwiegend beruft sich der Ausschuss jedoch darauf, dass ein solches Verfahren im Widerspruch zum parlamentarisch repräsentativen System des B-VG stünde und im immer größer werdenden Bereich des EU-Rechtes unzulässig wäre. Damit würde die Gefahr seiner "Scheindemokratisierung" bestehen.

G.4.   Petitionen und Bürgerinitiativen

Rechtslage

Petitionen und Bürgerinitiativen werden derzeit durch die Verfassung selbst nicht geregelt, sieht man von der grundrechtlichen Verankerung in Art 11 des Staatsgrundgesetzes ab („Das Petitionsrecht steht jedermann zu“). Die Geschäftsordnungen regeln jedoch Petitionen an die allgemeinen Vertretungskörper. Gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz haben unter anderem Bürgerinitiativen auf Grund einer Verfassungsbestimmung das Recht, Verordnungen nach dem Bundesstraßengesetz und dem Hochleistungsstreckengesetz vor dem VfGH anzufechten. Einfachgesetzlich ist ihnen neben der Parteistellung im Verfahren zur Wahrung des objektiven Umweltschutzrechts das Recht eingeräumt, gegen Bescheide Beschwerde an den Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof zu erheben.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Die überwiegende (G.4.1.) Mehrheit des Ausschusses tritt dafür ein, die bestehende Rechtslage aufrecht zu erhalten. Vor allem wurde Konsens (G.4.2.) erzielt, Bürgerinitiativen keiner eingehenden Verrechtlichung zu unterziehen. Die Schaffung eines "Sondervereinsrechtes für Bürgerinitiativen" wird konsensual abgelehnt. Bestehende Verfahrensrechte von Bürgerinitiativen (siehe hiezu das oben angeführte) werden konsensual (G.4.3.) nicht in Frage gestellt. Auf Vorschläge über die Schaffung eines Staatsziels betreffend den Umweltschutz und die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Informations- und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit in Ausschuss 1 wurde im Zuge der Diskussion verwiesen.

Es bestand Konsens (G.4.4.), dass die Einbringung von Petitionen in gleicher Weise erleichtert werden soll wie die Stimmabgabe bei Wahlen, sofern es dort zu einer Änderung der Rechtslage kommt (einschließlich Briefwahl und elektronische Stimmabgabe).

G.5.   Gesetzesbegutachtungsrecht für Bürger

Rechtslage

Die Rechtsordnung erkennt zwar einzelnen Einrichtungen, insbesondere gesetzlichen Interessensvertretungen, das Recht auf Teilnahme an Begutachtungsverfahren zu, es besteht aber keine (verfassungs-)gesetzliche Verpflichtung, solche Begutachtungsverfahren auch tatsächlich durchzuführen.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss bestand Dissens (G.5.1.) darüber, ob zumindest für Regierungsvorlagen eine verfassungsgesetzliche Verpflichtung geschaffen werden soll, Begutachtungsverfahren durchzuführen. Vereinzelt (G.5.2.) wurde auch vorgeschlagen, eine Verpflichtung zur Durchführung von Begutachtungen auch auf Verordnungen auszudehnen. Die Gegner eines obligatorischen Begutachtungsverfahrens begründeten ihre Haltung mit dem Verlust an Flexibilität und der Verunmöglichung rascher legistischer Reaktionen auf politische Ereignisse. Grundsätzlich bestand aber Einvernehmen, dass ‑ auch ohne gesetzliche Verpflichtung hiezu – grundsätzlich alle Regierungsvorlagen, mit Ausnahme des Budgets, einer Begutachtung zugeführt werden sollen.

G.6.   Möglichkeit der Abberufung direkt gewählter Amtsträger bzw. der Auflösung des Nationalrates durch das Volk

Rechtslage

Auf Grund der geltenden Rechtslage werden lediglich der Bundespräsident (Art 60 Abs 1 B-VG) und – sofern dies die Landesverfassung vorsieht (Art 117 Abs 6 B‑VG) – Bürgermeister direkt gewählt. Für den Bundespräsident sieht Art 60 Abs 6 B-VG eine "Abwahlmöglichkeit" vor. Die Forderung nach einer bundesverfassungsgesetzlichen Verankerung einer Abwahlmöglichkeit würde sich daher nur auf direkt gewählte Bürgermeister beziehen. Die Landesverfassung von Tirol sieht zwar die Direktwahl von Bürgermeistern, nicht aber deren Abwahlmöglichkeit während der Funktionsperiode vor.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Der Ausschuss war überwiegend (G.6.) der Auffassung, dass eine Regelung der Abwahlmöglichkeit für direkt gewählte Bürgermeister den Ländern überlassen bleiben soll. Eine bundesverfassungsgesetzliche Vorgabe an die Landesverfassungsgesetzgeber soll nicht vorgenommen werden.

G.7.   Direkte Demokratie auf Landes- und Gemeindeebene

Rechtslage

Das B-VG enthält keine unmittelbaren Vorgaben für die Regelung der direkten Demokratie in Landesverfassungsgesetzen. Indirekt ergibt sich eine solche aber teilweise aus der Bindung an die Grundsätze der repräsentativen Demokratie. Die Aufnahme eines diesbezüglichen Mindeststandards für Landesverfassungen in das B‑VG wurde gefordert.

Der VfGH wird gemäß Art 141 Abs 3 B-VG für den Bereich des Bundes als Wahlgerichtshof auch bei direktdemokratischen Entscheidungen tätig (Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen oder Volksabstimmungen). Eine analoge Bestimmung für direkt demokratische Instrumente der Länder und Gemeinden fehlt jedoch.

Ergebnis der Ausschussberatungen

Hinsichtlich der Verankerung eines Mindeststandards an direkter Demokratie auf Landes- und Gemeindeebene im B-VG bestand im Ausschuss Dissens (G.7.1.). Auch der Vorschlag, den Ländern im B-VG einen größeren Gestaltungsspielraum für die direkte Demokratie einzuräumen, stieß auf Dissens (G.7.2.). Die Länder fordern einen solchen vergrößerten Gestaltungsspielraum vor allem, um auch direkt demokratische Mitwirkungsrechte der Bürger verfassungsrechtlich abzusichern, die im Widerspruch zum parlamentarisch repräsentativen System des B-VG stehen. Vereinzelt (G.7.3.) wurde angeregt, diesen größeren Spielraum den Ländern nur dann zuzugestehen, wenn sie zumindest die im B-VG vorgesehenen Instrumente der direkten Demokratie in ihren Landesverfassungen verwirklicht haben.

Konsens (G.7.4.) fand sich für eine Erweiterung von Art 141 Abs 3 B-VG, um dem VfGH die Entscheidung über Anfechtungen der Ergebnisse von direkt demokratischen Verfahren in den Ländern und Gemeinden explizit zu übertragen. Konsens (G.7.5.) besteht über die Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Zusammenhang mit einer Ablehnung der Einleitung direkt demokratischer Instrumente auf Gemeinde- und Landesebene.

H.                     Besondere Kontrollorgane

Diskussionsgrundlage waren die Basisinformation VIII  sowie eine Übersicht über besondere Kontrollorgane des Bundes und der Länder. Weiters lag ein Aufsatz von Marlies Meyer zum Thema Landesumweltanwaltschaften sowie eine Reihe von Textvorschlägen vor.

Rechtslage

Die Rechtsordnung enthält zahlreiche "besondere Kontrollorgane", von denen manche über eine bundes- oder landesverfassungsgesetzliche Verankerung verfügen (zB § 5 des Wehrgesetzes oder § 15a des Sicherheitspolizeigesetzes). Manche dieser Kontrolleinrichtungen haben die Aufgabe, als Amtsparteien direkt an den Verwaltungsverfahren teilzunehmen (insbesondere die Umweltanwälte). Ihre Aufgabe ist somit eine Art "begleitender Kontrolle" in Verwaltungsverfahren selbst. Darüber hinaus bestehen zahlreiche "besondere Kontrolleinrichtungen" für spezielle Verwaltungsbereiche (zB BH-Beschwerdekommission, Menschenrechtsbeirat im BMI, Rechtsschutzbeauftragter im BMI und Datenschutzkommission) mit teilweise unterschiedlichen Aufgaben. Insgesamt gibt es nahezu 100 derartige Einrichtungen, denen aber zumeist keine Berichterstattung an das Parlament aufgetragen und für die auch bisweilen keine gesetzlich garantierte Unabhängigkeit besteht. Für beides, nämlich die Unabhängigkeit und die Verpflichtung zur Parlamentsberichterstattung wäre eine verfassungsgesetzliche Bestimmung erforderlich.

Von solchen "besonderen Kontrollorganen" sind jedoch Organe der nachprüfenden Kontrolle zu unterscheiden, die vor allem die Aufgabe der Berichterstattung an die Verwaltung und/oder die allgemeinen Vertretungskörper wahrzunehmen haben. Die VA hat als einziges dieser Organe eine umfassende Zuständigkeit gegenüber der Verwaltung (Art 148a ff B-VG). Sie hat die Aufgabe, Missstände in der gesamten Verwaltung des Bundes sowie jener Länder und Gemeinden zu überprüfen, die eine entsprechende landesverfassungsgesetzliche Zuständigkeitserklärung abgegeben haben. Dies erfolgte in sieben Bundesländern. Die Länder Tirol u. Vorarlberg haben für die Kontrolle der Vollziehung der Länder und Gemeinden eigene Landesvolksanwaltschaften geschaffen.


Ergebnis der Ausschussberatungen

Im Ausschuss besteht überwiegend (H.1.) die Ansicht, dass im Interesse der Übersichtlichkeit und der leichteren Erreichbarkeit für den Bürger möglichst wenige Ausnahmen von den im B-VG und den Landesverfassungsgesetzen enthaltenen Kontrolleinrichtungen geschaffen werden sollten. Zum Vorschlag, "einheitliche Standards" für solche Kontrollorgane zu schaffen, bestand Dissens (H.2.). Vereinzelt (H.3.) wurde auch vorgeschlagen, für den Fall der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung eine unabhängige Bundesumweltanwaltschaft in der Bundesverfassung zu verankern und die unabhängige Institution Landesumweltanwaltschaft sicher zu stellen.


Anlage I/1

 

 

O. Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher

 

 

Herrn

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka

Per Mail

 

 

Sehr geehrter Herr Volksanwalt,

Lieber Peter,

 

zu Deiner Anfrage, ob § 3 Abs 1 Satz 2 UnvereinbarkeitsG 1983 angesichts des seit 01. 01. 1994 in Kraft befindlichen BVergG (dzt BVergG 2002) in dem Sinn überflüssig geworden ist, dass das BVerG dessen Schutzfunktion übernommen hat, darf ich folgende

 

Kurzstellungnahme

abgeben:

 

Über den Zweck der durch die Novelle 1980 (BGBl Nr 545/1980) des UnvereinbarkeitsG 1925 eingeführten „Beauftragungsverbotes“ (damals § 1 b Abs 1 S 2) gibt der AB (494 BlgNR 15. GP) keine Auskunft. Der Sinn der Regelung könnte darin gesehen werden, dass die Gefahr vermieden werden sollte, dass ein Funktionär gemäß § 1 Z 1-2 (im folgenden: „§ 1-Person“) die Auftragsvergabe an ein Unternehmen, an dem er ein wirtschaftliches Interesse hat (arg: 25%-Beteiligung) infolge seiner Einflussmöglichkeit beim Auftraggeber, die er dort kraft seiner Funktion besitzt, zugunsten „seines“ Unternehmens beeinflusst. Dazu passt aber nicht recht, dass gemäß § 3 Abs 3 (ehedem § 1 b Abs 3) der Unvereinbarkeitsausschuss Ausnahmen vom Beauftragungsverbot zulassen kann, „sofern durch geeignete Vorkehrungen die unbedenkliche Amtsführung sichergestellt ist“. Das weist geradezu in die gegensätzliche Richtung. Es hat den Anschein als ob befürchtet worden wäre, dass das beauftragte Unternehmen, an dem eine maßgebliche Beteiligung der § 1-Person besteht, gefährlichen Einfluss auf die Amtsfunktion gewinnen könnte.

Tatsächlich führen die EB zum UnvereinbarkeitsG 1925 im Zusammenhang mit dem „Organfunktionsverbot“ in bestimmten Gesellschaften aus (heute: § 4), dass bei diesen Unternehmen „zufolge ihrer starken wirtschaftlichen Kräfte die Voraussetzungen vorliegen, die es als wünschenswert erscheinen lassen, eine Unvereinbarkeit leitender Stellungen in ihnen mit einer politischen Betätigung auszusprechen“ (365 BlgNR 2. GP).

Schließlich betont der AB zur Novelle 1980 (494 BlgNR 15. GP) zum Berufsverbot der in § 2 genannten Personen (ehedem § 1a), dass unter „Beruf mit Erwerbsabsicht“ nur die Berufsausübung gegen Entgelt fällt, wovon wieder eine Ausnahme gemacht wird, wenn der Unvereinbarkeitsausschuss sie „unter Bedachtnahme auf die Gewährleistung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsführung“ genehmigt.

In dieses System des Schutzes einer „objektiven Amtsführung“ passt das Beauftragungsverbot überhaupt nicht, weil nicht ernsthaft behauptet werden kann, dass die „Amtsführung“ beeinträchtigt werden könnte, wenn ein Unternehmen, an dem die § 1-Person maßgeblich beteiligt ist, einen Auftrag erhält.

Es ist freilich möglich, dass ein Gesetz verschiedene Gefährdungspotentiale ausschalten will. Liegt der hauptsächliche Zweck des UnvereinbarkeitsG im Schutz einer objektiven Amtsführung, die gefährdet sein könnte dadurch, dass die § 1-Person eine Leitungsfunktion in einem wirtschaftsstarken Unternehmen bekleidet oder über entgeltliche Berufsausübung in Abhängigkeit zu den Interessen seiner Gehalts- und Honorarzahler geraten könnte, kann das Beauftragungsverbot seinen Grund auch darin haben, dass eine unredliche Begünstigung des Unternehmens, an dem der Funktionär maßgeblich beteiligt ist, hintangehalten werden soll.

Diesen Schutzzweck scheint auch der Gesetzgeber vor Augen gehabt zu haben, wenn es im AB zu Art XIV Novelle BGBl Nr 545/1980, der eine Anteilsmeldepflicht (bezogen auf § 1 b = § 3) binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Novelle vorschreibt – ganz unvermittelt – heißt:

 „Der Ausschuss geht weiters von der Annahme aus, dass die in der Begründung des Initiativantrages unter Punkt 10 vorgesehene Änderung betreffend die Anwendung der Richtlinien der Bundesregierung zur ÖNORM A 2050 verwirklicht wird.“

Der Initiativantrag liegt mir nicht vor. Es dürfte sich dabei um die geplante Verschärfung der mit Ministerratsbeschluss 1978 vorgeschriebenen, die ÖNORM A 2050 mit Modifikationen für verbindlich erklärenden Vergaberichtlinien des Bundes gehandelt haben, die durch Ministerratsbeschluss 1981 auch tatsächlich erfolgt ist.

Der AB hat also den Konnex zwischen Beauftragungsverbot nach dem UnvereinbarkeitsG und den Vergaberichtlinien des Bundes (ÖNORM A 2050) deutlich gesehen. Nachdem nicht anzunehmen ist, dass die Erwartung des Ausschusses dahin ging, dass mit der bevorstehenden Änderung der Vergaberichtlinien das soeben eingeführte Beauftragungsverbot obsolet werden sollte, ist davon auszugehen, dass der AB ein sinnvolles Nebeneinander beider Regelungsmaterien für möglich hielt.

Seit 1994 ist das Vergabewesen in Österreich – und seit dem BVergG 2002 auch für den Unterschwellenbereich – detailliert gesetzlich geregelt. An das BVergG sind die § 1-Personen als Entscheidungsträger über Auftragsvergaben selbstverständlich in gleicher Weise gebunden wie die vergebenden Dienststellen, was 1980 insofern nicht der Fall war, als die Vergaberichtlinien die § 1-Personen zum selbstbindenden „Normgeber“ hatten, von denen dieser als Normsetzer im Einzelfall auch wieder abgehen konnte, wenn man außer Acht lässt, dass die Fiskalgeltung der Grundrechte ein Abgehen zum Zwecke der Bevorzugung des „eigenen“ Unternehmens schon seit jeher als gleichheitswidrig und damit als schadenersatzbewehrtes Übergehen des Bestbieters qualifiziert hat.  Damals bestand freilich kein effizienter Rechtschutz des übergangenen Bieters, der heute nach dem BVergG gegeben ist und der diesen gegen eine gesetzwidrige Einflussnahme des Funktionärs auf eine Vergabeentscheidung erfolgreich ankämpfen ließe.

Unter diesem Aspekt könnte gesagt werden, dass das strikte gesetzliche Vergaberegime und der ausgebaute präventive Rechtschutz der Bieter das Beauftragungsverbot des UnvereinbarkeitsG „alt und überholt“ aussehen lässt. Warum  sollte ein Bieter, an dem eine § 1-Person maßgeblich beteiligt ist, nicht beauftragt werden dürfen, wenn er sich in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren unter den Argusaugen eines von den Mietbietern jederzeit mobilisierbaren Rechtsschutzes als Bestbieter erwiesen hat?

Aber nach der Zuschlagserteilung erfolgt die Auftragsdurchführung. Bei ihr ergeben sich nicht selten Komplikationen: Verzug und mangelhafte Leistungserbringung. Davor bewahrt das strengste Vergaberecht nicht. Davor bewahrt ein Leistungsvertrag, der eine exakte Pflichtenbindung des Auftragnehmers mit entsprechenden Sanktionen vorsieht (Pönale, Ersatzvornahme, Erfüllungskautionen, Haftungsverschärfung, Risikoüberbindung, etc.). Was schützt den Auftraggeber davor, wenn sein am Auftragnehmer beteiligter Funktionär darauf hinwirkt, dass die Dienststellen des Auftraggebers von diesen Rechten keinen Gebrauch machen (oder überhöhte Nachtragsforderungen akzeptieren)?

Es muss nicht (nur) Einflussnahme auf die Vergabe sein, die das Beauftragungsverbot trägt und die heute durch das BVergG differenzierter hintangehalten wird. Das Beteiligungsverbot kann auch damit begründet werden, dass nach korrekter Auftragserteilung Einfluss auf die Auftragsdurchführung genommen werden kann und diese Gefahr besonders groß ist, wenn der Funktionär des Auftraggebers am Auftragnehmer maßgeblich beteiligt ist.


Und vielleicht ist es auch nur der zum amerikanischen Vergaberecht formulierte kluge Satz: „Eine Vergabe muss nicht nur korrekt sein, sie muss auch korrekt erscheinen“, der dem groben Klotz des Beauftragungsverbotes seine Daseinsberechtigung neben der feinen Klinge des BVergG sichert.

Wien, am 20. 01. 2004

 

o. Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher


Anlage I/2

 

 

Ass.Prof. Dr. Rudolf FEIK

Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg

 

 

Die Amtsverschwiegenheit

 

1.      Art 20 Abs 3 B-VG ist nach wie vor die zentrale Norm für den Geheimnis­schutz der staatlichen Ver­waltungstätigkeit.

2.      Ein moderner demokratischer Rechtsstaat: die staatliche Verwal­tung ist gegen­­­über der Bevöl­kerung möglichst offen.

3.      Weltweit geht die Entwicklung hin zu einer Öffnung der Ver­waltung gegen­über den In­for­ma­tions­bedürf­nissen der Bürgerinnen und Bürger (Freedom of Infor­mation Acts[1], und auf EU-Ebene: Art 42 EU-Grundrechtecharta, Art 255 EG, VO 1049/2001).

4.      Die alles ent­schei­dende Frage: Wo sind die Schranken der Offenlegungs­möglich­keiten? Die Ant­wort auf diese Frage hängt nicht nur, aber auch vom Selbst­ver­ständnis des Staates als geheim­nis­krämern­des oder transpa­rentes Gemeinwesen ab.

5.      Eine generelle Amtsverschwiegen­heitspflicht, die durch gesetz­liche Rege­lun­gen durch­bro­chen wer­­den muss, verwirklicht nicht den Grund­satz „so offen wie möglich und nur so wenig ge­heim wie nötig“. In Österreich haben wir eine Aus­kunftspflicht nach Art 20 Abs 4 B-VG, die ganz wesentlich durch eine „partiell durch­­löcherte“ Geheimhal­tungsverpflichtung (Art 20 Abs 3 B-VG) und andere Ver­schwiegen­heits­verpflich­tungen und Auskunfts­ver­wei­ge­­rungs­berech­ti­gungen ein­ge­­schränkt ist. Einer­seits eine Amts­verschwiegenheit soweit gesetzlich nichts anderes normiert ist, anderer­seits eine Aus­kunftspflicht soweit eine gesetzliche Verschwiegen­heits­pflicht nicht entgegensteht.

6.      In einer modernen Demokratie sollte das Amtsge­heim­nis vor allem dem Schutz öffentlicher und pri­va­ter Geheim­hal­tungs­­interessen dienen, nicht jedoch dem generellen Schutz des Ver­wal­tungs­wissens.

7.     Andere Länder, andere Regeln: zum Teil verfassungsgesetzlich, zum Teil ein­fach­­gesetzlich ge­währte Dokumentenzugangsrechte

1766 Schweden, 1951 Finnland, 1970 Dänemark und Norwegen, 1978 Frank­reich, 1993 Kanton Bern,[2] 1994 Belgien, 1998 Land Brandenburg,[3] 1999 Land Ber­lin,[4] 2000 Land Schleswig-Hol­stein,[5] 2002 Kanton Solothurn, 2002 Kanton Genf, 2002 Kanton Jura.

„In Arbeit“ ist ein „Informationsfreiheitsgesetz des Bun­des“ in Deutschland [6] und ein „Bundes­gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung“ in der Schweiz.[7]

 

Art 32 Belgische Verfassung 1994

Jeder hat das Recht, jegliches Verwaltungsdokument einzusehen und eine Abschrift davon zu bekom­men, außer in den Fällen und unter den Bedingungen, die durch Gesetz, Dekret oder die in Art 134 erwähnte Regel festgelegt sind.[8]

 

Art 12 Abs 2 Finnisches Grundgesetz 1999

Akten und Aufzeichnungen, die im Besitz von Behörden sind, sind öffentlich zugäng­lich, wenn der öffentliche Zugang nicht aus zwingenden Gründen ausdrücklich durch Gesetz eingeschränkt wurde. Jeder hat das Recht, Einsicht in öffentliche Akten und Aufzeichnungen zu nehmen.[9]

 

Art 10 Abs 3 Griechische Verfassung 1975

Ein Antrag auf Auskunftserteilung verpflichtet die zuständige Behörde zur Antwort, wenn dies durch die Gesetze vorgesehen ist.[10]

 

Art 110 Niederländische Verfassung 1983

Die Behörden stellen bei der Durchführung ihrer Aufgaben Öffentlichkeit gemäß durch Gesetz zu erlas­sende Vorschriften her.[11]

 

Art 268 Portugiesische Verfassung 1976

(1) Die Bürger haben das Recht, auf ihr Verlangen von der Verwaltung über den Fort­gang aller Vor­gänge informiert zu werden, an denen sie ein unmittelbares Interesse haben sowie von denje­ni­gen end­gültigen Entscheidungen in Kenntnis gesetzt zu wer­den, die sie betreffen.

(2) Die Bürger haben ebenfalls das Recht auf Zugang zu den Verwaltungsarchiven und -registern in der gesetzlich vorgesehenen Form, unbeschadet der Gesetzes­bestim­mungen in den Bereichen innere und äußere Sicherheit, strafrechtliche Ermittlung und Persönlichkeitsrecht.

(6) Zur Sicherstellung der Rechte aus den Abs 1 und 2 wird durch Gesetz eine maxi­male Frist für die Ant­wort durch die Verwaltung bestimmt.[12]

 

Schwedische Verfassung 1975

Kapitel 1 § 3: Die Verfassung, das Thronfolgegesetz, das Pressegesetz und das Grund­gesetz über die Freiheit der Meinungsäußerung sind die Grundgesetze des Königreiches.

Kapitel 2 § 1 Z 2: Jedem Staatsbürger ist dem Gemeinwesen gegenüber zugesichert: Informa­tions­frei­heit: die Freiheit, Auskünfte zu beschaffen und entgegenzunehmen sowie sonst von den Äußerungen an­de­rer Kenntnis zu nehmen. … Das Presse­gesetz enthält auch Bestimmungen über das Recht auf Ein­sicht­nahme in offizielle Akten.[13]

Kapitel 1 § 13: (1) Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit können mit Rück­sicht auf die Sicherheit des Königreiches, die Versorgung des Vol­kes, die öffentliche Ord­nung und Sicherheit, das Ansehen des einzelnen, die Unver­letz­lichkeit des Privatlebens oder die Vorbeugung und ge­richtliche Verfolgung von Straftaten eingeschränkt werden. Ferner kann die Frei­heit der Meinungs­äuße­rung im gewerblichen Bereich eingeschränkt werden. Im Übrigen sind Einschränkungen der Frei­heit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nur zulässig, wenn be­son­ders wichtige Gründe vorliegen. (2) Bei der Beurteilung der Frage, welche Ein­schrän­kun­gen gemäß Abs 1 zulässig sind, ist die Bedeutung einer möglichst weit­gehenden Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in politischen, reli­giösen, gewerkschaftlichen, wissen­schaft­li­chen und kulturellen Belangen besonders zu beachten.

 

Art 105 lit b Spanische Verfassung 1978

Das Gesetz regelt den Zugang der Bürger zu den Verwaltungsarchiven und -regis­tern, außer in Fällen, die die Sicherheit und Verteidigung des Staates, die Ermittlung strafbarer Handlungen und die Intim­sphäre von Personen betreffen.[14]

 

Art 20 Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz 1920

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Or­gane anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, so­weit gesetzlich nicht anderes be­stimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen aus­schließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit be­kannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrecht­erhal­tung der öffentlichen Ruhe, Ord­nung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der aus­wärtigen Bezie­hungen, im wirt­schaft­lichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien ge­bo­ten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsver­schwie­genheit besteht für die von einem allge­mei­nen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegen­über diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Or­gane anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wir­kungsbe­reichs Auskünfte zu erteilen, soweit eine ge­setzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen aus­kunfts­pflichtig und dies inso­weit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetz­ge­bung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetz­gebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Or­gane der Länder und Ge­meinden sowie der durch Lan­desgesetzgebung zu regelnden Selbst­ver­wal­tung in der Grundsatzgesetzgebung Bundes­sache, in der Ausführungsgesetzgebung und Voll­zie­hung Lan­desache.

 

Einfachgesetzlich: Dänemark[15], Frankreich[16], Großbritannien[17], Irland[18], Italien[19]

 

Generalsekretariat der Europäischen Kommission: Vergleichende Analyse der Gesetzgebung der Mit­gliedstaaten über den Zugang zu Dokumenten[20]

Ergebnis (Stand: August 2000): Elf der 15 Mitgliedstaaten verfügten bereits da­mals über eine Ge­setz­­ge­bung über den Dokumentenzugang, Großbritannien hatte einen beschluss­reifen Geset­zes­entwurf im Par­­lament; lediglich Luxemburg, Deutschland (auf Bundesebene) und Österreich hat­ten diesbezüglich nichts.

8.      Österreich, das einzige Land in der EU, in dem die Amtsver­schwie­genheit Verfas­sungsrang hat!

9.      Voraussetzung jeglicher Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG ist das Vor­liegen eines dort auf­­gezählten öffentlichen Interesses oder eines überwie­gen­den Interesses einer Partei. Bei ein­fach­gesetz­lichen Regelungen zur Ver­schwie­genheit von Verwaltungsorganen ist das Vor­liegen eines zwingen­den sozialen Be­dürf­nisses einer demokratischen Gesellschaft an diesem Eingriff und dessen Ver­hält­nis­mäßigkeit zu prüfen.

10.    Insge­samt sieht Art 20 Abs 3 B-VG sechs Geheimhaltungsgründe vor. Frag­lich ist, ob es all dieser tat­säch­lich bedarf.

11.   Einfachgesetzliche Geheimhaltungspflichten der Verwaltungsorgane dürfen sich nur auf Tat­sa­chen er­strecken, die in den in Art 20 Abs 3 B-VG genannten Interessen die­nen.

                a) Verfassungswidrig wäre eine Regelung, die eine Verschwiegen­heits­pflicht für „aus­drück­lich als ver­­traulich be­zeich­nete Informationen“ vorsehen würde, welche in den Geheim­hal­tungstatbeständen des Art 20 Abs 3 B-VG keine Deckung finden oder die jegliches Amts­wissen in die Amtsverschwie­gen­heit ein­beziehen.[21]

               b) Verfassungswidrig wäre eine Rege­lung, die dem Wortlaut der Amtsver­schwie­gen­heits­bestim­mung vor der  B-VG-Novelle 1987 entspricht.[22]

                c) Verfassungsrechtlich zulässig wäre eine einfachgesetz­liche Konkretisierung der in Art 20 Abs 3 B-VG ange­spro­chenen Interessen, um damit den Organ­waltern die Abwägungsprobleme zwischen Öffentlich­keits- und Verschwiegen­heits­interessen abzunehmen.[23]

               d) Zulässig ist die Beschränkung der Amtsverschwiegenheit in eine bestimmte Richtung; so­fern diese mit den Geheimhaltungsinteressen des Art 20 Abs 3 B-VG überein­stim­men, be­stehen dagegen keine ver­fas­sungs­recht­lichen Beden­ken.[24]

                e) Zulässig ist der Ausschluss der Amts­verschwiegenheitspflicht über be­stimmte Tat­sachen und/oder gegen­­über bestimmten Organen.[25]

                f) Einzelne Vorschriften orientieren sich bei ihrer Formulierung über­haupt nicht an Art 20 Abs 3 B-VG und stel­len für bestimmte Sachverhalte besondere Ver­schwie­gen­heits­pflichten auf.[26]

               g) Und schließlich übernehmen einige Bestimmungen einfach den Katalog von Geheim­haltungsgründen[27] oder ver­weisen auf diesen.[28]

               h) Art 20 Abs 3 B-VG gilt darüber hinaus – im Wege einer extensiven Interpre­ta­tion – auch für die den Ver­waltungs­organen beigegebenen Beiräte.[29]

(Berufsrechtliche) Regelungen für Personen, denen keine funktionelle Organstel­lung zu­kommt, unter­lie­gen hingegen keinen aus Art 20 Abs 3 B-VG ab­leitbaren Grenzen.[30] Dass vereinzelt „strengste“ Ver­schwiegenheit angeordnet ist, ist ange­sichts der dies normierenden Bestim­mun­gen wohl eher zufällig und nicht aus einem besonderen Schutzbedürfnis heraus ge­schehen.[31]

 

12.    Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG: eine Dienstpflicht des einzelnen „amtlichen Ge­heim­nis­trägers“ der Verwaltung. Mögliche Sanktionen: strafrechtliche und disziplinar­recht­liche Verfol­gung, Amtshaftung, politische Verant­wortlichkeit oberster Or­gane, usw.

 

         Strafbestimmungen: § 301 StGB (Verbotene Veröffentlichung), § 310 StGB (Amtsgeheimnis­ver­rat), § 121 StGB (Verletzung von Berufsgeheimnissen), § 122 StGB (Verletzung von Ge­schäfts- und Betriebs­geheimnissen), §§ 252 und 253 StGB (Verrat und Preisgabe von Staatsgeheimnissen), §§ 251 und 252 FinStrG (Verletzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungs­pflicht), § 51 DatenschutzG 2000 (in Gewinn- oder Schädigungsabsicht erfolgende Verwendung per­so­nenbezogener Daten), § 9 InformationssicherheitsG (Veröffentlichung oder Verwertung klassifi­zier­ter ausländischer Informationen)

 

13.    Schlussfolgerungen:

                a) Die österreichische Rechtsordnung lässt eine be­stimmte Systematik bei den Vor­schriften über die Auskunftspflicht und die Ver­schwie­genheitspflicht vermissen.

               b) Ein „Infor­ma­tionsfreiheitsgesetz“ bedingt eine Kulturrevolution, die vor allem in den Köpfen der Politikerinnen und Politiker und der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter stattfinden muss – und natürlich darüber hinaus auch dem Volk bekannt gemacht werden muss.

                c) Ein Auskunftsrecht ist lediglich eine abgeschwächte und nicht mehr zeitadäquate Variante eines Informations­rechts.

 

14.  Einige im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt „Amtsverschwiegen­heit“ vom Verfas­sungs­konvent zu lösende Fragestellungen:

                a) Will man den Anschluss an Europa, dh die EU und die meisten Mitglied­staaten, halten und sich zur Dokumentenzugänglichkeit bekennen?

               b) Wenn         nein: Braucht man überhaupt eine verfassungsgesetzliche Verschwie­gen­­heits­ver­pflich­tung, wenn zahllose einfachgesetzliche Verschwiegenheits­pflichten normiert sind?

                c) Wenn ja: Kann man zumindest eine klare Vorrangregelung zugunsten der Auskunfts­pflicht – welcher primär durch Dokumentenübermittlung nachgekommen werden sollte – gegenüber der Amts­verschwiegenheit festlegen?

               d) Ist eine Klarstellung möglich, um die Organe der öffentlich-rechtlichen Anstalten und Fonds nicht „unter Ver­bie­gung des Wortlauts“ zu den Amtsgeheimnisverpflichteten machen zu müssen?

                e) Ist eine Klarstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Art 20 Abs 3 B-VG (Amts­ver­schwie­genheit) zu Art 22 B-VG (Amtshilfe) möglich, um den verwal­tungs­internen Datentransfer in klare Bahnen zu lenken?

                f) Kann man – wenn man sich zur Beibehaltung von Art 20 Abs 3 und 4 B-VG ent­schließen sollte – zumindest dem einfachgesetzlichen Wildwuchs begeg­nen? Braucht wirklich jeder Bei­rat seine eigene Verschwiegenheits­bestim­mung?

               g) Warum sollen nicht auch für Verwaltungsorgane – wie auch für die Gerichts­organe jetzt schon – einfachgesetzliche Bestimmungen ausreichen?

               h) Findet man eine eindeutige Lösung eines „Dauerbrenners der verfassungs­recht­lichen Dis­kus­sion“, näm­lich der Frage der Amtsverschwiegenheit zwischen Regie­rungsmit­glie­dern und Parlament?


Anlage I/3

 

 

Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer

Institut für Verwaltungsrecht und -lehre

Johannes Kepler Universität Linz

 

 

Wirtschaftliche Unvereinbarkeit

Rechtspolitische Überlegungen

 

1. Bestand und Notwendigkeit einer Neuregelung

Das Recht der “wirtschaftlichen Unvereinbarkeit” für die Legislative und für höchstrangige Funktionäre der Exekutive findet sich derzeit vor allem in Art 19 Abs 2 B-VG und im – weithin im Verfassungsrang stehenden – Unvereinbarkeitsgesetz, BGBl 1983/330 (Wiederverlautbarung), zuletzt in der Fassung BGBl I 1999/194. Die Rechtslage wird in der Literatur als kasuistisch und unübersichtlich kritisiert (vgl nur etwa Stolzlechner, Möglichkeiten und Grenzen zeitgemäßer Unvereinbarkeitsregelungen aus der Sicht der Länder, ÖJZ 1990, 289ff). Schon vor dem Hintergrund dieses – zu bestätigenden – Befundes empfiehlt sich eine verfassungsrechtliche Neugestaltung des Rechts der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit aus Anlass der der Konventarbeit.

 

2. Vorgaben für eine Neuregelung

Bei einer solchen Neugestaltung gilt es jedenfalls folgende Vorgaben zu beachten:

a.      Erstens muß eine Neuregelung die rechtspolitischen Zielsetzungen des Rechts der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit im Auge zu behalten (die Literatur nennt folgende „Motive zeitgemäßer Unvereinbarkeitsregelungen“ [Stolzlechner in: Die Vereinbarkeit öffentlicher Ämter – Niederösterreichische Schriften Band 35, 1989, 13ff]: Stärkung des Gewaltentrennungsprinzips; Vermeidung einer Identität von Kontrollierenden und Kontrollierten; Vermeidung sonstiger politischer Interessenkollisionen; Vermeidung von Arbeitsüberlastung; Vermeidung von Doppel- und Mehrfachverdiensten; Sicherung der Würde eines Amts; Trennung von staatlicher und wirtschaftlicher Macht). Meines Erachtens liegt das Hauptgewicht einer Regelung der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit auf folgenden Gesichtspunkten: Vermeidung unsachlicher Einflüsse (insbesondere eigennütziger Einflüsse) bei der politischen Entscheidungsfindung und Willensbildung; Vertrauen des Volkes in die Uneigennützigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch politische Funktionäre als Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie.

b.     Zweitens sollen Regeln der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit möglichst knapp formuliert sein und Kasuistik tendenziell vermeiden. Als Grundsatz sollte gelten, dass alle nicht unbedingt erforderlichen Beschränkungen entfallen sollen.

c.      Drittens sollte die Administration und Durchsetzung des Unvereinbarkeitsrechtes möglichst unbürokratisch und womöglich „selbstvollziehend“ sein.

 

3. Formale Regelungsoptionen

An formalen Regelungsoptionen stehen insbesondere zur Verfügung:

a.      Gänzlicher Entfall jeglichen wirtschaftlichen Unvereinbarkeitsrechts (als bloß theoretische Option).

b.     Wenige generalklauselartige Unvereinbarkeitstatbestände im Text der Hauptverfassungsurkunde selbst.

c.      Grundsätzliche Regelung in der Verfassungsurkunde und Kasuistik – soweit erforderlich – in einem Nebengesetz dazu.

d.     Beibehaltung des derzeitigen Zustandes mit umfangreicher und teilweise verfassungsrangiger Kasuistik im Unvereinbarkeitsgesetz.

 

4. Vollziehungsoptionen

An Vollziehungsoptionen sind im Grundsätzlichen jedenfalls folgende Modelle denkbar:

a.      Beschränkung der Regelung auf materiell-rechtliche Unvereinbarkeitsvorschriften. Deren Einhaltung werden überwacht

              aa. mithilfe der üblichen parlamentarischen Kontrollrechte und

             bb. durch die kritische Presse und die öffentliche Meinung.

b.     Zusätzlich zur ersten Variante unter anderem Beibehaltung eines Unvereinbarkeitsausschusses und vergleichbarer Verfahrensvorschriften.

c.      Zusätzlich zur ersten Variante Konzentration der Rechtskontrolle beim Verfassungsgerichtshof mit diesbezüglichen Antragsrechten zB eines Drittels der Abgeordneten zum Nationalrat oder des Rechnungshofes.

 

5. Überlegungen zu einzelnen Regelungen des Unvereinbarkeitsgesetzes:

a.      Verbot der Berufsausübung (§ 2)

         Zu überlegen wäre, ob nicht ein Verbot der Ausübung solcher Berufe mit Erwerbsabsicht angeordnet werden sollte, das ex lege nur dann greift, wenn die Berufsausübung Zweifel an der objektiven und unbeeinflussten Amtsführung (so Abs 2) entstehen läßt. Die Entscheidung über die Erfüllung dieses Tatbestandes könnte dem VfGH überantwortet werden, dessen Anrufung als parlamentarisches Minderheitenrecht ausgestaltet werden könnte. Die Ermächtigung zu weitergehenden Regelungen in § 2 Abs 5 leg cit erscheint entbehrlich.

         Ein Regelungsvorschlag: „Die obersten Organe der Verwaltung, der Präsident des Nationalrates, der Präsident des Rechnungshofes und die Mitglieder der Volksanwaltschaft dürfen während ihrer Amtstätigkeit keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben, der Zweifel an der Gewährleistung einer objektiven und unbeeinflussten Amtsführung hervorzurufen geeignet wäre. Ausgenommen sind die Verwaltung des eigenen Vermögens sowie die Ausübung von Funktionen in einer politischen Partei, in einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung, in die die Person gewählt wurde. Im Zweifel erkennt über das Vorliegen einer unvereinbaren Berufstätigkeit der Verfassungsgerichtshof über Antrag eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates bzw des Landtages.“

b.     Beschränkungen der Auftragsvergabe (§ 3)

         § 3 Unvereinbarkeitsgesetz verbietet im Ergebnis – in im Detail komplizierter Regelung – die Erteilung öffentlicher Aufträge an bestimmte Personen.

         Bei der Beurteilung der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit der Beibehaltung dieser Regelung ist jedenfalls zu bedenken, dass dieses Verbot der Auftragsvergabe aus einer Zeit stammt, in der Vergaberecht (als außenwirksames Recht) und Vergaberechtsschutz nur in rudimentären Ansätzen existierten. In diesem Punkt sind mittlerweile wesentliche Änderungen der Rahmenbedingungen eingetreten. Es gilt also zu überlegen, ob den mit § 3 UnvereinbarkeitsG verfolgten Interessen, unsachliche Begünstigungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hintanzuhalten, nicht ohnehin durch die Institutionen des Vergaberechts (der diesbezüglichen nachprüfenden Kontrolle) und durch die dadurch geschaffene Transparenz hinreichend entsprochen ist. Ich meine daher, dass auf § 3 UnvereinbarkeitsG überhaupt verzichtet werden könnte. (Die in der Praxis gelegentlich vorkommenden „undurchsichtigen“ Auftragsvergaben beziehen sich ja tendenziell ohnehin auf den – rechtsregulatorisch nur schwer fassbaren – Bereich persönlicher Bekanntschaften etc; hier bleibt aber wohl nur das Vertrauen in die Kontrolle durch Gerichte und durch die öffentliche Meinung.)

c.      Offenlegung der Vermögensverhältnisse (§ 3a)

         Der Zweck der Regelung liegt in der Kontrolle „außergewöhnlicher Vermögenszuwächse“ (Abs 3). Vor dem Hintergrund dieser Zwecksetzung kann es für die Auslösung einer Meldepflicht aber nicht darauf ankommen, ob im Besonderen eine Unternehmensbeteiligung – gemessen am Grundkapital des Unternehmens – keine Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik ermöglicht, weil auch der Erwerb einer noch einflusslosen Unternehmensbeteiligung (bei entsprechend großen Unternehmen) einen außerordentlichen Vermögenszuwachs bedeuten kann. Unter der Voraussetzung, dass man an § 3a UnvereinbarkeitsG festhalten will, empfehlen sich daher Bagatellgrenzen nur, wenn sie wertbetragsmäßig (in Euro) festgelegt werden, nicht aber, wenn sie in Unternehmensanteilsprozenten festgelegt würden.

         Rechtpolitisch ist allerdings zu überlegen, ob § 3a UnvereinbarkeitsG nicht überhaupt entfallen könnte: So sehe ich nicht, wie seine Einhaltung effizient kontrolliert werden und wie Umgehungen (zB Strohmänner, Ausland) verhindert werden sollten. Damit stellt sich aber die Frage, ob der Regelungskern – Kontrolle außerordentlicher Vermögenszuwächse zur Aufdeckung solcher, die nicht auf eine „reelle“ Wirtschaftsgebarung zurückzuführen sind – nicht ohnehin (soweit überhaupt möglich) durch die Medien auch ohne rechtliche Regelung hinreichend gewährleistet ist.

d.     Bekleidung leitender Stellungen durch oberste Verwaltungsorgane (§§ 4 und 5)

         Zu § 4 UnvereinbarkeitsG könnte erwogen werden,

                 * entweder auf ihn zu verzichten, weil die wesentlichen Fälle ohnehin durch § 2 leg cit (auch) in der oben vorgeschlagenen flexiblen Formulierung erfasst werden,

                 * oder die Aufzählung des § 4 (in dieser oder in eingeschränkter oder erweiterter Fassung) dem § 2 leg cit (oder seiner Nachfolgerregelung) in folgender Art anzufügen: „Jedenfalls unvereinbar sind …“.

                 * Ob indes die Aufzählung des § 4 UnvereinbarkeitsG in der Sache rechtspolitisch zu weit oder zu eng geraten ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

         Die Regelung des § 5 UnvereinbarkeitsG könnte entfallen.

         Weiters wäre denkbar, die Tätigkeit in Aufsichtsräten von Unternehmen generell zuzulassen, sofern sie bloß ehrenamtlich erfolgt.

e.      Leitende Stellungen und Legislative (§ 6)

           1. Die Regelung erscheint angemessen und kann beibehalten werden, zumal sie die gebotene Flexibilität gewährleistet.

           2. Als Alternative könnte allenfalls erwogen werden:

                 * Die Pflicht zur (zumindest überwiegenden) Teilnahme an den Sitzungen der jeweiligen gesetzgebenden Körperschaft (§ 11 GOG-NR) bewirkt ohnehin, dass daneben die Bekleidung einschlägiger leitender Stellungen nicht die Regel sein wird.

                 * Die Beibehaltung des § 6 Abs 4 leg cit schließt die Bezügekumulation im öffentlichen Bereich aus; für Aufsichtsratbezüge aus dem privaten Sektor stellt sich das Problem ohnehin nicht in derselben Weise.

                 * Das gerneralklauselhafte Verbot des Missbrauchs der Stellung in gewinnsüchtiger Absicht (Art § 9 UnvereinbarkeitsG) schließt im Übrigen wesentliche Mißbrauchsfälle aus.

f.      Legislative und Dienstverhältnisse zu Gebietskörperschaften (§ 6a)

         Die Regelung des § 6a soll weniger die Wahrnehmung der parlamentarischen Funktionen, sondern die unbeeinträchtigte Wahrnehmung der dienstlichen Funktionen schützen und hat damit weniger unvereinbarkeitsrechtlichen Charakter (im engeren Sinn), als vielmehr dienstrechtlichen Charakter. Es sollte generell erwogen werden, Dienstverhältnisse zu den Gebietskörperschaften während der Zeit der Wahrnehmung von Abgeordnetenmandaten unter Entfall der Dienstbezüge generell und zur Gänze zu suspendieren (entsprechend Art 23b B-VG); damit wäre eine saubere und leicht zu administrierende Regelung geschaffen; eine Diskussion um die Wahrnehmbarkeit von Dienstpflichten neben einem Abgeordnetenmandat wäre vermieden und der nicht seltene Vorwurf in der öffentlichen Meinung, es käme zu ungerechtfertigten Mehrfachbezügen, wäre ausgeräumt (die Abgeordnetenbezüge sollten regelmäßig einer hinreichenden Ausgleich für den Entfall der Dienstbezüge gewährleisten); § 6a UnvereinbarkeitsG könnte damit entfallen.

g.     Missbrauchsklausel (§ 9)

         Die Missbrauchsklausel des § 9 ist beizubehalten; die Feststellung des Missbrauchsfalles sollte dem Verfassungsgerichtshof überantwortet werden, der hierüber über Antrag eines Drittels der Nationalratsabgeordneten (gegebenenfalls Landtagsabgeordneten) entscheidet.

 

6. Bundeseinheitlichkeit oder Verländerung (ua Art 19 Abs 2 B-VG)

Das materielle wirtschaftliche Unvereinbarkeitsrecht sollte bundeseinheitlich geregelt bleiben.

 

Linz, 14. Dezember 2003


Anlage I/4

 

 

O. Univ.-Prof. Dr. Johannes Hengstschläger

 

 

Zur Verankerung der Amtsverschwiegenheit in der Bundesverfassung

 

I. Vorbemerkungen

1.      Die Amtsverschwiegenheit steht im Spannungsfeld zwischen

         berechtigten Informationsinteressen bestimmter (eventuell betroffener) Personen oder der Allgemeinheit an Verwaltungswissen und Verwaltungsvorgängen auf der einen und

         berechtigten Geheimhaltungsinteressen betroffener Bürger oder des Staates selbst auf der anderen Seite.

2.      Dieses Spannungsverhältnis ist auch in völker- und europarechtliche Vorgaben eingebettet, die für den österreichischen Verfassungsgesetzgeber bindend sind, wie

         das in Art 10 MRK verankerte Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (siehe auch Art 13 StGG; vgl ferner Art 41f der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), das „jedermann“, also prinzipiell auch staatlichen Organwaltern (also Menschen, die Organfunktionen bekleiden) zusteht, sowie

         das Grundrecht auf Datenschutz (DSG 2000) iVm der EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995.

3.      Die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses erfolgt in den meisten demokratischen Staaten dadurch, dass der freie Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen als Grundsatz postuliert wird. Dem Grundsatz der Informationszugangsfreiheit wird besondere Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen beigemessen, denn er steht im Dienste

         der Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung,

         der Kontrolle staatlichen Handelns und

         der gerechten Informationsverteilung zwischen Staat und Gesellschaft sowie innerhalb der Informationsgesellschaft.

         Zum Schutz berechtigter gegenläufiger und vorrangiger öffentlicher bzw. privater Geheimhaltungsinteressen sind Ausnahmen vom Informationszugangsrecht festgelegt, die dieses entweder begrenzen oder überhaupt ausschließen.

         Zur Illustration seien aus der Fülle der Regelungsbeispiele zwei herausgegriffen:

           a) Das „Informationsfreiheitsgesetz“ der BRD (das noch in parlamentarischer Behandlung, das heißt noch nicht beschlossen ist): Es regelt im ersten Abschnitt die „Informationszugangsfreiheit“ und im zweiten Abschnitt die „Einschränkungen des Informationszuganges“, dh die Ausnahmen. (Der 3. Abschnitt betrifft das „Verfahren“ und der 4. Abschnitt „Organisationsvorschriften“.)

          b) Die auf der Grundlage des Art 255 EGV ergangene „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission“ vom 31.5.2001. Auch sie ist nach dem Schema „Grundsatz der Informationsfreiheit – Ausnahmen davon“ aufgebaut:

Artikel 1 und 2 der Verordnung legen den Zweck und den Anwendungsbereich der Regelung sowie den Kreis der Personen fest, die Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe haben.

Artikel 4 enthält eine Ausnahmeregelung, in der jene öffentlichen und privaten Interessen angeführt sind, zu deren Schutz der Zugang zu einem Dokument zu verweigern ist.

4.      Die österreichische Regelung folgt nicht dem „Grundsatz-Ausnahme-Schema“, sondern besteht in einer Art Kombinationslösung. Art 20 Abs 3 B-VG enthält eine eigenständige Bestimmung über die Amtsverschwiegenheit, die auf die B-VG-Novelle 1925 zurückgeht und 1987 ihre heute geltende Fassung erhielt. Gleichzeitig mit der Novellierung des Art 20 Abs 3 B-VG wurde 1987 (BGBl 285) in Art 20 B-VG ein Abs 4 eingefügt und mit ihm eine – wiederum eigenständige – Reglung der Auskunftspflicht von Verwaltungsorganen getroffen.

         Aus dieser Regelungstechnik und insbesondere aus der verfassungsrechtlichen Verankerung der Amtsverschwiegenheit ableiten zu wollen, dass die österreichische Rechtslage den Anforderungen der heutigen Informationsgesellschaft an das demokratische Gemeinwesen nicht genüge, insbesondere deshalb, weil sie Verwaltungswissen und Amtsgeheimnisse vor dem Zugang der Bürger abschirme, ginge sicher fehl:

         Erstens kommt keine der diesbezüglichen Regelungen, auch kein „modernes“ Informationsfreiheitsgesetz, ohne den Schutz berechtigter Geheimhaltungsinteressen des Staates und der betroffenen Bürger aus. Die in einschlägigen Gesetzen anderer Staaten enthaltenen umfangreichen Einschränkungen des Informationszugangs belegen dies deutlich.

         Zweitens darf die Regelung der Amtsverschwiegenheit in Art 20 Abs 3 B-VG nicht isoliert gesehen werden. In Verbindung mit der in Art 20 Abs 4 B-VG verankerten Auskunftspflicht lässt sich durchaus ein Regel-Ausnahme-System ableiten. Art 20 Abs 4 B-VG verpflichtet die Organe grundsätzlich zur Erteilung von Auskünften über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches, soweit dem nicht „ausnahmsweise“ eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.

         Zu den „gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten“, welche die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane einschränken, gehört – wie die Gesetzesmaterialien belegen (39 BlgNR XVII. GP) – insbesondere auch die in Art 20 Abs 3 B-VG geregelte Amtsverschwiegenheit samt der sie näher ausführenden und insbesondere einschränkenden einfachgesetzlichen Bestimmungen.

         Drittens ist der normative Gehalt des Art 20 Abs 3 B-VG, genau besehen, ohnedies sehr bescheiden:

         Einerseits gewährt er nach herrschender Lehre und Judikatur niemandem ein subjektives Recht auf Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht durch die Verwaltung (VfSlg 7455/1974).

         Andererseits steht Art 20 Abs 3 B-VG unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt („soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist“), der dem einfachen Bundes- und Landesgesetzgeber die Möglichkeit gibt, die Amtsverschwiegenheit nach Belieben einzuschränken (nicht aber auszudehnen), bis hin zu ihrer Beseitigung (als äußerste Grenze wird angeführt, dass die Amtsverschwiegenheit als Rechtsinstitution nicht beseitigt werden dürfe, dh die einfachgesetzliche Rechtslage sie nicht gänzlich abschaffen darf [Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl, 1987, 137]; da diese Frage schon angesichts des Grundrechts auf Datenschutz kaum praktisch-politische Bedeutung hat, braucht sie hier nicht weiter vertieft zu werden).

         Auch den Wert der Regelung des Art 20 Abs 3 B-VG darin zu sehen, dass sie eine oberste Grenze für die Amtsverschwiegenheit festlegt, die vom einfachen Gesetzgeber nicht überschritten werden darf, dh nur eine Lockerung, nicht aber eine Verschärfung der Amtsverschwiegenheit zulässig ist, geht von falschen Voraussetzungen aus. Die Grenzziehung ergibt sich nämlich nicht aus Art 20 Abs 3 B-VG selbst, sein Text trifft dazu keine Aussage, sondern aus der in Art 10 MRK grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit (so VfSlg 6288/1970).

5.      Insgesamt gesehen drängt sich wohl die Frage auf, worin denn – von der Funktion eines Auffangtatbestandes abgesehen – der normative Wert des Art 20 Abs 3 B-VG tatsächlich liegt, wenn die darin verankerte Amtsverschwiegenheit niemandem ein subjektives Recht einräumt und dem einfachen Gesetzgeber mehr oder weniger nach Belieben zur Disposition steht.

         Die Frage erscheint umso berechtigter, wenn man mit ins Kalkül zieht, welche verfassungsrechtlichen (und auch verfassungspolitischen) Ungereimtheiten und Auslegungsprobleme Art 20 Abs 3 B-VG in sich birgt. Sie sollen mit Bezug darauf, dass sie bei einer Neuregelung jedenfalls vermieden werden müssten, im Folgenden schlagwortartig aufgelistet werden.

 

II. Die verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Unzulänglichkeiten

des Art 20 Abs 3 B-VG

 

1. Die der Amtsverschwiegenheit unterliegenden Organe

Art 20 Abs 3 B-VG unterwirft zunächst alle „mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe“ der Amtsverschwiegenheit. Damit stellt er unzweifelhaft auf einen funktionellen Organbegriff ab, für den allein die Betrauung mit einer der angesprochenen Verwaltungsaufgaben maßgebend ist. Auf die organisatorische Stellung kommt es nicht an.

Gleichzeitig heißt es im selben Satz des Art 20 Abs 3 B-VG weiters, dass auch „die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts“ zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Diese zweite Organkategorie ist ausschließlich organisatorisch definiert. Ausschlaggebend ist allein die Stellung als Organ einer Körperschaft öffentlichen Rechts, die Betrauung mit einer Verwaltungsaufgabe ist ohne Belang. Mit der Wendung „Organe anderer Körperschaften“ wird darauf abgestellt und postuliert, dass es auch bei der ersten Organkategorie auf die organisatorische Zugehörigkeit einer Körperschaft ankomme, obwohl dies der Wortlaut der Regelung unzweifelhaft ausschließt.

Klärungsbedürftig ist auch die im wissenschaftlichen Schrifttum kontroversiell beantwortete Frage, ob die Organe anderer Körperschaften öffentlichen Rechts, insbesondere der Kammern, nicht nur bei der Besorgung von Aufgaben der staatlichen Verwaltung der Amtsverschwiegenheit unterliegen, sondern auch im Bereich der gesellschaftlichen Selbstverwaltung, wie der Vertretung von Mitgliederinteressen.

Schließlich bleibt in Art 20 Abs 3 B-VG die gesamte Staatsfunktion „Gerichtsbarkeit“ unberücksichtigt. Dass auch hiefür genauso ein Regelungsbedarf besteht, beweist § 58 RDG, der die Richter ebenfalls zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet.

 

2. Geheim zu haltende Tatsachen

Nicht geklärt durch Art 20 Abs 3 B-VG und daher strittig ist die Rechtslage in Bezug auf Tatsachen, die dem Organwalter zuerst aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind und die er nachträglich auch von privater Seite erfährt.

Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, dass dadurch die Verschwiegenheitspflicht für die Organwalter wegfällt, weil sie nicht mehr zu den „ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen“ gehören (so zB Grigg, Amtsverschwiegenheit – Schutz der Parteien – Amtshaftung, ZfV 1982, 12 [16]; Haller, Amtsverschwiegenheit, Amtshilfe, Akteneinsicht, in Ruppe [Hrsg], Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, 1980, 137 [139f]; Perthold-Stoitzner, Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane, 2. Aufl, 1998, 149f).

Dem wird entgegengehalten, dass das „Bekanntwerden“ einer Tatsache nur einmal eintreten kann und ein nachträgliches nochmaliges Erfahren einer bereits amtlich bekannt gewordenen Tatsache kein „Bekanntwerden“ mehr begründet. Daher falle dadurch auch die Verschwiegenheitspflicht nicht wieder weg (siehe etwa Hellbling, Die Verschwiegenheitspflicht, JBl 1958, 254 [257]; Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Aufl, 2003, 194).

 

3. Die geschützten Geheimhaltungsinteressen

Die dem Organwalter aus einer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen, geheimen Tatsachen unterliegen nur dann der Amtsverschwiegenheit, wenn ihre Geheimhaltung entweder im Hinblick auf eines der in Art 20 Abs 3 B-VG aufgezählten öffentlichen Interessen geboten oder im überwiegenden Interesse der Parteien gelegen ist. Da die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem Organwalter die Weitergabe bestimmter Informationen verbietet, greift sie in sein Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung ein, das nicht nur in Art 13 StGG, sondern auch in Art 10 MRK verbürgt ist.

Soll die österreichische Regelung der Amtsverschwiegenheit nicht gegen Völkerrecht verstoßen, darf sie Eingriffe in das Grundrecht der Meinungsfreiheit nur insoweit vorsehen, als dies der materielle Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 MRK zulässt. Oder anders ausgedrückt: Die in Art 20 Abs 3 B-VG angeführten öffentlichen und privaten Interessen müssen im normativen Programm des Art 10 Abs 2 MRK Deckung finden. Gehen sie darüber hinaus, verletzen sie im überschießenden Bereich das Grundrecht des Organwalters auf Meinungsäußerungsfreiheit.

Dass sich der Verfassungsgesetzgeber dieser Konsequenz bei der Novellierung des Art 20 Abs 3 B-VG durch BGBl 1987/225, mit der die öffentlichen Interessen näher konkretisiert wurden, auch bewusst war, belegen die Gesetzesmaterialien, die im Zuge der Erläuterungen der Interessentatbestände immer wieder auf Art 10 Abs 2 MRK rekurrieren (39 sowie 116 BlgNR XVII. GP).

Die in Art 20 Abs 3 B-VG angeführten öffentlichen Interessen stimmen aber mit den Eingriffstatbeständen des Art 10 Abs 2 MRK nicht überein. So gebietet zB Art 20 Abs 3 B-VG die Geheimhaltung „im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“. Art 10 MRK lässt Eingriffe in das Grundrecht zwecks Aufrechterhaltung der „Ordnung“ zu, ohne Beschränkung auf den öffentlichen Bereich. Nach der Judikatur des EGMR gehört dazu auch der Schutz einer spezifischen sozialen Gruppe oder Institution, wie etwa der Armee oder des Gefängnisses. Daher ist dieser Verschwiegenheitstatbestand im Gegensatz zu den Beteuerungen in der Regierungsvorlage (39 BlgNR XVII. GP 3) enger als der entsprechende Eingriffstatbestand des Art 10 Abs 2 MRK (näher dazu Perthold-Stoitzner, Auskunftspflicht, 154f).

Den in Art 20 Abs 3 B-VG angeführten Tatbestand „Interesse der auswärtigen Beziehungen“ kennt Art 10 Abs 2 MRK nicht. Anknüpfungspunkte lassen sich eventuell mit dem Tatbestand Verhinderung der „Verbreitung vertraulicher Nachrichten“ in Art 10 Abs 2 MRK herstellen.

Auch soweit Art 20 Abs 3 B-VG zur Geheimhaltung im „wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“ verpflichtet, findet er keine Entsprechung in Art 10 Abs 2 MRK. Von den darin geschützten Rechtsgütern wird wohl nur die Verhinderung der „Verbreitung von vertraulichen Nachrichten“ (zB von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) bedeutsam sein, der aber inhaltlich jedenfalls enger ist. Daher wird auch diesbezüglich eine einschränkende, MRK-konforme Interpretation gefordert (so Wieser, Rz 30 f zu Art 20 Abs 3 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht).

Auch die in Art 20 Abs 3 B-VG weiters angeordnete Verschwiegenheitspflicht „zur Vorbereitung einer Entscheidung“ ist im Sinne des Art 10 Abs 2 MRK auszulegen. In Betracht kommen die darin vorgesehenen Möglichkeiten, in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit einzugreifen, „um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern und das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten“ (Perthold-Stoitzner, Auskunftspflicht, 162). Darüber hinaus lässt Art 20 Abs 3 B-VG auch offen, welche Einrichtungen davor geschützt werden, dass ihre Entscheidungen vorzeitig bekannt werden.

Abgesehen davon, dass die Geheimhaltungstatbestände selbst mit unbestimmten Gesetzesbegriffen von beträchtlicher Unschärfe umschrieben sind, bereitet die gebotene Koordinierung mit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 MRK zusätzliche Interpretationsprobleme, was insgesamt ihre praktische Anwendung mit erheblichen Schwierigkeiten befrachtet.

Bei der Neuregelung müsste dies berücksichtigt und vor allem auf Art 10 Abs 2 MRK abgestellt werden, für dessen Auslegung in Lehre und Judikatur bereits eine Vielzahl präzisierender Anhaltspunkte vorliegen.

 

4. Subjektives Recht auf Wahrung der Amtsverschwiegenheit

Nach Ansicht des VfGH räumt Art 20 Abs 3 B-VG der Partei kein subjektives Recht auf Wahrung der Amtsverschwiegenheit ein, bei Art 20 Abs 3 B-VG handelt es sich seiner Meinung nach lediglich um Organisationsrecht (VfSlg 7455/1974). Ein Teil der Lehre vertritt den gegenteiligen Standpunkt (Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 1. Aufl., 103; Perthold-Stoitzner, Auskunftspflicht, 147f). Vor allem im Hinblick auf das Grundrecht auf Datenschutz, dessen Schutzbereich weitgehend mit der Amtsverschwiegenheit – soweit sie Interessen der „Parteien“ betrifft – übereinstimmt, sollte bei der Neuregelung an die Verankerung eines subjektiven Rechts gedacht werden, auch um Widersprüche innerhalb der Verfassungsrechtsordnung zu vermeiden.

 

5. Verhältnis zwischen Amtsverschwiegenheit und Amtshilfe

Bezüglich des Verhältnisses von Art 20 Abs 3 zu Art 22 B-VG werden im wissenschaftlichen Schrifttum alle drei denkbaren Varianten vertreten: Die ältere Lehre nahm einen absoluten Vorrang der Amtsverschwiegenheit an. Sie wurde von der Auffassung abgelöst, dass die Amtshilfe der Amtsverschwiegenheit vorgehe. Heute wird überwiegend eine Konvergenzlösung präferiert, die eine Abwägung aller beteiligten Interessen im Einzelfall verlangt (siehe die Darstellung mit entsprechenden Literaturhinweisen bei Wiederin, Rz 60ff zu Art 22 B-VG, in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht). Auch dieses kontroversielle Verhältnis müsste bei einer Neuregelung der Amtsverschwiegenheit einer klaren Lösung zugeführt werden.

 

6. Ausschluss der Amtsverschwiegenheit gegenüber allgemeinen Vertretungskörpern

Gemäß dem letzten Satz des Art 20 Abs 3 B-VG besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre keine Amtsverschwiegenheit gegenüber diesem Vertretungskörper.

Seit der B-VG-Novelle 1929, mit der die Wahl der Bundesregierung durch den Nationalrat von der Ernennung durch den Bundespräsidenten abgelöst wurde, und seit der 1994 eingeführten Möglichkeit, in der Landesverfassung die Wahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk und nicht durch den Gemeinderat vorzusehen, ergeben sich aus Art 20 Abs 3 letzter Satz B-VG durch nichts gerechtfertigte Wertungswidersprüche. Für die Bundesregierung und die direkt gewählten Bürgermeister gilt die Amtsverschwiegenheit, für die Landesregierungen und die vom Gemeinderat gewählten Bürgermeister jedoch nicht.

Diese Unsachlichkeit hat einen Teil der Lehre zur Auffassung bewogen, dass Art 20 Abs 3 letzter Satz
B-VG entgegen seinem Wortlaut auch die Bundesregierung und die direkt gewählten Bürgermeister von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ausnimmt (so zB Öhlinger, Verfassungsrecht, 5. Aufl, 2003, Rz 575). Eine Bereinigung der Diskrepanz steht an.

 

7. Kompetenzfragen

Nach herrschender Auffassung fällt die nähere Regelung der Amtsverschwiegenheit gemäß dem Gesetzesvorbehalt des Art 20 Abs 3 B-VG in die Gesetzgebungskompetenz sowohl des Bundes als auch der Länder. Primär steht sie dem Dienstrechtsgesetzgeber (Art 21 Abs 1 B-VG) zu, darüber hinaus hinsichtlich materienspezifischer Sonderverschwiegenheitspflichten dem jeweiligen Materiengesetzgeber.

Schon an dieser Stelle sei angemerkt, dass es wohl sehr fraglich ist, ob die Amtsverschwiegenheit länderspezifische Besonderheiten aufweist, die eine Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenz zu rechtfertigen vermögen (näher dazu unter III).

Bezüglich des Verfahrens zur Entbindung von der Amtsverschwiegenheit nimmt die Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts an, dass es sich um eine Maßnahme in Ausübung der Diensthoheit handelt, auf die das Dienstrechtsverfahren Anwendung findet (VfSlg 3005/1956; VwSlg 7389 A/1988).

Dem hält ein Teil der Lehre entgegen, dass es sich bei der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit nicht um eine Dienstrechtsangelegenheit handelt und daher nicht das Dienstrechtsverfahrensgesetz, sondern das AVG Anwendung zu finden habe.

Da diese Diskrepanz Auswirkungen auf die Parteistellung sowie auf subjektive Rechte im Entbindungsverfahren hat, wäre eine Klärung durch den Gesetzgeber notwendig.

III. Resümee und Vorschläge

1.      Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass die Regelung der Amtsverschwiegenheit in Art 20 Abs 3 B-VG eine Vielzahl kontroversiell beantworteter bzw. nicht gelöster Probleme in sich birgt, die von einer Neuregelung aufgegriffen und einer sauberen Lösung zugeführt werden müssten.

         Der Hauptgrund für die vielen offenen Fragen und Ungereimtheiten des Art 20 Abs 3 B-VG dürfte wohl darin liegen, dass sich die vielschichtige Problematik der Amtsverschwiegenheit nicht in einem einzigen knappen Absatz eines Verfassungsartikels hinreichend und zufrieden stellend regeln lässt.

2.      Weiters hat sich gezeigt, dass die Amtsverschwiegenheit nur in Verbindung mit seinem Pendant, der Auskunftspflicht, gesehen und geregelt werden kann. Es handelt sich um zwei Seiten ein und derselben Medaille.

3.      Eine sachgerechte Lösung scheint wohl – wie ausländische Beispiele zeigen – dadurch erzielbar zu sein, dass der freie Zugang zu den bei den staatlichen Organen (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) vorhandenen Informationen im Sinne der derzeit in Art 20 Abs 4 B-VG geregelten Auskunftspflicht als Grundsatz verbürgt wird. Der Grundsatz der Informationszugangsfreiheit müsste durch Ausnahmen gemäß den derzeitigen Verschwiegenheitspflichten (Art 20 Abs 3 B-VG) Einschränkungen erfahren, die dem Schutze öffentlicher Interessen, der Rechtsdurchsetzung, der behördlichen Entscheidungsprozesse, von personenbezogenen Daten sowie von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dienen.

         Das würde nicht bedeuten, dass das derzeit geltende Regime der Amtsverschwiegenheit aufgegeben oder wesentlich beschnitten werden müsste. Es liegt auf der Hand, dass eine sachgerechte Regelung der Informationszugangsfreiheit nicht ohne Einschränkungen zum Schutze bestimmter öffentlicher und überwiegender privater Interessen auskommen kann. Auch dies wird durch einen Blick auf die einschlägigen Regelungen in anderen demokratischen Staaten bestätigt.

4.      Bei der Neugestaltung der Amtsverschwiegenheit als Einschränkung des Rechts auf Zugang zu den staatlichen Informationen müsste hinterfragt werden, welche der derzeit in Art 20 Abs 3 B-VG angeführten öffentlichen und welche privaten Interessen die Einschränkung (Amtsverschwiegenheit) zu rechtfertigen vermögen.

         Wesentliche Anhaltspunkte dafür lassen sich aus dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere aus dem in Art 10 Abs 2 MRK umschriebenen Gesetzesvorbehalt dazu, sowie aus dem Recht auf Datenschutz ableiten. Da diese grundrechtlichen Vorgaben aus völker- bzw europarechtlichen Gründen für den österreichischen (Verfassungs)Gesetzgeber bindend sind, müsste die Neuregelung der Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit systemkonform und widerspruchsfrei in sie eingebettet werden.

5.      Schließlich sollte noch darauf Bedacht genommen werden, dass die Informationszugangsfreiheit in Form der Auskunftspflicht sowie deren Einschränkungen im Sinne der Amtsverschwiegenheit nicht zu den Themen gehören, die – in all ihren Facetten – in der Grundordnung des Staates zu regeln sind. Die verfassungsgesetzliche Regelung sollte sich darauf beschränken, die wesentlichen Eckpunkte festzulegen. Zu diesen gehören einerseits die verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der Informationszugangsfreiheit samt den daraus resultierenden subjektiven Rechten sowie andererseits seine Einschränkungen zum Schutze konkret umschriebener öffentlicher und privater Interessen und die damit verbundenen subjektiven Rechte.

          Die nähere Ausgestaltung sollte dem einfachen Bundesgesetzgeber auf Grund einer ihm ausdrücklich zugewiesenen Regelungskompetenz obliegen. Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit, Informationszugangsfreiheit und ihre Ausnahmen sind ein gesamtstaatliches Anliegen ohne föderalistische Komponente, weshalb sie auch einheitlich vom Bundesgesetzgeber geregelt werden sollten.

 

Linz, 22.12.2003

 

 

O. Univ.-Prof. Dr. J. Hengstschläger


Anlage I/5

 

 

A. Univ.-Prof. Dr. Andreas Janko,

Johannes Kepler Universität Linz

 

 

Zur Neugestaltung der Vorschriften über die „wirtschaftliche Unvereinbarkeit“

des Ausschusses 08 des Verfassungskonvents

I. Zu Sinn und Zweck der Vorschriften über die wirtschaftliche Unvereinbarkeit

Wie bereits Abgeordneter Robert Danneberg im Vorfeld der Erlassung des Unvereinbarkeitsgesetzes im Jahre 1925 angemerkt hat, dienen die Vorschriften betreffend die sog „wirtschaftliche Unvereinbarkeit“ primär dem Postulat der „Reinheit der Politik“. Sie sollen verhindern, dass (bestimmte) öffentliche Funktionäre bei der Ausübung ihres Amtes Interessenkonflikten ausgesetzt werden, die es ihnen geradezu unmöglich machen, die eigenen Entscheidungen objektiv zu treffen und ausschließlich an den Erfordernissen des Gemeinwohls auszurichten. Dem Ziel, einer Überlastung der Funktionäre durch amtsfremde Tätigkeiten gegenzusteuern, kommt demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung zu.

II. Verfassungsrechtliche Detailregelung oder bloße Kompetenzbestimmung?

Vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Verfassungskonvents, den Inhalt der neuen Bundesverfassung auf die für das Funktionieren des staatlichen Gemeinwesens unabdingbaren Vorschriften und Spielregeln zu reduzieren, erscheint es überlegenswert, in der Verfassung bloß die Frage nach der Zuständigkeit zur Erlassung der Unvereinbarkeitsbestimmungen zu klären, die nähere (materiellrechtliche und verfahrensrechtliche) Ausgestaltung des Unvereinbarkeitsrechts dagegen – wie schon in der Stammfassung des B-VG aus 1920, deren Konzept bei Erlassung des ersten Unvereinbarkeitsgesetzes im Jahre 1925 in diesem Punkt unverändert blieb – der einfachen Gesetzgebung zu überlassen. Zu bedenken ist allerdings, dass dies – angesichts der strukturbedingten parteipolitischen Identität von Nationalratsmehrheit und Bundesregierung, an der wohl auch im Verfassungskonvent nicht gerüttelt werden dürfte – die vom Unvereinbarkeitsrecht primär betroffenen Regierungsmitglieder de facto in die Lage versetzen würde, sich ihren Wünschen adäquate Inkompatibilitätstatbestände beschließen zu lassen. Um qualifizierten Minderheitsparteien ein diesbezügliches Mitspracherecht zu garantieren, spricht daher vieles für eine verfassungs-unmittelbare Regelung, auch was die maßgebenden Inhalte und verfahrensrechtlichen Kautelen des neuen Unvereinbarkeitsrechts betrifft.

 

III. Einbeziehung von Funktionären der Länder und Gemeinden oder

Beschränkung auf die Bundesebene?

 

Bekennt sich der Verfassungskonvent – woran kein Grund zu zweifeln besteht – auch weiterhin zur Bundesstaatlichkeit der Republik Österreich, erscheint es nahe liegend, das Unvereinbarkeitsrecht von Funktionären der Länder und Gemeinden in Hinkunft – in Abkehr vom geltenden Art 19 Abs 2 B-VG – der Landesgesetzgebung vorzubehalten. Mag auch in Bezug auf jene Vorschriften des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind, einiges für den Trend zur bundeseinheitlichen Normierung sprechen, sollte das Organisationsrecht, zu dem – zumindest im weiteren Sinne – auch die Inkompatibilitätsvorschriften zu rechnen sind, doch der autonomen Gestaltung der einzelnen Gliedstaaten überlassen bleiben. Anderes würde freilich für den Fall gelten, dass die neue Bundesverfassung auch in anderen vergleichbaren Belangen – etwa im Bezügerecht oder hinsichtlich der Vorschriften über die Immunität der Abgeordneten – eine unmittelbare Reglementierung der Landes- und Gemeindeebene vornehmen sollte.

IV. Unvereinbarkeitsrecht für Regierungsmitglieder

A. Geltende Rechtslage

Für Regierungsmitglieder enthält das Unvereinbarkeitsgesetz derzeit

1.      ein grundsätzliches Berufsverbot (§ 2);

2.      eine Meldepflicht für Unternehmensbeteiligungen, gekoppelt mit dem Verbot der Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmungen mit mindestens 25%iger Politikerbeteiligung (§ 3);

3.      eine Offenlegungspflicht für bestimmte Vermögensbestandteile (§ 3a);

4.      das grundsätzliche Verbot des Bekleidens leitender Stellungen in Unternehmungen mit bestimmter gesellschaftsrechtlicher Form (§§ 4 und 5); sowie

5.      das Verbot des Missbrauchs ihrer Stellung in gewinnsüchtiger Absicht (§ 9).

Die in Punkt 1. und 4. angeführten Verbote sollen neben der Überlastung der Regierungsmitglieder durch amtsfremde Tätigkeiten vor allem verhindern, dass wirtschaftlich potente Persönlichkeiten einen Minister oder Staatssekretär durch Verschaffung einer bezahlten Stelle oder Funktion für sich gewinnen, und zwar mit dem Hintergedanken, dass dieser in der Folge seine politischen Entscheidungen nicht ohne Rücksicht auf die Interessen seines Geldgebers, die im Umweg über seine Beschäftigung auch ihn selbst berühren, treffen wird. Das Gleiche gilt auch für die Verschaffung entsprechender Positionen als „Dank“ für bereits zuvor erbrachte „Leistungen“. Das allgemeine Berufsverbot soll zudem ganz allgemein einseitige Dispositionen politischer Spitzenfunktionäre zugunsten der (als Nebenbeschäftigung ausgeübten) eigenen Berufssparte verhindern helfen.

In noch stärkerer Weise intendiert das Hintanhalten unmittelbar eigennütziger Handlungen von Regierungsmitgliedern freilich das in Punkt 2. angesprochene Verbot der öffentlichen Auftragsvergabe sowie der in Punkt 5. angesprochene Missbrauchstatbestand. Die vom Verbot erfassten Funktionäre sollen ihre eigene Amtsstellung nicht dazu benutzen, sich selbst vermögenswerte Vorteile zu verschaffen, insbesondere indem sie Unternehmungen mit starker eigener Beteiligung öffentliche Aufträge zukommen lassen.

Wieder mehr vom Gedanken der Hintanhaltung von Korruption seitens dritter Personen getragen ist schließlich die in Punkt 3. angeführte Offenlegungspflicht für bestimmte Vermögensbestandteile. Sie zielt darauf ab, zu verhindern, dass interessierte Dritte ihren Wunsch nach „genehmen“ politischen Entscheidungen respektive ihren diesbezüglichen „Dank“ nicht im Umweg über die Abgeltung bestimmter Nebentätigkeiten zum Ausdruck bringen, sondern den direkten Weg der „Schmiergeldzahlung“ wählen. Insoweit passt das gegenständliche Verbot, das oft – und dies an sich auch zu Recht – als Fremdkörper im System des Unvereinbarkeitsgesetzes bezeichnet wird, zur Funktion der Inkompatibilitätstatbestände als „Anti-Korruptions-Normen“.

B. Kritikpunkte

Trotz des begrüßenswerten Zieles, Interessenkonflikte zu vermeiden, stoßen die soeben angesprochenen Inkompatibilitätstatbestände in mehrfacher Hinsicht auf Kritik:

1.      Der Begriff „Beruf mit Erwerbsabsicht“ ist unklar; reicht hierfür bereits das Erzielen von Entgelt (zB aus vereinzelten Vorträgen) oder bedarf es auch anderer Kriterien, etwa eines bestimmten Umfanges oder einer längeren Dauer der betreffenden Tätigkeit?

2.      Die „Verwaltung des eigenen Vermögens“ wird vom Berufsverbot explizit nicht erfasst; abgesehen von der dadurch eröffneten Umgehungsmöglichkeit – statt selbst im eigenen Namen unternehmerisch tätig zu werden, kann das Regierungsmitglied eine Einmanngesellschaft gründen und deren Geschicke im Umweg über die von ihm dominierte Gesellschafterversammlung steuern – bewirkt diese Abgrenzung eine Begünstigung des Einkommens aus Kapitalvermögen und damit jener Funktionäre, die über entsprechenden Besitz verfügen.

3.      Das Verbot der öffentlichen Auftragsvergabe betrifft Unternehmungen, an denen die Beteiligung eines Regierungsmitgliedes, „einschließlich der des Ehegatten“ über 25% liegt; abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, ob auch alleiniger Anteilsbesitz des Ehegatten das gegenständliche Verbot auslösen kann, bleibt unklar, warum Beteiligungen von Nachkommen, Vorfahren oder Lebensgefährten gänzlich außer Betracht bleiben, obgleich diese in mindestens gleicher Weise Interessenkonflikte zu begründen vermögen.

4.      § 3 Unvereinbarkeitsgesetz nötigt Regierungsmitglieder, die an einer Unternehmung beteiligt oder in einer Kanzleigemeinschaft tätig sind, welche von öffentlichen Aufträgen abhängig ist, zur Aufgabe der Beteiligung bzw Mitgliedschaft, da eine Treuhandlösung den Intentionen des in Rede stehenden Verbotes nicht gerecht wird; dieser Effekt erscheint unverhältnismäßig und berührt daher die Grundrechtssphäre.

5.      Das Verbot der öffentlichen Auftragsvergabe schießt seinem Wortlaut nach aber auch insoweit deutlich über das Ziel hinaus, als – wegen der Bezugnahme auf Art 126b B-VG – bereits ein Anteil des Bundes von 1% ausreichen kann, um die Subsumtion eines Auftraggebers unter das gegenständliche Verbot zu begründen, und damit keineswegs nur Rechtsträger erfasst werden, auf deren betriebliche Gestion das Regierungsmitglied Einfluss nehmen kann; neben der grundrechtlichen Problematik löst dieser Umstand auch vergaberechtliche Bedenken aus, die wegen des gemeinschaftsrechtlichen Charakters der betreffenden Vorschriften – anders als der Konflikt mit diversen Grundrechten – auch durch den Verfassungsrang des § 3 Unvereinbarkeitsgesetz nicht entschärft werden.

6.      § 4 Unvereinbarkeitsgesetz erfasst lediglich leitende Stellungen in einer „auf den Gebieten des Bankwesens, des Handels, der Industrie oder des Verkehrs tätigen“ Gesellschaft mit beschränkter Haftung; die weiter oben angesprochenen Interessenkonflikte können jedoch fraglos auch in anderen Bereichen in oft sogar noch stärkerer Intensität auftreten. Zudem bedenkt das Gesetz nicht das Schicksal leitender Stellungen in Sparkassen und Versicherungsanstalten (müsste eigentlich heißen: „-vereinen“) auf Gegenseitigkeit, deren operatives Geschäft in eine Aktiengesellschaft eingebracht wurde.

7.      Die in allen angeführten Verbotsbestimmungen enthaltenen Ausnahmetatbestände sind wenig determiniert und überlassen den zuständigen Gremien de facto eine politische Entscheidung über die Gewährung einer partiellen Verbotsdurchbrechung; ein Rechtsschutz ist angesichts der fehlenden Bescheidqualität der Entscheidungen von Organen der Gesetzgebung – wie insbesondere des Unvereinbarkeitsausschusses – nicht existent. Dies erscheint umso bedenklicher, als wegen der bereits konstatierten parteipolitischen Identität von Nationalratsmehrheit und Bundesregierung die Erteilung der Ausnahmebewilligung nicht von der Zustimmung der an sich mit der Kontrollaufgabe betrauten Opposition abhängt, sondern Angehörigen der eigenen Fraktion der Regierungsmitglieder obliegt.

8.      Der Anwendungsbereich des in § 9 Unvereinbarkeitsgesetz enthaltenen Verbotes, die eigene Stellung in gewinnsüchtiger Absicht zu missbrauchen, ist unklar; da er wohl keine Handlungen umfassen dürfte, die nicht schon anderweitig – insbesondere durch Vorschriften betreffend den Amtsmissbrauch – sanktioniert sind, scheint die gegenständliche Bestimmung überflüssig.

C. Vorschläge für eine Neugestaltung

Ein Unvereinbarkeitsrecht, das die vorstehend angeführten Kritikpunkte vermeidet, dennoch der in Abschnitt A. beschriebenen Zielsetzung gerecht wird und gleichzeitig weniger kompliziert anmutet als die geltenden Vorschriften, könnte wie folgt aussehen:

1.      Im Sinne eines umfassenden Transparenzgebotes trifft die Regierungsmitglieder eine – in regelmäßigen Abständen zu erfüllende – Anzeigepflicht

           a) in Bezug auf die von ihnen erzielten Einkünfte unter Angabe der Bezugsquelle, wobei aus gegebenem Anlass die Klarstellung geboten erscheint, dass jede Leistung, die in einem synallagmatischen Verhältnis zu einer vom Regierungsmitglied erbrachten Tätigkeit steht, zu den anzeigepflichtigen Einkünften zu rechnen ist, auch wenn sie an Dritte erbracht oder bestimmten Zwecken gewidmet sein sollte;

          b) in Bezug auf die Bestandteile ihres Vermögens, einschließlich von Unternehmensbeteiligungen, und zwar – wie schon nach geltender Rechtslage – ungeachtet des prozentuellen Anteils am Gesamtunternehmen, jedoch unter Angabe dieses Prozentsatzes; sowie

           c) in Bezug auf öffentliche Aufträge, die Unternehmungen mit über 25%iger Beteiligung des betreffenden Regierungsmitgliedes erteilt werden.

2.      An die Stelle des grundsätzlichen Berufsverbotes und des Verbotes, bestimmte leitende Stellungen zu bekleiden, tritt eine – nicht in der Verfassung, sondern am Besten im Unvereinbarkeitsausschuss näher zu bestimmende – jährliche Zuverdienstgrenze, allenfalls gestaffelt nach unterschiedlichen Einkunftsarten. Beträge, die diese Grenze überschreiten, sind an einen Sozialfonds des Nationalrates oder dgl abzuführen.

         Alternative: Sollte dieser Vorschlag, der dem Entstehen von Interessenkonflikten der weiter oben geschilderten Art mindestens ebenso gut vorbeugt wie die geltende Rechtslage, dabei aber die derzeit auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsschutzdefizite reduziert und außerdem eine Annäherung der Rechtsstellung vermögender und weniger vermögender Regierungsmitglieder ermöglicht, keinen Anklang finden, müsste das bestehende Berufsverbot jedenfalls insoweit umgestaltet werden, als

          a) der Begriff „Beruf mit Erwerbsabsicht“ näher definiert werden sollte, wobei wiederum die Entgeltshöhe pro Jahr eine entscheidende Determinante bilden könnte;

          b) die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung einer qualifizierten Mehrheit vorbehalten werden sollte, um einen wirksamen Einfluss der – eigentlich mit der Kontrollaufgabe betrauten – Opposition zu gewährleisten;

          c) ein Rechtsschutzverfahren bei gesetzlich nicht gedeckter Genehmigungsverweigerung eingerichtet werden sollte, um grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht zu werden, wobei primär an eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zu denken wäre; sowie

          d) zwecks Umgehungsvermeidung auch die Vermögensverwaltung in das Genehmigungsregime mit einbezogen werden sollte.

3.      Das grundsätzliche Verbot der öffentlichen Auftragsvergabe wird durch eine kritische Beobachtung der Vergabepraxis in Bezug auf Unternehmungen mit qualifizierter Beteiligung von Regierungsmitgliedern ersetzt. Insbesondere ist darauf zu achten, ob im Vergleich zu den Zeiträumen vor Amtsantritt ein signifikanter Anstieg entsprechender Auftragsvergaben stattfindet. Bei der Umschreibung der in die Betrachtung mit einzubeziehenden Auftraggeber wird an die Kompetenzaufteilung gemäß Art 14b Abs 2 B-VG anzuknüpfen sein.

4.      Hinzu tritt eine kritische Beobachtung der Vermögensentwicklung der Regierungsmitglieder, wobei zwecks Umgehungsvermeidung auch an die Einbeziehung von Rechtsträgern mit struktureller Nahebeziehung zu den betreffenden Funktionären zu denken sein wird, etwa an von ihnen beherrschte Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Privatstiftungen mit ihnen verbrieften Bezugsrechten, bei denen Vermögensbestandteile „zwischengeparkt“ werden könnten.

5.      Sowohl mit der Datensammlung als auch mit der Wahrnehmung der Überwachungstätigkeit sollte primär der Unvereinbarkeitsausschuss betraut werden; eine Inanspruchnahme des Rechnungshofes als „Datensammelstelle“ wie nach dem geltenden § 3a Unvereinbarkeitsgesetz ist nicht erforderlich. Der Rechnungshof müsste dem Ausschuss allerdings als sachverständiges Organ zur Durchführung eingehenderer Untersuchungen zur Verfügung stehen, wobei wiederum daran zu denken wäre, auch qualifizierten Minderheiten entsprechende Antragsrechte zuzugestehen.

V. Unvereinbarkeitsrecht für Abgeordnete zu den allgemeinen
Vertretungskörpern

A. Geltende Rechtslage und Regelungsdefizite

Für Abgeordnete zum Nationalrat sowie zum Bundesrat enthält das Unvereinbarkeitsgesetz derzeit

1.      eine Genehmigungspflicht für das Bekleiden leitender Stellungen in Unternehmungen mit bestimmter gesellschaftsrechtlicher Form (§ 6); sowie

2.      das Verbot des Missbrauchs ihrer Stellung in gewinnsüchtiger Absicht (§ 9).

In Bezug auf die Zielsetzung dieser Bestimmungen und die daran zu übende Kritik gelten die in Abschnitt IV.A. und IV.B. enthaltenen Ausführungen sinngemäß.

 

B. Vorschläge für eine Neugestaltung

Auch in diesem Zusammenhang sollte an die Stelle von Verboten ein umfassendes Regime von Anzeigepflichten treten, auf deren Grundlage ersichtlich wird, von wem die Abgeordneten Einkünfte beziehen und zu welchen Personen oder Institutionen sie daher in einem gewissen Naheverhältnis stehen. Da diese Information vor allem für die Entscheidung der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger am Wahltag von Bedeutung ist, wäre zudem an eine Veröffentlichung der diesbezüglichen Informationen zu denken. Letzteres gilt freilich nur vorbehaltlich einer negativen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zum – teilweise vergleichbaren – Spannungsverhältnis zwischen der Datenschutz-Richtlinie der Europäischen Union und § 8 Bezügebegrenzungs-BVG.

VI. Sanktionen bei Verstößen gegen das Unvereinbarkeitsrecht

Ein weiterer Schwachpunkt des geltenden Unvereinbarkeitsgesetzes besteht darin, dass Verstöße gegen die von ihm aufgestellten Gebote und Verbote nur sehr bedingt mit Sanktionsdrohungen versehen sind. § 10 leg cit sieht im Wesentlichen bloß für den Fall der Ausübung eines verpönten Berufes oder der Innehabung einer unzulässigen leitenden Stellung sowie bei Verstößen gegen das Missbrauchsverbot gemäß § 9 Unvereinbarkeitsgesetz ein Amtsenthebungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof vor. Unterlassungen der vielfältigen Meldepflichten sind – von der Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegenüber Regierungsmitgliedern, das wegen der schon aufgezeigten parteipolitischen Identität von Nationalratsmehrheit und Bundesregierung in der Praxis keine Rolle spielt, einmal abgesehen – nicht sanktionierbar. Zudem leidet auch die aufgezeigte Ermächtigung zur Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof an derselben strukturellen Schwäche: für einen solchen Antrag wäre ein Mehrheitsbeschluss im zuständigen parlamentarischen Gremium nötig, dessen Zustandekommen jedoch von den Regierungsparteien verhindert werden kann.

Um – neben der gestaltenden Kraft der öffentlichen Meinung – ein effektives Sanktionsinstrumentarium zu etablieren, müsste qualifizierten Minderheiten das Recht eingeräumt werden, vor allem Verstöße gegen die in Abschnitt IV.C. und V.B. postulierten Anzeigepflichten beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Allerdings wäre darauf zu achten, dass nicht jede geringfügige Verletzung gleich zu einem auf Amtsverlust lautenden Erkenntnis führen muss.


Anlage I/6

 

 

Volksanwalt

Dr. Peter Kostelka

 

 

Immunität von Staatsoberhäuptern

 

BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Art. 46 Abs. 2 bis 4 und 61 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland)

In der BRD genießt der Bundespräsident grundsätzlich die Immunität von Abgeordneten, die unserer "außerberuflichen Immunität" entspricht. Er besitzt jedoch nicht die unserer beruflichen Immunität entsprechende "Indemnität" (Art. 46 Abs. 1). Demzufolge darf er wegen einer strafgesetzlich relevanten Handlung nur zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, wenn der Bundestag dies genehmigt (ausgenommen bei Ergreifung auf frischer Tat oder am Tage danach). Der Genehmigung des Bundestages bedürfen auch alle sonstigen Freiheitsentzüge sowie die Einleitung von Verfahren, in denen der Missbrauch von Grundrechten (zB Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse) "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" behauptet wird (Art. 18).

Darüber hinaus können sowohl der Bundestag wie auch der Bundesrat den Bundespräsidenten wegen "vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes" oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht als Staatsgerichtshof anklagen. Antragsberechtigt sind jeweils ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates. Zur Beschlussfassung ist im jeweiligen Vertretungskörper eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Im Falle eines Schuldspruches kann das Bundesverfassungsgericht lediglich auf Amtsverlust erkennen.

Der deutsche Bundespräsident genießt demnach die (außerberufliche) Immunität von Abgeordneten, nicht aber die berufliche. Er besitzt somit einen Schutz vor Verhaftung; auch ein Strafverfahren gegen ihn bedarf der vorherigen Zustimmung des Bundestages. Zivilgerichtliche und verwaltungsbehördliche Verfahren sind von der Immunität jedoch nicht berührt. Darüber hinaus kann eine der beiden Kammern auch die Initiative zur Anklage des Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht als "Staatsgerichtshof" ergreifen.

 

FINNLAND (§ 113 des Finnischen Grundgesetzes)

Sowohl der Justizkanzler wie auch der Justiz-Ombudsmann oder die Staatsregierung können dem Reichstag mitteilen, dass sich der Präsident des Landes-, des Hochverrates- oder der Verletzung der Menschenrechte schuldig gemacht hat. Beschließt der Reichstag daraufhin mit Vier-Fünftel-Mehrheit, dass eine Anklage erhoben wird, so ist diese vom Reichsstaatsanwalt vor dem Reichsgerichtshof zu vertreten. Das Amt des Präsidenten ruht bis zum Urteil des Reichsgerichtshofes. In allen anderen Fällen darf keine (strafrechtliche) Anklage gegen den Präsidenten wegen einer Amtshandlung erhoben werden.

Die finnische Verfassung reduziert demnach die "strafrechtliche Verantwortung des Präsidenten" im Zusammenhang mit Amtshandlungen auf die genannten Delikte. Sonstige gerichtliche oder behördliche Verfahren gegen den Präsidenten erfahren jedoch durch die Verfassung keine Einschränkung.

 

FRANKREICH (Art. 68 der Verfassung der Republik Frankreich)

Für "in Ausübung seines Amtes vorgenommene Handlungen" ist der Präsident der Republik "nur im Falle des Hochverrates verantwortlich". Die Anklage bedarf eines übereinstimmenden Beschlusses beider Kammern (Nationalversammlung und Senat), die in öffentlicher Sitzung jeweils mit absoluter Mehrheit gefasst werden müssen. Die Entscheidung obliegt dem "hohen Gerichtshof", der aus gleich viel Mitgliedern der beiden Vertretungskörper besteht; sie werden von den Vertretungskörpern für die Dauer der Legislaturperiode gewählt.

Für den französischen Präsidenten besteht demnach für die in Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlungen eine absolute Immunität, die lediglich im Falle der beschriebenen Anklage wegen Hochverrates durchbrochen werden kann; sonstige Immunitäten gegenüber gerichtlichen und behördlichen Verfahren, die sich auf Handlungen außerhalb seiner Amtstätigkeit beziehen, bestehen jedoch nicht.

 

GRIECHENLAND (Art. 49 der Verfassung der Republik Griechenland)

Der Präsident der Republik genießt grundsätzlich für alle "während der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlungen" – mit Ausnahme des Hochverrates – grundsätzlich Immunität. Für die in Ausübung seines Amtes gesetzten Handlungen bleibt diese auch nach Amtsniederlegung aufrecht. Für Handlungen, "die nicht in Ausübung seines Amtes" erfolgt sind, endet die Immunität jedoch mit Beendigung der Amtszeit. Die Anklage wegen Hochverrates muss von einem Drittel der Parlamentsmitglieder beantragt werden und bedarf eines Beschlusses mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Ab diesem Beschluss "enthält sich der Präsident ... der Ausübung seines Amtes". Er wird bis zum Urteil vom Parlamentspräsidenten vertreten. Das Urteil obliegt einem im jeweiligen Einzelfall einzusetzenden Sondergerichtshof, der aus 12 Mitgliedern besteht. Sie werden durch Los aus dem Kreise der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes (Areopag) und der Präsidenten der Berufungsgerichte bestimmt.

Der griechische Präsident besitzt somit hinsichtlich der in Ausübung seines Amtes gesetzten Handlungen eine absolute Immunität; hinsichtlich jener Handlungen, die er während der Amtsausübung darüber hinaus setzt, eine bis zum Ende der Amtsausübung.

 

ITALIEN (Art. 90 der Verfassung der Republik Italien)

Der Präsident der Republik Italien ist mit Ausnahme des Hochverrats oder eines Angriffes auf die Verfassung "für die in Ausübung seiner Amtsaufgaben vollzogenen Handlungen nicht verantwortlich". In den genannten beiden Fällen bedarf eine Anklage des Präsidenten eines Beschlusses der Abgeordnetenkammer und des Senates in gemeinsamer Sitzung, der mit absoluter Mehrheit zu fassen ist.

Dem italienischen Präsidenten kommt – mit Ausnahme des "Hochverrates oder eines Angriffes auf die Verfassung" – für alle "in Ausübung seiner Amtsaufgaben vollzogenen Handlungen" absolute Immunität zu; diese Immunität endet auch nicht mit Amtsniederlegung. Darüber hinausreichende Immunitätsrechte, insbesondere hinsichtlich Gerichts- und Verwaltungsverfahren wegen "privater Handlungen" bestehen hingegen nicht.

 

IRLAND (Art. 12 der Verfassung der Republik Irland)

Der Präsident in Irland kann "wegen festgestellter Pflichtwidrigkeit unter Anklage gestellt werden". Diese Anklage bedarf vorerst eines Beschlusses einer der beiden Kammern (Abgeordnetenhaus und Senat), der von mindestens 30 Mitgliedern gestellt werden muss. Zur Beschlussfassung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Kommt diese in einer der beiden Kammern zu Stande, so hat das andere Haus "die Klage (neuerlich) zu untersuchen" und kann dem Gerichtsverfahren zustimmen. Wird die Klage von der als erste tätig gewordenen Kammer mit der Begründung versehen, dass die den Gegenstand der Klage bildende Pflichtwidrigkeit die sofortige Unfähigkeit zur weiteren Ausübung des Amtes bedingt, so bewirkt von beiden Häusern beschlossene Anklage "die Amtsenthebung des Präsidenten".

Die Möglichkeit zur Anklage bezieht sich lediglich auf "Pflichtwidrigkeiten". Sie ist somit auf Handlungen in Ausübung der Funktion beschränkt, umfasst aber sowohl straf- wie auch zivilrechtliche und Verwaltungsverfahren. Darüber hinausreichende Immunitätsrechte, insbesondere hinsichtlich "privater Handlungen" bestehen nicht.

 

PORTUGAL (Art. 130 der Fassung der Republik Portugal)

Der Präsident der Republik kann für die "in Wahrnehmung seiner Aufgaben begangenen Straftaten ... vom Obersten Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen" werden. Die Initiative hiezu obliegt dem Parlament (Ein-Kammern-System), indem ein entsprechender Antrag eines Fünftels der Abgeordneten bedarf. Der Beschluss auf Erhebung einer Anklage ist mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu fassen. Die Verurteilung führt zum "Verlust des Amtes und der Wiederwählbarkeit". Für nicht mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben im Zusammenhang stehende Straftaten wird er nach Ablauf seiner Amtszeit von den ordentlichen Gerichten zur Rechenschaft gezogen. Die Immunitätsrechte beziehen sich somit ausschließlich auf das Strafrecht. "Amtsdelikte" bedürfen einer entsprechenden Parlamentsbeschlussfassung.

Strafbare Handlungen, die nicht im Zusammenhang mit der Amtsführung stehen, dürfen für die Dauer der Amtsführung jedoch nicht verfolgt werden. Nach Amtsniederlegung sind zur Verfolgung jedoch die ordentlichen Gerichte zuständig (ausdrückliche Regelung in Art. 130 Abs. 4).

Der portugiesische Präsident besitzt demnach eine sich ausschließlich auf das Strafrecht beziehende Teilimmunität. Die Anklage wegen Delikten im Zusammenhang mit seiner Amtsführung können lediglich vom Parlament beantragt werden und dies auch während seiner Amtszeit. Strafverfahren wegen "privater Handlungen" werden hingegen für die Dauer der Amtszeit gehemmt, danach jedoch von den ordentlichen Gerichten verfolgt. Immunitäten in zivilrechtlichen- oder Verwaltungsverfahren bestehen nicht.

 

KÖNIGREICH BELGIEN (Art. 88 der "Koordinierten Verfassung Belgiens")

"Die Person des Königs ist unverletzlich; seine Minister sind verantwortlich" (Art. 88).

 

DÄNEMARK (§ 13 der Verfassung des Königreiches Dänemark)

"Der König kann nicht zur Verantwortung gezogen werden; seine Person ist unantastbar". Die Minister sind jedoch für die Führung der Regierung verantwortlich.

 

LUXEMBURG (§ 4 der Verfassung des Großherzogtums Luxemburg)

"Die Person des Großherzogs ist unverletzlich".

 

NIEDERLANDE (Art. 42 Abs. 2 der Verfassung des Königreiches der Niederlande)

"Der König ist unverletzlich; die Minister sind verantwortlich".

 

SCHWEDEN (Kapitel 5 § 7 der Verfassung des Königreiches Schweden)

"Der König kann wegen seiner Handlungen nicht belangt werden".

 

SPANIEN (Art. 56 Abs. 3 der Verfassung des Königreiches Spanien)

"Die Person des Königs ist unverletzlich und kann nicht zur Verantwortung gezogen werden".


Anlage I/7

 

 

O. Univ.-Prof. Dr. Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Wien

 

 

Amtsverschwiegenheit und Zugang zu Informationen staatlicher Verwaltung

 

I. Grundlagen

1. Transparenz der Verwaltung

Transparenz der Verwaltung ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Sie stärkt die dem liberalen Rechtsstaat immanente Selbstbestimmung des Bürgers gegenüber der Verwaltung und ist unerlässlich für die demokratische Mitgestaltung politischer Prozesse und die Kontrolle staatlicher Institutionen.

Angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik ist Transparenz der Verwaltung heute wichtiger denn je. Information ist in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu einem gleichermaßen wertvollen Gut geworden. Diese befinden sich in gegenseitiger „Informationsabhängigkeit“.

Die Entwicklung der elektronischen Informationstechnologie macht staatliche Informationen heute andererseits auch ohne großen Aufwand möglich. Die aktive Publikation von Dokumenten und Registern im Weg des Internet kann darüber hinaus die Technik der einzelfallbezogenen Auskunft ersetzen und damit Kosten sparen.

 

2. Geheimhaltung und Privatheit

Eine Kultur der prinzipiellen Geheimhaltung der öffentlichen Verwaltung spiegelt obrigkeitsstaatliches Denken wider und steht im Spannungsverhältnis zu einem modernen, partnerschaftlichen Staats- und Gesellschaftsverständnis.

Die Fortschritte der Informationstechnologie erzeugen bei den Menschen aber auch Angst vor Eingriffen in ihre Privatsphäre. Ein Recht des Individuums auf „informationelle Selbstbestimmung“ ist daher heute elementare Funktionsbedingung jedes Gemeinwesens. Ungeachtet des allgemeinen Transparenzbedürfnisses ist die Geheimhaltung sensibler personenbezogener Daten zu einem zentralen öffentlichen Anliegen geworden.

Der internationale Terrorismus sowie die notwendige internationale Zusammenarbeit staatlicher Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste begründen spezifische öffentliche Geheimhaltungsinteressen, die dem aktuellen liberalen Verständnis von Informationsfreiheit tendenziell entgegen wirken.

In einer Gesellschaft, die von Marktwettbewerb und Konkurrenzdenken getragen ist, müssen etwa auch staatliche Informationen über Wirtschaftsunternehmen in gewissem Ausmaß vor Missbrauch durch Konkurrenten geschützt werden.

Das Grundproblem einer Regelung des Zugangs zu staatlicher Information ist jenes der Gewichtung zwischen Transparenz und Geheimhaltung. In dieser sollte ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis zum Ausdruck kommen.

Verfassungsrechtliche Geheimhaltungstatbestände dürfen nicht zu zahlreich und zu vage umschrieben sein. Nur eine klare Abgrenzung zwischen Informationszugang und Amtsverschwiegenheit gewährleistet Transparenz und wirkt einer Stärkung der Staatsmacht unter dem Titel des Gemeinwohls, insbesondere der öffentlichen Sicherheit, entgegen.


II. Begriffe

Unter dem aktuellen Begriff der „Informationsfreiheit“ wird Unterschiedliches verstanden. Er kann – wie in den USA – als umfassendes Recht auf Übermittlung staatlicher Dokumente in jeder gewünschten Form, oder aber – wie im Europäischen Gemeinschaftsrecht – als Dokumentenzugang in einer von der Behörde bestimmten zweckmäßigen Art definiert werden.

Ein Recht auf „Auskunft“ ist weniger als ein Recht auf „Informationszugang“ oder „Dokumentenzugang“. Es beinhaltet kein Recht auf Akteneinsicht, auf Zusendung von Akten (zB in Schriftform oder auf Datenträger), auf Anfertigung von Kopien oder detaillierte Bekanntgabe von Dokumenteninhalten.

„Dokumentenzugang“ und „Akteneinsicht“ werden idR synonym verstanden. Differenziert geregelt ist aber, ob diesbezüglich subjektive Rechte nur den Parteien eines Verwaltungsverfahrens oder der Allgemeinheit zukommen.

Über Informationsfreiheit und Akteneinsicht hinausgehend können Veröffentlichungspflichten der Behörden (zB bzgl interner Rechtsvorschriften, Dokumentenregister, Prüfberichte) vorgesehen sein.

 „Informationsfreiheit“ besteht niemals uneingeschränkt. Ausnahmetatbestände zugunsten schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen können mit dem Sammelbegriff „Amtsverschwiegenheit“ bezeichnet werden. Sie umfassen aber unterschiedliche Tatbestände und Regelungskomplexe (insb Amtsgeheimnis auf verfassungs- und einfachgesetzlicher Ebene, Datenschutz, Informationssicherheit).

Geheimhaltungstatbestände können absolut formuliert sein oder – je nach dem Grad des Geheimhaltungsbedürfnisses – bloß zu einer Interessenabwägung verpflichten.

III. Rechtslage International

Das prominenteste Beispiel weitreichender Informationsfreiheit des Bürgers gegenüber der staatlichen Verwaltung ist in den USA der Freedom of Information Act 1966 (5 USC § 552). Er sieht weitreichende Rechte der Bürger auf Zugang zu staatlichen Informationen und Veröffentlichungspflichten des öffentlichen Sektors vor. Ausnahmen erfassen allerdings weite Bereiche der öffentlichen Sicherheit, Militär und Nachrichtendienste, das Beratungsgeheimnis, personenbezogene Daten sowie Daten von Wirtschaftsunternehmen.

Auf der Ebene der EU hat der Vertrag von Maastricht zur Verstärkung der demokratischen Legitimität der Union Transparenz als Verfassungsprinzip verankert (Art 1 EUV). Art 255 EG idF des Vertrags von Amsterdam und die VO 1049/2001 normieren ein allgemeines Recht auf Zugang zu Parlaments-, Rats- und Kommissionsdokumenten (vgl auch Art 42 der Grundrechtecharta). Einschränkungen zu Gunsten öffentlicher Geheimhaltungsinteressen sind zwar zulässig, sind aber gegenüber dem Interesse am Dokumentenzugang zT abwägungspflichtig. Die bedeutsamste bereichsspezifische Regelung zum Informationszugangsrecht in den Mitgliedstaaten erfolgte durch die neue UmweltinformationsRL 2003/4/EG (vgl auch die Aarhus-Konvention 1998).

Die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten verwirklichen die von der EU verfolgte Tendenz in unterschiedlichem Ausmaß. Weitgehend grundrechtsgleiche Rechte der Bürger auf Zugang zu staatlicher Information gelten in Skandinavien und den Niederlanden („open government“). Weiterhin zurückhaltend sind die Regelungen noch immer in Deutschland, Luxemburg und Österreich.

In Deutschland gibt es – ähnlich wie in Österreich – kein bundesweites Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen. Dagegen gelten weitreichende Pflichten zur Wahrung des Amtsgeheimnisses. Der Entwurf eines „Informationsfreiheitsgesetzes“ (IFG) der rot-grünen Koalition sieht auf einfachgesetzlicher Ebene ein subjektives Recht Einzelner auf Einsicht in Verwaltungsakten vor. Er wurde jedoch nach dem 11. September 2001 grundlegend überarbeitet und ist bisher nicht realisiert worden. Die darin vorgesehenen Geheimhaltungstatbestände erfassen – wesentlich großzügiger als der FOIA – Gemeinwohlinteressen wie insb die öffentliche Sicherheit, Landesverteidigung und Staatsschutz, Verwaltungsabläufe sowie personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

IV. Rechtslage Österreich

1. Inhalt

In Österreich gilt eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, sofern bestimmte öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen diese gebieten (Art 20 Abs 3 B-VG). Diese Pflicht gilt für die gesamte Staatsfunktion Verwaltung. Sie wurde durch die B-VG-Novelle 1987 stark eingeschränkt und mit Art 10 Abs 2 EMRK harmonisiert. Sie kann einfachgesetzlich ausgeführt, darf dabei aber nicht ausgedehnt werden.

Eine absolute Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten normiert das verfassungsgesetzliche Recht auf Datenschutz (§ 1 DatenschutzG 2000).

Einfachgesetzliche Verschwiegenheitspflichten sind insb im Strafrecht (§ 310 StGB) und in den Gesetzen des öffentlichen Dienstrechts (§§ 46 BDG, 58 RDG, 5 VBG) vorgesehen. Zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen auf dem Gebiet der Sicherheitszusammenarbeit normiert das Informations-sicherheitsG (BGBl I 2002/23) differenzierte Verschwiegenheitspflichten auf Basis verschiedener Klassifikationsstufen des Geheimhaltungsinteresses.

Verfassungsrechtlich verankert ist auch eine Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane (Art 20 Abs 4 B-VG). Sie gilt allerdings nur mit dem Vorbehalt, dass ihr keine gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten entgegenstehen. Sie gewährleistet nach der Judikatur des VfGH überdies kein subjektives Recht.

Einfachgesetzliche Auskunftspflichten sind in den Auskunftspflichtgesetzen von Bund und Ländern und in zahlreichen Materiengesetzen, so zB im BundesarchivG (§ 7), im DatenschutzG (§ 26), im MeldeG (§ 18). Sanktionen für die rechtswidrige Nichterteilung von Auskünften durch öffentlich Bedienstete finden sich auch in den Dienstrechtsgesetzen.

Ein Recht auf Akteneinsicht steht grundsätzlich nur den Parteien eines Verwaltungsverfahrens zu (§ 17 AVG). Verhandlungen in solchen Verfahren sind grundsätzlich auch nicht volksöffentlich. Ausnahmen gelten nur für Großverfahren (vgl §§ 44c AVG).

 

2. Defizite

Die Rechtslage betreffend Amtsverschwiegenheit und Auskunftspflicht ist in erster Linie verworren und unklar. Die beiden Institute stehen insbesondere in keinem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Ein Vorrang der Auskunftspflicht ist nicht eindeutig erkennbar.

Die Verschwiegenheitstatbestände sind sehr allgemein umschrieben; es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, sie eng auszulegen. Die Judikatur zu den Grenzen der Auskunftspflicht ist daher komplex und einzelfallorientiert.

Die verfassungsrechtlichen Pflichten zur Amtsverschwiegenheit und zur Auskunftserteilung sehen keine Sanktionen vor. In Verbindung mit einfachgesetzlichen Sanktionen kann ihre Nichteinhaltung aber Folgen von unklarer Tragweite haben (zB Amtshaftung).

Die verfassungsrechtliche Normierung der Amtsverschwiegenheit sieht keine grundsätzliche Abwägungspflicht bestimmter öffentlicher Interessen an der Geheimhaltung mit dem Interesse an einer Auskunft vor. Dies erlaubt eine Berufung auf das Amtsgeheimnis immer schon dann, wenn nur der geringste Nachteil für ein staatliches Geheimhaltungsinteresse droht.

Die Auskunftspflicht beinhaltet kein Recht auf Dokumentenzugang bzw Akteneinsicht. Sie umfasst daher keine Pflicht zur Weitergabe detaillierter Angaben, umfangreicher Ausarbeitungen oder zur Beschaffung anderweitig zugänglicher Informationen. Erteilte Auskünfte müssen insb auch nicht elektronisch verfügbar gemacht werden.

Die Auskunftspflicht ist nicht als verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht konzipiert. Subjektive Rechte bestehen nur auf einfachgesetzlicher Ebene.

Die Auskunftspflicht gilt nicht für Anstalten und Fonds des öffentlichen Rechts sowie für ausgegliederte Rechtsträger, insoweit sie keine hoheitlichen Aufgaben besorgen.

Die Kompetenzrechtslage auf dem Gebiet von Auskunftsrecht und Amtsverschwiegenheit ist – in jeweils unterschiedlicher Weise – auf Bund und Länder zersplittert.

 

3. Ergebnis

Eine Bereinigung des komplexen Verhältnisses Amtsverschwiegenheit-Informationszugang muss in Österreich primär auf verfassungsrechtlicher Ebene ansetzen.

V. Grundfragen

1.      Ist die Regelungstechnik des Art 20 Abs 3 B-VG, die Verwaltungsorgane zur Amtsverschwiegenheit verfassungsrechtlich zu verpflichten, im System der geltenden Verfassungsrechtsordnung überhaupt sinnvoll? Ist sie nicht – angesichts ihres reduzierten normativen Gehalts in Folge ihrer Harmonisierung mit Art 10 Abs 2 EMRK durch die B-VG-Novelle 1987 – sogar überflüssig geworden?

 

2.      Ist die Normierung der Amtsverschwiegenheit in Art 20 Abs 3 B-VG für Organe notwendig, die keinem Dienstrecht bzw keinen einfachgesetzlichen Geheimhaltungspflichten unterliegen (zB oberste Organe)?

 

3.      Wie kann zwischen den gegenläufigen Prinzipien Auskunftspflicht und Amtsverschwiegenheit ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis hergestellt werden? Wäre es – unter der Annahme der Notwendigkeit des Schutzes bestimmter Geheimhaltungsinteressen – zweckmäßig, den einfachen Gesetzgeber bei der Regelung der Auskunftspflicht zu deren Einschränkung aus bestimmten Gründen zu ermächtigen?

 

4.      Soll der Auskunftspflicht der Charakter eines subjektiven, beim VfGH durchsetzbaren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts verliehen werden?

 

5.      Ist es im Hinblick auf eine Harmonisierung mit dem Recht der Europäischen Union möglich und zweckmäßig, das bloße Recht auf „Auskunft“ zu einem allgemeinen Recht auf Dokumentenzugang zu erweitern? Wie wäre der Gegenstand eines solchen Rechts zu definieren? Kann dabei auch eine Pflicht zur Übermittlung in elektronischer Form sichergestellt werden?

 

6.      Wie müssten die verpflichteten Rechtsträger, Behörden und Sachgebiete eines Dokumentenzugangsrechts umschrieben werden, um die gesamte Verwaltung im funktionellen Sinn, einschließlich der Tätigkeit aller juristischer Personen des öffentlichen Rechts und ausgegliederter Rechtsträger, zu erfassen?

 

7.      Wie müsste die Kompetenzrechtslage ausgestaltet werden, um einheitliche und überblickbare einfachgesetzliche Regelungen zu gewährleisten?

 

8.      Sollten die in Art 20 Abs 3 B-VG normierten Geheimhaltungstatbestände nicht eingeschränkt, stärker differenziert oder zumindest mit Abwägungspflichten im Verhältnis zu einem Recht auf Dokumentenzugang versehen werden?

 

9.      Kann dabei auch die Amtsverschwiegenheit der Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat sowie der direkt gewählten Bürgermeister gegenüber dem Gemeinderat aufgehoben oder gelockert werden?

 

10.    Ist eine Zusammenführung mit dem Recht auf Datenschutz möglich, sodass die Verfassungsbestimmung in § 1 DSG 2000 obsolet wird?

 

11.    Kann das problematische Verhältnis der Amtsverschwiegenheit zur Amtshilfepflicht in Art 22 B-VG geklärt werden?

VI. Auswahl aktueller Literatur:

Berka, Whistleblower and Leaks. Von den Schwierigkeiten das Amtsgeheimnis zu wahren, in ÖJK (Hrsg), Recht und Öffentlichkeit, 66 (erscheint 2004); Batrschovsky, Wissen ist Macht – Auch im Umweltschutz, in FS Funk, 2003, 3; Feik, Zugang zu EU-Dokumenten, 2002; Feik, Good Governance und Transparenz im Recht der EU, in: ÖJK (Hrsg), Recht und Öffentlichkeit, 165 (erscheint 2004); Jann, Das Recht auf Zugang zu Dokumenten im Gemeinschaftsrecht, FS Adamovich, 2002, 241; Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Aufl., 2003; Perthold-Stoitzner, Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane2; Schoch/Kloepfer, Informationsfreiheitsgesetz, 2002; Wieser, Art 20 Abs 3 und Art 20 Abs 4 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg) Bundes-Verfassungsrecht. Kommentar, 4. Lfg 2001.

www.europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgc/acc_doc/docs/compa_de.pdf


Anlage I/8

 

 

Abg. Dr. Eva Lichtenberger

 

 

Arbeitsunterlage für den Ausschuss 8

Wien, am 27. 2. 2004

 

 

Kontrollrechte der Gemeinden

 

Ich möchte folgende Inhalte in der Bundesverfassung anregen:

 

1. Aufgabenvorbehalt für das Organ Gemeinderat

Die Aufgaben des Gemeinderates sind nur indirekt und sporadisch geregelt (Art 117 Abs 4 B-VG: „Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.“ Art 117 Abs 6 B-VG: „ Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, dass die zur Gemeinderatswahl Berechtigten den Bürgermeister wählen.“).

Zur Absicherung des demokratischen Prinzips sollte bereits in der Bundesverfassung eine Mindestaufgabenliste des Organs Gemeinderat (im Verhältnis zum Gemeindevorstand, dem Bürgermeister und anderer bestellter Organe) definiert werden. Über den Umfang der Liste wäre zu diskutieren.

 

2. Mindestkontrollrechte

Rechtslage: Art 118 Abs 5 B-VG: „Der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde sind für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich.“

 

Die Mitwirkungsrechte und Kontrollrechte der einzelnen Mitglieder im Gemeinderat sind äußerst unterschiedlich ausgestattet. In der Praxis bestehen Defizite insbesondere bei:

·       Antragsrecht

·       Anfragerecht

·       Teilnahme an Ausschusssitzungen und Gemeindevorstandssitzungen als Nichtmitglieder

Die Kontrollinstrumente stehen insgesamt recht unterschiedlich zur Verfügung, insbesondere ist auf das zT fehlende Misstrauensvotum gg über Bürgermeister zu verweisen.

Die Bundesverfassung sollte ein bestimmtes Mindestniveau an Mitwirkung und Kontrolle sicherstellen, dem Landesgesetzgeber die Ausgestaltung überlassen bleiben. Art 118 Abs 5 B-VG sollte daher entsprechend konkretisiert werden.

 

3. Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen

Nach geltender Verfasssungsrechtslage ist die Öffentlichkeit nur für den Gemeindevoranschlag und den Gemeinderechnungsabschluss garantiert.

Es sollte analog zu den Regelungen für den Nationalrat (Art 32 B-VG), Bundesrat (Art 37 Abs 3 B-VG) und den Landtag (Art 96 Abs 2 B-VG) auch für den Gemeinderat das Prinzip der Öffentlichkeit mit der Möglichkeit, Ausnahmen für einzelne Tagesordnungspunkte zu beschließen, wenn dies zum Schutz der in Art 10 Abs 2 MRK genannten Interessen notwendig ist, verankert werden.

 

4. Ersatzmitgliedschaft im Gemeinderat

Die ca 40.000 Mitglieder der österreichischen Gemeindevertretungen üben diese Funktion ehrenamtlich – neben der Berufstätigkeit - aus. Es sollte daher zumindest Standard sein, dass sich Mitglieder des Gemeinderats vertreten lassen können. Beispielhaft wäre hier die Regelung der OÖ Gemeindeordnung anzuführen. Die Bundesverfassung sollte diese Ersatz- (Vertretungs-) regelung garantieren.

 

§ 33. Wahlen in Ausschüsse

(1)Der Gemeinderat hat die Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Ausschüsse zu wählen. Auch Ersatzmitglieder des Gemeinderates können zu Mitgliedern von Ausschüssen gewählt werden; im Übrigen sind für die Wahl der Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Ausschüsse die Bestimmungen über die Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstands sinngemäß anzuwenden, sofern der Gemeinderat nicht einstimmig einen anderen Wahlvorgang beschließt.

 

§ 47 Anwesenheitspflicht

(1) Die Mitglieder des Gemeinderates haben an den Sitzungen des Gemeinderates teilzunehmen. Mitglieder des Gemeinderates, die am Erscheinen zu einer Sitzung verhindert sind, haben den Bürgermeister unter Mitteilung des Grundes der Verhinderung davon unverzüglich zu benachrichtigen. Der Bürgermeister hat in diesem Fall sofort Ersatzmitglieder einzuberufen. Hiebei kann von den Vorschriften des § 45 Abs. 3 insoweit abgegangen werden, als es zur rechtzeitigen Verständigung der Ersatzmitglieder erforderlich ist. 

 

5. Gemeindeaufsicht

Die Aufsichtsbeschwerde Dritter bei der Aufsichtsbehörde ist in der Praxis aus bekannten Gründen meist wirkungslos.

Eine Ergänzung von Art 119a Abs 4 B-VG („Die Gemeinde ist berechtigt, sich über jedwede Angelegenheit der Gemeinde zu unterrichten. Die Gemeinde ist verpflichtet, die von der Aufsichtsbehörde im einzelnen Fall verlangten Auskünfte zu erteilen und Prüfungen an Ort und Stelle vornehmen zu lassen.“) Wäre wünschenswert: „Beschwerden Einzelner hat die Aufsichtsbehörde nachzugehen und über das Ergebnis der Überprüfung und allfälliger Aufsichtsmaßnahmen dem Beschwerdeführer/der Beschwerdeführerin schriftlich zu berichten.“

 

6. Rechtszug im eigenen Wirkungsbereich

Statt der Vorstellung nach Art 118a B-VG an die Landesregierung sollte der Rechtszug an den Unabhängigen Verwaltungssenat bzw  das Landesverwaltungsgericht eröffnet werden. Auch der Gemeinde sollte  jedoch gegen Entscheidungen des UVS die Beschwerde an den VwGH offen stehen.


Anlage I/9

 

 

Abg. Dr. Eva Lichtenberger

 

 

Arbeitsunterlage Ausschuss 8

Wien, am 27. 2. 2004

 

 

Bundes- und Landesumweltanwaltschaften

 

1. Bundesumweltanwaltschaft

Für den Fall, dass die mittelbare Bundesverwaltung aufgelassen werden sollte, rege ich die Einrichtung einer Bundesumweltanwaltschaft zur Wahrung eines gesetzmäßigen und einheitlichen Vollzugs an. Die bereits vorgelegten Textvorschläge sehen folgende Elemente vor:

·       BUA als Organ des Nationalrats

·       Unabhängigkeit

·       Wahl auf Vorschlag des Hauptausschusses nach Anhörung der Umweltverbände

·       Aufgabe: Schutz der Umwelt

·       Parteistellung in Verwaltungsverfahren nach Bundesgesetzen

·       Antragsrecht auf Einleitung von Maßnahmen bei Missständen

·       Recht auf Beschwerde an den VwGH

·       Anfechtungsrecht von Verordnungen

·       Auskunftsrechte gg Organen des Bundes, der Länder und der Gemeinden

·       Delegationsmöglichkeit an Landesumweltanwaltschaften

 

2. Landesumweltanwaltschaften

Aufgrund der zentralen Aufgaben, die Bundesgesetze bereits den Umweltanwaltschaften der Länder nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, dem Abfallwirtschaftsgesetz und dem Umweltmanagementgesetz übertragen haben, muss meines Erachtens von Verfassungs wegen garantiert sein:

·       Einrichtung von Landesumweltanwaltschaften zum Schutz der Umwelt

·       Weisungsfreiheit

·       Mindestausstattung

Dies ist derzeit keineswegs der Fall.

 

Kärnten hat einen Naturschutzbeirat, daher keine ständige Einrichtung. Den Vorsitz hat der Landesrat für Naturschutz inne, er ist also kein von der Behörde (Landesregierung) unabhängiges Organ. Die Zuständigkeit für Umweltangelegenheiten, auch in den Bundesverfahren, wird vom Land Kärnten bestritten (anderer Ansicht BMLFUW).

 

In Tirol, Vorarlberg und Kärnten ist die Weisungsfreiheit nicht gegeben.

 


Die Ausstattung stellte sich zum Herbst 2002 wie folgt dar:

 

Die personelle Ausstattung (inkl Leitung und Sekretariat) der UA pendelt zwischen 11 (Wien und OÖ) und 2 (Vlbg) Personen. Dazwischen liegen NÖ (10), Stmk (7), Sbg (6), Tirol (4) und Bgld (3). Die Vlbg Anwaltschaft muss ohne juristische Fachkraft auskommen. Die übrigen Anwaltschaften können keineswegs alle notwendigen Sachverständigenfelder (wie zB Umwelttechnik, Biologie, Umweltmedizin, Kulturtechnik, Raumplanung) durch eigenes Personal abdecken.


Anlage I/10

 

 

Dr. Frank Schorkopf

Wissenschaftliche Mitarbeiter

des deutschen Bundesverfassungsgerichtes

 

 

Organstreitverfahren

 

In dem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2001 zum neuen Strategischen Konzept der NATO heißt es zur Funktion des Organstreitverfahrens: 

         „Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Das Verfahren dient insoweit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 68, 1 <69 ff.>). Das Organstreitverfahren eröffnet den Verfassungsorganen die Möglichkeit, für einen bestimmten Sachzusammenhang über die Zuordnung der in Betracht kommenden Kompetenzen im System der Gewaltenteilung zu streiten.“ (BVerfGE 104, 151 <193 f.>)

 

Vor diesem Hintergrund werden die Regelungen über die Parteifähigkeit im Organstreitverfahren, d. h.  die Fähigkeit Antragsteller oder Antragsgegner in einem solchen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu sein (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, § 63 BVerfGG), ausgelegt.

Zu den in Art. 93 Abs. 1 Nr. GG genannten obersten Bundesorganen (Verfassungsorganen) gehören der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung, die ausdrücklich auch in § 63 BVerfGG aufgezählt werden. Darüber hinaus zählen auch die Bundesversammlung (vgl. Art. 54 Abs. 1 GG) und der Gemeinsame Ausschuss nach Art. 53a GG zu diesem Kreis. Umstritten und in der Sache ungeklärt ist, ob der Bundesrechnungshof, die Bundesbank und der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages parteifähig sind. Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Staatsvolk kein Beteiligter in einem Organstreitverfahren sein kann (BVerfGE 13, 54 <85>).

Über diesen Kreis der „obersten Bundesorgane“ hinaus sieht Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG die Parteifähigkeit „anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“ vor. Als Teile oberster Bundesorgane sind als parteifähig anerkannt:

     Bundestag: der Präsident (BVerfGE), die Ausschüsse des Bundestages (BVerfGE 2, 142 <160>), Fraktionen des Bundestages (100, 266 <268>; 70, 324 <350>, gerade auch hinsichtlich des Minderheitenschutzes), Fraktionen in einem Untersuchungsausschuss (BVerfGE 67, 100 <124>); eine als Gruppe anerkannte Zahl von Bundestagsabgeordneten (BVerfGE 84, 304 <318>; 96, 264 <276>) und einzelne Abgeordnete (vgl. BVerfGE 10, 4 <10>; 60, 374 <378>; 62, 1 <32>; 70, 324 <350> sowie das Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2003 – 2 BvE 1/01). Diese letztgenannte Entscheidung, die auf der Internetseite des Gerichts zugänglich ist, ist für das Verständnis der Beteiligung am Organstreitverfahren sehr aufschlussreich, weil Antragsgegner eine größere Zahl von Abgeordneten war und Antragsgegner der Bundestagspräsident. In der Sache ging es um die Reichweite des Privilegs auf Beschlagnahmefreiheit gemäß Art. 47 Abs. 2 GG;

     Bundesrat: der Präsident, das Präsidium, die Ausschüsse, die Mitglieder des Bundesrates (d. h. die von den Ländern entsandten natürlichen Personen);

     der Vermittlungsausschuss (vgl. Art. 77 Abs. 2 GG);

     der Bundeskanzler und die Bundesminister als Teile der Bundesregierung.

Schließlich werden als sonstige „andere Beteiligte“ noch politische Parteien im Hinblick auf ihre Stellung nach Art. 21 GG (BVerfGE 85, 264 <284>) anerkannt.

Beim Bundesverfassungsgericht sind in dem Zeitraum von 1951 bis 2002 insgesamt 135 Organstreitverfahren anhängig gemacht worden. Davon wurden 72 durch eine Entscheidung des für diese Verfahrensart allein zuständigen Zweiten Senats und 59 auf sonstige Weise (z.B. Antragsrücknahme) erledigt. Die Differenz erklärt sich m.E. im Wesentlichen aus dem Umstand, dass noch eine Reihe von Verfahren anhängig sind. Eine weitere Aufschlüsselung der Statistik ist nach Rücksprache mit der Verwaltung leider nicht möglich. Insbesondere wird keine weitere Spezifikation der Antragsteller und Antragsgegner vorgenommen.

Ich habe Ihnen aus der JURIS-Datenbank eine Liste mit insgesamt 82 Entscheidungen des Zweiten Senats in sogenannten BvE-Sachen – die Aktenzeichen der Organstreitverfahren im Hause beginnen mit „2 BvE X/X“ – ausgedruckt und als Anlage beigefügt. Auch in der Datenbankabfrage war leider für die Überblicksaufstellung keine Aufschlüsselung der Beteiligten möglich.

Der Vollständigkeit halber möchte ich Sie noch auf das kaum bekannte Verfahren nach Art. 99 GG aufmerksam machen, in dem das Bundesverfassungsgericht auf Grund landesverfassungsrechtlicher Zuweisung als Landesverfassungsgericht tätig wird. Diese prozessuale Besonderheit erklärt sich aus der neueren deutschen Verfassungsgeschichte und ist derzeit noch für das Land Schleswig-Holstein aktuell. Im Rahmen dieser Zuständigkeit werden immer wieder Organstreitverfahren aus Schleswig-Holstein beim Bundesverfassungsgericht anhängig, die jedoch meistens Verfassungsrechtfragen mit allgemeiner Bedeutung aufwerfen (vgl. etwa BVerfGE 103, 164 ff.). Da die schleswig-holsteinische Landesverfassung durch Reformen jüngeren Datums auch „moderne Rechtsinstitute“ wie beispielsweise Ansprüche des Parlaments gegen die Regierung auf Informationen enthält, sind auch diese Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sicherlich für Ihre Zwecke von Interesse. Eine Aufstellung mit den bisher ergangenen Entscheidungen ist ebenfalls als Anlage beigefügt. Ich verweise insbesondere auf den Beschluss vom 10. Oktober 2002 – 2 BvK 1/01 = BVerfGE 106, 51 ff. über ein von einer qualifizierten Ausschussminderheit geltend gemachtes Recht auf Aktenvorlage.

Zum Organstreitverfahren sind eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen erschienen. Zu nennen sind insbesondere:

     E. Benda / E. Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 976 ff. (das Standardwerk zum Verfassungsprozessrecht. Der Autor Benda war Präsident des BVerfG, der Autor Klein ist Professor für Staatsrecht und war wiss. Mitarbeiter beim BVerfG);

     H. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Kommentar, Loseblatt, Stand Juli 2002, München, § 63 BVerfGG (umfangreichste Kommentierung der einschlägigen Verfahrensnormen mit nahezu vollständigen Literaturhinweisen),

     J. Pietzcker, Organstreit, in: P. Badura / H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 1, Tübingen 2001, S. 587 ff. (neueste systematische Darstellung des Organstreits mit einer Würdigung der Rechtsprechung des BVerfG),

     F. Schorkopf, in: C. Umbach / T. Clemens / F.-W. Dollinger, Bundesverfassungsgerichts – Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Heidelberg 2004 (im Erscheinen), vor §§ 73 ff. BVerfGG, § 73 BVerfGG (Manuskriptfassung der Kommentierung zu Verfahren nach Art. 99 GG).

 

Abschließend muss ich noch erwähnen, dass dieses Schreiben keine offizielle Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts ist, womit jedoch nicht angedeutet sein soll, dass die obigen Ausführungen nicht nach bestem Wissen gemacht wurden.


Anlage I/11

 

 

Ass.Prof. Dr. Hannes Tretter

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Kostelka!

 

Aufgrund der Kurzfristigkeit der Einladung und der Knappheit der mir derzeit außerdienstlich zur Verfügung stehenden Zeit fallen meine Ausführungen zum Themenbereich

 

„Unvereinbarkeit“

im Moment nur kursorisch und unausgegoren aus. Ich ersuche Sie deswegen um Verständnis, möchte Ihnen aber gleichzeitig versichern, dass ich an einer weiteren, intensiveren Mitarbeit äußerst interessiert bin.

 

Zur Neugestaltung der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit iSd § 4 UnvG:

·       Die Unvereinbarkeitsregeln iSd § 4 UnvG sollten auf eine bestimmte Zeit (etwa 1-2 Jahre) vor Antritt eines öffentlichen Amtes iSd § 1 Z 1 und 2 UnvG ausgedehnt werden, um zu verhindern, dass Personen, die über wirtschaftliche und/oder mediale (siehe dazu unten) Macht verfügen, diese dazu missbrauchen, um in ein öffentliches Amt iSd Art 19 B-VG zu gelangen.

·       Die Unvereinbarkeitsregeln iSd § 4 UnvG sollten auch auf Personen Anwendung finden, die mehrheitlich Eigentümer der in § 4 genannten juristischen Personen sind oder diese finanziell, wirtschaftlich, organisatorisch oder de facto beherrschen.

·       Die Unvereinbarkeitsregeln iSd § 4 UnvG sollten explizit auch für Personen gelten, die leitende Stellungen in öffentlich-rechtlichen und privaten Medienunternehmen innehaben oder deren Mehrheitseigentümer sind oder diese finanziell, wirtschaftlich, organisatorisch oder de facto beherrschen.

·       Die Unvereinbarkeitsregeln iSd § 4 iVm § 1 UnvG sollten explizit auch für Vorsitzende der im Nationalrat vertretenen politischen Parteien gelten.

 

Zur Bagatellgrenze iSd § 3 UnvG:

·       Auch geringfügige Anteile können Hinweise auf maßgebende Einflüsse oder de facto-Beherrschungen geben, daher sollte keine Bagatellgrenze eingeführt werden.

 

Zur Inkorporierung der Unvereinbarkeitstatbestände in das B-VG und zur Kompetenzfrage:

·       Um die Unvereinbarkeitsregeln sichtbarer zu machen, wäre eine Verankerung im B-VG zu begrüßen. Eine kompetenzrechtliche „Verländerung“ lehne ich aus Gründen einer wünschenswerten Gleichförmigkeit der Anwendung der Tatbestände ab.

 

Zur Regelung der Tätigkeit von Interessensvertretern:

·       Zu überlegen wäre, die Ausübung eines öffentlichen Amtes iSd § 1 UnvG für Personen zu untersagen, die maßgebende Funktionen bei den Sozialpartnern ausüben.

 

Mit besten Grüßen,

Hannes Tretter

Wien, 14.12.2003


Anlage I/12

 

 

 

Dr. Winkelmann

DEUTSCHER BUNDESTAG

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

 

 

 

Indemnität und Immunität der Mitglieder des Deutschen Bundestages

 

1.      Artikel 46 Grundgesetz regelt in Absatz 1 die Indemnität und in den Absätzen 2 bis 4 die Immunität für die Mitglieder des Deutschen Bundestages:

        (1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

        (2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei den, daß er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.

        (3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.

        (4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Art. 18 gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen. 

 

2.      Die Indemnität schließt eine strafrechtliche, nach herrschender Auffassung auch eine zivilrechtliche Verfolgung aufgrund von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen im Bundestag seinen Ausschüssen, aber auch in den Fraktionen generell aus. Äußerungen außerhalb des Bundestages, z.B. bei Parteiveranstaltungen oder auf Dienstreisen, selbst wenn sie in Ausübung des Mandats erfolgen, sind grundsätzlich nicht geschützt. Allerdings sind nicht alle Grenzfälle geklärt.

         Die Indemnität kann – anders als die Immunität – nicht durch den Bundestag aufgehoben werden; sie überdauert das Ende des Mandats.

         Ausgenommen sind verleumderische Beleidigungen – laut Strafgesetzbuch (§ 187) das Behaupten oder Verbreiten einer unwahren Tatsache wider besseres Wissen in Beziehung auf einen Dritten. Ob dies vorliegt, entscheidet letztlich das Gericht. (Handelt es sich um ein Strafverfahren, bedarf es der - anschließend dargestellten – immunitätsrechtlichen Genehmigung.)

 

3.      Das Immunitätsrecht des Deutschen Bundestages wird innerparlamentarisch durch § 107 Geschäftsordnung und insbesondere den Beschluss des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages und die vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) beschlossenen Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten (vgl. beigefügte Anlage 6 zur GO-BT) ergänzt. Beide Beschlüsse werden am Beginn einer neuen Wahlperiode vom Plenum bzw. vom 1. Ausschuss übernommen.

           a) Das Immunitätsrecht bezweckt vornehmlich, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen und soll den Bundestag vor Übergriffen der Exekutive und Judikative schützen. Das einzelne Mitglied des Bundestages hat, wie vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2001 festgestellt, nur einen Anspruch darauf, dass sich der Bundestag bei einer Immunitätsaufhebung nicht von sachfremden, willkürlichen Motiven leiten lässt.

          b) Die Immunität betrifft Ermittlungs- und Strafverfahren, aber auch berufs- und ehrengerichtliche Verfahren sowie bestimmte Zwangsmaßnahmen (z.B. Ordnungshaft zur Erzwingung einer Unterlassung oder Haft zur Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung) gegen Mitglieder des Bundestages. Sie gilt nicht für Durchsuchungen, falls der Abgeordnete nur als Dritter (Zeuge) betroffen ist, für Verfahren nach Ordnungswidrigkeitenrecht (Bußgeldverfahren) oder die Geltendmachung zivilrechtlicher Forderungen z.B. auf Schadenersatz.

           c) Die Erteilung der immunitätsrechtlichen Genehmigung ist unterschiedlich geregelt.

Die Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen (bei Bejahung eines Anfangsverdachts) wird seit 1969 jeweils generell durch den oben genannten „Beschluss des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität“ gestattet. Dabei hat die Staatsanwaltschaft vor Aufnahme ihrer Ermittlungen dem Bundestagspräsidenten ihre Absicht schriftlich mitzuteilen. 48 Stunden nach Eingang der „Mitteilung“ darf sie mit den Ermittlungen beginnen. Die Frist kann, z.B. um weitere Einzelheiten zu erfahren, verlängert werden; Wochenend- und Feiertage sind bei der Frist ausgespart. Der Präsident leitet die „Mitteilung“ dem Immunitätsausschuss zu, der in der nächsten Sitzung von seiner Vorsitzenden unterrichtet wird.

In der Praxis geht die Mehrzahl der Verfahren über eine derartige Mitteilung nicht hinaus, da die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts, wegen Geringfügigkeit bzw. unter gewissen Auflagen eingestellt werden. Das ursprüngliche Ziel, Publizität zu vermeiden, wird allerdings trotz größter Diskretion im parlamentarischen Bereich oft nicht erreicht.

          d) Die generelle Genehmigung deckt Durchsuchungen, andere Zwangsmaßnahmen und Anklageerhebungen einschließlich des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls nicht ab. Insoweit ist eine ausdrückliche Einzelgenehmigung erforderlich. Sie wird grundsätzlich vom Plenum auf Grund einer Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses erteilt (In der 14. Wahlperiode 1998 – 2002 gab es insgesamt 14 Genehmigungsbeschlüsse). Die Beschlussempfehlung enthält heute keine näheren Angaben zum Sachverhalt oder betroffenen Delikt. Das Plenum entscheidet regelmäßig ohne Debatte.

Bei Straßenverkehrsdelikten und sog. Bagatellfällen trifft der Ausschuss – Einstimmigkeit vorausgesetzt – eine Vorentscheidung. Sie geht allen Abgeordneten in Kopie zu, wird aber nicht – wie sonstige Beschlussempfehlungen - als Bundestagsdrucksache verteilt und auch nicht ins Internet gestellt. Die Vorentscheidung gilt, falls nicht ein einzelner Abgeordneter binnen sieben Tagen widerspricht, als Genehmigung des Bundestages. (Seit Schaffung dieser Möglichkeit vor 52 Jahren hat es noch keinen Widerspruch gegeben.)

           e) Staatsanwaltschaftliche Anträge auf Genehmigung der Strafverfolgung müssen den Sachverhalt darstellen und rechtlich würdigen. Weder der Ausschuss noch das Plenum treten in eine Beweiswürdigung ein. Die Plausibilität des Antrags ist maßgeblich; bei Bedarf gibt es Nachfragen, um die Angelegenheit entscheidungsreif zu machen. Selbstverständlich dürfen keine Anhaltspunkte für eine sachwidrige Verfolgung erkennbar sein. Im Ergebnis wird grundsätzlich jedem Antrag stattgegeben – auch wenn das Delikt einen politischen Bezug aufweist. Ausgenommen sind nur sog. politische Beleidigungen als Fortsetzung des durch die Indemnität für Äußerungen im Parlament gegebenen Schutzes.

 

 

(Dr. Winkelmann)


 

Anlage 6 (zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages)

 

Beschluss

des Deutschen Bundestages

betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern

des Bundestages[32]

 

1.      Der Deutsche Bundestag genehmigt bis zum Ablauf dieser Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen (§§ 185, 186, 187a Abs. 1, § 188 Abs. 1 StGB) poli­tischen Charakters handelt.

         Vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist dem Präsidenten des Deutschen Bundes­tages und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, dem betroffenen Mitglied des Bundestages Mitteilung zu machen; unterbleibt eine Mitteilung an das Mit­glied des Bundesta­ges, so ist der Präsident auch hiervon unter An­gabe der Gründe zu unterrichten. Das Recht des Deutschen Bundestages, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen (Artikel 46 Abs. 4 GG), bleibt unberührt.

         Das Ermittlungsverfahren darf im Einzelfall frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mit­teilung beim Präsidenten des Deutschen Bun­destages eingeleitet werden. Bei der Be­rech­nung der Frist werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitge­rech­net. Der Präsident des Deutschen Bundesta­ges kann im Einvernehmen mit dem Vorsit­zenden des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Frist angemessen verlängern.[33]

 

2.      Diese Genehmigung umfaßt nicht

           a) die Erhebung der öffentlichen Klage we­gen einer Straftat und den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls,

          b) im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten den Hinweis des Gerichts, dass über die Tat auch auf Grund eines Strafgesetzes entschieden werden kann (§ 81 Abs. 1 Satz 2 OWiG),

           c) freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Ermittlungsverfahren,

          d) die Fortsetzung eines Ermittlungsverfahrens, zu dem der Bundestag in der voraus­gegangenen Wahlperiode die Aussetzung der Ermittlungen gemäß Artikel 46 Abs. 4 des Grundgesetzes verlangt hat.

 

3.      Zur Vereinfachung des Geschäftsganges wird der Ausschuss für Wahlprüfung, Im­munität und Geschäftsordnung beauftragt, bei Verkehrsdelikten eine Vorentscheidung über die Genehmigung in den Fällen der Nummer 2 zu treffen.

         Dasselbe gilt für Straftaten, die nach Auf­fassung des Ausschusses für Wahlprüfung, Im­munität und Geschäftsordnung als Ba­gatellangelegenheiten zu betrachten sind.

         Die Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß § 90 b StGB - verfassungsfeindli­che Ver­unglimpfung des Bundestages - sowie § 194 Abs. 4 StGB - Beleidigung des Deutschen Bundestages - kann im Wege der Vorentscheidung erteilt werden.

         Ist zu Beginn einer Wahlperiode die Fort­setzung eines Strafverfahrens gegen ein Mitglied des Bundestages zu genehmigen, gegen das der vorhergehende Bundestag die Durch­führung dieses Strafverfahrens bereits genehmigt hat, kann im Wege der Vorentschei­dung verfahren werden.

 

4.      Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Erzwingungshaft (§§ 96, 97 OWiG) be­dürfen der Genehmigung des Deutschen Bundestages. Zur Vereinfa­chung des Geschäftsganges wird der Aus­schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beauftragt, eine Vorent­scheidung über die Genehmigung der Vollstreckung zu treffen, bei Freiheitsstra­fen nur, soweit nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als drei Monate erkannt ist oder bei einer Gesamtstrafenbildung (§§ 53 bis 55 StGB, § 460 StPO) keine der er­kannten Einzelstrafen drei Monate übersteigt.

 

5.      Ist der Vollzug einer angeordneten Durch­suchung oder Beschlagnahme gegen ein Mit­glied des Bundestages genehmigt, ist der Präsident beauftragt, die Genehmigung mit der Auflage zu verbinden, dass beim Vollzug der Zwangsmaßnahme ein anderes Mitglied des Bundestages und – falls die Vollstreckung in Räumen des Bundestages erfolgen soll – ein zusätzlicher Vertreter des Präsidenten anwesend sind; das Mit­glied des Bundestages benennt der Präsi­dent im Benehmen mit dem Vorsitzenden der Fraktion des Mitgliedes des Bundesta­ges, gegen das der Vollzug von Zwangs­maßnahmen genehmigt ist.

 

6.      Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann im Wege der Vor­entscheidung das Verlangen des Bun­destages auf Aussetzung eines Verfahrens gemäß Artikel 46 Abs. 4 des Grundgeset­zes herbeiführen.

         Bei Vorentscheidungen werden die Be­schlüsse des Ausschusses dem Bundestag durch den Präsidenten schriftlich mitge­teilt, ohne auf die Tagesordnung gesetzt zu werden. Sie gelten als Entscheidung des Deutschen Bundestages, wenn nicht inner­halb von sieben Tagen nach Mitteilung schriftlich beim Präsidenten Widerspruch erhoben wird.


Noch Anlage 6

 

Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten und in

Fällen der Genehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StPO

und § 382 Abs. 3 ZPO sowie bei Ermächtigungen

gemäß § 90 b Abs. 2, § 194 Abs. 4 StGB[34]

 

A. Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten

1. Antragsberechtigung

Berechtigt zur Stellung eines Antrages auf Aufhebung der Immunität sind

a)     die Staatsanwaltschaften, Gerichte, Ehren- und Berufsgerichte öffentlich-rechtlichen Cha­rakters sowie berufsständische Einrichtungen, die kraft Gesetzes Standesaufsicht aus­üben,

b)     im Privatklageverfahren das Gericht, bevor es nach § 383 StPO das Hauptverfahren eröffnet,

c)     der Gläubiger im Vollstreckungsverfahren, soweit das Gericht nicht auch ohne dessen Antrag tätig werden kann,

d)     der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.

2. Mitteilung an den Präsidenten des Bundestages und Einreichen der Anträge

a)     Hat der Bundestag für die Dauer einer Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungs­verfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten genehmigt, so ist vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dem Präsidenten des Bundestages und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, dem betroffenen Mitglied des Bun­destages Mitteilung zu machen; unterbleibt eine Mitteilung an das Mitglied des Bundes­tages, so ist der Präsident auch hiervon unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Das Recht des Bundestages, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen (Artikel 46 Abs. 4 des Grundgesetzes), bleibt unberührt.

b)     Die Staatsanwaltschaften und Gerichte richten ihre Anträge an den Präsidenten des Bundestages auf dem Dienstweg über den Bundesminister der Justiz, der sie mit der Bitte vorlegt, eine Entscheidung herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Strafverfol­gung oder Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Mitgliedes des Bundestages oder der sonst beabsichtigten Maßnahme erteilt wird.

c)     Der Gläubiger (Nummer 1 Buchstabe c) kann seinen Antrag unmittelbar an den Bun­destag richten.

3. Stellung der betroffenen Mitglieder des Bundestages

In Immunitätsangelegenheiten soll das betroffene Mitglied des Bundestages im Bundestag das Wort zur Sache nicht erhalten; von ihm gestellte Anträge auf Aufhebung seiner Immuni­tät bleiben unberücksichtigt. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord­nung kann auf Antrag einer Fraktion im Ausschuss dem betroffenen Mitglied Gelegenheit zur Äußerung geben.

4. Entscheidungen in Immunitätsangelegenheiten

Das Immunitätsrecht bezweckt vornehmlich, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bun­destages sicherzustellen; der einzelne Abgeordnete hat einen Anspruch auf eine von sachfremden, willkürlichen Motiven freie Entscheidung. Die Entscheidung über die Aufhebung oder Wiederherstellung der Immunität trifft der Bundestag in eigener Verantwortung unter Abwägung der Belange des Parlaments und der anderen hoheitlichen Gewalten unter Berücksichtigung der Belange des betroffenen Abgeordneten. In eine Beweiswürdigung wird nicht eingetreten; die Entscheidung beinhaltet keine Feststellung von Recht oder Unrecht, Schuld oder Nichtschuld.

5. Beleidigungen politischen Charakters

Beleidigungen politischen Charakters sollen in der Regel nicht zur Aufhebung der Immunität führen.

Die Staatsanwaltschaft darf zur Vorbereitung einer Entscheidung darüber, ob ein Antrag auf Entscheidung über die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gestellt wer­den soll, dem Mitglied des Bundestages die Anschuldigung mitteilen und ihm anheimstellen, hierzu Stellung zu nehmen. Feststellungen der Staatsanwaltschaft über die Persönlichkeit des Anzeigeerstatters sowie über andere für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit einer An­zeige wichtige Umstände bedeuten kein „zur Verantwortung ziehen“ im Sinne des Artikels 46 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Artikel 46 Abs. 1 des Grundgesetzes bestimmt, dass ein Mitglied des Bundestages wegen einer Abstimmung oder einer Äußerung, die es im Bundestage oder in einem seiner Aus­schüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, mit Ausnahme bei verleumderischen Beleidigungen (Indemnität). Das bedeutet aber, dass es z. B. wegen einfacher Beleidigung, die im Parlament erfolgt ist, nicht strafrechtlich verfolgt werden kann. Hieraus wird der Grundsatz hergeleitet, dass bei einfachen Beleidigungen, die außerhalb des Bundestages vorgekommen sind, auch die Immunität nicht aufgehoben wer­den soll, soweit die Beleidigung politischen Charakters ist und keine Verleumdung darstellt. Als „außerhalb des Bundestages“ gilt auch eine beleidigende Äußerung, die ein Mitglied des Bundestages als Zeuge vor einem Untersuchungsausschuss getan hat, da das Mitglied des Bundestages hier jedem anderen Staatsbürger, der als Zeuge vernommen wird, gleichge­stellt ist.

6. Festnahme eines Mitgliedes des Bundestages bei Begehung der Tat

Bei Festnahme eines Mitgliedes des Bundestages bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages bedarf die Durchführung des Strafverfahrens oder eine Verhaftung, soweit sie bis spätestens „im Laufe des folgenden Tages“ erfolgt, keiner Genehmigung (Artikel 46 Abs. 2 des Grundgesetzes).

Eine erneute Vorführung oder Verhaftung nach vorheriger Freilassung und Verstreichen des der Tat folgenden Tages bedarf dann wieder der Genehmigung des Bundestages; denn hierin liegt eine Beschränkung der persönlichen Freiheit (Artikel 46 Abs. 2 des Grundgeset­zes), die in keinem Zusammenhang mit der Festnahme „auf frischer Tat“ steht.

7. Verhaftung eines Mitgliedes des Bundestages

a)     Die für die Dauer einer Wahlperiode erteilte Genehmigung zur Durchführung von Er­mittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten sowie die Ge­nehmigung zur Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat umfasst nicht zugleich auch die Genehmigung zur Verhaftung (Artikel 46 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder zwangsweisen Vorführung.

b)     Unter Verhaftung (Artikel 46 Abs. 2 des Grundgesetzes) ist nur die Untersuchungshaft zu verstehen; die Verhaftung zur Strafvollstreckung bedarf wieder einer besonderen Ge­nehmigung.

c)     Die Genehmigung zur Verhaftung schließt die Genehmigung zur zwangsweisen Vorfüh­rung ein.

d)     Die Genehmigung zur zwangsweisen Vorführung schließt nicht die Genehmigung zur Verhaftung ein.

8. Vollstreckung von Freiheitsstrafen oder von Erzwingungshaft (§§ 96, 97 OWiG)

Die Genehmigung zur Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat berechtigt nicht zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe.

Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Erzwingungshaft (§§ 96, 97 OWiG) bedür­fen der Genehmigung des Bundestages. Zur Vereinfachung des Geschäftsganges ist der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beauftragt, eine Vorentschei­dung über die Genehmigung der Vollstreckung zu treffen, bei Freiheitsstrafen jedoch nur, soweit nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als drei Monate erkannt ist, oder bei einer Ge­samtstrafenbildung (§§ 53 bis 55 StGB, § 460 StPO) keine der erkannten Einzelstrafen drei Monate übersteigt.

9. Disziplinarverfahren

Die Aufhebung der Immunität zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens gilt nicht zur Durchführung eines Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft wegen des gleichen Sach­verhalts. Umgekehrt gilt die Aufhebung der Immunität zur Durchführung eines Strafverfah­rens nicht für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens.

Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen bedarf keiner erneuten Genehmigung des Bundestages.

10. Ehren- und Berufsgerichtsverfahren

Verfahren vor Ehren- und Berufsgerichten, die öffentlich-rechtlichen Charakter haben, kön­nen nur nach Aufhebung der Immunität durchgeführt werden.

11. Verfahren bei Verkehrsdelikten

Bei Verkehrsdelikten soll die Genehmigung grundsätzlich erteilt werden. Zur Vereinfachung des Geschäftsganges ist der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beauftragt, bei allen Fällen von Verkehrsdelikten eine Vorentscheidung zu treffen.

12. Verfahren bei Bagatellsachen

Bei Anträgen, die nach Auffassung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge­schäftsordnung eine Bagatellsache zum Gegenstand haben, ist der Ausschuss beauftragt, eine Vorentscheidung (Nummer 13) zu treffen.

13. Vereinfachtes Verfahren (Vorentscheidung)

Hat der Ausschuss auf Grund der ihm erteilten Ermächtigung (Nummern 8, 11, 12, B. und C.) eine Vorentscheidung getroffen, wird diese dem Bundestag durch den Präsidenten schriftlich mitgeteilt, ohne auf die Tagesordnung gesetzt zu werden. Sie gilt als Entscheidung des Bundestages, wenn nicht innerhalb von sieben Tagen nach Mitteilung Widerspruch er­hoben wird.

14. Genehmigungspflicht in besonderen Fällen

Die Genehmigung des Bundestages ist erforderlich:

a)     Zur Vollstreckung von Ordnungshaft zur Erzwingung einer Unterlassung oder Duldung (§ 890 ZPO).

         Wird in einem Urteil oder einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf eine Unterlassung oder Duldung, für den Fall der Zuwiderhandlung eine Strafe angedroht, so stellt die An­drohung die Festsetzung einer Norm dar. Die Prüfung, ob diese Norm, die den Schuld­ner zur künftigen Erfüllung der Unterlassungspflicht anhalten soll, verletzt ist, bedeutet daher ein „zur Verantwortung ziehen“ im Sinne des Artikels 46 Abs. 2 des Grundgeset­zes wegen Verletzung „einer mit Strafe bedrohten Handlung“. Dabei ist es unerheblich, ob in dem Verfahren Ordnungshaft oder –geld angestrebt wird.

b)     Zur Vollstreckung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners (§ 901 ZPO).

         Da lediglich die Vollstreckung des Haftbefehls eine Beschränkung der persönlichen Freiheit im Sinne des Artikels 46 Abs. 2 des Grundgesetzes ist und daher der Genehmi­gung des Deutschen Bundestages bedarf, steht der Ausschuss für Wahlprüfung, Immu­nität und Geschäftsordnung auf dem Standpunkt, dass die Durchführung des Verfahrens zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung gegen ein Mitglied des Bundestages als Schuldner und auch die Anordnung der Haft durch das Gericht zur Erzwingung der Leistung der eidesstattlichen Versicherung noch kein „zur Verantwortung ziehen“ bedeuten und daher keiner Genehmigung des Deut­schen Bundestages bedürfen.

c)     Zur Vollstreckung der Ordnungshaft oder zur zwangsweisen Vorführung wegen Ausblei­bens als Zeuge (§ 51 StPO und § 380 ZPO).

d)     Zur Vollstreckung der Ordnungshaft oder der Haft wegen grundloser Zeugnisverweige­rung (§ 70 StPO und § 390 ZPO).

e)     Zur Vollstreckung der Zwangshaft zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen (§ 888 ZPO).

f)      Zur Vollstreckung der Haft oder sonstigen Freiheitsbeschränkung zur Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestes (§ 933 ZPO).

g)     Zur Vollstreckung der Ordnungshaft wegen Ungebühr (§ 178 GVG).

h)     Zur zwangsweisen Vorführung des Schuldners und zur Vollstreckung der Haft im Insol­venzverfahren (§ 21 Abs. 3 und § 98 Abs. 2 InsO).

i)      Zur einstweiligen Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 126 a StPO).

j)      Zu freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB).

k)     Zur zwangsweisen Vorführung (§§ 134, 230, 236, 329 und 387 StPO).

l)      Zur Verhaftung auf Grund Haftbefehls nach §§ 114, 125, 230, 236 und 329 StPO.

15. Schutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz

Schutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz haben notstandsähnlichen Charakter. Maßnahmen nach den §§ 29 ff. des Infektionsschutzgesetzes bedürfen daher, gleichgültig, ob sie zum Schutz gegen das Mitglied des Bundestages oder zum Schutz des Mitgliedes des Bundestages gegen andere notwendig werden, nicht der Aufhebung der Immunität.

Die zuständigen Behörden sind jedoch verpflichtet, den Präsidenten des Deutschen Bun­destages unverzüglich über die gegen ein Mitglied des Bundestages angeordneten Maß­nahmen zu unterrichten. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ist berechtigt, zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob es sich um nach dem Infektionsschutzge­setz gerechtfertigte Maßnahmen handelt. Hält er sie nicht oder nicht mehr für erforderlich, so kann der Ausschuss im Wege der Vorentscheidung die Aussetzung der angeordneten Maßnahmen verlangen.

Kann der Ausschuss innerhalb von zwei Tagen nach Eingang einer Mitteilung der zuständi­gen Behörden nicht zusammentreten, so hat der Präsident des Bundestages insoweit die Rechte des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Er hat den Ausschuss unverzüglich über seine Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

16. Anhängige Strafverfahren

Bei Übernahme des Abgeordnetenmandats anhängige Strafverfahren sowie jede angeord­nete Haft, Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit (vgl. Nummer 14) sind von Amts wegen auszusetzen.

Soll ein Verfahren fortgesetzt werden, so ist vorher eine Entscheidung des Bundestages ein­zuholen, soweit nicht bereits die Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat erteilt ist.

17. Behandlung von Amnestiefällen

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ist ermächtigt, in allen Fällen, in denen eine gerichtliche Strafverfolgung gegen ein Mitglied des Bundestages in­folge einer bereits ausgesprochenen Amnestie nicht zur Durchführung kommen würde, die gerichtliche Einstellung des Verfahrens auf Grund der Amnestie dadurch zu ermöglichen, dass er in solchen Fällen erklärt, der Bundestag werde gegen die Anwendung des Straffrei­heitsgesetzes keine Einwendungen erheben. Solche Fälle bedürfen nicht der Vorlage an das Plenum des Bundestages.

B. Ermächtigung zur Strafverfolgung

nach § 90 b Abs. 2, § 194 Abs. 4 StGB

Die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 90 b Abs. 2 StGB – verfassungsfeindliche Ver­unglimpfung des Bundestages – sowie nach § 194 Abs. 4 StGB – Beleidigung des Bundes­tages – kann im Wege der Vorentscheidung gemäß Nummer 13 der Grundsätze in Immuni­tätsangelegenheiten erteilt werden. Die Staatsanwaltschaften richten ihre Anträge nach Maßgabe der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren an den Bundes­minister der Justiz, der sie mit der Bitte vorlegt, eine Entscheidung herbeizuführen, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 90 b Abs. 2 oder § 194 Abs. 4 StGB erteilt wird.

C. Genehmigung zur Zeugenvernehmung

nach § 50 Abs. 3 StPO und § 382 Abs. 3 ZPO

Die Genehmigung zu einer Abweichung von § 50 Abs. 1 StPO und § 382 Abs. 2 ZPO, wo­nach die Mitglieder des Bundestages am Sitz der Versammlung zu vernehmen sind, kann im Wege der Vorentscheidung gemäß Nummer 13 der Grundsätze in Immunitätsangelegen­heiten erteilt werden. Die Staatsanwaltschaften und Gerichte richten ihre Anträge unmittelbar an den Präsidenten des Bundestages. Einer Genehmigung bedarf es nicht, wenn der Termin zur Vernehmung außerhalb der Sitzungswochen des Bundestages liegt.


Anlage II

Sammlung nicht konsentierter
verfassungsgesetzlicher Textvorschläge

Schon während der Ausschussberatungen haben Mitglieder des Ausschusses Formulierungsentwürfe für Verfassungstexte vorgelegt, die entweder Vorschläge verdeutlichen oder Beratungsergebnisse widerspiegeln sollten. Weitere Textvorschläge legten der Vorsitzende und der Präsident des RH als Diskussionsgrundlagen vor.

In ihrer abschließenden Sitzung erzielten die Ausschussmitglieder Konsens, diese Vorschläge für Teile einer neuen Verfassung dem Konvent vorzulegen, ohne jeweils im Einzelfall anzumerken, von wie vielen Ausschussmitgliedern der jeweilige Textentwurf mitgetragen wurde. (Siehe hiezu Seite 7 des Berichtes).

Die nachstehenden Formulierungsvorschläge gehen vom geltenden Text des Bundes-Verfassungsgesetzes aus. Die Textteile in magerer Schrift enthalten das geltende B-VG; die vorgeschlagenen Neuformulierungen sind fett gedruckten. In eckigen Klammern finden sich zusätzliche verfassungsgesetzliche Textvorschläge.

Artikel 19

Artikel 19 (1) Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen.

 

(2) Durch Bundesgesetz kann die Zulässigkeit der Betätigung der obersten Organe der Vollziehung des Bundes, der Länder und Gemeinden, der Mitglieder ihrer allgemeinen Vertretungskörper und von sonstigen öffentlichen Funktionären in der Privatwirtschaft oder einem anderen Beruf untersagt oder beschränkt werden. Solche Gesetze können auch die Rechte der freien Ausübung jedes Erwerbszweiges sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens und des Datenschutzes einschränken.

 

(3) Ist die entgeltliche Ausübung einer solchen Betätigung einem Organ gemäß Abs. 2 nicht durch Gesetz untersagt, darf sie so lange ausgeübt werden, als dies vom hiezu berufenen Ausschuss des zuständigen Vertretungskörpers nicht ausdrücklich wegen der Gefährdung der objektiven und unbeeinflussten Amtsführung untersagt wird. Die unentgeltliche Ausübung einer solchen Betätigung ist jedoch jedenfalls zulässig.

 

(4) Ist eine solche Betätigung einem Organ gemäß Abs. 2 durch Gesetz untersagt, so darf sie ausnahmsweise nur dann ausgeübt werden, wenn dies unentgeltlich erfolgt und nachdem dies vom hiezu berufenen Ausschuss des zuständigen Vertretungskörpers ausdrücklich genehmigt wurde, weil die Ausübung dieser Betätigung im Interesse einer Gebietskörperschaft liegt. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist in jedem Falle zulässig, sofern damit kein unmittelbarer oder mittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung von Unternehmungen, Stiftungen und Fonds verbunden ist.

 

(5) Entscheidungen gemäß Abs. 3 und 4 hat der hiezu berufene Ausschuss des Nationalrates, bei Mitgliedern des Bundesrates dessen zuständiger Ausschuss [jeweils mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen] zu fällen. Bei Organen der Länder und Gemeinden gemäß Abs. 2 obliegen diese Entscheidungen dem hiezu berufenen Ausschuss des jeweiligen Landtages. Diesen Ausschüssen haben Organe gemäß Abs. 2 auch solche Betätigungen sowie ihr Vermögen auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen mitzuteilen [der Inhalt dieser Mitteilungen ist zu veröffentlichen].

 

(6) Näheres regelt das Unvereinbarkeitsgesetz. Es darf vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Durch Landesverfassungsgesetz können weitere Einschränkungen solcher Betätigungen verfügt werden.

 

(7) Wenn Organe gemäß Abs. 2 entgegen der Entscheidung eines Ausschusses gemäß Abs. 5 eine derartige Betätigung ausüben, kann der zuständige Vertretungskörper beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag wegen Verletzung seines Beschlusses stellen. Im Falle einer untersagten Betätigung kann auch der Betroffene die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung des Ausschusses beim Verfassungsgerichtshof beantragen. Das Gesetz über die Geschäftsordnung des zuständigen Vertretungskörpers kann dessen Rechte auch einem seiner Ausschüsse übertragen. Der Verfassungsgerichtshof kann auf Aberkennung der Funktion erkennen oder sich bei geringfügigen Rechtsverletzungen auf die Feststellung beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.


Artikel 20 Abs. 3 und 4 lauten:

Variante 1:

(3) Die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben gegenüber Organen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit das Recht auf Auskunft und Information. Die Ausübung dieses Rechtes wird durch ein besonderes Gesetz geregelt, in dem insbesondere der Kreis der Auskunfts- und Informationspflichtigen näher festzulegen ist.

 

(4) Der Gesetzgeber kann für die Ausübung dieses Rechtes Bedingungen und Einschränkungen vorsehen, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, oder, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten oder ... notwendig sind.

Variante 2:

(3) Alle mit Aufgaben Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sowie mit Aufgaben der Gerichtsbarkeit betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechtes haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, sofern dies nicht auf Grund des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens oder des Datenschutzes unzulässig ist. Berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies nur insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird (Auskunftspflicht).

 

(4) Näheres bestimmt ein Bundesgesetz über die Auskunftspflicht. Dieses kann die Erteilung von Auskünften einschränken oder untersagen, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung, der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Auskünfte von Mitgliedern von obersten Organen einer Gebietskörperschaft gegenüber einem allgemeinen Vertretungskörper anzuwenden, der diese Organe bestellt hat; dies gilt auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und Bundesrat sowie für Bürgermeister, die gemäß Artikel 117 Abs. 6 letzter Halbsatz gewählt wurden.


Variante 3:

(3)Jede Person hat ein Recht auf Auskunftserteilung sowie Zugang zu den Dokumenten öffentlicher Einrichtungen. Dieses Recht kann durch Gesetz Einschränkungen unterworfen werden wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten.

Artikel 24

(2) Gesetzesbeschlüsse können auch durch Volksabstimmung zu Stande kommen, die über von mindestens 15 von Hundert aller Stimmberechtigten gestellte Anträge auf Erlassung von Bundesgesetzen (Volksbegehren) durchzuführen sind, wenn der Nationalrat keinen dem Ziel des Volksbegehrens entsprechenden Gesetzesbeschluss gefasst hat.

Derartige Anträge dürfen nicht Gegenstände betreffen, die

a)      nur verfassungsgesetzlich geregelt werden können, weil sie die Kompetenzen des Bundes überschreiten oder sonst gegen geltendes Bundesverfassungsrecht verstoßen,

b)      Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts widersprechen,

c)      gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen oder

d)      zu wesentlichen finanziellen Mehrbelastungen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden führen.

(3) Ob alle Voraussetzungen zur Durchführung einer Volksabstimmung gegeben sind, stellt der Verfassungsgerichtshof in einem Vorprüfungsverfahren fest. Das Nähere wird durch Bundesgesetz bestimmt.


Artikel 28

Artikel 28 (4) Bei Eröffnung einer neuen Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode werden die Arbeiten nach dem Stand fortgesetzt, in dem sie sich bei der Beendigung der letzten Tagung befunden haben. Wurden Volksbegehren (Artikel 41 Abs. 2) in einer Gesetzgebungsperiode im Nationalrat nicht abschließend beraten, so ist die Beratung in der nächstfolgenden Gesetzgebungsperiode fortzusetzen. Bei Beendigung einer Tagung können einzelne Ausschüsse vom Nationalrat beauftragt werden, ihre Arbeiten fortzusetzen.

Artikel 41

Artikel 41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Außer bei Gefahr im Verzug ist eine Vorlage der Bundesregierung vor der Übermittlung an den Nationalrat von jenem Mitglied der Bundesregierung einer allgemeinen Begutachtung zu unterziehen, das den Antrag zu ihrer Beschlussfassung in der Bundesregierung zu stellen hat. Jedermann hat das Recht, während der Begutachtung eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abzugeben.

 

(2) Jeder von 100 000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder gestellte Antrag (Volksbegehren) ist von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. Stimmberechtigt bei Volksbegehren ist, wer am letzten Tag des Eintragungszeitraums das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt und in einer Gemeinde des Bundesgebietes den Hauptwohnsitz hat.

 

Variante 1:

Das Volksbegehren muss eine Angelegenheit betreffen, die durch Bundesgesetz oder eine auf Grund eines solchen zu erlassende Verordnung zu regeln ist; es kann auch in Form eines Gesetzesantrages oder eines Entwurfes einer Verordnung gestellt werden. Die Teilnahme an Volksbegehren aus dem Ausland ist zu ermöglichen. Das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrats hat vorzusehen, dass dieser eine Debatte über jedes Volksbegehren durchzuführen hat; erfolgt nach Schluss dieser Debatte kein Beschluss über ein Bundesgesetz, das den Zielen des Volksbegehrens entspricht, hat der Nationalrat über dieses selbst abzustimmen.


Variante 2:

Das Volksbegehren muss eine Angelegenheit der Bundesgesetzgebung, der Bundesvollziehung, der Mitwirkung des Nationalrates an Vorhaben der Europäischen Union (Artikel 23e) oder die Genehmigung von Staatsverträgen (Artikel 50) betreffen. Die Teilnahme an Volksbegehren im Ausland ist zu ermöglichen. Das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates hat vorzusehen, dass dieser eine Debatte über jedes Volksbegehren durchzuführen hat. Erfolgt nach Schluss dieser Debatte kein dem Volksbegehren entsprechender Beschluss über ein Bundesgesetz oder fasst der Nationalrat keine entsprechende Entschließung nach Artikel 52 Abs. 1 oder eine entsprechende Stellungnahme nach Artikel 23e Abs. 2, so hat der Nationalrat über das Volksbegehren selbst abzustimmen.

Artikel 43

Artikel 43 (2) Ein Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist auch dann einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn 100.000 Stimmberechtigte dies innerhalb von acht Wochen nach Fassung des Gesetzesbeschlusses verlangen.

Artikel 44

Artikel 44 (4) Auf Antrag der Bundesregierung hat der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden, ob ein Gesetzesentwurf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen würde und daher einer Abstimmung gemäß Abs. 1 zu unterziehen wäre. [Einen solchen Antrag kann auch der Bundesrat nach Debatte über die Erhebung eines Einspruches (Artikel 42 Abs. 2) oder der Bundespräsident vor der Beurkundung eines beschlossenen Bundesgesetzes (Artikel 47 Abs. 1) stellen].

Artikel 49b

Variante 1:

Artikel 49b. (1) Eine Volksbefragung kann nur Angelegenheiten von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung betreffen, die durch Bundesgesetz oder eine Verordnung auf Grund eines solchen zu regeln ist. Sie hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies auf Grund eines Antrages seiner Mitglieder oder der Bundesregierung nach Vorberatung im Hauptausschuss beschließt. [Eine Volksbefragung ist auch durchzuführen, wenn dies der Bundesrat nach Vorberatungen im Ausschuss beschließt.] Wahlen sowie sonstige Angelegenheiten, über die ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein.


Variante 2:

Artikel 49 b. (1) Eine Volksbefragung kann nur Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung oder der Bundesvollziehung betreffen, die von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung sind.. Sie hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies auf Grund eines Antrages seiner Mitglieder oder der Bundesregierung nach Vorberatung im Hauptausschuss beschließt. Eine Volksbefragung ist auch durchzuführen, wenn dies von 100.000 Stimmberechtigten verlangt wird. Wahlen sowie sonstige Angelegenheiten, über die ein Gericht zu entscheiden hat, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein.

Artikel 52

Artikel 52 (1) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben. Dieses Recht erstreckt sich auch auf Unternehmungen an denen der Bund beteiligt ist oder die er in vergleichbarer Weise beherrscht.

 

(2) Jedes Mitglied des Nationalrates und des Bundesrates ist befugt, in den Sitzungen des Nationalrates oder des Bundesrates kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder der Bundesregierung zu richten.

 

(3) Fragerechte gemäß Abs. 1 und 2 bestehen hinsichtlich aller Gegenstände der Vollziehung des Bundes. Dazu gehören alle Regierungsakte, alle Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung, der Verwaltung als Trägers von Privatrechten sowie der in Abs. 1 genannten Unternehmungen. Widerspricht die Erteilung einer gewünschten Auskunft dem Recht auf Datenschutz oder auf Achtung des Privat- und Familienlebens [wegen der gegebenen Öffentlichkeit der Auskunft] oder ist die Beantwortung unmöglich, so hat der Befragte die unterlassene Beantwortung zu begründen.

(4) Die nähere Regelung hinsichtlich der Rechte gemäß Abs. 1 bis 3 wird durch das Bundesgesetz betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates sowie die Geschäftsordnung des Bundesrates getroffen.

 

Artikel 52b Abs. 1

Artikel 52b. (1) Zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges in einer der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgebarung wählt der Ausschuss gemäß Art. 126d Abs.. 2 einen ständigen Unterausschuss. Diesem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates hat vorzusehen, dass auch mindestens einem Viertel der Abgeordneten des Nationalrates das Recht zukommt, die Überprüfung einer solchen Angelegenheit der Bundesgebarung unter den dort zu regelnden Voraussetzungen zu verlangen.

Variante 1: Führt der Unterausschuss eine Überprüfung auf Grund eines solchen Verlangens durch, so darf ein neuerliches Verlangen erst gestellt werden, wenn dieser seine Überprüfungen auf Grund eines solchen Verlangens abgeschlossen hat.

Variante 2: Sie kann die Zahl der gleichzeitig auf Grund eines solchen Verlangens durchgeführten Überprüfungen beschränken.

(2) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

 

(3) Alle Ämter haben diesem Unterausschuss auf Verlangen ihre Akten vorzulegen.

Artikel 52c

(1) Zur Kontrolle von Unternehmen, an denen der Bund mindestens 25% der Anteile besitzt oder die der Bund durch finanzielle, wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht, wählt der zuständige Ausschuss des Nationalrates einen ständigen Unterausschuss. Dem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Der Unterausschuss ist unter Angabe des Untersuchungsgegenstandes einzuberufen, wenn dies ein Drittel der Mitglieder verlangt.

 

(2) Der ständige Unterausschuss ist befugt, von den Vorstandsmitgliedern sowie vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Aufsichtsrates der in Abs.1 genannten Unternehmen Auskünfte über die Geschäftsführung und die Lage dieser Unternehmen sowie die im Vorstand oder Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse zu verlangen. Die Vorstandsmitglieder und der Präsident bzw. die Präsidentin des Aufsichtsrates solcher Unternehmen sind verpflichtet, dem ständigen Unterausschuss unbeschränkt Auskünfte zu erteilen. Die Berichterstattung hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen.

 

(3) Die Mitglieder des Unterausschusses haben über von den Auskunftspersonen als vertraulich bezeichnete Angaben Stillschweigen zu bewahren, sofern nicht das öffentliche Interesse eine Offenlegung von Tatsachen rechtfertigt. Im Fall einer ungerechtfertigten Offenlegung von vertraulichen Angaben haften die Mitglieder des Unterausschusses dem Unternehmen nach § 84 AktG. Als vertraulich dürfen von den Auskunftspersonen nur jene Angaben bezeichnet werden, bei denen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen bei Bekanntwerden ein erheblicher Nachteil zugefügt würde.


Artikel 53

Artikel 53 (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss oder durch Verlangen eines Drittels [Viertels] seiner Mitglieder Untersuchungsausschüsse einzusetzen.

 

Artikel 55 Abs. 6

(6) Der Hauptausschuss kann durch Beschluss ein Mitglied der Bundesregierung beauftragen, ihm einen Bericht über eine in einer internationalen Organisation beratenen Frage und die Haltung der Vertreter Österreichs hiezu zu erstatten. Näheres bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, das insbesondere vorzusehen hat, dass über einen solchen Bericht eine Debatte im Hauptausschuss stattzufinden hat.

 

Artikel 57

Artikel 57 (1) Die Mitglieder des Nationalrates dürfen wegen der in Ausübung ihres Mandates geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in Ausübung des Mandates gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden (parlamentarische Immunität).

(2) Die Mitglieder des Nationalrates dürfen wegen einer strafbaren Handlung - den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens ausgenommen - nur mit Zustimmung des Nationalrates verhaftet werden. Desgleichen bedürfen Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Nationalrates der Zustimmung des Nationalrates (außerparlamentarische Immunität).

 

(3) Ansonsten dürfen Mitglieder des Nationalrates ohne Zustimmung des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht. Ihr ist eine Handlung jedenfalls dann zuzuordnen, wenn sie unmittelbar der Mitwirkung an der politischen Willenbildung dient. Die Behörde hat jedoch eine Entscheidung des Nationalrates über das Vorliegen eines solchen Zusammenhanges einzuholen, wenn dies der betreffende Abgeordnete oder ein Drittel der Mitglieder des mit diesen Angelegenheiten betrauten ständigen Ausschusses verlangt. Im Falle eines solchen Verlangens hat jede behördliche Verfolgungshandlung sofort zu unterbleiben oder ist eine solche abzubrechen (außerparlamentarische Immunität).

(4) Die Zustimmung des Nationalrates gilt in allen Fällen als erteilt, wenn der Nationalrat über ein entsprechendes Ersuchen der zur Verfolgung berufenen Behörde nicht innerhalb von acht Wochen entschieden hat; zum Zweck der rechtzeitigen Beschlussfassung des Nationalrates hat der Präsident ein solches Ersuchen spätestens am vorletzten Tag dieser Frist zur Abstimmung zu stellen. Die tagungsfreie Zeit wird in diese Frist nicht eingerechnet.

 

(5) Im Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens hat die Behörde dem Präsidenten des Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekannt zu geben. Wenn es der Nationalrat oder in der tagungsfreien Zeit der mit diesen Angelegenheiten betraute ständige Ausschuss verlangt, muss die Haft aufgehoben oder die Verfolgung überhaupt unterlassen werden.

 

(6) Die Immunität der Abgeordneten endigt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Nationalrates, bei Organen des Nationalrates, deren Funktion über diesen Zeitpunkt hinausgeht, mit dem Erlöschen dieser Funktion.

 

(7) Die näheren Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates; es kann Rechte gemäß Abs. 1 auch Personen zuerkennen, die gemäß diesem Bundesgesetz berechtigt sind, vor dem Nationalrat das Wort zu ergreifen.

 

Artikel 58

(1) Die Mitglieder des Bundesrates genießen während der ganzen Dauer ihrer Funktion die Immunität von Mitgliedern des Nationalrates gemäß Artikel 57; die dort vorgesehenen Entscheidungen trifft der Bundesrat selbst.

 

(2) Die näheren Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung des Bundesrates unter sinngemäßer Anwendung von Artikel 57.

 

Artikel 63

Artikel 63 (1) Für den Bundespräsident gilt Artikel 57 Abs. 2 bis 7 sinngemäß.

(2) Die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung oder Verhaftung des Bundespräsidenten oder zu einer Hausdurchsuchung bei ihm ist von der zuständigen Behörde beim Nationalrat zu stellen, der beschließt, ob die Bundesversammlung damit zu befassen ist. Spricht sich der Nationalrat dafür aus, hat der Bundeskanzler die Bundesversammlung sofort einzuberufen. Die behördliche Verfolgung, Verhaftung oder Hausdurchsuchung ist nur zulässig, nachdem die Bundesversammlung ihr zugestimmt hat.

 

Artikel 96 Abs. 1

(1) Die Immunität der Mitglieder von Landtagen wird durch Landesverfassungsgesetz geregelt; es darf deren Rechte im Vergleich zu der den Mitgliedern des Nationalrates zustehenden Immunität (Artikel 57) einschränken, nicht jedoch ausweiten.


Artikel 98 Abs. 5

Variante 1:

Artikel 98 "(5) Die Landtage sind befugt, die Geschäftsführung der von ihm gewählten Landesregierungen zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Landesverfassung bestimmt, inwieweit diese Rechte auch einem oder einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Landestages zukommen (Minderheitsrechte). Die Landesverfassung hat auch Bestimmungen zu enthalten, in welcher Weise die Landtage befugt sind, ihre Wünsche über die Ausübung der Landesvollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

Variante 2:

Artikel 98 "(5) Die Landesverfassung bestimmt, in welcher Weise der Landtag die von ihm gewählte Landesregierung überprüft, ihre Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung befragt und inwieweit diese Rechte auch einem oder einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Landestages zukommt (Minderheitsrechte). Die Landesverfassung hat auch Bestimmungen zu enthalten, in welcher Weise die Landtage befugt sind, ihre Wünsche über die Ausübung der Landesvollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

Variante 3:

Artikel 98 (5) Die Landtage sind befugt, die Geschäftsführung der von ihnen gewählten Landesregierungen zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung, insbesondere auch über Gegenstände der mittelbaren Bundesvollziehung, zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Diese Rechte kommen jedenfalls auch Mitgliedern von Minderheitsfraktionen zu. Die Landtage sind außerdem befugt, die Landesregierung und ihre Mitglieder im Wege von Entschließungen zu einem bestimmten Verwaltungshandeln anzuhalten.


Artikel 99

Artikel 99 (1) Die durch Landesverfassungsgesetz zu erlassende Landesverfassung kann, insoweit dadurch die Bundesverfassung nicht berührt wird, durch Landesverfassungsgesetz abgeändert werden. Sie kann vorsehen, dass die zum Landtag Wahlberechtigten unmittelbar an der Landesgesetzgebung mitwirken können.

 

Artikel 99 Abs. 3

(3) Die Landesverfassung hat auch Bestimmungen zu enthalten, die jener über Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen vergleichbar sind. [Sie kann auch in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung Volksbegehren an den Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau vorsehen. Ein effektiver Rechtsschutz ist sicherzustellen.]

 

Artikel 117

Artikel 117 (4) Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, sofern der Gemeinderat nicht ausnahmsweise anderes beschließt. Solche Ausnahmen sind nur aus den in Artikel 20 Abs. 3 genannten Gründen zulässig. Wenn der Gemeindevoranschlag, der Gemeinderechnungsabschluss oder ein Bericht des Rechnungshofes behandelt wird, darf die Öffentlichkeit jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

 

Artikel 117 Abs. 9

Artikel 117 (9) Die das Gemeinderecht regelnden Landesgesetze (Artikel 115 Abs. 2) haben in einer dem Artikel 52 vergleichbaren Weise Kontrollrechte des Gemeinderates gegenüber dem Gemeindevorstand (Stadtrat) und dem Bürgermeister zu enthalten. [Dabei ist sicherzustellen, dass diese Rechte jedenfalls auch Minderheitsfraktionen im Gemeinderat zustehen.]

 

Artikel 119a Abs. 2

(2) Das Land hat ferner das Recht, unbeschadet der durch Landesverfassungsgesetz vorzusehenden Rechte des Landesrechnungshofes, die Gebarung der Gemeinde auf ihre Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Bürgermeister zur Vorlage an den Gemeinderat zu übermitteln. Der Bürgermeister hat die auf Grund des Überprüfungsergebnisses getroffenen Maßnahmen innerhalb von drei Monaten der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.


Fünftes Hauptstück
Rechnungs- und Gebarungskontrolle

 

Artikel 121

(1)   Der Rechnungshof überprüft die Gebarung

des Bundes, der Länder, der Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern von Amts wegen, ansonsten nur auf begründetes Ersuchen der zuständigen Landesregierung, der Gemeindeverbände, der Träger der Sozialversicherung und anderer durch Gesetz bestimmter Rechtsträger;

von Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen von in Z. 1 genannten Rechtsträgern oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen von in Z. 1 genannten Rechtsträgern bestellt sind;

von Unternehmungen, an denen ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 % des Stamm–, Grund– oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt;

von Unternehmungen, die ein in Z. 1 genannter Rechtsträger allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht;

von Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z. 3 oder 4 vorliegen;

von Rechtsträgern hinsichtlich jener Mittel, die ihnen von Rechtsträgern gemäß Z. 1 oder von der Europäischen Union zur Erfüllung bestimmter Zwecke zur Verfügung gestellt wurden.

(2)   Die Überprüfung des Rechnungshofes gemäß Abs. 1 hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu erstrecken; sie umfasst jedoch nicht die für die Gebarung maßgebenden Beschlüsse der verfassungsmäßig zuständigen Vertretungskörper. In den Fällen des Abs. 1 Z. 6 überprüft der Rechnungshof auch die auftrags- und widmungsgemäße Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel.

(3)   Der Rechnungshof überprüft die Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen. Dabei hat sich die Überprüfung auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner auf die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Gebarung zu erstrecken; sie umfasst jedoch nicht die für die Gebarung in Wahrnehmung der Aufgaben als Interessenvertretung maßgeblichen Beschlüsse der zuständigen Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.


Artikel 122

Der Rechnungshof verfasst den Bundesrechnungsabschluss und legt ihn dem Nationalrat vor.

 

Artikel 123

Alle Urkunden über Finanzschulden des Bundes sind, soweit sich aus ihnen eine Verpflichtung des Bundes ergibt, vom Präsidenten des Rechnungshofes gegenzuzeichnen. Die Gegenzeichnung gewährleistet lediglich die Gesetzmäßigkeit der Schuldaufnahme und die ordnungsmäßige Eintragung in das Hauptbuch der Staatsschuld.

 

Artikel 124

Der Rechnungshof hat bei Unternehmungen und Einrichtungen, die seiner Kontrolle unterliegen und für die eine Berichterstattungspflicht an den Nationalrat besteht, jedes zweite Jahr die durchschnittlichen Einkommen einschließlich aller Sozial– und Sachleistungen sowie zusätzliche Leistungen für Pensionen von Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates sowie aller Beschäftigten durch Einholung von Auskünften bei diesen Unternehmungen und Einrichtungen zu erheben und darüber dem Nationalrat zu berichten.

 

Artikel 125

(1)   Der Rechnungshof untersteht unmittelbar dem Nationalrat. Er ist in Angelegenheiten der Bundesgebarung und der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, soweit sie in die Vollziehung des Bundes fallen, als Organ des Nationalrates, in Angelegenheiten der Länder–, Gemeindeverbände– und Gemeindegebarung sowie der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, soweit sie in die Vollziehung der Länder fallen, als Organ des betreffenden Landtages tätig.

(2)   Der Rechnungshof ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen unabhängig und nur den Bestimmungen des Gesetzes unterworfen.

 

Artikel 126

(1)   Der Rechnungshof besteht aus einem Präsidenten und den erforderlichen Beamten und Hilfskräften.

(2)   Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat [von der Bundesversammlung] für eine Funktionsperiode von zwölf Jahren gewählt; eine Wiederwahl ist unzulässig. Er leistet vor Antritt seines Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung.

(3)   Der Präsident des Rechnungshofes darf keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören und in den letzten vier Jahren nicht Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung gewesen sein. Der Präsident des Rechnungshofes ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung oder den Mitgliedern der in Betracht kommenden Landesregierung gleichgestellt, je nachdem der Rechnungshof als Organ des Nationalrates oder eines Landtages tätig ist.


Variante 1:

Der Präsident des Rechnungshofes kann durch Beschluss des Nationalrates abberufen werden.

 

Variante 2:

(5)   Der Präsident des Rechnungshofes kann von der Bundesversammlung jederzeit mit einer Mehrheit von zwei Dritteln abgewählt werden.

(6)   Der Präsident des Rechnungshofes wird im Falle seiner Verhinderung vom rangältesten Beamten des Rechnungshofes vertreten. Dies gilt auch, wenn das Amt des Präsidenten erledigt ist.

(7)   Im Falle der Stellvertretung des Präsidenten gelten für den Stellvertreter die Bestimmungen des Abs. 4.

 

Artikel 127

(1)   Die Beamten des Rechnungshofes ernennt auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Präsidenten des Rechnungshofes der Bundespräsident; das Gleiche gilt für die Verleihung der Amtstitel. Doch kann der Bundespräsident den Präsidenten des Rechnungshofes ermächtigen, Beamte bestimmter Kategorien zu ernennen.

(2)   Die Hilfskräfte ernennt der Präsident des Rechnungshofes.

(3)   Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den beim Rechnungshof Bediensteten wird vom Präsidenten des Rechnungshofes ausgeübt.

 

Artikel 127a

Kein Mitglied des Rechnungshofes darf an der Leitung und Verwaltung von Unternehmungen beteiligt sein, die der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen. Ebenso wenig darf ein Mitglied des Rechnungshofes an der Leitung und Verwaltung sonstiger auf Gewinn gerichteter Unternehmungen teilnehmen.

 

Artikel 127b

(1) Entstehen zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder des Rechnungshofes der Verfassungsgerichtshof. Alle Rechtsträger sind verpflichtet, entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes eine Überprüfung durch den Rechnungshof zu ermöglichen. Die Exekution dieser Verpflichtung wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt. Das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.

(2) Bei solchen Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung von landesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen die die Zuständigkeit eines Landesrechnungshofes regeln, ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Der Antrag an den Verfassungsgerichtshof ist von der Landesregierung oder dem Landesrechnungshof zu stellen. Das Verfahren wird durch Bundesgesetz geregelt.


Artikel 127c

(1)   Der Rechnungshof hat auf Beschluss des Nationalrates oder auf Verlangen von Mitgliedern des Nationalrates in seinen Wirkungsbereich fallende besondere Akte der Gebarungsüberprüfung durchzuführen. Die nähere Regelung wird durch das Bundesgesetz Über die Geschäftsordnung des Nationalrates getroffen. Desgleichen hat der Rechnungshof auf begründetes Ersuchen der Bundesregierung oder eines Bundesministers solche Akte durchzuführen.

(2)   Der Rechnungshof hat auf Beschluss des Landtages oder auf Verlangen einer durch Landesverfassungsgesetz zu bestimmenden Anzahl von Mitgliedern eines Landtages, die ein Drittel nicht übersteigen darf, in seinen Wirkungsbereich fallende besondere Akte der Gebarungsprüfung durchzuführen. Solange der Rechnungshof aufgrund eines solchen Antrages dem Landtag noch keinen Bericht erstattet hat, darf ein weiterer derartiger Antrag nicht gestellt werden. Desgleichen hat der Rechnungshof auf begründetes Ersuchen der Landesregierung solche Akte durchzuführen.

 

Artikel 127d

(1)   Der Rechnungshof erstattet dem Nationalrat, dem Landtag und dem Gemeinderat über seine Tätigkeit im vorausgegangenen Jahr, soweit sie sich auf die betreffende Gebietskörperschaft bezieht, spätestens bis 31. Dezember jeden Jahres Bericht.

(2)   Überdies kann der Rechnungshof dem Nationalrat und dem Landtag über einzelne Wahrnehmungen jederzeit berichten.

(3)   Die Berichte des Rechnungshofes sind nach Vorlage an den Nationalrat, an den Landtag oder an den Gemeinderat zu veröffentlichen.

 

Artikel 127e

(1)   Die Bestimmungen über die Kontrolle der Gebarung im Bereich der Länder gelten auch für die Überprüfung der Gebarung der Stadt Wien, wobei an die Stelle des Landtages der Gemeinderat und an der Stelle der Landesregierung der Stadtsenat tritt.

(2)   Die für die Überprüfung der Gebarung der Gemeinden geltenden Bestimmungen sind bei der Überprüfung der Gebarung der Gemeindeverbände sinngemäß anzuwenden.

 

Artikel 127f

Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Tätigkeit des Rechnungshofes werden durch Bundesgesetz getroffen.


Artikel 127g

Schaffen die Länder für ihren Bereich dem Rechnungshof gleichartige Einrichtungen, so kann durch Landesverfassungsgesetz eine dem Art. 127b Abs. 1 erster Satz entsprechende Regelung getroffen werden. Art. 127b Abs. 1  zweiter Satz gilt auch in diesem Fall.

 

Artikel 138b

"Artikel 138b. Der Verfassungsgerichtshof erkennt in Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Rechten, die den obersten Organen des Bundes auf Grund dieses Bundesgesetzes oder den Geschäftsordnungen dieser Organe zukommen. Enthalten diese auch Rechte von Minderheiten in oberster Kollegialorgane, so haben auch diese ein Recht auf Antragsstellung beim Verfassungsgerichtshofes.

 

Artikel 141

Artikel 141 (3) Unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen oder Volksabstimmungen zu entscheiden hat, wird durch Bundesgesetz geregelt. Durch dieses ist auch zu regeln, unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof das Ergebnis von Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen in den Ländern und Gemeinden angefochten werden können. Bundesgesetzlich kann auch angeordnet werden, wie lang im Hinblick auf eine solche Anfechtungsmöglichkeit mit der Kundmachung des Bundesgesetzes, über das eine Volksabstimmung erfolgte, zugewartet werden muss.

 

Artikel 148a

Artikel 148a (1) Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstände bei der Vollziehung von Bundesgesetzen einschließlich der Tätigkeit des Bundes als Träger von Privatrechten beschweren, sofern er von diesen Missständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede solche Beschwerde ist von der Volksanwaltschaft zu prüfen. Dem Beschwerdeführer sind das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen mitzuteilen.

(2) Der Prüfung der Volksanwaltschaft unterliegen auch Rechtsträger im Sinne des Artikel 126b B-VG.

 

(3) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr vermutete Missstände in der Vollziehung von Bundesgesetzen einschließlich der Tätigkeit des Bundes als Träger von Privatrechten von Amts wegen zu prüfen. Diese Prüfungsbefugnis umfasst auch die Tätigkeit der in Artikel 126b B-VG genannten Rechtsträger.

 

(4) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt die Volksanwaltschaft mit der Prüfung von Missständen in der Verwaltung zu betrauen. Näheres bestimmen das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates und des Bundesrates.

 

(5) Der Volksanwaltschaft obliegt ferner die Mitwirkung der an den Nationalrat gerichteten Petitionen und Bürgerinitiativen zu betrauen. Näheres bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

 

(6) Die Volksanwaltschaft ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig.

 

Artikel 148b Abs. 1

Artikel 148b (1) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbänden sowie anderer Körperschaften öffentlichen Rechts und die Organe der in Artikel 148a Abs. 2 genannten Rechtsträger haben die Volksanwaltschaft bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen, ihr Akteneinsicht zu gewähren und auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie Prüfungshandlungen der Volksanwaltschaft an Ort und Stelle zu ermöglichen. Diese Organe werden dabei in Vollziehung der Gesetze tätig. Die von der Volksanwaltschaft um Unterstützung angesprochenen Rechtsträger haben diesem Ersuchen innerhalb einer über begründetes Ersuchen erstreckbaren Frist von fünf Wochen zu entsprechen. Amtsverschwiegenheit und das Recht auf Datenschutz besteht nicht gegenüber der Volksanwaltschaft.

 

(2) Die Volksanwaltschaft unterliegt der Verschwiegenheit im gleichen Umfang wie das Organ, an das die Volksanwaltschaft in Erfüllung ihrer Aufgaben herangetreten ist. Bei der Erstattung der Berichte an den Nationalrat ist die Volksanwaltschaft zur Wahrung der Verschwiegenheit aber nur insoweit verpflichtet, als dies im Interesse der Parteien oder der nationalen Sicherheit geboten ist.

Artikel 148c

Artikel 148c (1) Die Volksanwaltschaft kann den mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes betrauten Organen Empfehlungen für die in einem bestimmten Fall oder aus Anlass eines bestimmten Falles zu treffenden Maßnahmen erteilen. In Angelegenheiten der Selbstverwaltung oder der Verwaltung durch weisungsfreie Behörden kann die Volksanwaltschaft dem zuständigen Organ der Selbstverwaltung oder der weisungsfreien Behörde Empfehlungen erteilen; derartige Empfehlungen sind auch dem obersten Verwaltungsorgan des Bundes zur Kenntnis zu bringen. Das betreffende Organ hat dieser Empfehlung innerhalb einer über begründetes Ersuchen erstreckbaren Frist von fünf Wochen entweder zu entsprechen und dies der Volksanwaltschaft mitzuteilen oder schriftlich zu begründen, warum der Empfehlung nicht entsprochen wurde.

(2) Gegenüber Organen der in Artikel 148a Abs. 2 genannten Rechtsträger hat die Volksanwaltschaft vor Aufnahme in einen Bericht an den Nationalrat und Bundesrat das Ergebnis ihres Prüfungsverfahrens festzustellen.

 

(3) Die Volksanwaltschaft kann bei Verzögerungen eines gerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens vor einem Tribunal im Sinne des Artikel 6 Abs.1 der Europäischen Menschenrechtskonvention dem zuständigen Organ empfehlen, die entsprechenden Verfahrenshandlungen vorzunehmen, und die Einleitung eines Disziplinarverfahrens anregen. Im Übrigen gilt Abs.1 sinngemäß.

 

(4) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt gegen Entscheidungen eines Landesverwaltungsgerichtshofes oder eines Tribunals im Sinne des Artikel 6 Abs.1 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben (Amtsbeschwerde), und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begehren. Im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, verjähren Ersatzansprüche gemäß Artikel 23 Abs. 1 B-VG jedenfalls nicht vor Ablauf eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes.

 

Artikel 148d

Artikel 148d (1) Die Volksanwaltschaft hat dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten. In diesen Berichten kann die Volksanwaltschaft Anregungen zur Änderung von Bundesgesetzen aufnehmen. Es bleibt der Volksanwaltschaft unbenommen, darüber hinaus auch weitere Berichte zu erstatten.

 

(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft haben das Recht, an den Verhandlungen über die Berichte der Volksanwaltschaft und die die Volksanwaltschaft betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes im Nationalrat teilzunehmen und auf ihr Verlangen jedes Mal gehört zu werden.

 

(3) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft haben das Recht, an allen Verhandlungen der Ausschüsse (Unterausschüsse) des Nationalrates und des Bundesrates, ausgenommen Untersuchungsausschüsse, teilzunehmen und zu den Wahrnehmungen aus ihrer Tätigkeit auf ihr Verlangen jedes Mal gehört zu werden. Die Ausschüsse (Unterausschüsse) des Nationalrates und des Bundesrates können die Anwesenheit von Mitgliedern der Volksanwaltschaft verlangen.

 

(4) Näheres bestimmen die Bundesgesetze über die Geschäftsordnung des Nationalrates und die Geschäftsordnung des Bundesrates.

 

Artikel 148e

Artikel 148e. Auf Antrag der Volksanwaltschaft in einem anhängigen Prüfungsverfahren erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen, sowie über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde. Der Verfassungsgerichtshof erkennt dabei auch über außer Kraft getretene Rechtsvorschriften.

 

Artikel 148f

Artikel 148f. Entstehen zwischen der Volksanwaltschaft und der Bundesregierung oder einem Bundesminister, einem Rechtsträger im Sinne des Artikel 148a Abs. 2 oder einem Gericht oder Tribunal im Sinne des Artikel 148c Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft regeln, so entscheidet auf Antrag der Bundesregierung, des zuständigen Organs eines Rechtsträgers, des Gerichtes oder Tribunals oder der Volksanwaltschaft der Verfassungsgerichtshof in nicht öffentlicher Verhandlung innerhalb von sechs Monaten.

 

Artikel 148g Abs. 1 bis 5

(1)   Die Volksanwaltschaft hat ihren Sitz in Wien. Sie besteht aus drei Mitgliedern, von denen jeweils eines den Vorsitz ausübt. Die Funktionsperiode beträgt sechs Jahre. Eine mehr als einmalige Wiederwahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft ist unzulässig.

 

Variante 1:

(2)   Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder, wobei die drei mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht haben, je ein Mitglied für diesen Gesamtvorschlag namhaft zu machen. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung.

 

Variante 2:

(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden von der Bundesversammlung auf Grund eines Ge

samtvorschlages des Hauptausschusses des Nationalrates in Anwesenheit von mindestens der Hälfte ihrer Mitglieder [mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen] gewählt. Der Hauptausschuss erstellt seinen Gesamtvorschlag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder, wobei die drei mandatsstärksten Parteien des Nationalrates das Recht haben, je ein Mitglied für diesen Gesamtvorschlag namhaft zu machen. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung.

(3) Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern in der Reihen

folge der Mandatsstärke der die Mitglieder namhaft machenden Parteien. Diese Reihenfolge wird während der Funktionsperiode der Volksanwaltschaft unverändert beibehalten.

(4) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft hat jene im Natio

nalrat vertretene Partei, die diese Mitglied namhaft gemacht hat, ein neues Mitglied namhaft zu machen. Die Neuwahl für den Rest der Funktionsperiode ist gemäß Abs. 2 durchzuführen.

(5) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft müssen zum Nationalrat wählbar sein; sie dürfen während    ihrer Amtstätigkeit weder der Bundesregierung noch einer Landesregierung noch einem allge

meinen Vertretungskörper angehören und keinen anderen Beruf ausüben.

 

Variante 3 zu Artikel 148g Abs. 1 bis 4

(1)   Die Volksanwaltschaft besteht aus einer Volksanwältin/einem Volksanwalt und den erforderlichen Bediensteten.

(2)   Die Volksanwältin/der Volksanwalt wird auf Vorschlag des Hauptausschusses des Nationalrats von der Bundesversammlung für eine Funktionsperiode von sechs Jahren gewählt. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.

Die Volksanwältin/der Volksanwalt kann von der Bundesversammlung jederzeit mit einer Mehrheit von zwei Dritteln abgewählt werden.

 

Artikel 148g Abs. 6

[Artikel 148g (6) Mitglieder der Volksanwaltschaft können durch Beschluss des Nationalrates [der Bundesversammlung] in Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner (ihrer) Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen abberufen werden.]

 

Artikel 148i

Artikel 148i. (1) Durch Landesverfassungsgesetz können die Länder die Volksanwaltschaft auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes, einschließlich der Kontrolle von Rechtsträgern im Sinne des Artikel 148a Abs. 2, für zuständig erklären. In diesem Falle sind die Bestimmungen dieses Hauptstückes sinngemäß anzuwenden. Besteht in einem Land keine Einrichtung gemäß Abs. 2, so gilt die Zuständigkeitserklärung als erteilt.

(2) Schaffen die Länder für den Bereich der Landesverwaltung Einrichtungen mit gleichartigen Aufgaben wie die Volksanwaltschaft, so kann durch Landesverfassungsgesetz eine den Artikel 148e und 148f entsprechende Regelung getroffen werden.

 

Artikel 148k bis q

Artikel 148k. (1) Der Bundesumweltanwaltschaft obliegt es, den Schutz der Umwelt in Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten wahrzunehmen, in denen die Gesetzgebung Bundessache ist.

(2) Die Bundesumweltanwaltschaft hat zu diesem Zweck in den genannten Angelegenheiten Parteistellung in Verwaltungsverfahren und ist zur Einleitung solcher Verfahren durch Antragstellung berechtigt, soweit ein solches Verfahren auch von Amts wegen eingeleitet werden könnte oder auf Antrag einer Partei einzuleiten wäre; sie ist ferner zur Erhebung von Beschwerden vor den Verwaltungsgerichten berechtigt. Inwieweit die Behörden die Bundesumweltanwaltschaft von der Einleitung eines Verfahrens oder von dessen Abschluss von Amts wegen zu verständigen haben, wird bundesgesetzlich geregelt.

(3) Der Bundesumweltanwalt kann seine Rechte in Verwaltungsverfahren in Einzelfällen oder für bestimmte Arten von Verfahren an den weisungsfreien Landesumweltanwalt übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden.

[Art 148e B-VG] Auf Antrag der Bundesumweltanwaltschaft erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Bundessache ist und soweit es sich um den Umweltschutz handelt.

Artikel 148l (1) [Art 148b Abs. 1 B-VG] Alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden haben die Bundesumweltanwaltschaft bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen, ihr Akteneinsicht zu gewähren und auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Amtsverschwiegenheit besteht nicht gegenüber der Bundesanwaltschaft.

(2) [Art 148b Abs. 2 B-VG] Die Bundesumweltanwaltschaft unterliegt der Amtsverschwiegenheit im gleichen Umfang wie das Organ, an das die Bundesumweltanwaltschaft in Erfüllung ihrer Aufgaben herangetreten ist. Bei der Erstattung der Berichte an den Nationalrat ist die Bundesumweltanwaltschaft zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit aber nur insoweit verpflichtet, als dies im Interesse der Parteien oder der nationalen Sicherheit geboten ist.

Artikel 148m. Die Bundesumweltanwaltschaft ist von der Bundesregierung und den Landesregierungen unabhängig und nur den Bestimmungen des Gesetzes unterworfen.

Artikel 148n. (1) Die Bundesumweltanwaltschaft hat ihren Sitz in Wien.

(2) Die Bundesumweltanwaltschaft besteht aus einem Bundesumweltanwalt und den erforderlichen Beamten und Hilfskräften. Sie ist mit den erforderlichen Sachmitteln auszustatten.

(3) Der Bundesumweltanwalt wird auf Vorschlag des Hauptausschusses, der zuvor die Umweltverbände anzuhören hat, vom Nationalrat für eine Funktionsperiode von sechs Jahren gewählt. Er leistet vor Antritt seines Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung.

(4) Der Bundesumweltanwalt kann durch Beschluss des Nationalrates abberufen werden.

Variante 1: (5) Der Bundesumweltanwalt darf keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören und in den letzten vier Jahren nicht Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung gewesen sein.

Variante 2: (5) [Art 148g Abs. 5 B-VG] Der Bundesumweltanwalt muss zum Nationalrat wählbar sein; er darf während seiner Amtstätigkeit weder der Bundesregierung noch einer Landesregierung noch einem allgemeinen Vertretungskörper angehören und keinen anderen Beruf ausüben.

(6) Der Bundesumweltanwalt wird im Falle seiner Verhinderung vom rangältesten Beamten der Bundesumweltanwaltschaft vertreten. Dies gilt auch, wenn das Amt des Bundesumweltanwaltes erledigt ist. Die Stellvertretung des Bundesumweltanwaltes im Nationalrat wird durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates bestimmt.

Artikel 148o. (1) Die Beamten der Bundesumweltanwaltschaft ernennt auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Bundesumweltanwaltes der Bundespräsident; das Gleiche gilt für die Verleihung von Amtstiteln. Der Bundespräsident kann jedoch den Bundesumweltanwalt ermächtigen, Beamte bestimmter Kategorien zu ernennen. Die Hilfskräfte ernennt der Bundesumweltanwalt. Der Bundesumweltanwalt ist insoweit oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus.

(2) Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den bei der Bundesumweltanwaltschaft  Bediensteten wird vom Bundesumweltanwalt ausgeübt.

Artikel 148p. Die Bundesumweltanwaltschaft hat dem Nationalrat jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten. Der Bundesumweltanwalt hat das Recht, an den Verhandlungen über die Berichte der Bundesumweltanwaltschaft und die die Bundesumweltanwaltschaft betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes im Nationalrat und in seinen Ausschüssen (Unterausschüssen) teilzunehmen und auf sein Verlangen jedes Mal gehört zu werden. Näheres bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

Artikel 148q. Nähere Bestimmungen zur Ausführung der Artikel 148k bis 148p sind bundesgesetzlich zu treffen.

Artikel 148r. Durch Landesgesetz sind Landesumweltanwaltschaften zum Schutz der Umwelt einzurichten. Diese Landesumweltanwaltschaften sind weisungsfrei. Sie sind so auszustatten, dass sie den gesetzlich auferlegten Aufgaben nachkommen können.



1)  Siehe insbesondere Art 59, Art 61 Abs 1, Art 92 Abs 2, Art 122 Abs 5, Art 129b Abs 4, Art 129c Abs 5, Art 134 Abs 4, Art 147 Abs 4, Art 148g Abs 5 B-VG

[1]    Vgl insb http://www.freedominfo.org .

[2]     Gesetz über die Information der Bevölkerung (Informationsgesetz) vom 2.11.1993, BSG 107.1.

[3]     Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg vom 10.3.1998, GVBl I Nr 4 vom 19.3.1998.

[4]     Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin, GVBl Nr 45 vom 15.10.1999.

[5]     Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein vom 9.2.2000, GVOBl 2000, 166.

[6]     Vgl dazu sowie zu einem alternativen Professorenentwurf Schoch/Kloepfer, Informationsfrei­heits­gesetz (2002).

[7]     Vgl http://www.ofj.admin.ch/themen/oeffprinzip/intro-d.htm . In mehreren Kantonen steht die Be­schluss­fassung bevor bzw wurde das Dokumentenzugangsrecht in die Kantonsverfassung auf­ge­nommen.

[8]     Gesetz Nr 94-1724 vom 11.4.1994 über die Offenlegung von Informationen durch die Verwaltung.

[9]     Gesetz Nr 621/99 über die Transparenz staatlichen Handelns.

[10]    Gesetz 2690/1999 (Verwaltungsverfahrensgesetz), dessen § 5 den Zugang zu Dokumenten des Staates, der Kommunen und öffentlich-rechtlicher Einrichtungen regelt.

[11]    Gesetz vom 31.10.1991 über den öffentlichen Zugang zu staatlichen Informationen.

[12]    Gesetz 65/93 vom 26.8.1993.

[13]    Kapitel 2 Pressefreiheitsgesetz von 1766 iVm Geheimhaltungsgesetz 1980, Nr 100.

[14]    Gesetz Nr 30 vom 26.11.1992 über die Vorschriften für die öffentliche Verwaltung und die Ver­wal­tungs­verfahren.

[15]    Gesetz Nr 572 vom 19.12.1985 über den Zugang zu Akten der öffentlichen Verwaltung.

[16]    Gesetz Nr 78-753 vom 17.7.1978 über die Verbesserung der Beziehungen zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit (Transpa­renz im Verwaltungsbereich) idF Gesetz 2000-321 vom 12.4.2000. Vgl außerdem Gesetz 2002-303 vom 4.3.2002 über den Zugang zu Krankenakten; sowie Gesetz Nr 78-17 vom 6.1.1978 über Datenverarbeitung, Akten und Freiheiten (betreffend den Zugang zu elek­tro­nisch gespeicherten Akten) sowie Gesetz Nr 79-18 vom 3.1.1979 über die Einsichtnahme in Archive.

[17]    Freedom of Information Bill.

[18]    Freedom of Information Act, Nr 13/1997.

[19]    Gesetz Nr 241 von 7.8.1990 über den Zugang zu Verwaltungsdokumenten.

[20]    http://www.europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgc/acc_doc/docs/compa_de.pdf .

[21]    Vgl etwa § 5 BundesberufungskommissionsG („die in Ausübung der Tätigkeit bekannt gewor­de­nen Um­stände“).

[22]    Vgl etwa § 82 ArzneimittelG; § 30 Abs 5 DatenschutzG 2000; § 12 Land- und forstwirtschaftliches Betriebs­infor­ma­tions­systemG; § 29 UmweltverträglichkeitsprüfungsG 2000.

[23]    Vgl etwa § 14 AusschreibungsG („Inhalt und Auswertung der Be­wer­bung“); § 51 GlücksspielG („Spieler und deren Ge­winn/ Verlust“).

[24]    So zB § 8 Europa-WählerevidenzG oder § 5 WählerevidenzG („Namen der Einspruchswerber“). Vgl auch § 19 Flug­un­fall-UntersuchungsG („im Interesse der Untersuchung“ statt „zur Vorbereitung der Ent­schei­dung“).

[25]    Wichtigstes Beispiel dafür ist die „Entbindung“ von Organwaltern von der Verschwiegenheitspflicht im Einzelfall. Vgl außer­dem § 13 Abs 1 AmtshaftungsG; § 11 Abs 1 OrganhaftpflichtG; § 46 Abs 3 und 5 Beam­ten-DienstrechtsG; § 33 Abs 3 und 5 Landeslehrer-DienstrechtsG; § 38 Abs 2 Bank­wesenG; § 14 Finanz­markt­aufsichtsbehördenG; § 30 Abs 5 Daten­schutzG 2000; § 33 Abs 3 Ge­halts­kassenG; § 59 Abs 7 Arbeiter­kammerG; § 46 TierärzteG; § 74 Abs 3 Ver­fas­sungs­gerichts­hofsG; § 23 Abs 7 VersicherungsaufsichtsG; § 69 Wirt­schaftskammerG; § 47 ZiviltechnikerG.

[26]    So zB § 8 Europa-WählerevidenzG oder § 5 WählerevidenzG; § 107 Abs 5 Beamten-Dienst­rechtsG (Ver­schwie­gen­heits­pflicht des Disziplinaranwalts). 

[27]    So zB §§ 46 Abs 1 und 66 Abs 1 Beamten-DienstrechtsG, §§ 33 Abs 1 und 42 Abs 1 Landeslehrer-Dienst­rechtsG, §§ 33 Abs 1 und 42 Abs 1 Land- und forstwirtschaftliches Landeslehrer-Dienst­rechtsG, § 5 Abs 1 Ver­tragsbedienstetenG, §§ 13 und 14 Finanz­marktaufsichtsbehördenG; § 4 Volks­­zäh­lungsG; § 69 Wirt­schafts­­kammerG.

[28]    Vgl etwa §§ 77 Abs 6 und 82 Abs 5 EisenbahnG („entsprechend Art 20 Abs 3 B-VG zur Verschwie­gen­heit verpflichtet“).

[29]    Vgl zB § 33 AbfallwirtschaftsG; § 5 AusfuhrförderungsG; § 15 AußenhandelsG; § 14 Austro Control GesmbH-G; §§ 31 und 31a BerufsausbildungsG; § 41 BewertungsG; § 28 Bewährungs­hilfeG; § 4 Boden­schätzungsG; § 17a Bundes­haus­haltsG; § 9 Chemiewaffenkonvention-DurchführungsG; § 44 DatenschutzG 2000; § 7 ElektrizitätsförderungsG; § 26 Ener­gielenkungsG; § 21 Fernwärme­för­derungsG; § 61 Gas­wirt­schaftsG; § 8 GewerbestrukturverbesserungsG; § 130 KraftfahrG; § 9 Pu­bli­zistik­förderungsG; § 7 RichtwertG; § 29 UmweltverträglichkeitsprüfungsG 2000.

[30]    Vgl etwa § 22 Agrarmarkt Austria-G; § 225m AktienG; § 3 Allgemeine Dienst­vorschrift für das Bun­desheer; § 16 Alt­lasten­sanie­rungsG; § 5 Arbeitsinspek­tionsG; § 115 Arbeits­verfassungsG; § 54 ÄrzteG; § 14 Austro Control GesmbH-G; § 38 Bank­wesenG; §§ 6 und 8 BetriebspensionsG; §§ 7a, 28 und 29 BewährungshilfeG; § 13 BlutsicherungsG; § 4 Bör­se­sensaleG; § 17 Bun­desrechen­zen­trum GmbH-G; § 17 BundesstatistikG; § 28 Energie-RegulierungsbehördenG; § 14 Ent­wick­lungs­zu­sammen­arbeitsG; § 12 Europäisches Patentüber­ein­kom­men; § 2 Familienberatungsförde­rungsG; § 14 Finanzmarktaufsicht­behör­denG; § 10 Genossen­schafts­revi­sionsG; § 71 Gen­tech­nikG; § 9 Gesundheits- und Er­näh­rungs­sicherheitsG; §§ 119 und 130 Ge­werbe­ord­nung; § 6 Ge­sundheits- und KrankenpflegeG; § 51 GlücksspielG; § 275 Han­dels­gesetzbuch; § 6 Haus­besor­gerG; § 2 Haus­gehilfen- und HausangestelltenG; § 7 HebammenG; § 9 Jugend­wohl­fahrtsG; § 8 Kardio­technikerG; § 37 National­bankG; § 37 Nota­riatsordnung; § 17 PatentanwaltsG; § 13 PreisG; § 14 Psycho­lo­genG; § 15 PsychotherpieG; § 9 Rechtsanwaltsordnung; § 9 RechtspraktikantenG; § 8 Sani­täterG; § 11 Sek­ten­fragenG; § 6 StärkeförderungsG; § 22 TabakmonopolG; § 42 Univer­si­tätsG 2002; § 91 Wirtschafts­treu­handberufsG.

[31]    Vgl etwa § 7 ElektrizitätsförderungsG; § 61 HeimarbeitsG; § 118 LandarbeitsG.

[32] Dieser Beschluss wird jeweils zu Beginn einer Wahlperiode vom Deutschen Bundestag übernommen.

[33] zuletzt geändert durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2002; Bekanntmachung vom 15. Juli 2002 (BGBl. I S. 3012)

[34] Die Grundsätze gemäß § 107 Abs. 2 werden vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode beschlossen, zuletzt geändert laut Beschluss vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 3012)